Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52024JC0010

    GEMEINSAME MITTEILUNG AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Eine neue europäische Industriestrategie für den Verteidigungsbereich: Erreichen der Verteidigungsbereitschaft der EU durch eine reaktionsfähige und resiliente europäische Verteidigungsindustrie

    JOIN/2024/10 final

    Brüssel, den 5.3.2024

    JOIN(2024) 10 final

    GEMEINSAME MITTEILUNG AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

    Eine neue europäische Industriestrategie für den Verteidigungsbereich: Erreichen der Verteidigungsbereitschaft der EU durch eine reaktionsfähige und resiliente europäische Verteidigungsindustrie


    Einleitung

    Am 14. und 15. Dezember 2023 hob der Europäische Rat im Einklang mit der Erklärung von Versailles 1 und dem Strategischen Kompass für Sicherheit und Verteidigung 2 hervor, dass mehr getan werden muss, um die Ziele der Union im Hinblick auf die Verbesserung der Verteidigungsbereitschaft zu erreichen. 3 Ferner betonte der Europäische Rat, dass es notwendig ist, die technologische und industrielle Basis der europäischen Verteidigung (EDTIB), einschließlich KMU, zu stärken und innovativ, wettbewerbsfähig und resilient zu gestalten. Eine stärkere und fähigere EU im Bereich Sicherheit und Verteidigung wird einen positiven Beitrag zur globalen und transatlantischen Sicherheit leisten und ist eine Ergänzung zur Nordatlantikvertrags-Organisation (NATO), die das Fundament der kollektiven Verteidigung ihrer Mitglieder bleibt.

    Die Verteidigungsbereitschaft der EU lässt sich als ein stabiler Zustand definieren, in dem die Union und ihre Mitgliedstaaten darauf vorbereitet sind, die Sicherheit ihrer Bürgerinnen und Bürger, die Integrität ihres Hoheitsgebiets und ihrer kritischen Ressourcen oder Infrastrukturen sowie ihre zentralen demokratischen Werte und Prozesse zu schützen. Dazu gehört auch die Fähigkeit, ihren Partnern, wie der Ukraine, militärische Unterstützung zu leisten. Im Einklang mit dem Strategischen Kompass umfasst sie die Fähigkeit, bei Krisen schneller und entschlossener zu handeln, unsere Bürgerinnen und Bürger vor sich rasch wandelnden Bedrohungen zu schützen, in die erforderlichen Fähigkeiten und Technologien zu investieren und mit Partnern zusammenzuarbeiten, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Mit dieser Strategie wird auch den Vorschlägen der Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas Rechnung getragen. 4

     

    Eine starke EU-Verteidigungsindustrie ist eine wesentliche Voraussetzung für das Erreichen der Verteidigungsbereitschaft. In der vorliegenden europäischen Industriestrategie für den Verteidigungsbereich, die auf den Ergebnissen der in der Gemeinsamen Mitteilung vom 18. Mai 2022 5 vorgestellten Analyse der Defizite bei den Verteidigungsinvestitionen beruht, wird im Anschluss an eine umfassende Konsultation der Interessenträger ein ambitionierter Ansatz, der auf ein Programm für die europäische Verteidigungsindustrie (EDIP) gestützt ist, zusammen mit einer Reihe flankierender Maßnahmen und begleitend zum Europäischen Verteidigungsfonds vorgeschlagen, um die industrielle Säule der Verteidigungsbereitschaft der EU zu stärken. Diese Bemühungen sollten über den derzeitigen Mehrjährigen Finanzrahmen (2021-2027) hinaus kontinuierlich fortgesetzt werden, wobei EU-Mittel über künftige Instrumente bereitgestellt werden sollten, deren Anwendungsbereich und Gestaltung auf den Erfahrungen aus der Umsetzung der verschiedenen Verteidigungsprogramme beruhen.

    Aufgrund der starken Zunahme regionaler und globaler Bedrohungen sowie sicherheitspolitischer Herausforderungen und insbesondere aufgrund der erneuten konventionellen Kriegshandlungen mit hoher Intensität in Europa ist es dringend erforderlich, im Rahmen der EDTIB die benötigte militärische Ausrüstung über das gesamte Spektrum hinweg wesentlich schneller und in einem wesentlich höheren Umfang zu ermitteln, zu entwickeln und herzustellen sowie dabei mit dem dringendsten Bedarf zu beginnen. In dieser Hinsicht ist es notwendig, die Instrumente, die die Union in den letzten Jahren eingeführt hat, weiter zu stärken und zu straffen. Die industrielle Bereitschaft im Verteidigungsbereich muss in der gesamten Union gestärkt werden, wobei besonderes Augenmerk auf die spezifischen Auswirkungen zu richten ist, die dies für die Mitgliedstaaten hat, die der Gefahr einer konventionellen militärischen Bedrohung am stärksten ausgesetzt sind.

    Die industrielle Bereitschaft im Verteidigungsbereich kann nur erreicht werden, wenn die Mitgliedstaaten durch geeignete Instrumente und Anreize in die Lage versetzt werden, ihre Verteidigungsausgaben kontinuierlich zu erhöhen, um den gemeinsamen Investitionen tatsächlich Vorrang einzuräumen. Dadurch werden sowohl ihre militärischen Fähigkeiten als auch die industrielle Basis im Verteidigungsbereich gestärkt, auf die sich die EU und ihre Mitgliedstaaten verlassen können. Ebenfalls wird dadurch unmittelbar die NATO gestärkt, da die Mitgliedstaaten, einschließlich der NATO-Verbündeten 6 , über ein einziges Kräftedispositiv verfügen, das sie in unterschiedlichen Rahmen zur Verfügung stellen können. Ferner wird damit zur allgemeinen wirtschaftlichen Sicherheit der Union beigetragen, da die EDTIB eine wichtige Triebkraft für technologische Innovation und Resilienz in unseren Gesellschaften ist.

    Mit dieser Strategie sollen die Bemühungen der Mitgliedstaaten, mehr, besser, gemeinsam und in Europa zu investieren, verstärkt und unterstützt werden (Abschnitt 2). Die verbesserte Verfügbarkeit von Verteidigungsgütern und -systemen sollte durch eine effizientere und reaktionsfähigere EDTIB, die auf eine erhöhte Versorgungssicherheit gestützt ist, erreicht werden (Abschnitt 3). Es ist wichtig, die finanziellen Mittel zur Unterstützung der industriellen Bereitschaft im Verteidigungsbereich in der EU zu erschließen (Abschnitt 4). Darüber hinaus sollte eine Kultur der Verteidigungsbereitschaft etabliert werden, auch über alle Politikbereiche der EU hinweg (Abschnitt 5). Schließlich sollten Partnerschaften genutzt werden, um die Bereitschaft und Resilienz zu verbessern (Abschnitt 6).

    1.Erreichung der Verteidigungsbereitschaft durch eine reaktionsfähigere und resilientere europäische Verteidigungsindustrie 

    1.1.Verteidigungsbereitschaft: eine Notwendigkeit im derzeitigen geopolitischen Umfeld

    Da es nach der grundlosen großangelegten Invasion der Ukraine durch Russland im Jahr 2022 in Europa wieder zu Kriegshandlungen mit hoher Intensität kommt, muss die Union ihre Verteidigungsbereitschaft rasch verbessern.

