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Document 61965CC0003

    Verbundene Schlussanträge des Generalanwalts Roemer vom 4. November 1965.
    Société anonyme métallurgique d'Espérance-Longdoz gegen Hohe Behörde der EGKS.
    Rechtssache 3-65.
    Société anonyme métallurgique Hainaut-Sambre gegen Hohe Behörde der EGKS.
    Rechtssache 4-65.

    Englische Sonderausgabe 1965 01404

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1965:107

    Schlußanträge des Generalanwalts Herrn Karl Roemer

    vom 4. November 1965

    Gliederung

    Seite
     

    Einleitung (Sachverhalt, Anträge der Parteien)

     

    Rechtliche Würdigung

     

    I. Die Anfechtungsklagen

     

    1. Vorbemerkungen zu den Eigentumisvorbehalisklauseln

     

    a) von Espérance-Longdoz

     

    b) von Hainaut-Sambre

     

    2. Zur Gültigkeit eines Eigentunisvoibelialts an Abfallschrott nach belgischem Recht

     

    3. Zur Beachtlichkeit eines Eigentumsvorbehalts an Abfallschrott nach dem Gemeinschaftsrecht

     

    4. Zur Relevanz des in den Geschäftsbedingungen von Hainaut-Sambre verankerten Eigentumsvorbohalts

     

    5. Sind die allgemeinen Schrottentseheidungen vertragswidrig?

     

    a) Verletzung von Artikel 5 und 83 des Vertrages

     

    b) Verletzung des Diskriminierungsverbots

     

    6. Verletzung der Begründungspflicht

     

    7. Zur Zinsregelung der Entscheidung Nr. 7/61

     

    8. Zusammenfassung

     

    II. Die Schadensersatzklagen

     

    1. Nicht rechtzeitige Aufklärung der betroffenen Un ternehmen

     

    2. Zur Zusicherung der Beitragsfreiheit

     

    3. Zur Zinsenlast

     

    4. Zusammenfassung

     

    III. Schlußanträge

    Herr Präsident, meine Herren Richter!

    Kläger der beiden zum Zwecke der mündlichen Verhandlung und folglich für die Erstattung der Schlußanträge verbundenen Rechtssachen 3 und 4/65 sind belgische Stahlunternehmen. Sie produzieren Coils (so Hainaut-Sambre) oder Platinen und Coils (so Espérance-Longdoz), d.h. Halbfertigerzeugnisse, die zum Teil in eigenen Anlagen weiterverarbeitet werden, zum Teil in den Phenix-Works (für Espérance-Longdoz und Hainaut-Sambre) sowie in den Laminoirs de la Rochette (für Espérance-Longdoz allein). Mit diesen Abnehmern standen die Kläger nicht nur vor der Gründung des gemeinsamen Marktes, sondern auch während des Funktionierens der Schrottausgleichseinrichtung in vertraglichen Beziehungen, auf deren Einzelheiten wir nachher eingehen werden. Die Abmachungen sollen von der Art gewesen sein, daß sie mit Hilfe von Eigentumsvorbehaltsklauseln eine Rückgabe von bei Verarbeitung der Halbfertigerzeugnisse anfallendem Schrott an die Kläger sicherstellten. Die entsprechenden Schrottmengen wurden daher der Ausgleichskasse, die den Eigenschrott bekanntlich nicht erfaßte, als Eigenentfall der Kläger nicht gemeldet. Auch bei der ersten, im Jahre 1956 von der, Schweizerischen Treuhandgesellschaft für die Ausgleichskasse im Betrieb von Espérance-Longdoz durchgeführten Kontrolle kam es insofern nicht zu Beanstandungen, vielmehr soll von den Prüfern die beruhigende Zusicherung gegeben worden sein, der von dem Eigentumsvorbehalt erfaßte Schrott sei nicht meldepflichtig. Erst bei Kontrollen in den Jahren 1959 und 1960 wurde das Problem der Einbeziehung dieses Schrottes in die Ausgleichspflicht mit Deutlichkeit erkannt. Jedenfalls gelangte die Hohe Behörde zu der Auffassung, der bei der Verarbeitung der klägerischen Halbfertigerzeugnisse durch die Phenix-Works und die Laminoirs de la Rochette bei diesen anfallende Schrott sei trotz des Eigentumsvorbehalts als ausgleichspflichtiger Zukaufschrott anzusehen. Entsprechend waren die Ausgleichsabrechnungen gestaltet, die für die Kläger in der Form nichtangreifbarer Schreiben am 8. April 1963 erstellt wurden. Die seinerzeit von den Klägern erhobenen Einwendungen glaubte die Hohe Behörde nicht anerkennen zu können. Sie erließ daher untèr dem Datum des 13. November 1964 vollstreckbare Entscheidungen, in denen nach Einbeziehung der streitigen Schrottmengen in den . Ausgleich die Kläger zur Zahlung bestimmter Beiträge aufgefordert wurden.

    Gegen diese Entscheidungen richten sich in erster Linie die Anfechtungsklagen, die ich heute zu beurteilen habe. Nach den Anträgen der Kläger sollen die Entscheidungen vor allem deswegen annulliert werden, weil sie Eigenschrott erfassen, also aus Gründen, die sich im wesentlichen auf die rechtliche Relevanz ihrer Eigentumsvorbehaltsklauseln beziehen. Gleichzeitig haben die Kläger für den Fall, daß die angegriffenen Entscheidungen als rechtmäßig anerkannt werden sollten, Schadensersatzklagen eingebracht. In ihnen wird geltend gemacht, die Hohe Behörde habe durch Unterlassung rechtzeitiger Aufklärung über die Zulässigkeit eines Eigentumsvorbehalts im Schrottausgleich einen Amtsfehler begangen und sie sei verpflichtet, den Schaden zu ersetzen, der den Klägern entstanden sei durch Unterlassung anderer, die Vermeidung der Beitragspflicht bewirkender Dispositionen. Demnach soll die Hohe Behörde zur Zahlung bestimmter Schadensbeträge verurteilt werden, jeweils zusätzlich derjenigen Zinsen, welche sie selbst im Schrottausgleich verlangt.

    Alle diese Anträge hält die Hohe Behörde für unzulässig, in jedem Fall aber für unbegründet. Sie bittet entsprechend um Zurückweisung der Klagen.

    Rechtliche Würdigung

    I. Zu den Anfechtungsklagen

    1. Vorbemerkungen

    Da die Hauptklageanträge im wesentlichen auf rechtlichen Thesen zur Zulässigkeit und Relevanz eines Eigentumsvorbehaltes basieren, erscheint es angebracht, vorweg klarzustellen, welchen Formen dieses Vorbehaltes wir im vorliegenden Verfahren begegnen.

