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Document 61963CC0029

    Schlussanträge des Generalanwalts Lagrange vom 12. Mai 1964.
    Société anonyme des laminoirs, hauts fourneaux, forges, fonderies et usines de la Providence und andere gegen Hohe Behörde der EGKS.
    Verbundene Rechtssachen 29, 31, 36, 39 bis 47, 50 und 51-63.

    Englische Sonderausgabe 1965 01198

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1964:27

    Schlußanträge des Generalanwalts Herrn Maurice Lagrange

    vom 12. Mai 1964 ( 1 )

    Herr Präsident, meine Herren Richter!

    Mehr als in irgendeinem anderen Rechtsstreit, über den der Gerichtshof zu entscheiden hatte, war die mündliche Verhandlung in den vorliegenden Rechtssachen eher eine Fortsetzung und Erweiterung des schriftlichen Verfahrens als eine bloße Wiederholung der Sach- und Rechtsausführungen der Parteien. Dies ist im übrigen nicht erstaunlich in einem Rechtsstreit, in dem es im wesentlichen um den Nachweis der Entstehung eines Schadens aus einem Amtsfehler geht, dessen Vorliegen wegen eines vorangegangenen Urteils, oder genauer wegen eines früheren Urteils, das einen Präzedenzfall entscheidet — nämlich des Urteils Fives-Lille-Cail u.a. vom 15. Dezember 1961 — , schwerlich bestritten werden kann. Dieser Beweis, dessen Fehlen allein zur Abweisung der ersten Klagen geführt hatte, hat sich als schwierig herausgestellt, und die Klägerinnen haben ihre Bemühungen, ihn dennoch zu erbringen, bis zur letzten mündlichen Verhandlung unermüdlich fortgesetzt. Diese Fortsetzung der im wesentlichen technischen, ihrer Natur nach mehr für den Austausch von Schriftsätzen und den Urkundenbeweis als für rednerische Glanzleistungen geeigneten Erörterungen in der mündlichen Verhandlung hat sich in der Tat als sehr nützlich erwiesen, denn sie hat es ermöglicht, die Streitpunkte in einem Maße zu präzisieren und zu beschränken, daß der Gerichtshof meines Erachtens heute in der Lage ist, ohne Sachverständigengutachten zu entscheiden, während ein solches in den ersten Verfahrensabschnitten noch unumgänglich erscheinen konnte.

    Die Beklagte ist jedoch, obwohl sie bis zuletzt bemüht war, Beweiswert und Erheblichkeit der von den Klägerinnen beigebrachten Beweismittel in Frage zu stellen, nicht von ihrer grundsätzlichen Haltung abgerückt, die sie schon zu Anfang des schriftlichen Verfahrens in der Klagebeantwortung eingenommen hat; sie hat im Gegenteil sogar erklärt, sie beharre voll und ganz auf ihrem Standpunkt. Daher darf uns der letzte Streitstand nicht verleiten, die von der Beklagten vorgebrachten Verteidigungsmittel allgemeiner Art aus den Augen zu verlieren; sie sind zuerst zu prüfen.

    I

    1.

    Was zunächst den Amtsfehler anbelangt, erklärt die Hohe Behörde zwar, sie beuge sich dem Urteil vom 15. Dezember 1961, ohne sich darauf zu berufen, daß es keine Rechtskraft für die vorliegenden Streitsachen wirkt; aber dennoch „bestreitet sie, daß sie einen zum Schadensersatz verpflichtenden Amtsfehler begangen hat“ (Seite 8 unten der Klagebeantwortung). Es beständen insoweit gewisse Unterschiede zwischen den am 15. Dezember 1961 entschiedenen Streitsachen und denjenigen, die Ihnen jetzt vorliegen. Die Beklagte hebt insbesondere den Teil des Urteils hervor, worin der Gerichtshof ausgeführt hat: „Das Fehlen einer Überwachung durch die Hohe Behörde gewinnt im vorliegenden Rechtsstreit noch erschwerende Bedeutung“, denn „die Zusicherung, die Transportparität zu vergüten, wurde den Klägerinnen … zu einem Zeitpunkt gegeben, als die Hohe Behörde sich nicht mehr auf die bloße Überwachung der Ausgleichseinrichtung beschränkte, sondern deren Verwaltung und Leitung aufgrund der Entscheidung Nr. 13/58 selbst übernommen hatte“ (RsprGH VII 647). In den vorliegenden Streitsachen aber gehe es — wenigstens zum Teil — um Zusicherungen, die die Ausgleichsstellen vor Erlaß der Entscheidung Nr. 13/58 gegeben hätten.