    Die regelbasierte internationale Ordnung wird in ihrem Kern bedroht, und in der Nachbarschaft der Union und darüber hinaus gibt es Länder, die zunehmend von Spannungen, Instabilität, hybriden Bedrohungen und bewaffneten Konflikten betroffen sind. Strategische Wettbewerber investieren massiv in militärische Fähigkeiten, Kapazitäten der Verteidigungsindustrie und kritische Technologien, während die Integrität unserer Lieferketten und der ungehinderte Zugang zu Ressourcen nicht mehr als selbstverständlich angesehen werden können.

    Ferner stehen die EU und ihre Mitgliedstaaten mit weitverbreiteten hybriden Bedrohungen gegenüber, was sich an einer wachsenden Zahl von Cyberangriffen, Sabotagefällen, Hackerangriffen auf kritische Infrastrukturen und Anlagen, Desinformationen sowie an der Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland zeigt. Ebenso sind sie damit konfrontiert, dass der Zugang Europas zu strategischen Bereichen wie Weltraum, Cyberraum, Luft- und Seeverkehr umkämpft ist. Durch diese Entwicklungen werden unsere Sicherheit, unser Wohlstand und unsere demokratischen Werte gefährdet.

    Die Verteidigung des Hoheitsgebiets sowie der Bürgerinnen und Bürger der Mitgliedstaaten fällt in erster Linie in die nationale Verantwortung und kann auch durch die mit Verbündeten im Rahmen der NATO bestehenden Verpflichtungen erfolgen. Vor diesem Hintergrund lässt sich aus den geopolitischen Entwicklungen schließen, dass Europa dringend mehr strategische Verantwortung für seine eigene Sicherheit übernehmen muss, auch um wichtige Partner wie die Ukraine zu unterstützen. Mit dem Strategischen Kompass als Leitfaden ist die EU ein stärkerer Akteur in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung und muss dies auch bleiben, sodass sie ein zuverlässigerer Sicherheitsgarant und fähiger Akteur im Verteidigungsbereich nicht nur für ihre eigenen Bürgerinnen und Bürger, sondern auch zum Wohle des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit ist.

    Eine stärkere und fähigere EU im Bereich Sicherheit und Verteidigung wird auch einen positiven Beitrag zur globalen und transatlantischen Sicherheit leisten und die NATO ergänzen. Für die Mitgliedstaaten, die auch NATO-Mitglieder sind, bleibt die Allianz das Fundament ihrer kollektiven Verteidigung. Die Verteidigungsbereitschaft erfordert die Planung, Entwicklung und operative Verfügbarkeit der erforderlichen Verteidigungsfähigkeiten und strategischen Enabler, die Beherrschung kritischer Technologien und die Fähigkeit, das gesamte erforderliche Spektrum an Fähigkeiten, Infrastrukturen und Mitteln zu beschaffen, zu betreiben und zu schützen.

    Zur Erreichung der Verteidigungsbereitschaft muss daher massiv und koordiniert in die erforderlichen Verteidigungsfähigkeiten, auch in relevante kritische Infrastrukturen, investiert werden. Dazu ist Agilität erforderlich, um kontinuierlich Innovationen einzubinden, die zunehmend von kleinen und nicht traditionellen Akteuren stammen, die allzu oft damit zu kämpfen haben, dass ihr potenzieller Beitrag nicht gewürdigt wird. Die Gegner befinden sich in einem globalen Wettlauf um die technologische Vorherrschaft, der von allen Akteuren immer schnellere und immer kostenintensivere Investitionszyklen erfordert: Die EU kann es sich nicht leisten, den Anschluss zu verlieren.

    Selbst die Mitgliedstaaten, die über die größten Verteidigungshaushalte in der Union verfügen, haben zunehmend Schwierigkeiten, allein auf dem erforderlichen Niveau zu investieren, sodass die EU sowohl mit größer werdenden Lücken bei den Fähigkeiten als auch mit Lücken im Bereich der Industrie sowie mit zunehmenden strategischen Abhängigkeiten konfrontiert ist. Dasselbe gilt für die wichtigsten Hersteller und ihre Lieferketten. Die Verteidigungsbereitschaft erfordert also mehr Zusammenarbeit und gemeinsames Handeln. In Zeiten von Kriegshandlungen mit hoher Intensität bedarf dies der Fähigkeit, Verteidigungsgüter wie Munition, Drohnen, Luftabwehrraketen und ‑systeme, Tiefschlag- sowie Nachrichtengewinnungs-, Überwachungs- und Aufklärungsfähigkeiten in großem Umfang herzustellen und ihre rasche und ausreichende Verfügbarkeit zu gewährleisten. 

    Um diese Massenproduktion zu ermöglichen, muss die Organisation der Verteidigungsindustrie weiterentwickelt werden.

    Kasten 1. Beschaffung von Verteidigungsgütern in der EU: Beschaffung überwiegend allein und aus dem Ausland

    Wie aus der Mitteilung „Analyse der Defizite bei den Verteidigungsinvestitionen und die nächsten Schritte“ hervorgeht, wären etwa 1,1 Bio. EUR zusätzlich für Verteidigung, darunter Investitionen in Höhe von 270 Mrd. EUR, aufgewendet worden, hätten von 2006 bis 2020 alle Mitgliedstaaten 2 % ihres BIP für Verteidigung und davon 20 % für Investitionen ausgegeben.

    Im Jahr 2022 stiegen die Verteidigungsausgaben der Mitgliedstaaten im achten Jahr in Folge, sodass sie sich auf 240 Mrd. EUR 7 beliefen. 78 % der Käufe von Verteidigungsgütern durch die EU-Mitgliedstaaten wurden zwischen dem Beginn des Angriffskriegs Russlands und Juni 2023 außerhalb der EU getätigt, 63 % davon wiederum allein in den USA. 8

    Zwischen 2021 und 2022 ist die Beschaffung neuer Ausrüstung um 7 % gestiegen, aber nur 18 % der gesamten Ausgaben für Ausrüstung entfielen 2022 auf die kooperative Beschaffung von Verteidigungsgütern in der EU 9 , was weit unter dem aktuellen, von den Mitgliedstaaten festgelegten gemeinsamen Richtwert von 35 % 10 liegt.

    1.2.Verteidigungsbereitschaft erfordert eine starke, reaktionsfähige und innovative EDTIB 

    Wie im Strategischen Kompass und in der Erklärung der EU-Staats- und Regierungschefs von Granada 11 hervorgehoben wird, erfordert die Stärkung der Verteidigungsbereitschaft und der Investitionen in die Fähigkeiten der EU eine starke, flexible und resiliente technologische und industrielle Basis.

    Die EDTIB ist ein wesentlicher und integraler Bestandteil, mit dem sichergestellt wird, dass unsere Gesellschaften heute und in Zukunft sicher und wohlhabend sind. Eine reaktionsfähige und wettbewerbsfähige EDTIB ist das Fundament, auf dem eine glaubwürdige Rolle Europas bei der Gewährleistung seiner eigenen Verteidigung und Sicherheit aufbaut.

    Die industrielle Bereitschaft im Verteidigungsbereich in der EU erfordert heute und in Zukunft öffentliche und private Investitionen im gesamten Spektrum des Bedarfs, damit die Verteidigungsindustrie rechtzeitig und im richtigen Umfang auf den Bedarf der Mitgliedstaaten reagieren kann. Die Innovation muss ständig im Fokus der Aufmerksamkeit stehen, zugleich sollte die Resilienz gegenüber externen Schocks und Störungen sichergestellt werden.