    Folgende Fälle sind auseinanderzuhalten:

    a)

    Espérance-Longdoz

    aa)

    An erster Stelle ist zu erwähnen ein langfristiger Vertrag über die Lieferung von Halbfertigerzeugnissen an Phenix-Works, der am 28. Dezember 1950 mit Wirkung vom 1. Januar 1961 für die Dauer von fünf Jahren abgeschlossen worden war. In ihm findet sich unter V. „Fourniture de mitrailles“ folgende Klausel: „La formule de prix établie à l'article III suppose que Phenix-Works livrera à Espérance-Longdoz, sous forme de bottes pressées et balles, une quantité de mitrailles égale à 25 % (vingt-cinq pour cent) du tonnage mensuel de largets et, en ce qui concerne les coils, un pourcentage à déterminer de commun accord après six mois de fonctionnement du contrat, du tonnage mensuel de coils fournis par Espérance-Longdoz.“

    Den im Rahmen dieses Vertrages abgeschlossenen Einzelgeschäften soll darüber hinaus jeweils in Verkaufsbestätigungen folgender Vorbehalt zugunsten von Espérance-Longdoz beigefügt worden sein: „Nous ne vous cédons que la matière nécessaire à votre produit fini et nous restons propriétaires de la mitraille qui résultera de votre travail.“

    bb)

    Dieser langfristige Vertrag wurde abgelöst durch eine am 6. September 1956 mit Wirkung vom 1. Januar 1956 für die Dauer von zehn Jahren getroffene Abmachung, in der sich unter VII. folgende Klausel findet: „Espérance-Longdoz désirant conserver la propriété des mitrailles résultant de la mise en œuvre par Phenix-Works des coils livrés, Phenix-Works s'engage à restituer mensuellement à Espérance-Longdoz un tonnage de mitrailles fixé forfaitairement à 10 % du poids des coils livrés par Espérance-Longdoz le mois précédant.“

    cc)

    Für die Absatzgeschäfte mit Laminoirs de la Rochette soll jeweils ein Vorbehalt gegolten haben, der in einigen uns vorgelegten Verkaufsbestätigungen wie folgt formuliert ist: „En ce qui concerne les mitrailles à provenir du traitement de notre acier, nous en conservons l'entière propriété.“

    b)

    Hainaut-Sambre

    aa)

    Zwischen der Gesellschaft Hainaut-Sambre und den Phenix-Works haben offenbar keine langfristigen Verträge bestanden. Die Frage des Eigentums an dem anfallenden Schrott soll hier jeweils für die einzelnen Geschäfte durch Verkaufsbestätigungen von Hainaut-Sambre mit folgender Klausel geregelt worden sein: „Nous nous réservons, dès la livraison, la propriété des déchets de fabrication.“

    bb)

    Außerdem hat die Klägerin Hainaut-Sambre hingewiesen auf ihre für alle Geschäfte gültigen Verkaufsbedingungen, in denen folgende Klausel enthalten ist: „Jusqu'à paiement effectif et intégral, la marchandise reste notre propriété.“

    Um nun den Streitkomplex zu entlasten von Auslegungs- und Tatfragen, auf die es möglicherweise für die Entscheidung nicht ankommt, werde ich im Hinblick auf die zitierten Klauseln ohne nähere Untersuchung folgenden Standpunkt einnehmen:

    Ich gehe davon aus, daß alle im vorliegenden Verfahren streitigen Einzelgeschäfte in irgendeiner Form, sei es durch Verkaufsbestätigungen oder anderweitige Bezugnahme, erfaßt wurden von Klauseln, die das Eigentum an dem anfallenden Schrott dem Verkäufer vorbehielten. Namentlich soll für die Beziehungen zwischen Espérance-Longdoz und Phenix-Works aus der Zeit vor 1956 nicht allein abgestellt werden auf den ersten langfristigen Vertrag, dessen Formulierungen kaum mit der nötigen Klarheit deutlich machen, daß tatsächlich ein Eigentumsvorbehalt an dem anfallenden Schrott beabsichtigt war.

    Was die Klägerin Hainaut-Sambre angeht, so soll weiterhin anerkannt werden, daß für alle ihre Geschäfte zusätzlich kraft einer Verweisung oder eines ständigen stillschweigenden Einvernehmens der in den allgemeinen Verkaufsbedingungen enthaltene Vorbehalt gegolten hat, das Eigentum an der verkauften Ware gehe erst mit der vollständigen Entrichtung des Kaufpreises auf den Käufer über.

    Schließlich mag angenommen werden, daß die Vertragsparteien mit allen zitierten Vorbehaltsklauseln tatsächlich eigentumsrechtliche Wirkungen beabsichtigt haben, daß ihr Geschäftswille also nicht lediglich gerichtet war auf die Begründung obligatorischer Ansprüche betreffend Rücklieferung bestimmter Schrottmengen.

    Von diesen Klarstellungen aus, die naturgemäß zum Teil die Form von Unterstellungen haben, werde ich jetzt versuchen, die wesentlichen Streitfragen des Prozesses zu behandeln.

    2. Zur Gültigkeit eines Eigentumsvorbehalts an Abfallschroll nach belgischem Recht

    Die Frage, ob die Vorbehaltsklauseln betreffend den Abfall-schrott (zum Vorbehalt des Eigentums bis zur Zahlung des Kaufpreises komme ich nachher) Rechtswirkungen auslösen konnten, und zwar dergestalt, daß an dem betreffenden Schrott von seiner Entstehung an nur Eigentumsrechte der Kläger bestanden, wurde von den Parteien vor allem im Licht des belgischen Zivilrechts abgehandelt. Ihnen auf dieses Terrain zu folgen, empfinde ich dieselbe Scheu, die mein früherer Kollege Lagrange hatte bei der Untersuchung entsprechender Rechtsfragen aus dem deutschen Recht in den Prozessen der Mannesmann AG und der Hoesch AG (Rechtssachen 19/61 und 20/61). Ich kann auch nicht sagen, daß meine Befangenheit völlig gewichen wäre nach der Lektüre der uns von Hainaut-Sambre vorgelegten Rechtsgutach ten bedeutender belgischer Gelehrter, denn diese Juristen kommen zwar zu derselben Schlußfolgerung, aber doch mit erheblich voneinander abweichenden Konstruktionen.