    Meine Herren, die Klägerinnen hatten keine Mühe, diese Argumentation zu widerlegen: hierzu brauchten sie nur einige Absätze aus Ihrem Urteil zu wiederholen, aus denen eindeutig hervorgeht, daß ein schuldhaftes Verhalten schon deshalb zu bejahen ist, weil die Überwachung unzureichend war, welche die Hohe Behörde über die Ausgleichseinrichtung auszuüben hatte, bevor sie selbst deren Verwaltung übernahm; daß die Hohe Behörde ihre Haltung auch nach der Übernahme der Verwaltung nicht änderte, wurde für ihr Verschulden ja nur „erschwerend“ berücksichtigt. Obwohl die letzte Erwägung zu diesem Teil der Begründung (Seite 647) die Verantwortlichkeit der Hohen Behörde ausdrücklich nur auf das Verschulden gründet, das darin bestand, die „Fortsetzung der bisherigen Praktiken“ nach Erlaß der Entscheidung Nr. 13/58 zugelassen zu haben (im damaligen Fall waren tatsächlich „Zusagen hinsichtlich der Vergütung der Transportparität“ noch im Oktober 1958 gemacht worden), läßt die klare und scharfe Sprache der den früheren Zeitraum betreffenden Gründe schwerlich die Annahme zu, daß nach Auffassung des Gerichtshofes in der Frage des Vorliegens eines zum Schadensersatz verpflichtenden Amtsfehlers danach zu unterscheiden sei, ob die Zusagen vor oder nach Erlaß der Entscheidung Nr. 13/58 gegeben worden sind. Daher brauche ich meine persönliche Auffassung zu diesem Punkt wohl nicht darzulegen.

    2.

    Die Hohe Behörde „will dartun, daß die Anerkennung eines Schadensersatzanspruchs jedenfalls auf ein unüberwindliches rechtliches Hindernis stößt“. Dieses Hindernis bestehe in der Unannehmbarkeit des, wie die Beklagte meint, „paradoxen, um nicht zu sagen absurden Ergebnisses“, daß die Hohe Behörde zu einer Schadensersatzleistung verurteilt werden könne, die genau dem Betrag der Zahlungen entspricht, welche die Betroffenen zu Unrecht als Transportparitäten empfangen hätten und deren Rückerstattung die Hohe Behörde verlangen müsse.

    Hierauf läßt sich leicht erwidern, daß ein solches Ergebnis nichts Paradoxes und noch weniger Absurdes hat, denn es ist nur die Folge der Unterscheidung zwischen zwei wesensverschiedenen Ansprüchen, von denen der eine seinen Rechtsgrund in einer ungerechtfertigten Bereicherung hat, während der andere auf der Haftung für einen Amtsfehler beruht. Vor diese Rechtslage sieht man sich sehr häufig gestellt, so etwa in Frankreich bei den Verwaltungsgerichten, weil in sehr vielen Fällen ein und dasselbe Gericht für die Entscheidung über beide Ansprüche zuständig ist, was dann zu einer Erledigung im Wege der gänzlichen oder teilweisen Aufrechnung führen kann.

    Im übrigen aber sind bekanntlich im vorliegenden Fall — gerade auch nach den Ausführungen am Ende Ihres Urteils — die Höhe des etwa nachgewiesenen Schadens und die Höhe der zu Unrecht als Transportparität gezahlten Beträge keineswegs a priori gleichzusetzen.

    3.