    Kasten 2. Die EDTIB heute: ein großes Potenzial, das weiter erschlossen werden sollte

    Die technologische und industrielle Basis der Verteidigung der Union besteht heute aus einer Kombination einer Vielzahl von Hauptauftragnehmern, darunter Midcap‑Unternehmen und zahlreiche kleine und mittlere Unternehmen (KMU).

    Neben führenden europäischen Unternehmen, die fortgeschrittene Systeme von Weltrang herstellen und größtenteils in einigen wenigen Mitgliedstaaten ansässig sind, spielt eine ganze Reihe kleinerer, aber oft kritischer Plattformhersteller, Ausrüstungslieferanten, Hersteller von Verbrauchsgütern (wie Munition), Unterlieferanten und Nischenhersteller, die über die gesamte EU verteilt sind, eine nicht weniger wichtige Rolle.

    Wie aus der von der Taskforce für die gemeinsame Beschaffung im Verteidigungsbereich erstellten Bestandsaufnahme der Branche hervorgeht, sind die wichtigsten Hersteller für die 46 am dringendsten benötigten Güter in 23 Mitgliedstaaten angesiedelt.

    Mit einem geschätzten Jahresumsatz von 70 Mrd. EUR und einem hohen Ausfuhrvolumen (über 28 Mrd. EUR im Jahr 2021) ist die EDTIB weltweit wettbewerbsfähig. Schätzungen zufolge sind in der EDTIB etwa 500 000 Menschen beschäftigt. 12

    Zwar ist die EDTIB allgemein wettbewerbsfähig, jedoch wird die Fähigkeit, ihr Potenzial voll auszuschöpfen, trotz der in den letzten Jahren erzielten Fortschritte durch über viele Jahre unzureichende Investitionen beeinträchtigt. Dies ist die Folge der in den letzten Jahrzehnten und in einem anderen geopolitischen Kontext getroffenen politischen und haushaltspolitischen Entscheidungen der Mitgliedstaaten, die Friedensdividende für andere gesellschaftliche Zwecke zu verwenden. Die anhaltende industrielle Fragmentierung entlang nationaler Trennlinien ist ebenfalls ein Hemmnis für die optimale Effizienz der Verteidigungsinvestitionen. Diese Tendenzen haben eine vergleichsweise deutlich geringere Größe und Präsenz des EU-Verteidigungsmarkts auf der Weltbühne sowie verstärkte Abhängigkeiten von Drittländern zur Folge, wodurch die Fähigkeit der EDTIB, ihr Gewicht zur Geltung zu bringen, beeinträchtigt wird.

    1.3.Aufgrund zu geringer kooperativer Investitionen in der EU kann die EDTIB ihr Gewicht nicht zur Geltung bringen

    In einem komplexen Markt, in dem die nationalen Regierungen die einzigen Käufer sind, werden von den Mitgliedstaaten trotz der ihnen zur Verfügung stehenden europäischen Instrumente und Rahmen ihre Entscheidungen in der Verteidigungsplanung und ‑beschaffung nach wie vor unzureichend koordiniert, gebündelt und zusammengeführt. Daher erfolgt die Bedarfsplanung immer noch weitgehend auf nationaler Ebene, wobei die meisten Investitionsentscheidungen auf innenpolitischen Erwägungen und auf der nationalen Programmplanung beruhen, sodass umfassendere Strategie- und Effizienzerwägungen häufig nicht berücksichtigt werden. Infolgedessen ist die Angebotsseite trotz bestimmter Konsolidierungsphasen in den letzten Jahrzehnten im Wesentlichen auch heute noch entlang nationaler Trennlinien organisiert, wobei sich die Mitgliedstaaten aufgrund von Erwägungen im Hinblick auf die Industrie und die Versorgungssicherheit nach Möglichkeit für nationale Lösungen entscheiden. Dies hat eine zersplitterte EDTIB zur Folge, die in unterschiedlichen, zu begrenzten Verteidigungsmärkten anstatt in einem gemeinsamen, weitaus größeren und integrierten Markt agiert.

    Dadurch wird die EDTIB geschwächt. Erstens wird die kollektive Nachfrage nicht in optimaler Weise bekundet. Dies hat Doppelarbeit und entgangene Möglichkeiten zur Folge, was die gemeinsame Nutzung und Synchronisierung von Investitionen in allgemein benötigte Ausrüstung oder Infrastruktur betrifft. Zweitens wird für die Angebotsseite kein Anreiz geschaffen, zusammenzuarbeiten oder sogar eine Integration vorzunehmen, um einer effizienteren Bekundung der Nachfrage zu entsprechen. Sie leidet unter mangelnder Berechenbarkeit und kritischer Masse der erteilten Aufträge, wodurch Größenvorteile nicht genutzt werden können. Drittens neigen die Mitgliedstaaten insbesondere in jüngerer Zeit dazu, in Drittländern Standardprodukte zu erwerben, wodurch die Binnennachfrage gedämpft und das Geld der europäischen Steuerzahler in Arbeitsplätze und Schlüsseltechnologien im Ausland und nicht in Europa investiert wird.

    Dadurch ist die EDTIB wiederum dazu gezwungen, sich auf Ausfuhren zu konzentrieren, um ihre Lebensfähigkeit sicherzustellen, was mit der Gefahr einer übermäßigen Abhängigkeit von Aufträgen von Drittländern einhergeht und zur Folge hat, dass im Fall von Krisen und damit verbundenen Engpässen die Entgegennahme von Aufträgen aus Mitgliedstaaten möglicherweise weniger Priorität genießt als die Erfüllung von Verträgen mit Drittländern.

    Durch die Kombination der oben genannten Muster wird die Versorgungssicherheit beeinträchtigt. Der Binnenmarkt ist auf niedrigeren Ebenen Realität geworden, auf denen sich die Lieferketten weit über Grenzen hinweg erstrecken. Dies findet jedoch keinen Niederschlag in einer gemeinsamen strategischen Steuerung auf EU-Ebene, durch die die Versorgungssicherheit in Krisenszenarien gefördert würde. Die Tendenz zu übermäßiger Abhängigkeit von Lieferungen aus Drittländern beeinträchtigt zusätzlich die Versorgungssicherheit und die Handlungsfreiheit im Krisenfall.

    1.4.Die Ukraine dabei unterstützen, der Aggression Russlands standzuhalten: ein entscheidender Beitrag der Union mit allerdings noch großem Verbesserungspotenzial

    Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben unter Beweis gestellt, dass sie in der Lage sind, für die ukrainischen Streitkräfte, auch durch die EDTIB, rasch Unterstützung zu mobilisieren. Ende Januar 2024 haben die EU und ihre Mitgliedstaaten der Ukraine gemeinsam militärische Ausrüstung im Wert von mehr als 28 Mrd. EUR geliefert.

    Dank der Europäischen Friedensfazilität (EFF) hat die EU die Ukraine innerhalb weniger Tage nach der großangelegten russischen Invasion im Februar 2022 unterstützt, indem sie Mitgliedstaaten, die der Ukraine militärische Hilfe geleistet haben, Kosten erstattete. Die EFF bietet Anreize für weitere Lieferungen letaler und nichtletaler Ausrüstung in die Ukraine. Mit der dreigleisigen Initiative für Munition 13 verständigte sich der Rat auf einen ambitionierten Rahmen, um Anreize für die Lieferung und Beschaffung von Artilleriegeschossen und Boden-Boden-Raketen sowie für den Ausbau der Verteidigungsindustrie zu schaffen.