    Mein erster Eindruck beim Studium des belgischen Eigentumsrechts war der, daß die Regeln des Zuwachsrechts (der „accession“), nach dem sich nicht nur die Vereinigung mehrerer selbständiger Sachen bestimmt, sondern auch die Gewinnung von Produkten im Wege der Trennung einheitlicher Sachen, daß diese Regeln, mit deren Hilfe möglicherweise die Lösung unseres Problems gefunden werden muß, in weitem Umfang der Parteidisposition unterliegen (Artikel 3, 565 des Code civil belge). Offenbar gelten hierbei lediglich Grenzen, die von der Natur der Sache, „der équité naturelle“ bestimmt werden, so daß es — im Rahmen der technischen Möglichkeiten — gestattet zu sein scheint, an abtrennbaren und nach der wirtschaftlichen Erfahrung bestimmbaren Teilen einer einheitlichen Sache gesonderte Eigentumsrechte zu vereinbaren.

    Andererseits muß aber auch der Erkenntnis Raum gegeben werden, daß gewisse objektive Grenzen sich aus der Natur des Eigentumsrechts als eines ausschließlichen und absoluten Rechts ergeben, die mit Sicherheit die Einräumung gesonderter Eigentumsrechte an wesentlichen Bestandteilen, an unbestimmbaren Teilen einer einheitlichen Sache ausschließen. Deshalb verfechten die Kläger und ihre Rechtsberater letzten Endes nicht die These, der Eigentumsvorbehalt betreffend den anfallenden Schrott sichere den Verkäufern der Platinen und Coils trotz deren Übertragung auf die Käufer Eigentumsrechte an einem Teil dieser Waren. Es werden vielmehr andere Konstruktionen gesucht. Man sagt entweder, das Eigentumsrecht an den Platinen und Coils verbleibe bis zur Verarbeitung bei den Verkäufern, es werde allein die künftig entstehende Sache, das Fertigprodukt, verkauft, oder man geht von der Begründung eines Miteigentums zugunsten der Käufer des Halbzeugs aus, dessen Aufteilung nicht einen Eigentumsübergang zur Folge habe, oder aber man vertritt die Meinung, es werde zwar das Eigentum an den Platinen und Coils unmittelbar auf die Käufer übertragen, diese hätten aber von vornherein auf die Gewinnung der daraus entstehenden „Produkte“ (des Abfallschrotts) zu eigenem Recht verzichtet, was nach den Regeln des jus fruendi zulässig erscheine.

    Ohne damit belgischen Juristen gegenüber einen Mangel an Achtung zu beweisen, darf ich doch wohl bemerken, daß diese Konstruktionen zum Teil wenigstens gekünstelt wirken und kaum als eine sachgerechte Deutung des Parteiwillens angesehen werden können. Auch ist unbestreitbar, daß die zur Erläuterung des klägerischen Standpunkts angeführten Beispiele sich erheblich entfernen von den speziellen Merkmalen unseres Sachverhalts. Ich denke dabei an Illustrationsversuche anhand von Fällen, in denen getrennte Eigentumsrechte an qualitativ verschiedenen Teilen einer Sache entstehen sollen, während der Schrott, auf den sich im vorliegenden Fall der Eigentumsvorbehalt bezieht, einen gleichartigen, der Menge nach nur pauschal bestimmbaren Bestandteil der gelieferten Güter darstellt. Frappierend war immerhin, daß weder die Kläger noch ihre Rechtsberater aus der belgischen Rechtsprechung einen Fall zitieren konnten, der genau die Wesensmerkmale unseres Problems enthält. Die Behandlung des Abfallschrotts für die „taxe de transmission“ durch die belgische Steuerverwaltung dürfte jedenfalls ein zwingendes Präjudiz nicht darstellen, weil bekanntermaßen in allen Rechtsordnungen die steuerrechtlichen Begriffe eine an den wirtschaftlichen Notwendigkeiten orientierte Sonderexistenz führen, die sie mitunter erheblich von den entsprechenden Begriffen des bürgerlichen Rechts abhebt.

    Ich stelle deshalb zusammenfassend fest, daß ich mich zu einer exakten Beurteilung der Sachlage nach dem belgischen Zivilrecht nicht entschließen kann, daß aber doch erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des klägerischen Standpunkts zur Zulässigkeit von Eigentumsvorbehalten an Abfallschrott übrigbleiben. Diese Streitfragen völlig aufzuklären, dürfte indessen nicht Aufgabe unseres Gerichtshofes sein.

    3. Zur Beachtlichkeit eines Eigentumsvorbehalts an Abfallschrott nach dem Gemeinschaftsrecht

    Nach der bisherigen Rechtsprechung ist nämlich insoweit für die Beurteilung nicht das nationale Sachenrecht allein oder in erster Linie ausschlaggebend; vielmehr kommt es auf diejenigen Grundsätze an, die sich aus den Schrottgrundentscheidungen gewinnen lassen. So sind die Urteile zu verstehen, die der Gerichtshof in den Rechtssachen 19/61 und 20/61 gefällt hat.

    Um einen Punkt vorweg klarzustellen: Maßgeblich bleiben auch bei dieser Betrachtung Rechtsbegriffe. Es sind also nicht entscheidend für die Umgrenzung der Beitragspflicht rein tatsächliche Vorgänge (etwa die Überführung von Schrott aus einem Unternehmen in ein anderes), obgleich die Hohe Behörde im gegenwärtigen Verfahren Ansätze zu einer solchen These erkennen läßt und obgleich gewisse Teile der Begründung des Urteils Clabecq gegen Hohe Behörde dafür sprechen könnten.

    Aus den Urteilen 19/61 und 20/61 entnehmen wir, daß die Definition des Begriffs „Eigenentfall“ sich richtet nach den allgemeinen Prinzipien, die das Eigentumsrecht der sechs Mitgliedstaaten beherrschen (was die Anwendung einer ähnlichen Rechtsfindungsmethode bedeutet, wie sie in Artikel 215 Absatz 2 des EWG-Vertrags vorgezeichnet ist). Dies kann nicht den Sinn haben, eine Addition aller Eigentümlichkeiten der sechs Rechtsordnungen vorzunehmen, vielmehr sollen umgekehrt gewisse spezielle Nuancen und Feinheiten, die in dieser oder jener Eigentumsordnung anzutreffen sind, unberücksichtigt bleiben. Die dafür maßgeblichen Erwägungen sind leicht zu erkennen: Im Rahmen einer allen sechs Mitgliedstaaten gemeinsamen Einrichtung, die auf vollständigen Ausgleich zwischen den beteiligten Unternehmen abzielt, muß im Interesse der Gleichbehandlung aller Beteiligten die Aufbringung der für die Ausgleichseinrichtung notwendigen Summen an gemeinsame Begriffe angeknüpft werden. — In zweiter Linie waren vielleicht auch Überlegungen der Praktikabilität bedeutsam, Überlegungen, wie sie in anderen Urteilen zum Schrottausgleich mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit anklingen, die Ausgleichspflicht im Interesse der Rechtssicherheit an klare und einfache Begriffe zu knüpfen. Dies hat namentlich bei der Behandlung des Konzernschrottproblems eine Rolle gespielt.