    Bevor ich mich mit den die verschiedenen Faktoren der Schadensberechnung betreffenden Fragen befasse, muß ich zunächst noch auf einige allgemeinere Gesichtspunkte eingehen.

    a)

    Zunächst ist abstrakt zu fragen, unter welchen Voraussetzungen die Wiedergutmachung eines Schadens verlangt werden kann, wenn die Verantwortlichkeit an sich dargetan ist. Der Prozeßvertreter der Hohen Behörde hat uns in der mündlichen Verhandlung erklärt, daß „der Eintritt des Schadens feststehen“, der Schaden „bewiesen und bestimmbar“ sein müsse.

    „Bewiesen“, das versteht sich von selbst; die Beweislast obliegt dem Geschädigten. Der Beklagte darf im übrigen nicht passiv bleiben. Er hat alle Tatsachen vorzutragen, die geeignet sind, die von der Gegenpartei beigebrachten Beweise zu erschüttern; wenn eine öffentliche Verwaltung Beklagte ist, muß sie dem Gericht sogar — zumindest in gewissen Grenzen — die Unterlagen und Kenntnisse zur Verfügung stellen, die nur sie in ihrer Eigenschaft als öffentliche Behörde besitzt. Die Parteien sollen also, obwohl sie Gegner sind, und gerade auch durch ihre Gegnerschaft zusammenwirken, um dem Richter die Möglichkeit zu geben, in voller Sachkenntnis zu entscheiden, ob er den Beweis für den Schaden als erbracht ansieht, was letzten Endes allein von seiner Beweiswürdigung abhängt, denn er hat es hier nicht mit im voraus urkundlich gesicherten Beweisen zu tun.

    Ferner müsse „der Eintritt des Schadens feststehen“ und seine Höhe „bestimmbar“ sein. Was das „Feststehen des Schadenseintritts“ anbelangt, so stimme ich gerne zu. Dagegen möchte ich einige Vorbehalte zur „Bestimmbarkeit“ machen. Es ist ohne Zweifel zuzugeben, daß die Schadensschätzung nicht willkürlich sein darf; jedoch darf sich der Richter durch die Schwierigkeiten der Schätzung nicht von der Entscheidung abhalten lassen: So ist es zum Beispiel beim immateriellen Schaden; aber auch beim Vermögensschaden ist die Unmöglichkeit, einzelne Schadensfaktoren mit völliger Sicherheit richtig abzuschätzen, kein ausreichender Grund, um jede Wiedergutmachung zu versagen. Es darf nämlich nicht vergessen werden, daß Ausgangspunkt ein Amtsfehler ist und daß gerade dieser Amtsfehler die genaue Schätzung der Schadenshöhe erschweren kann; dem Geschädigten darf hieraus kein Nachteil entstehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es — wie im vorliegenden Fall — erforderlich ist, fiktiv einen Geschehensablauf zu rekonstruieren, der eingetreten wäre, wenn der Amtsfehler nicht begangen worden wäre. In einem solchen Fall darf der Richter zwar alle die Nachweise fordern, die nach Sachlage vernünftigerweise beigebracht werden können, er darf jedoch nicht mehr verlangen und muß sich gegebenenfalls mit begründeten Näherungswerten, wie etwa durch Vergleich ermittelten Durchschnittswerten, begnügen. Deren Feststellung ist eine alltägliche Arbeit der Sachverständigen.

    Schließlich zählt man zu den Voraussetzungen für einen zum Ersatz verpflichtenden Schaden oft auch die „Unmittelbarkeit“, was bedeutet, daß zwischen dem Amtsfehler und dem Schaden ein „unmittelbarer“ (und nicht nur ein „mittelbarer“) ursächlicher Zusammenhang bestehen muß. Die Hohe Behörde hat im schriftlichen Verfahren mehrfach bestritten, daß im vorliegenden Fall ein solcher Zusammenhang bestehe.

    b)

    Gehen wir nun näher auf die konkreten Streitfragen des Prozesses ein, so stoßen wir noch einmal auf eine Reihe von allgemeinen Einwänden der Hohen Behörde, mit denen sie geltend macht, es sei durch nichts bewiesen, daß die Klägerinnen, wenn die Transportparität nicht gewährt worden wäre, mehr Einfuhrschrott und weniger Schiffsschrott erworben hätten, und zwar aus drei Gründen:

    1.