    Im Rahmen dieser Initiative haben die Mitgliedstaaten in der EU und Norwegen Aufträge zur Beschaffung zusätzlicher Artilleriegeschosse erteilt, unter anderem mithilfe der Rahmenverträge 14 , die die Europäische Verteidigungsagentur in ihrem Namen mit der europäischen Verteidigungsindustrie ausgehandelt hat. Durch die Unterstützung, die die Union im Rahmen der Verordnung zur Förderung der Munitionsproduktion (ASAP) 15 leistet, wird ihre Fähigkeit, die Ukraine zu unterstützen und die nationalen Bestände aufzufüllen, erhöht und beschleunigt.

    Die EDTIB hat außerdem ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt, diese Bemühungen wirksam zu unterstützen. Seit Beginn des Krieges hat die EDTIB ihre Produktionskapazität für Artilleriegeschosse um 50 % erhöht. Sie ist bereits in der Lage, eine Million Artilleriegeschosse pro Jahr zu produzieren und wird voraussichtlich eine Kapazität von über 1,4 Millionen bis Ende 2024 bzw. 2 Millionen bis Ende 2025 erreichen.

    Neben den Spenden aus den Beständen der Mitgliedstaaten und der aus der EFF finanzierten Beschaffung hat die EDTIB auch im Wege direkter Verträge mit der Ukraine eine erhebliche Menge an Artilleriegeschossen bereitgestellt, wodurch ersichtlich wird, dass sie in der Lage ist, zum Kampf des Landes gegen die Invasionsstreitmacht beizutragen.

    Des Weiteren hat die EU neue Initiativen wie die Verordnung über die Einrichtung eines Instruments zur Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie durch gemeinsame Beschaffung (EDIRPA) 16 eingeführt. Dennoch muss noch sowohl auf Industrie- als auch auf Regierungsebene – viel mehr getan werden.

    1.5.Von Notfallmaßnahmen zur Bereitschaft: Zeit für einen Paradigmenwechsel

    Es ist an der Zeit, von Notfallmaßnahmen zu einer strukturellen EU‑Verteidigungsbereitschaft über alle Zeithorizonte hinweg überzugehen. Die EU muss sicherstellen, dass ihren Mitgliedstaaten und Partnern, auch in Krisenzeiten, Verbrauchsgüter in der erforderlichen Menge zur Verfügung stehen, und sie muss gleichzeitig in den kommenden Jahren für die rechtzeitige Entwicklung und Bereitstellung kritischer Hochleistungsfähigkeiten der nächsten Generation sorgen. Das gilt auch für den Verteidigungsbedarf der Ukraine. Darüber hinaus kann ein sicherer Zugang zu umkämpften Bereichen wie Cyberraum, Weltraum, Luft- und Seeverkehr nicht von einem einzelnen Mitgliedstaat wirksam geschützt werden. Daher muss die EU ihre Kapazitäten ausbauen, um ihren Zugang zu diesen Bereichen gemeinsam durch die notwendigen Investitionen in Lösungen auf europäischer Ebene sicherzustellen.

    Eine wettbewerbsfähige EDTIB, die zur Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger der Union beiträgt, entspricht einem Industriesektor, der in der Lage ist, seine technologische Exzellenz zu wahren und gleichzeitig bei Bedarf das Benötigte liefert, ohne Einschränkungen infolge übermäßiger externer Abhängigkeiten oder Engpässe. 17 Eine Industrie, die in neue Kapazitäten investiert und bereit ist, bei Bedarf zu einem für Kriegszeiten geeigneten Wirtschaftsmodell überzugehen, ist von entscheidender Bedeutung.

    Voraussetzung dafür ist ein gemeinsames öffentliches und privates Engagement. Die EU ist bereit, sowohl die Mitgliedstaaten als auch die EDTIB zu unterstützen, indem sie das Risiko bei Investitionen verringert und so auf EU-Ebene zu einer ambitionierteren Politik im Bereich der Verteidigungsindustrie beiträgt. Um dies zu erreichen, muss die Union die Vorteile, die sich aus dem Wettbewerb, der Zusammenarbeit und der Konsolidierung ergeben, maximieren. Ebenso müssen die Wettbewerbsfähigkeit der EDTIB und ihre Exportfähigkeit gewahrt werden, wobei gleichwohl sicherzustellen ist, dass sich die Mitgliedstaaten in vollem Umfang darauf verlassen können, dass ihre Verteidigungsindustrie ihrem Bedarf rechtzeitig und in dem erforderlichen Umfang gerecht wird, wenn die Sicherheit der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger auf dem Spiel steht.

    Mit der vorliegenden Strategie werden Maßnahmen eingeführt, um i) die industrielle Bereitschaft im Verteidigungsbereich in der EU auf der Grundlage einer verstärkten Koordinierung des Verteidigungsbedarfs der Mitgliedstaaten zu unterstützen, ii) die EDTIB zu stärken, um mehr zu produzieren und gleichzeitig ihre Versorgungssicherheit sicherzustellen, iii) die finanziellen Mittel zur Unterstützung der industriellen Verteidigungsbereitschaft der EU zu erschließen, iv) eine Kultur der industriellen Verteidigungsbereitschaft zu etablieren und v) effizient mit Partnern zusammenzuarbeiten. Als erste sofortige Initiative schlägt die Kommission eine neue Verordnung zur Schaffung des EDIP vor, um die Kontinuität der Unterstützung der EDTIB im derzeitigen Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) sicherzustellen und gleichzeitig mit Blick auf den nächsten Programmplanungszeitraum neue Formen der Unterstützung zu erproben.

    Mit dem vorgeschlagenen EDIP wird die Unterstützung der Wettbewerbsfähigkeit der EDTIB, die durch EDIRPA und die Munitionsproduktionsverordnung bereitgestellt wird, zeitlich und vom Umfang her erweitert. Es werden damit Anreize für die Zusammenarbeit in der Phase der Beschaffung von Verteidigungsgütern, die von der EDTIB hergestellt werden, gesetzt, die Heranführung an die Industriereife von Produkten, die aus durch den Europäischen Verteidigungsfonds finanzierten Maßnahmen oder andere Kooperationsrahmen der EU hervorgegangen sind, unterstützt und ganz allgemein der Ausbau der Verteidigungsindustrie in der Union gefördert. Außerdem wird damit eine EU‑Regelung für die Versorgungssicherheit geschaffen, um bei der Reaktion auf Krisen die Solidarität und Wirksamkeit in der Union zu verbessern.

    2.Steigerung der Bereitschaft durch Investitionen: Mehr, besser, gemeinsam, in Europa 

    Die Verwirklichung des Ausbaus der Verteidigungsindustrie ist letztlich davon abhängig, dass die Mitgliedstaaten mehr Aufträge erteilen, was ohne eine Erhöhung der Verteidigungshaushalte nicht möglich ist. Seit Februar 2022 stocken die Mitgliedstaaten ihre Haushalte enorm schnell auf (siehe Kasten 1). Allerdings sind auf nationaler und europäischer Ebene deutlich höhere Investitionen erforderlich, um die EU-Industrie strukturell anzupassen und innovativer und wettbewerbsfähiger zu gestalten und der neuen Sicherheitslage gerecht zu werden. Nunmehr ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Union diese laufende Aufstockung der Haushaltsmittel bestmöglich gemeinsam nutzt, um die industrielle Bereitschaft im Verteidigungsbereich zu erreichen. Zu diesem Zweck sind die Kommission und der Hohe Vertreter/Leiter der Agentur bereit, die Mitgliedstaaten dabei zu unterstützen, weiterhin mehr, aber auch besser, gemeinsam und in Europa zu investieren.