    Aus den angegebenen Erwägungen haben die Urteile 19/61 und 20/61 einen Eigentumsvorbehalt an Abfallschrott ganz unabhängig von den Möglichkeiten, die das deutsche Recht läßt, für unbeachtlich erklärt, weil ein solcher Vorbehalt nach anderen Rechtsordnungen unzulässig erscheine. Mit diesen Urteilen wurden auch Konstruktionsversuche zurückgewiesen, die auf der Erwägung beruhten, der Eigentumsvorbehalt bringe die Absicht der Vertragspartner zum Ausdruck, erst das Fertigprodukt in das Eigentum der Käufer übergehen zu lassen, oder diese seien gemäß § 950 des Bürgerlichen Gesetzbuches als Verarbeiter für die Verkäufer tätig geworden.

    Genau denselben Sachverhalt haben wir jetzt zu beurteilen, worüber gewisse Abweichungen in der Formulierung der Vorbehaltsklauseln nicht hinweg täuschen dürfen, wie der Versuch, diejenige Menge Schrotts, die bei der Verarbeitung der verkauften Platinen und Coils erfahrungsgemäß anfiel, schon in den Kaufvertragen zu bestimmen. Eine solche pauschale Ermittlung des Gegenstands, auf den sich der Eigentumsvorbehalt erstreckt, wäre nämlich ohne Schwierigkeiten auch in den Rechtssachen 19/61 und 20/61 möglich gewesen.

    Mir erscheint es deshalb unerläßlich, die angeführte Rechtsprechung ohne Abstriche auf den vorliegenden Fall anzuwenden und ungeachtet der Möglichkeiten, die das belgische Recht im Hinblick auf die Einräumung eines Eigentumsvorbehalts läßt. D.h.: für den Ausgleichsmechanismus sind Klauseln unbeachtlich, mit denen das Eigentum an Abfallschrott den Verkäufern der Halbfertigfabrikate reserviert werden sollte. Die Übertragung des Eigentums an den verkauften Platinen und Coils, die auf Kosten und Risiko der Käufer verarbeitet wurden, bedeutet folglich auch die Überlassung des bei der Verarbeitung anfallenden Schrotts, so daß eine Rückgabe an die Verkäufer der Halbfertigfabrikate logischerweise als eine kauf ähnliche Transaktion verstanden werden muß, für welche die Beitragspflicht gilt.

    4. Zur Relevanz des in den allgemeinen Geschäftsbedingungen von Hainaut-Sambre verankerten Eigentumsvorbehalts

    Mit den bisherigen Bemerkungen ist noch nichts gesagt zu dem in den allgemeinen Verkaufsbedingungen von Hainaut-Sambre enthaltenen, andersartig konstruierten Vorbehalt, der dieser Klägerin das Eigentum an den abgetretenen Gütern bis zur, vollständigen Entrichtung des Kaufpreises sichern sollte. Bei ihm stellen sich, da er auf die ganze veräußerte Ware bezogen ist, nicht die soeben besprochenen Probleme der Abgrenzung von Teilen einer einheitlichen Sache oder der Entstehung besonderer Eigentumsrechte an Teilen einer Sache nach deren Trennung. Auch kann davon ausgegangen werden, daß seine Wirksamkeit in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten übereinstimmend anerkannt wird.

    Dennoch sind Schwierigkeiten für den Ausgleichsmechanismus nicht von der Hand zu weisen.

    Im wesentlichen beruht nämlich die Argumentation der Klägerin auf einer Kombination des Eigentumsvorbehalts an Abfallschrott mit dem jetzt zu behandelnden besonderen Vorbehalt und der Behauptung, die Zahlung des Kaufpreises sei stets nach der Verarbeitung der verkauften Produkte erfolgt, so daß im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs ohne weiteres ersichtlich gewesen sei, auf welche Gegenstände allein er sich bezogen habe.

    Demgegenüber ist einmal zu betonen, daß zwar Zahlungszeitpunkte ohne Schwierigkeiten ermittelt werden können, daß aber der genaue Nachweis der Verarbeitungszeitpunkte recht wohl problematisch ist. Wenn es aber für die These der Klägerin auf die genaue Kenntnis dieser Zeitpunkte ankommt, könnte die Ansicht vertreten werden, auch der erwähnte besondere Eigentumsvorbehalt müsse schon aus den bereits angeführten Gründen der Praktikabilität im Schrottausgleich außer Betracht bleiben.

    Noch bedeutsamer jedoch ist eine andere Überlegung. Wir haben vorhin gesehen, daß mit Rücksicht auf die Erfordernisse des Schrottausgleichs ein Eigentumsvorbehalt am Abfallschratt nicht berücksichtigt werden kann. Da aber nach der Argumentation der Klägerin der besondere Vorbehalt der allgemeinen Verkaufsbedingungen nur in Verbindung mit dem Eigentumsvorbehalt am Abfallschrott gesehen werden kann, muß bei dessen Unbeachtlichkeit das Zusammenspiel der beiden Klauseln insgesamt gestört sein. Mit anderen Worten: Die Nichtberücksichtigung der zuletzt genannten Klausel im Schrottausgleich kann nur zur Folge haben, daß mit Entrichtung des Kaufpreises die Eigentumsrechte an der Gesamtheit der abgegebenen Güter (Fertigprodukte und Schrott) als auf den Käufer übergegangen gelten. Die Rückgabe des Schrotts ist daher auch bei der besonderen Vorbehaltsklansel von Hainaut-Sambre nur denkbar im Rahmen eines kaufähnlichen Geschäfts, womit seine Veranlagungsfähigkeit feststeht.

    Somit kann keine der im Rechtsstreit angeführten Klauseln zu dem Ergebnis führen, die angegriffenen Entscheidungen seien aufzuheben wegen Verletzung der in den allgemeinen Schrottentscheidungen niedergelegten Veranlagungsgrundsätze, die den Eigenschrott freistellen.