    Die Ausgleichskasse habe die Möglichkeit gehabt, die zum Ausgleich zugelassenen Schrottmengen zu bestimmen und insbesondere dem Schiffsschrott in dieser Hinsicht einen bevorzugten Rang einzuräumen; daraus folge, daß die Unternehmen, da sie nicht frei zwischen Schiffsschrott und Einfuhrschrott hätten wählen können, in keiner Weise die Gewähr gehabt hätten, Einfuhrschrott anstelle von Schiffsschrott zu bekommen.

    2.

    Da Schiffsschrott immer für besser gegolten habe als Einfuhrschrott, sei anzunehmen, daß die Klägerinnen sich im gleichen Umfang mit Schiffsschrott versorgt haben würden, wenn ihnen die Transportparität nicht vergütet worden wäre.

    3.

    Wegen der Ungewißheit über die endgültigen Kosten eines Geschäftsabschlusses hätten die Unternehmen ihre Dispositionen nicht ausschließlich — wie sie behaupten —, ja nicht einmal hauptsächlich mit Rücksicht auf die zugesagte Transportparität treffen können. Die Zusage habe für ihre Wahl nicht bestimmend sein können.

    Diese Einwände gehen fehl. Der erste ist in der Erwiderung, auf die ich verweisen darf (Seite 16 und 17), aufs Schlüssigste — und anscheinend unwiderleglich, da die Hohe Behörde nicht mehr auf die Frage zurückgekommen ist — ausgeräumt. Zum zweiten Punkt führen die Klägerinnen aus, Schiffsschrott und — zumindest aus Amerika stammender — Einfuhrschrott seien in der Qualität vergleichbar. Auch dieses Vorbringen ist unbestritten. Der dritte Grund, der besonders ausführlich in der Gegenerwiderung behandelt wird (Seite 37 bis 41), ist offensichtlich der schwerstwiegende.

    In der Tat waren die von der Hohen Behörde bezeichneten Unsicherheitsfaktoren, insbesondere was die Ausgleichspreise anbelangt, die immer erst geraume Zeit nach Vertragsabschluß bekannt wurden, unbestreitbar vorhanden. Zudem wird diese Ungewißheit der Unternehmen über die endgültigen Kosten eines Geschäftsabschlusses dadurch bestätigt, daß einige von ihnen, nachdem sie im Laufe des Verfahrens vergleichende Berechnungen angestellt hatten, sich veranlaßt sahen, einen Schaden geltend zu machen, der höher ist als die zurückerstattete Transportparität; dies beweise, so meint die Hohe Behörde (Gegenerwiderung, S. 41), daß diese Erstattung „nicht den Verlust wettmachte, den diese Unternehmen dadurch erlitten, daß sie Abwrackschrott vor Einfuhrschrott bevorzugten“.

    Es scheint jedoch, daß im allgemeinen die Gewährung der Transportparität die von den Abwrackwerften weiter als von den Einfuhrhäfen entfernt liegenden Unternehmen in ihrer Wahl bestimmte. Das in der letzten mündlichen Verhandlung zitierte Beispiel der Firma Pompey scheint darauf hinzuweisen, daß die Unternehmen dieser Frage entscheidende Bedeutung beimaßen. Sie werden sich zweifellos manchmal in ihren Vorausschätzungen geirrt haben, denn der wirkliche Gewinn aus einem Geschäft läßt sich im Augenblick seines Abschlusses nicht mit derselben Exaktheit bestimmen wie aufgrund einer eingehenden Nachprüfung, die einige Jahre später anhand von umfassenden wirtschaftlichen und kaufmännischen Unterlagen vorgenommen wird. In Wahrheit beruht der Schaden darauf, daß die Wahlfreiheit der Unternehmen durch die ihnen zu Unrecht gegebenen Zusicherungen über die Zahlung der Transportparität verfälscht worden ist. Daher liegt ein Schaden vor, wenn (sei es auch a posteriori) „der Nachweis erbracht [wird], daß es die Klägerinnen teurer zu stehen gekommen wäre, Schiffsschrott zu kaufen, für den die Tranportparität nicht vergütet wurde, als ganz einfach Importschrott zu erwerben“. Genau dies haben Sie in Ihrem Urteil vom 15. Dezember 1961 entschieden.