    2.1. Besser investieren

    Besser investieren bedeutet, Investitionen dorthin zu lenken, wo der Bedarf am größten ist, Doppelarbeit zu vermeiden und die Effizienz zu steigern. Dazu ist eine verstärkte Koordinierung der Investitionspläne und -anstrengungen der Mitgliedstaaten erforderlich.

    2.1.1.Eine neue gemeinsame Programmplanungs- und Beschaffungseinrichtung 

    Wie in der Gemeinsamen Mitteilung mit dem Titel „Analyse der Defizite bei den Verteidigungsinvestitionen und die nächsten Schritte“ angekündigt, werden die Transparenz, Koordinierung und Kohärenz zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und den EU-Organen durch einen strukturierten Ansatz für die Programmplanung und Beschaffung gestärkt werden. Bestehende Initiativen in den Bereichen Fähigkeiten-, Industrie-, Forschungs- und Verteidigungsinfrastruktur werden dadurch ergänzt und gestrafft und so eine präzisierte und gemeinsame Priorisierung sowie nachhaltige Kooperationsbemühungen ermöglicht.

    Ein Ausschuss für die industrielle Bereitschaft im Verteidigungsbereich (im Folgenden „Ausschuss“) wird die Mitgliedstaaten, den Hohen Vertreter/Leiter der Agentur und die Kommission in verschiedenen Formaten zusammenbringen, um 1) die in der Gemeinsamen Mitteilung zur Analyse der Defizite bei den Verteidigungsinvestitionen anvisierte gemeinsame Programmplanungs- und Beschaffungsfunktion der EU im Verteidigungsbereich wahrzunehmen und 2) die Umsetzung des EDIP zu unterstützen.

    Zur Wahrnehmung der gemeinsamen Programmplanungs- und Beschaffungsfunktion der EU im Verteidigungsbereich wird der Ausschuss auf der Grundlage der erfolgreichen Arbeit der Taskforce für die gemeinsame Beschaffung im Verteidigungsbereich im Rahmen eines von der Kommission und dem Hohen Vertreter/Leiter der Agentur einberufenen Forums die auf EU-Ebene ermittelten Prioritäten unabhängig von ihren jeweiligen Aufgaben und Zuständigkeiten erörtern und präzisieren. In diesem Format, das mit dieser Strategie geschaffen werden soll, unterstützt der Ausschuss außerdem die Koordinierung und Konfliktentschärfung im Hinblick auf die Beschaffungspläne der Mitgliedstaaten und stellt strategische Leitlinien für eine wirksamere Abstimmung von Angebot und Nachfrage bereit. In diesem Zusammenhang sollte durch die Arbeit im Rahmen des Ausschusses ein gemeinsames Verständnis der Mitgliedstaaten von der Zusammensetzung der EDTIB ermöglicht und ein gemeinsames Bewusstsein für die Produktionskapazitäten in der Union gefördert werden. Auf der Grundlage einer konsolidierten Übersicht über die derzeitigen industriellen Kapazitäten sollten die Mitglieder, die im Rahmen des Ausschusses zusammentreten, die erforderlichen Produktionskapazitäten bewerten, um den ermittelten Beschaffungsbedarf zu decken, und entsprechende Produktionsziele für die Verteidigungsindustrie vorschlagen, insbesondere für die kritischsten Fähigkeiten.

    Was diese gemeinsame Programmplanungs- und Beschaffungsfunktion der EU im Verteidigungsbereich betrifft, so werden Sitzungen im Rahmen des Ausschusses von der Kommission und dem Hohen Vertreter/Leiter der Agentur vorbereitet und finden unter deren Vorsitz statt.

    Darüber hinaus wird der Ausschuss zur Unterstützung der Umsetzung des EDIP im Rahmen der EDIP-Verordnung formell eingerichtet, um insbesondere die Versorgungssicherheit auf EU-Ebene sicherzustellen, aber auch um bei der Umsetzung der verschiedenen Unterstützungsmaßnahmen für die EDTIB, die im Rahmen des EDIP entwickelt wurden, zu informieren und Hilfestellung anzubieten. In dieser Zusammensetzung übernimmt die Kommission den Vorsitz im Ausschuss selbst, an dem der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) und die Europäische Verteidigungsagentur (EDA) teilnehmen.

    Ergänzend zu diesen Bemühungen ist in der Strategie eine hochrangige Gruppe für die europäische Verteidigungsindustrie vorgesehen, die für eine wirksame Zusammenarbeit zwischen Staaten und der Industrie und für einen intensiveren Dialog und mehr Engagement sorgen soll. Diese Gruppe wird je nach Thema in spezifischen Zusammensetzungen (z. B. getrennt nach Sektoren) zusammentreten und unbeschadet der im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgelegten Wettbewerbsregeln als privilegierter Ansprechpartner des Ausschusses fungieren, um sich mit Industrie abzustimmen und die Pläne der Mitgliedstaaten besser mit der Leistungsfähigkeit der EDTIB in Einklang zu bringen.

    2.1.2.Von der strategischen Programmplanung zu Vorhaben von gemeinsamem Interesse

    Eine der Aufgaben des Ausschusses, der die neue Funktion für die gemeinsame Programmplanung und Beschaffung auf EU-Ebene übernimmt, wird die gemeinsame Ermittlung möglicher Projekte von gemeinsamem Interesse sein, auf die sich die Anstrengungen und Finanzierungsprogramme der EU konzentrieren. Die neue Programmplanungs- und Beschaffungsfunktion wird auf den bestehenden Instrumenten und Initiativen beruhen, insbesondere auf dem Fähigkeitenentwicklungsplan (CDP), der Koordinierten Jährlichen Überprüfung der Verteidigung (CARD) und der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (SSZ).

    Um ihre Verteidigungsbereitschaft im derzeitigen Sicherheitskontext zu erhöhen, sollte die Union im Rahmen der Prioritäten der EU für die Fähigkeitenentwicklung europäische Verteidigungsvorhaben von gemeinsamem Interesse ermitteln, auf die die Bemühungen und Ressourcen konzentriert werden sollten. Indem sie mehr, bessere und gemeinsame Investitionen in Europa tätigen, werden die Mitgliedstaaten in der Lage sein, die Wirkung ihrer Investitionen zu maximieren, um über das gesamte Spektrum hinweg Fähigkeiten zu entwickeln und zu verwalten. Auf diese Weise wird ein Beitrag dazu geleistet werden, den Zugang zu strategischen Bereichen und umkämpften Räumen zu sichern, unter anderem durch die Entwicklung geeigneter Systeme, die als europäische Verteidigungsinfrastruktur von gemeinsamem Interesse und Nutzen bereitstehen würden. Ferner würde dies dazu beitragen, die Verfügbarkeit der für Missionen und Operationen sowie für die EU-Schnelleingreifkapazität erforderlichen strategischen Enabler sicherzustellen.