    5. Sind die allgemeinen Schrollentscheidungen, auf denen die Zahlungsaufforderungen der Hohen Behörde beruhen, mit den Vertragsvorschriftcn zu vereinbaren?

    Stützt sich die bisherige Beurteilung auf eine sinnvolle Interpretation der allgemeinen Schrottentscheidungen, so ist nunmehr zu fragen, ob diese gegen gewisse Vertragsvorschriften verstoßen. Nach der Ansicht der Kläger ist das unter mehreren Gesichtspunkten der Fall.

    a) Zur Verletzung von Artikel 5 und 83 des Vertrages — Mißachtung der Eigentumsordnung eines Mitgliedstaats

    Vor allem vertreten die Kläger den Standpunkt, die Hohe Behörde sei, wenn sie in ihren Entscheidungen Rechtswirkungen an Begriffe aus dem nationalen Recht anknüpfe, an den jeweiligen nationalen Begriffsinhalt gebunden. Mißachte sie ihn — wie es im vorliegenden Fall im Hinblick auf den Eigentumsbegriff geschehen sei —, so mache sie sich einer Verletzung der nationalen Eigentumsordnung schuldig. Komme es der Hohen Behörde aber für die Zwecke besonderer Einrichtungen auf eine absolute Gleichbehandlung aller Beteiligten an, so müsse sie entweder eigenständige Begriffe prägen oder die von ihr beabsichtigten Rechtsfolgen von rein tatsächlichen Vorgängen abhängig machen.

    Wie mir scheint, geht diese Auffassung jedoch in die Irre.

    Meines Erachtens spricht im Falle des Erlasses von allgemeinen Entscheidungen durch die Hohe Behörde schon deren allgemeiner Geltungswille gegen die Annahme, es sei mit der Verwendung bestimmter Rechtsbegriffe einfach auf die nationalen Begriffsinhalte Bezug genommen worden (wobei überdies zu fragen wäre, welcher besonderen nationalen Rechtsmaterie — etwa dem Steuerrecht oder dem Zivilrecht — eine solche Verweisung zu gelten hätte). Der Hinweis der Kläger auf ein Urteil aus der amerikanischen Rechtsprechung, nach dem für eine gewisse abgabenrechtliche Frage die Begriffe der einzelstaatlichen Rechtsordnungen, selbst bei Anwendung auf eine Bundesbehörde, für maßgeblich erachtet wurden, oder die Tatsache, daß nach dem EWG-Vertrag die zivilrechtlichen Folgen einer Verletzung des Kartellrechts nicht koordiniert sind, ergibt für uns kein wirksames Argument, weil wir es mit einer besonderen Rechtsinstitution, nämlich einer Ausgleichseinrichtung zu tun haben, die eine enge Gemeinschaft aller beteiligten Unternehmen begründete und für die das Gebot der Gleichbehandlung einen besonderen Rang beansprucht. Hier erscheint es a priori undenkbar, daß nationale Rechtsbesonderheiten berücksichtigt werden könnten, die auf der einen Seite zu einer Verminderung, auf der anderen zu einer Vermehrung von Beitragslasten führen müßten. Die Erkenntnis der besonderen Rechtsnatur der Ausgleichseinrichtung zwingt uns demnach in der Interpretation ihrer Regeln zur Anerkennung eigenständiger Rechtsbegriffe, auch wenn diese keine selbständige Ausformung erfahren haben, sondern sich an die nationalen Begriffe anlehnen.

    Was nun die Frage der Definition des Begriffs „Eigenschrott“ angeht, für die es — wie gezeigt — nicht auf die Feinheiten des nationalen Rechts ankommen kann, so ist von der Verletzung der Eigentumsordnung eines Mitgliedstaats schon deswegen nicht die Rede, weil in Wahrheit die eigentumsrechtlichen Verhältnisse an dem angefallenen Schrott nach nationalem Recht unberührt bleiben (wie sich etwa im Fall eines Konkurses zeigen könnte). Nur wenn insoweit eine Änderung oder Beeinflussung versucht worden wäre, könnte von einer Verletzung des Artikels 83 gesprochen werden, während die Nichtberücksichtigung spezieller rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Schrottausgleich trotz der bestehenden Teilintegration als von Artikel 63 gedeckt angesehen werden muß, sollen nicht gemeinsame Einrichtungen weithin ihren Sinn und ihre Funktionsfähigkeit verlieren.

    Demnach können die allgemeinen Schrottentscheidungen, auf die es jetzt ankommt, nicht im Hinblick auf Artikel 83 für rechtswidrig erklärt werden.

    b) Verletzung des Diskriminierungsverbots

    Gleichfalls in bezug auf die allgemeinen Schrottentscheidungen erheben die Kläger den Vorwurf der Verletzung von Artikel 3 a, b, d und von Artikel 4 b des Vertrages. Dies vor allem mit der Begründung, die Entscheidungen erlaubten eine Ungleichbehandlung gleichartiger Sachverhalte insofern, als der unter den Eigentumsvorbehalt der Kläger fallende Abfallschrott nicht als belastungsfreier Eigenentfall anerkannt wurde, wohl aber Schrott, der bei einer Lohnverarbeitung von Stahl entstanden sei. Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus und für die Zwecke der Ausgleichseinrichtung sei eine derartig differenzierende Behandlung nicht zu rechtfertigen, da in beiden Fällen Unterprodukte der von Stahlerzeugern hergestellten Produkte in den Produktionskreislauf zurückgeführt würden.