    II

    Es bleibt nun noch zu prüfen, ob die Klägerinnen den Beweis erbracht haben, der ihnen unter den vom Gerichtshof näher bestimmten Bedingungen obliegt.

    Zunächst sind die zu vergleichenden Größen zu bestimmen, was im übrigen leicht ist: Auf der einen Seite stehen für den tatsächlich empfangenen Schiffsschrott die Kosten der Verladung des Schrotts in der Abwrackwerft sowie die Kosten des Transports von der Werft zum Werk, auf der anderen Seite für eine gleiche Menge als empfangen zu unterstellenden Einfuhrschrotts die Kosten der Umladung im Hafen sowie die Kosten des Transports vom Hafen zum Werk. Die Berechnung des ersten Vergleichspunkts, der eine gegebene Größe darstellt, bietet keine Schwierigkeiten. Etwas anderes gilt für den zweiten Punkt, der notwendigerweise auf Hypothesen beruht, und hier stoßen wir denn auch auf Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien. Ich werde mich nur mit den Streitpunkten befassen, die durch die mit der Erwiderung eingereichten Unterlagen nicht erledigt sind. Die kritischen Bemerkungen der Hohen Behörde sind in einer Stellungnahme vom 18. März 1964 dargelegt, die durch einen Schriftsatz vom 20. April 1964 ergänzt worden ist; der Anwalt der Klägerinnen hat hierauf in seinen Ausführungen in der letzten mündlichen Verhandlung vom 21. April 1964 geantwortet.

    1. Wahl der Häfen

    a)

    Mittelmeerhäfen (Seiten 1 und 2 des Schriftsatzes vom 18. März). Unter Berufung insbesondere auf das Beispiel der Firma Creusot wirft die Hohe Behörde den Klägerinnen vor, sie hätten bei ihren Berechnungen den über Mittelmeerhäfen bezogenen Schrott nicht berücksichtigt.

    In diesem Punkt scheint mir die Entgegnung der Klägerinnen (vgl. Tonbänder 1/2 und 1/3 der Niederschrift der mündlichen Ausführungen) überzeugend zu sein: Sie haben unwidersprochen behauptet, Schiffsschrott hätte nur durch amerikanischen Schrott ersetzt werden können, der allein eine vergleichbare Qualität aufweise, nicht aber durch Schrott afrikanischer Herkunft, der über die Mittelmeerhäfen eingeführt wird. Daß einige afrikanische Schrottsorten auch über Atlantikhäfen eingeführt worden seien, spiele keine Rolle, da der amerikanische Schrott seinen Weg immer über die Altantikhäfen nehme. Die Ausscheidung der Mittelmeerhäfen scheint daher berechtigt.

    b)

    Nebenhäfen (Schriftsatz vom 18. März, Seite 2 und 3; mündliche Ausführungen Tonband 1/3). Die Hohe Behörde führt aus, die Umschlagkosten seien bei der Einfuhr über Nebenhäfen im allgemeinen sehr viel höher. Ihre Einbeziehung würde die von den Klägerinnen errechneten Durchschnittskosten um 12 % erhöhen und infolgedessen den angeblichen Schaden in demselben Umfang vermindern.

    Die Klägerinnen erwidern, die nicht berücksichtigten Häfen hätten bei ihrer Versorgung nur eine ganz unbedeutende Rolle gespielt, und der streitige Schiffsschrott, der durch Einfuhrschrott ersetzt worden sei, stelle nur einen sehr geringen Prozentsatz des von den einzelnen Klägerinnen insgesamt eingeführten Schrotts dar. Die Auswirkung auf die Schadensberechnung sei daher geringfügig; überdies sei es normal, die Häfen zu berücksichtigen, welche die Klägerinnen für ihre Schrotteinfuhren hauptsächlich benutzt hätten.