    Bis 2035 sollten in der EU Projekte für Fähigkeiten im Gange sein oder sich in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium befinden, bei denen es sich um Projekte europäischen Charakters handelt. Vorbehaltlich der Zustimmung der Mitgliedstaaten könnten dazu folgende Fähigkeiten gehören: Fähigkeiten im Hinblick auf eine integrierte europäische Luft- und Raketenabwehr (deren Kritikalität im Zuge der grundlosen militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine bestätigt wurde), ein Weltraumgesamtlagebewusstsein, ein im Hinblick auf die Notwendigkeit eines wirksamen Schutzes der Union angemessenes Netz von Cyber-Abwehrfähigkeiten sowie adäquat dimensionierte Schutzvorrichtungen für den Einsatz zur See und unter Wasser.

    2.2.Gemeinsam investieren

    Mehr gemeinsam zu investieren, ist die Voraussetzung für eine stärkere Verteidigungsbereitschaft der EU. Die Mitgliedstaaten müssen während des gesamten Lebenszyklus der Fähigkeiten – angefangen bei der Forschungs-, Entwicklungs- und Beschaffungsphase – stärker zusammenarbeiten. Instrumente zur Ermittlung von Fähigkeitenprioritäten (CDP) und Kooperationsmöglichkeiten (Koordinierte Jährliche Überprüfung der Verteidigung) stehen bereits zur Verfügung. Es muss unbedingt sichergestellt werden, dass sie wirksam genutzt werden, um konkrete Verteidigungsfähigkeiten zu planen, in sie zu investieren und sie schließlich zu liefern.

    2.2.1.Gemeinsame Beschaffung als Norm, wenn dies angezeigt ist: Ausweitung der im Rahmen von EDIRPA entwickelten Interventionslogik 

    Um einen weiteren Beitrag zu einer effizienten Bekundung der Nachfrage zu leisten und so die Wettbewerbsfähigkeit der EDTIB zu unterstützen, schlägt die Kommission vor, die Interventionslogik von EDIRPA auszuweiten und die Unterstützung für die gemeinsame Beschaffung von Verteidigungsgütern aus der EDTIB zu intensivieren. Durch dieses Finanzierungsfenster des EDIP werden die mit der Komplexität der Zusammenarbeit verbundenen finanziellen Kosten ausgeglichen, die über die dringendsten und kritischsten Verteidigungsgüter hinausgehen, wodurch der Interventionsbereich von EDIRPA ausgeweitet wird.

    Durch das Finanzierungsfenster des EDIP für die gemeinsame Beschaffung wird ein Beitrag dazu geleistet, die Anpassung der Industrie an strukturelle Veränderungen auf kooperative Weise zu beschleunigen. Außerdem werden dadurch Anreize für Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten geschaffen, indem sie in die Lage versetzt werden, die Effizienz der öffentlichen Ausgaben zu steigern und zur Interoperabilität und Austauschbarkeit beizutragen.

    Die Kommission und der Hohe Vertreter/Leiter der Agentur werden die Fortschritte messen, die nach der Verabschiedung dieser Strategie bei der Konsolidierung der Verteidigungsnachfrage erzielt wurden. Gemeinsame Forschung, Entwicklung und Beschaffung von Verteidigungsgütern sollten in der EU schrittweise zur Norm werden.

    Bislang waren die Mitgliedstaaten nicht in der Lage, den im Jahr 2007 erstmals vereinbarten Richtwert zu erreichen und 35 % ihres gesamten Ausrüstungsetats für die europäische Beschaffung kooperativer Ausrüstung aufzuwenden. 18  

    Mit Blick auf ein nachhaltiges, langfristiges Nachfragesignal an die EDTIB wird den Mitgliedstaaten vorgeschlagen, auf das Ziel hinzuarbeiten, bis 2030 mindestens 40 % der Verteidigungsgüter gemeinsam zu beschaffen.

    Mit der Verwirklichung dieses Ziels werden laufende und künftige zusätzliche Verteidigungsinvestitionen der Mitgliedstaaten effizientere Ergebnisse zur Folge haben, sodass die Resilienz und die Sicherheit der EU entscheidend gestärkt werden. Aufgrund der erheblichen Anreize, die EDIRPA und das EDIP auf EU-Ebene bieten, sowie aufgrund der Erfahrungen im Zusammenhang mit der EFF und des größeren Bewusstseins für Notwendigkeit, Dringlichkeit und Solidarität, die sich aus der derzeitigen geopolitischen Lage ergeben, ist dies sowohl wesentlich als auch realistisch.

     

    2.2.2.Systematischeres Handeln zur Unterstützung der Interoperabilität und Austauschbarkeit 

    Die Erfahrungen der Ukraine im Kampf gegen die ungerechtfertigte Aggression Russlands sind ein Beleg dafür, wie wichtig interoperable und austauschbare Verteidigungsfähigkeiten sind. Durch die im Krieg gewonnenen Erkenntnisse wurde offenbar, wie schwierig der Einsatz mehrerer ähnlicher, aber nicht wirklich interoperabler oder austauschbarer Waffensysteme ist, was auch für die in verschiedenen Mitgliedstaaten hergestellte Munition desselben Kalibers gilt. Dies ist nicht nur eine akute operative Herausforderung, sondern es werden dadurch auch die Wettbewerbsfähigkeit und Größenvorteile gemindert und somit das Funktionieren des Binnenmarkts eingeschränkt. Die derzeitigen, in dieser Hinsicht nicht haltbaren Einschränkungen wurzeln in Problemen im Zusammenhang mit nationalen Anforderungen, der Akzeptanz von Normen und der Zertifizierung. Um die Fragmentierung des Marktes zu beseitigen, sind drei Faktoren gleichermaßen wichtig: die Festlegung gemeinsamer Anforderungen durch die Mitgliedstaaten, die Verwendung bestehender oder die Erstellung neuer Normen sowie eine stärkere gegenseitige Anerkennung von Zertifizierungen.

    Kasten 3: Die Verteidigungsbereitschaft der EU wird durch suboptimale technische Anforderungen, Normen und Zertifizierungen beeinträchtigt

    Die bisherigen europäischen Kooperationsprogramme waren allzu oft von der Tendenz der Mitgliedstaaten geprägt, die nationalen Anforderungen, die sich aus den nationalen Fähigkeitenplanungsprozessen ergeben, zu individuell zu gestalten und übermäßig in Anspruch zu nehmen. Dies hatte allgemein mehrere Ausführungen derselben Fähigkeit, steigende FuE-, Beschaffungs- und Wartungskosten, eine suboptimale Nutzung von Lieferketten und Verzögerungen sowie eine Verringerung der Möglichkeiten für gemeinsame Ausbildung, Logistik und andere Kooperationsmöglichkeiten zur Folge.

    Eine strenge Normung kann zwar dazu beitragen, solche Probleme zu beheben, jedoch gibt es viele Belege dafür, dass Probleme in Bezug auf Interoperabilität und Austauschbarkeit durch Normen allein nicht vollständig abgewendet werden können. Trotz der im Rahmen der NATO angenommenen Standardisierungsübereinkommen (STANAG) stellt die freiwillige Akzeptanz dieser Normen nach wie vor ein Problem dar. Eine weitere Herausforderung ergibt sich daraus, dass durch die derzeit vereinbarten Normen häufig die erforderliche reale Interoperabilität und Austauschbarkeit in operativer Hinsicht nicht adäquat sichergestellt sind, da sie weder alle Verteidigungssysteme abdecken noch systematisch hinreichend detailliert sind.