    Wie ich glaube, besteht auch diese Schlußfolgerung der Kläger nur scheinbar zu Recht. Schon im Mannesmann-Prozeß wurde nämlich hervorgehoben, daß erhebliche wirtschaftliche und rechtliche Unterschiede bestehen zwischen einer Lohnverarbeitung und der Abgabe von Erzeugnissen, auf denen ein Eigentumsvorbehalt betreffend den entstehenden Schrott ruht. Das lolmverarbeitende Unternehmen ist verpflichtet zur Herstellung von Fertigerzeugnissen (eine Pflicht, welche die Kunden der Kläger offenbar nicht trifft), und das geschäftliche Risiko des Produktionsablaufs wie des Absatzes der Fertigprodukte liegt vollständig beim Besteller, während im Falle der Kläger deren Kontrahenten als Käufer das Risiko tragen. Demnach erscheint es erlaubt, ein lohnverarbeitendes Unternehmen entsprechend seiner wirtschaftlichen Funktion wie eine Produktionsabteilung des Bestellers zu behandeln und mit Rücksicht auf diese wesentlichen sachlichen Gesichtspunkte (also nicht so sehr wegen des Einflusses auf die Produktivität, den die Rückführung von Schrott in den Betrieb des Bestellers hat) im Schrottausgleich einer Sonderbehandlung zu unterwerfen. — Zu beachten ist sodann, daß der Eigentumsvorbehalt im Rahmen des Schrottausgleichs vor allem deshalb für irrelevant erachtet wird, weil es mit Rücksicht auf das Gebot der Gleichbehandlung aller am Schrottausgleich Beteiligten, aber auch aus Gründen der Praktikabilität geboten erscheint, diffizile und spezielle Rechtsfiguren einzelner Mitgliedstaaten außer Betracht zu lassen. Unter diesem Gesichtspunkt bietet die Lohnverarbeitung keinerlei Schwierigkeiten. Es scheint Einigkeit darüber zu herrschen, daß dieses Instrument überall bekannt ist, und es unterliegt keinem Zweifel, daß hier die Eigentumsverhältnisse, von denen nach den Schrottgrundentscheidungen nicht vollkommen abgesehen werden kann, leicht zu überschauen sind.

    Auch gegen das Diskriminierungsverbot und die anderen angeführten Vertragsvorschriften, mit denen im Grunde derselbe Vorwurf erhoben wird, verstoßen die allgemeinen Schrottentscheidungen demnach nicht.

    6. Verletzung der Begründungspflicht

    In diesem Zusammenhang ist sodann noch auf einen Klagegrund einzugehen, der strenggenommen bei der Prüfung der sich unmittelbar auf die angegriffenen Akte beziehenden Vorwürfe hätte unter sucht werden müssen, da er deren formelle Begründung zum Gegenstand hat. Ich behandle ihn erst hier, weil in ihm der Hohen Behörde vorgeworfen wird, sie habe den Klägern nicht erläutert, wieso für die — soeben besprochene — Lohnverarbeitung im Schrottausgleich andere Regeln gelten könnten als für den Eigentumsvorbehalt an Abfallschrott.

    Zur Begründung berufen sich die Kläger darauf, sie hätten diese Frage nach Zustellung der Abrechnung vom 8. April 1963 im Verwaltungsverfahren mit der Hohen Behörde diskutiert; folglich könnten sie eine Erklärung erwarten.

    Wenn die Kläger so argumentieren, kann ihrer Haltung eine gewisse Berechtigung sicher nicht abgesprochen werden, denn es muß als ein nobile officium der Hohen Behörde angesehen werden, auf wesentliche im Verwaltungsverfahren von betroffenen Unternehmen aufgeworfene Streitfragen einzugehen, soll nicht der Eindruck entstehen, sie habe sich ohne weiteres darüber hinweggesetzt. — Eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften allerdings dürfte der Vorwurf gleichwohl nicht deutlich machen. Ausreichend begründet ist nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes eine Entscheidung dann, wenn sie die tragenden rechtlichen und tatsächlichen Motive erkennen, läßt, die zu ihrem Erlaß geführt haben. Dies ist im vorliegenden Fall geschehen, da die Hohe Behörde mit Ausführlichkeit erläutert, aus welchen Gründen der von den Klägern ins Feld geführte Eigentumsvorbehalt schon nach belgischem Recht für die Beurteilung ihrer Ausgleichspflicht nicht in Betracht kommt. Darüber hinaus kann von der Hohen Behörde rechtens nicht verlangt werden, daß sie in der Entscheidungsbegründung auf alle diejenigen Punkte eingeht, die betroffene Unternehmen für wesentlich erachten, auch wenn es auf sie nach der These der Hohen Behörde nur subsidiär ankommt.

    Demnach können die Anfechtungsklagen nicht unter Berufung auf Artikel 15 des Vertrages erfolgreich sein.

    7. Zur Zinsregelung der Entscheidung Nr. 7/61

    In der Klage der Gesellschaft Hainaut-Sambre schließlich finden sich in einem der letzten Absätze noch kritische Bemerkungen zu der mit der Entscheidung Nr. 7/61 für den Schrottausgleich eingeführten Zinsregelung, die mit Rückwirkung ausgestattet sei und bewirke, daß die Klägerin nunmehr zur Leistung von Verzugszinsen für Ausgleichsbeträge herangezogen werde, deren Fälligwerden sie zur Zeit des Funktionierens der Einrichtung nicht habe erkennen können.

    Mir ist nicht vollkommen klar, ob damit ein zusätzliches Angriffsmittel in den Anfechtungsprozeß eingeführt werden soll oder ob die zitierten Ausführungen allein zu sehen sind im Zusammenhang mit der gleich zu besprechenden Schadensersatzklage. Immerhin fehlt es an näheren und erläuternden Angaben in der Klageschrift, so daß man schon aus diesem Grunde davon abschen könnte, auf die Kritik an der Zinsregelung einzugehen. In jedem Fall kann ich mich, da die Andeutungen der Klägerin zu weiteren Untersuchungen keinen Anlaß geben, begnügen mit einem Hinweis auf die Schlußanträge in den Rechtssachen Mannesmann gegen Hohe Behörde und Aciéries du Temple gegen Hohe Behörde, die sich eingehend mit der Zinsregelung der Entscheidung Nr. 7/61 befaßt haben. Ein Grund zur Annullierung der angegriffenen Entscheidung ergibt sich daraus nicht.

    8. Zusammenfassung

    Resümierend kann ich daher festhalten, daß weder che zu den angegriffenen Entscheidungen vorgetragenen Klagegründe noch die mittelbare Kritik an den allgemeinen Schrottentscheidungen erfolgreich sein können, so daß die Anfcchtungsanträge als unbegründet zurückgewiesen werden müssen.

    II. Zu den Schadensersatzklagen

    Damit wird die Untersuchung der Hilfsanträge auf Verurteilung der Hohen Behörde zur Leistung von Schadensersatz aktuell, die ausdrücklich für den Fall gestellt sind, daß die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidungen feststeht.