    Diese Ausführungen, meine Herren, erscheinen mir zutreffend.

    2. Umladekosten in den Häfen

    In ihren ersten Berechnungen, die den Klageanträgen zugrunde lagen, hatten die Klägerinnen sich darauf beschränkt, für die Schätzung der Umladekosten die in mehreren Vorschriften der Entscheidung Nr. 18/60 vom 20. Juli 1960 (Amtsblatt vom 24. August 1960, Seite 1145) vorgesehene Erhöhung des Ausgleichspreises um 2 Dollar je Tonne anzuführen. Man konnte tatsächlich auf den Gedanken kommen, daß mit dieser Erhöhung die Umschlagkosten im Hafen pauschal abgegolten werden sollten. Auf den von der Hohen Behörde gegen diese Berechnungsweise erhobenen Einwand, die Erhöhung um 2 Dollar decke nur einen Teil der in Frage stehenden wirklichen Kosten, haben die Klägerinnen ihren Standpunkt jedoch aufgegeben und sich bemüht, die wirklichen Umladekosten zu errechnen, was — nebenbei bemerkt — der Wahl des Hafens noch größere Bedeutung verleiht.

    Weit davon entfernt, diese Bemühungen der Klägerinnen um eine möglichst große Annäherung an die Wirklichkeit anzuerkennen, führt sie die Hohe Behörde nun im Gegenteil ins Feld, um geltend zu machen, die Klägerinnen hätten hiermit den Klagegrund geändert. Ich teile diese Auffassung nicht: Der Klagegrund bleibt derselbe. Der geltend gemachte Amtsfehler hat sich seinem Wesen nach nicht geändert und der Schaden, dessen Wiedergutmachung verlangt wird, besteht weiterhin darin, daß nach Auflassung der Klägerinnen der Erwerb von Schiffsschrott ohne Vergütung der Transportparität kostspieliger war als der Erwerb einer gleichen Menge Einfuhrschrott. Es handelt sich nur um eine neue Berechnungsweise für einen bei der Schadensschätzung zu berücksichtigenden Faktor.

    Im übrigen haben die Klägerinnen ihre Berechnungen richtiggestellt, um den kritischen Bemerkungen Rechnung zu tragen, die die Hohe Behörde in ihrer Gegenerwiderung (Seiten 27 bis 30) zu einigen Punkten gemacht hat: Berücksichtigung der gewogenen und nicht mehr der arithmetischen Mittel; Berücksichtigung des Eilgeldanteils, der gewöhnlich dem Transithändler überlassen wird; Berichtigung der unrichtig angenommenen Wechselparität. In all diesen Fragen scheint kein Streit mehr zu bestehen.

    3. Kosten des Transports vom Hafen zum Werk

    a)

    Transport auf dem Schienenweg (Schriftsatz vom 18. März, Seite 3 und 4).

    In seinen ersten mündlichen Ausführungen in der Sitzung vom 12. März 1964 hat der Prozeßvertreter der Klägerin folgendes vorgetragen (Tonband 4/2):

    „Für den Transport auf dem Schienenweg wurde soweit wie möglich auf die zahlreichen Angaben in der Gegenerwiderung der Hohen Behörde zurückgegriffen. Diese Angaben stützen sich ihrerseits auf die Frachtbriefe, welche die Klägerinnen der Hohen Behörde anläßlich der Ausgleichsabrechnungen übermittelt haben. Darüber hinaus wurden, soweit erforderlich, die Frachttarife der belgischen und französischen Eisenbahnen zu Hilfe genommen, wobei jedoch den sich aus dem Vergleich mit den Frachtbriefen ergebenden Berichtigungen Rechnung getragen wurdo.“

    Die Hohe Behörde erklärt es in ihrem Schriftsatz vom 18. März für nicht angängig, der Berechnung bestimmte, von ihr beigebrachte Angaben zugrunde zu legen, die aus Urkunden stammten, deren Originale sich bei den Klägerinnen befänden und von denen die Hohe Behörde nur zufällig Abschriften besitze.