    Schließlich ist auch die Zertifizierung immer noch ein Problem, das angegangen werden muss. Zertifizierungen werden derzeit von den zuständigen Behörden auf nationaler Ebene ausgestellt und – häufig aufgrund von Sicherheitsprotokollen – nicht gegenseitig anerkannt, wodurch de facto der Markt zersplittert und die Logistik behindert wird.

    Verteidigungsstandards sind ein Schlüsselfaktor für die Interoperabilität des Materials und der Ausrüstung, das bzw. die von den Streitkräften verwendet wird. Die EU unterstützt die Mitgliedstaaten insbesondere durch die von der EDA umgesetzten Tätigkeiten bei der Ermittlung von Normungsanforderungen und der Verwendung von Normen im Rahmen der Kooperationsprojekte, wobei die STANAG als Hauptreferenz herangezogen werden.

    Mit zahlreichen Projekten im Rahmen des Europäischen Verteidigungsfonds wird bereits eine stärkere Standardisierung der Ausrüstung auf EU-Ebene unterstützt, um innerhalb jeder Koalition für Interoperabilität und Austauschbarkeit zu sorgen. Durch den Europäischen Verteidigungsfonds sind die Mitgliedstaaten daher verpflichtet, im Zuge des Harmonisierungsprozesses für Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen, an dem sich alle Mitgliedstaaten beteiligen können, gemeinsame funktionale Anforderungen festzulegen. Es sollten jedoch weitere Anstrengungen darauf gerichtet werden, Anreize für die Nutzung der gängigsten bestehenden Normen bei der Herstellung und Beschaffung von Rüstungsgütern zu geben und dabei auf bestehenden Initiativen aufzubauen und diese zu ergänzen. Insbesondere das von der EDA verwaltete European Defence Standards Reference System (EDSTAR), mit dem Best-Practices Standards (BPS) zur Unterstützung von Programmen, Organisationen und Agenturen ermittelt werden, sollte die Grundlage für weitere Arbeiten bilden. Mit EDSTAR werden die STANAG der NATO ergänzt, wobei darauf abgezielt wird, die Wirksamkeit, Effizienz und Interoperabilität der Anwendung von Normen für Verteidigungs- und Sicherheitsgüter und -dienstleistungen zu optimieren. Mit den Programmen und Instrumenten der EU für die Verteidigungsindustrie sollen weitere Anreize geschaffen und Projekte priorisiert werden, mit denen zur Standardisierung und Harmonisierung der Anforderungen beigetragen wird.

    Die Kommission wird daher im Rahmen ihrer Programme für die Verteidigungsindustrie und insbesondere im Rahmen des Europäischen Verteidigungsfonds die Nutzung vereinbarter ziviler Normen – im Einklang mit der EU-Normungsstrategie 19 – oder von Verteidigungsstandards wie NATO STANAG fördern.

    Die Zertifizierung kann als formale Anerkennung dafür definiert werden, dass eine Ausrüstung die geltenden Anforderungen erfüllt, sodass sichergestellt ist, dass sie ohne erhebliche Gefahr für die Bediener verwendbar ist. Im Verteidigungssektor, in dem das Leben der Bediener durch die Ausrüstung erheblich gefährdet werden kann, tragen die Mitgliedstaaten für Schutzmaßnahmen Sorge, indem sie die zuständigen Einrichtungen (in der Regel Stellen innerhalb der Verteidigungsministerien) damit betrauen, Ausrüstung vor deren Verwendung zu zertifizieren. Die fehlende gegenseitige Anerkennung von Zertifizierungen hat zur Folge, dass ein Produkt auf einem bestimmten Markt – selbst innerhalb der EU – nicht angeboten werden kann.

    Um die Probleme im Hinblick auf die Zertifizierungen zu beheben, wird die Kommission auch gegenseitige Schnellzertifizierungen unterstützen, gegebenenfalls einschließlich der damit verbundenen Tests. Eine gegenseitige Zertifizierung dieser Art ist im Rahmen der EDA bereits im Bereich der Lufttüchtigkeit auf freiwilliger Basis umgesetzt worden. Die Agentur wird außerdem darauf hinwirken, andere Zertifizierungs-, Test- und Bewertungstätigkeiten weiter zu erleichtern. Insbesondere würde durch eine Stärkung der Arbeit der EDA im Bereich der Erprobung und Bewertung von Verteidigungsgütern die Koordinierung von Testtätigkeiten erleichtert, mit denen darauf abgezielt wird, die gegenseitige Zertifizierung ähnlicher Ausrüstung plattformübergreifend sicherzustellen.

    Darüber hinaus schlägt die Kommission vor, in Krisenzeiten unter bestimmten Umständen die gegenseitige Anerkennung nationaler Zertifizierungen gemäß den Bestimmungen des EDIP zuzulassen.

    2.2.3.Auf dem Weg zu robusten Rüstungskooperationsprogrammen für den gesamten Lebenszyklus: die Struktur für das europäische Rüstungsprogramm als neues leistungsstarkes Instrument

    Die Rüstungskooperationsprogramme der Mitgliedstaaten sind mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert. Sie werden meist auf Ad-hoc-Basis eingerichtet und dadurch beeinträchtigt, dass Instrumente fehlen, die ihrer Komplexität angemessen sind. Häufig hatte dies Verzögerungen und Kostenüberschreitungen zur Folge. Mit dem Europäischen Verteidigungsfonds und der SSZ werden zwar Anreize und Rahmen geboten, um in dieser Situation Abhilfe zu schaffen, jedoch muss das Engagement der Mitgliedstaaten für die Zusammenarbeit während des gesamten Lebenszyklus der Verteidigungsfähigkeiten weiter gefördert und gestärkt werden. Um dies zu erreichen, wird die Kommission einen neuen Rechtsrahmen – die Struktur für das Europäische Rüstungsprogramm (SEAP) – zur Verfügung stellen, der als Instrument zur Unterstützung und Stärkung der Verteidigungszusammenarbeit, auch im Rahmen der SSZ, genutzt werden kann, sofern die Mitgliedstaaten dies so vereinbaren.

    Mit diesem neuen Rechtsrahmen können die Mitgliedstaaten standardisierte Verfahren für die Einleitung und Verwaltung von Kooperationsprogrammen auf dem Gebiet der Verteidigung nutzen. Unter bestimmten Bedingungen können die Mitgliedstaaten von einem höheren Finanzierungssatz im Rahmen des EDIP sowie vereinfachten und harmonisierten Vergabeverfahren profitieren. Wenn Mitgliedstaaten gemeinsam Eigentümer der im Rahmen der SEAP (die den Status einer internationalen Organisation hat) beschafften Ausrüstung sind, können sie eine Mehrwertsteuerbefreiung in Anspruch nehmen. Darüber hinaus wird über das EDIP ein Bonus für Produkte gewährt, die im Kontext einer SEAP entwickelt und beschafft werden, wenn sich die betreffenden Mitgliedstaaten auf ein gemeinsames Konzept für Ausfuhren im Verteidigungsbereich verständigen. Außerdem besteht für die Mitgliedstaaten durch den Status einer internationalen Organisation die Möglichkeit, Schuldtitel auszugeben, wenn sie dies möchten, um den langfristigen Finanzierungsplan für Rüstungsprogramme abzusichern. Die Union würde zwar nicht für die Emission von Schuldtiteln durch die Mitgliedstaaten haften, durch die Beiträge zum Funktionieren der SEAP im Rahmen des EDIP könnten jedoch die Bedingungen für die Finanzierung der Rüstungsprogramme durch die Mitgliedstaaten verbessert werden, da sie für eine Unterstützung durch die Union in Betracht kommen.