    Unter mehreren Aspekten werfen die Kläger der Hohen Behörde einen Amtsfehler vor:

    Sie sehen ein fehlerhaftes Verhalten zunächst darin, daß die Hohe Behörde es unterlassen habe, die schrott verbrauch enden Unternehmen rechtzeitig aufzuklären über die genaue Definition des Begriffs „Eigenschrott“ und die Grenzen eines Eigcntumsvorbehalts. Infolgedessen hätten es die Kläger versäumt, mit Hilfe anderer Dispositionen einer Veranlagung zum Schrottausgleich für den von Phenix-Works und Laminoirs de la Rochette zurückgegebenen Schrott auszuweichen (wie: Abschluß von Lohnverarbeitungsverträgen, Änderung der Preise für ihre Produkte im Verhältnis zu Phenix-Works und Laminoirs de la Rochette, Änderung der Produktionsbedingungen entweder durch Verzicht auf Schrotteinsatz oder durch Gewinnung von Abfallschrott im eigenen Betrieb).

    Daneben glaubt die Klägerin Espérance-Longdoz einen besonderen Anlaß zum Vorwurf des Amtsfehlers zu haben. Sie macht geltend, die Prüfer der Treuhandgesellschaft hätten im Jahre 1956 während der Kontrollen in ihrem Betrieb Kenntnis genommen von den Verträgen mit den Eigentumsvorbehaltsklauseln und erklärt, der zurückgekommene Schrott sei nicht ausgleichspflichtig. Daraufhin habe Espérance-Longdoz auch in den 1956 abgeschlossenen langfristigen Vertrag mit Phenix-Works die alte Eigentumsvorbehaltsklausel eingesetzt, anstatt — wie es bei einer rechtzeitigen Warnung geschehen wäre — eine andere rechtliche Konstruktion für die Schrottrückgabe vorzusehen.

    Schließlich wird der Hohen Behörde vorgeworfen, sie habe durch Verzögerung der Schrottabrechnungen bewirkt, daß die Kläger in einem beträchtlichen Umfang Verzugszinsen zu entrichten hatten, die bei einer rechtzeitigen Veranlagung und prompten Begleichung der Ausgleichsschulden in Zeiten besserer Konjunktur nicht fällig geworden wären.

    Sehen wir im einzelnen zu, wie diese Vorwürfe unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung zu bewerten sind.

    1. Nicht rechtzeitige Aufklärung der betroffenen Unternehmen

    Tatsächlich bleiben nach dem Erlaß der ersten allgemeinen Schrottentscheidungen der Hohen Behörde zunächst Unklarheiten in Einzelfällen bestehen, die nur die Hohe Behörde selbst beseitigen konnte. Was den Eigentums vorbehalt angeht, so kann eine erste Warnung hinsichtlich der Problematik dieses Begriffs für die Klägerin Hainaut-Sambre gesehen werden in einem ihr zugestellten Kontrollbericht vom 6. November 1957, für die Klägerin Espérance-Longdoz in dem am 1. Februar 1958 publizierten Schreiben, das die Hohe Behörde an das Gemeinsame Büro richtete und das eine strenge Auffassung über die Definition des Begriffs „Eigenaufkommen“ deutlich macht. Diese beiden Vorgänge allerdings — das ist meine feste Überzeugung — mußten ein bis dahin etwa bestehendes Vertrauen der Kläger in die Beitragsfreiheit des von ihrem Eigentumsvorbehalt gedeckten Schrotts erschüttern, so daß sich die Frage, ob der Hohen Behörde ein Amtsfehler vorzuwerfen sei, nur für den davor liegenden Zeitraum stellen kann. Die Bedeutung einer etwaigen späteren Aufklärung wäre überdies für den vorliegenden Prozeß deswegen uninteressant, weil sie in bezug auf die Schrottrückgaben von Phenix-Works und Laminoirs de la Rochette während der restlichen Geltungsdauer der Ausgleichseinrichtung eine rechtzeitige Änderung der klägerischen Dispositionen nicht bewirken konnte.

    Würdigt man das Verhalten der Hohen Behörde während der Zeit von 1954 — 1958, so ist vorweg festzustellen, daß ihre Inaktivität allein, die unterlassene Aufklärung im Hinblick auf die Probleme des Eigenschrotts, noch nicht zu einem Schuldvorwurf ausreicht. Nachzuweisen ist vielmehr, daß objektiv ein Anlaß zum Handeln bestand, was der Gerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung etwa dann annahm, wenn Schwierigkeiten in der Handhabung des Ausgleichsmechanismus aufgetaucht waren.

    Einen solchen Anlaß sehe ich nicht in dem Umstand, daß die Klägerin Espérance-Longdoz der Hohen Behörde im Jahre 1953 den mit Phenix-Works abgeschlossenen langfristigen Vertrag zur Begutachtung vorlegte. Zu Recht betont die Hohe Behörde, dies sei vor der Errichtung der Ausgleichseinrichtung geschehen und mit der Absicht, kartellrechtliche und preisrechtliche Fragen klären zu lassen. Vor allem aber enthielt dieser Vertrag selbst nicht mit Deutlichkeit eine Eigentumsvorbehaltsklausel (die nur in den einzelnen Verkaufsbestätigungen formuliert war), so daß er schon deswegen ungeeignet war, auf die mit dem Eigentumsvorbehalt verbundenen Probleme aufmerksam zu machen.

    Wie mir scheint, kann der Hohen Behörde ein Schuldvorwurf des weiteren nicht daraus gemacht werden, daß sie es in den ersten beiden Jahren des Funktionierens der Ausgleichseinrichtung unterlassen hat, sich durch gründliche Kontrollen bei den beteiligten Unternehmen die nötigen Kenntnisse von Sonderproblemen der Beitragsveranlagung zu verschaffen (etwa im Hinblick auf bestestehende Eigentumsvorbehalte). Auch nach dem nationalen Steuerrecht werden Betriebskontrollen oft mit mehrjähriger Verspätung durchgeführt, ohne Anlaß zum Vorwurf eines fehlerhaften Verwaltungshandelns zu geben.