    Die Antwort (mündliche Ausführungen vom 21. April, Tonband 1/4) lautet:

    „Die in der Gegenerwiderung angegebenen Durchschnittswerte für eine bestimmte Strecke und für ein bestimmtes Jahr wurden nicht der Berechnung des gesamten Schadens zugrunde gelegt. Wir verfügten nämlich über eine sehr große Zahl von anderen Daten, so insbesondere über die Erhebungen des GIPS, die dem Gerichtshof und der Hohen Behörde übermittelt und der Erwiderung beigefügt wurden (Anlagen 45-64 bis, A-K). Diese sehr umfangreiche Dokumentation wurde zusammen mit den Angaben der Gegenerwiderung bei der Aufstellung der Tabellen für den Transport auf dem Schienenweg und auf dem Wasserweg benutzt. Wenn ferner auch zahlreiche Unternehmen von der durch die französische Rechtsordnung gegebenen Möglichkeit Gebrauch gemacht und ihre Buchführungsunterlagen nach Ablauf der zulässigen Fünfjahresfrist vernichtet haben, so haben uns doch andere Klägerinnen ihre Buchführungsunterlagen übersandt. Diese kommen nun zu den Angaben in der Gegenerwiderung und zu den Erhebungen des GIPS hinzu. Diese Ausführungen dürften genügen, die Bedenken des Schriftsatzes voll und ganz zu zerstreuen.“

    Dies, meine Herren, ist einer der Punkte, in denen noch Zweifel bestehen könnten, mehr übrigens wegen der technischen Schwierigkeiten des Problems (die nur ein Sachverständigengutachten mehr oder weniger vollständig aufhellen könnte) als wegen des Fehlens von Unterlagen, denn diese sind Ihnen vorgelegt. Ich bin meinerseits der Auffassung, daß die beigebrachten Belege als ausreichend beweiskräftig anzusehen sind.

    b)

    Transporte auf dem Wasserweg

    Die beiden Punkte, die zu kritischen Bemerkungen Anlaß gaben, (Liegegelder und Nebenkosten einerseits, Auswirkung der tatsächlich beförderten Mengen auf die einheitlichen Transportkosten andererseits, Seite 4 ff. des Schriftsatzes vom 18. März) sind aufgeklärt, wie sich aus den mündlichen Ausführungen vom 21. April ergibt (Seite 1).

    Die Hohe Behörde erhebt in ihrem Schriftsatz vom 20. April jedoch noch einen weiteren Einwand: Die den neuen Aufstellungen zugrunde gelegten Daten beträfen nur 20 % der von den Klägerinnen eingeführten Gesamtmenge. Es sei daher fraglich, ob diese Zahlen, die sich auf Lieferungen in der Zeit von 1954 bis 1958 bezögen, genügend repräsentativ seien, wie die Klägerinnen geltend machen. Nach meiner Auffassung kann man dies jedoch annehmen.

    4. Vergleichsmethode für die Transportkosten

    Die diesbezügliche Kritik der Hohen Behörde wird durch die abschließenden mündlichen Ausführungen (Tonband 1/6 — 2/1) meines Erachtens zutreffend widerlegt.

    Ich komme also zu dem Ergebnis, daß die Klägerinnen ausreichende Nachweise dafür beigebracht haben, wie hoch die Kosten für die Menge Einfuhrschrott, die der wirklich empfangenen, zu Unrecht mit der Transportparität subventionierten Menge Schiffsschrott entspricht, unter normalen Umständen wohl gewesen wären.

    Sollten Sie zu dem einen oder anderen Punkt noch Zweifel haben, so müßten Sie eine Beweisaufnahme anordnen, womit die Klägerinnen im übrigen einverstanden sind. Es erscheint mir jedoch in Anbetracht der beigebrachten Beweise unmöglich, die Klagen ohne weiteres abzuweisen, wie Sie es am 15. Dezember 1961 in Ermangelung jeden Beweises oder Beweisangebots getan haben.

    Ich beantrage, den Klageanträgen in ihrer letzten Fassung vom 11. April 1964 stattzugeben und die Kosten der Hohen Behörde aufzuerlegen.


    ( 1 ) Aus dem Französischen übersetzt.

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