    Einen ersten zwingenden Anlaß zum Einschreiten konnten vernünftigerweise allein die in den Jahren 1956 und 1957 durchgeführten Kontrollen liefern, bei denen die Beauftragten der Hohen Behörde auf die unterbliebenen Meldungen für Abfallschrott aufmerksam werden mußten. Daß dies im Falle Espérance-Longdoz nicht geschehen ist, offenbart eine Unzulänglichkeit der Verwaltung, denn entweder hatten die Kontrolleure nicht alle Geschäftsunterlagen geprüft oder aber sie hatten nach einer Prüfung unzulässigerweise rechtliche Schlußfolgerungen für die Beitragsfreiheit gewisser Schrottmengen gezogen. — Dennoch dürfte es schwerfallen, aus diesem Umstand einen Schuldvorwurf abzuleiten. Bei anderer Gelegenheit habe ich schon die Ansicht vertreten, für die Haftung der Hohen Behörde während der ersten vier Jahre des Funktionierens der Ausgleichseinrichtung könnten im Hinblick auf die Delegation von Befugnissen auf die Brüsseler Organe nur diejenigen Maßstäbe gelten, die nach nationalem Recht auf Überwachungsbehörden angewandt werden, d.h. es müsse ein schwerer Amtsfehler nachgewiesen sein. Ihn im vorliegenden Fall zu erkennen, erscheint mir ausgeschlossen. Dabei spielt nicht nur die Tatsache eine Rolle, daß es sich offenbar um eine der ersten Kontrollen im Rahmen des Schrottausgleichs überhaupt gehandelt hat, daß die Kontrolleure also noch ohne jede besondere Erfahrung auf dem schwerwiegenden und unübersichtlichen Gebiet des Schrottausgleichs waren. Es darf meines Erachtens in diesem Zusammenhang auch das Verhalten der Kläger nicht außer Betracht gelassen werden. In der Rechtssache 36/62 hat der Gerichtshof unterstrichen, es komme bei der Beurteilung eines Verwaltungsfehlers maßgeblich darauf an, ob durch ihn ein „justiciable averti“in einen Irrtum versetzt werde. Angesichts der Tatsache, daß es sich bei der Durchführung des Schrottausgleichs um einen erheblich komplizierten Vorgang ohne praktische Vorbilder handelte, der Tatsache, daß er mit Texten geregelt werden mußte, die in allen sechs Mitgliedstaaten gleichermaßen anzuwenden waren, sowie schließlich der Tatsache, daß die um den Eigentumsvorbehalt sich rankenden Probleme auch nach dem nationalen Recht nicht gerade zu den durchsichtigsten Rechtsmaterien gehören, muß es zumindest leichtfertig anmuten, wenn sich die Kläger in dieser Frage für Dispositionen von erheblichem wirtschaftlichen Gewicht der Hohen Behörde gegenüber rein passiv verhielten, also nicht rechtzeitig durch präzise Rückfragen eine Aufklärung verlangten. Umsichtig kann eine solche Verhaltensweise sicher nicht genannt werden. — Alle diese Gesichtspunkte zusammengenommen ergeben deshalb wohl die Schlußfolgerung, ein schwerer Amtsfehler sei der Hohen Behörde vor dem in Frage stehenden Zeitraum nicht vorzuwerfen.

    2. Zur Zusicherung der Beitragsfreiheit

    Was den Amtsfehler angeht, der in gewissen Äußerungen der Kontrolleure der Hohen Behörde zu erblicken sein soll, so ist zunächst streitig, ob Zusagen überhaupt gemacht wurden. Unterstellen wir dies, um eine tätsächliche Nachprüfung zu vermeiden, so ist nicht von der Hand zu weisen, daß insofern beträchtliche Unregelmäßigkeiten festgestellt werden könnten. Auch in diesem Zusammenhang gilt aber einmal der bereits angeführte Hinweis auf die den Kontrolleuren erwachsenen besonderen Schwierigkeiten. Zum anderen mußten der Klägerin die Grenzen des Untersuchungsauftrags der Kontrolleure bekannt sein, da ihr vor der Durchführung der Kontrollen entsprechende Ankündigungsschreiben der Brüsseler Stellen zugingen. Es war demnach für die Klägerin offenkundig, daß die Prüfer nur Tatsachen festzustellen und der Hohen Behörde zu berichten hatten, Tatsachen, die der Hohen Behörde unter Umständen Veranlassung zu einer Entscheidung geben konnten. Mit anderen Worten: Die Prüfer hatten keine Entscheidungsbefugnis, sondern die Aufgabe, Entscheidungen vorzubereiten. In jedem Fall mußte die Klägerin bei Anwendung der von ihr zu erwartenden Sorgfalt erhebliche Zweifel hegen an der Befugnis der Kontrollbeamten, rechtsverbindliche Zusagen zu machen, die auf einer Interpretation der Schrottgrundentscheidungen beruhten. Folglich sollte auch unter diesem besonderen, nur von Espérance-Longdoz geltend gemachten Gesichtspunkt ein Amtsfchler der Hohen Behörde nicht anerkannt werden.

    3. Zur Zinsenlast

    Bleibt somit noch der Vorwurf der verspäteten Beitragsveranlagung mit ihren Auswirkungen auf den Zinsendienst der Ausgleichseinrichtung. Daß er, nach dem, was bisher gesagt wurde, zumindest für die ersten Jahre des Funktionierens der Ausgleichseinrichtung keine Gültigkeit haben kann, steht wohl außer Zweifel. Wenn nichts die Kläger zu der Gewißheit berechtigte, gewisse Schrottmengen seien beitragsfrei, so können sie deren spätere Einbeziehung in den Ausgleich mit allen nach dessen Wesen notwendigen Konsequenzen nicht als eine fehlerhafte oder gar schuldhafte Operation darstellen. — Für die Zeit nach 1958, spätestens nach 1959 aber steht fest, daß die Hohe Behörde durch deutliche Maßnahmen das Vertrauen der Kläger in die Beitragsfreiheit bestimmter Schrottmengen definitiv erschüttert hat. Von diesem Zeitpunkt an mußten sie vernünftigerweise mit der Gefahr einer Veranlagung rechnen, hatten also entsprechende Rückstellungen zu machen und konnten die für den Schrottausgleich später angeforderten Beträge nur noch gleichsam als fremde Gelder nutzen. Wenn ihnen dafür Zinsen abverlangt werden, die andererseits für einen vollständigen und gerechten Ausgleich im Interesse der Gläubigerlinternehmen unerläßlich sind, so kann dies keinen Amtsfehler darstellen.

    4. Zusammenfassung

    Ohne auf andere streitige und komplizierte Fragen des Schadensnachweises sowie der Schadensverursachung eingehen zu müssen, die sicher nicht ohne die Zuhilfenahme eines Experten gelöst werden könnten, komme ich daher zu der Feststellung, daß auch die subsidiär gestellten Anträge auf Leistung von Schadensersatz wegen Fehlens eines Amtsfehlers erfolglos sind.

    III. Schlußanträge

    Nach alledem lautet mein Schlußantrag wie folgt:

    Die Klagen der Gesellschaften Espérance-Longdoz und Hainaut-Sambre sind in vollem Umfang als unbegründet abzuweisen. Die Kosten des Verfahrens haben gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung die Kläger zu tragen.

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