    Mit diesem neuen Instrument wird auch ein Beitrag dazu geleistet, die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Einklang mit den Prioritäten auf dem Gebiet der Fähigkeiten, die von den Mitgliedstaaten im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), nämlich im Zusammenhang mit dem CDP, gemeinsam vereinbart wurden, zu intensivieren. Dadurch sollte die Durchführung von SSZ-Projekten erleichtert und unterstützt sowie zur Erfüllung der von den teilnehmenden Mitgliedstaaten eingegangenen verbindlicheren Verpflichtungen beigetragen werden. Im Rahmen der laufenden strategischen Überprüfung der SSZ könnte der Hohe Vertreter den teilnehmenden Mitgliedstaaten empfehlen, im Einklang mit den Zielen der vorliegenden Strategie die verbindlicheren Verpflichtungen im Zusammenhang mit der EDTIB zu stärken und mögliche neue Verpflichtungen, nämlich in Bezug auf die gemeinsame Beschaffung durch die EDTIB, zu prüfen. Diese könnten ebenfalls bei der Festlegung und Durchführung der SSZ-Projekte berücksichtigt werden.

    Wie in Abschnitt 3 der vorliegenden Gemeinsamen Mitteilung ausgeführt, besteht auch die Möglichkeit, mit der SEAP die Entwicklung von Prototypen aus FuE‑Kooperationsmaßnahmen, die aus dem Europäischen Verteidigungsfonds mit Blick auf eine industrielle Produktion finanziert werden, zu unterstützen.

    2.3.In Europa investieren

    Durch mehr, bessere und gemeinsame Investitionen wird die Verteidigungsbereitschaft der Union nur dann gesteigert, wenn die aus den größeren nationalen Haushalten stammenden höheren Investitionen der Verteidigungsindustrie der Union zugutekommen. Dass Investitionen der Mitgliedstaaten in die EDTIB fließen, hängt jedoch in hohem Maße davon ab, ob die EDTIB nachweisen kann, dass sie in der Lage ist, die Nachfrage der Mitgliedstaaten sowohl in Bezug auf Lieferzeit als auch Lieferumfang zu decken.

    Die im Zeichen der Dringlichkeit stehenden Beschaffungsentscheidungen, die von den Mitgliedstaaten angesichts der dramatischen Verschlechterung des Sicherheitsumfelds getroffen wurden, erfolgten vor dem Hintergrund einer EDTIB, deren Produktionskapazitäten begrenzt und auf Friedenszeiten eingerichtet waren. Der Anstieg der Beschaffungen kam vor allem den Industrien außerhalb der EU zugute. Die rechtzeitige und quantitative Verfügbarkeit ist daher ein neuer Parameter für die Wettbewerbsfähigkeit der EDTIB und für die Sicherheit der Union, insbesondere in Zeiten erhöhter sicherheitspolitischer Spannungen.

    Die Verstärkung dieses Trends hat zur Folge, dass bestehende Abhängigkeiten zunehmen oder neue entstehen, wodurch die potenziell positiven Wechselwirkungen erhöhter Investitionen, durch die die EDTIB gestärkt werden könnte, begrenzt sind. Das Volumen der über US-amerikanische FMS-Programme für Rüstungsgüter in der EU durchgeführten Beschaffungen ist von 2021 bis 2022 um 89 % gestiegen. 20 Darüber hinaus dringen auch aufstrebende Rüstungshersteller aus anderen Drittländern in den EU-Markt vor. Dieser Trend beeinträchtigt die Wettbewerbsfähigkeit der EDTIB und hat zudem zur Folge, dass mit dem Geld der Steuerzahler in der EU Arbeitsplätze im Ausland geschaffen werden, weshalb er umgekehrt werden muss.

    Zu diesem Zweck strebt die Kommission in Zusammenarbeit mit dem Hohen Vertreter/Leiter der Agentur die Einrichtung eines europäischen Mechanismus für militärische Verkäufe an, mit dem die Verfügbarkeit von Verteidigungsgütern der EDTIB erleichtert und das Bewusstsein für diese Verfügbarkeit geschärft wird. Die Kommission schlägt vor, einen solchen Mechanismus mit einem Pilotprojekt im Rahmen des EDIP zu testen, um gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und der Industrie ab 2028 einen vollwertigen Mechanismus aufzubauen. Der Pilotmechanismus wird aus vier Säulen bestehen: 1) einem Katalog von Verteidigungsgütern, 2) finanzieller Unterstützung für die Einrichtung rasch verfügbarer Pools von Verteidigungsfähigkeiten, 3) Bestimmungen zur Erleichterung der Vergabeverfahren und 4) Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau für Beschaffer.

    Erstens wird die Kommission auf der Grundlage bestehender Instrumente 21 in Zusammenarbeit mit dem Hohen Vertreter/Leiter der Agentur auf die Erstellung eines einzigen, zentralisierten und aktuellen Katalogs von Verteidigungsgütern, die von der EDTIB entwickelt wurden, hinwirken. Durch die Munitionskrise im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine wurde offenbar, dass der Union zwar eine bedeutende Produktionskapazität zur Verfügung stand, die weitverbreitete Unterschätzung dieser Kapazität jedoch eine verstärkte Aufmerksamkeit von Herstellern aus Drittländern zur Folge hatte. Solche Fehleinschätzungen schaden der EDTIB und sollten korrigiert werden. Um die Sichtbarkeit der in der EU entwickelten Lösungen zu erhöhen, wird die Kommission in enger Zusammenarbeit mit dem Hohen Vertreter/Leiter der Agentur eine zentrale Anlaufstelle für die Identifizierung der von der EDTIB hergestellten Verteidigungsgüter einrichten. Die Industrie wird auf der Grundlage spezieller Aufrufe zur Interessenbekundung freiwillige Beiträge zu diesem Katalog leisten.

    Zweitens wird die Kommission die Schaffung von Pools für die industrielle Bereitschaft im Verteidigungsbereich unterstützen, um die Verfügbarkeit zu erhöhen und die Lieferzeit für in der EU hergestellte Verteidigungsgüter zu verkürzen. Da unsere Industrie in begrenzten Mengen für kleinere nationale Märkte produziert, leidet sie unter einem Wettbewerbsnachteil gegenüber Akteuren aus Drittländern. EU-Hersteller haben zwar ähnliche oder kürzere Lieferfristen als Hersteller aus Drittländern, jedoch können Produkte aus Drittländern häufig aus bestehenden Beständen außerhalb der EU bereitgestellt werden, sodass sie schneller auf dem Markt verfügbar sind, wodurch diese Lösungen von außerhalb der EU attraktiver sind. Für das EDIP schlägt die Kommission vor, den Kauf zusätzlicher Mengen von Verteidigungsfähigkeiten, für die die Mitgliedstaaten eine gemeinsame Beschaffung im Rahmen der SEAP beschlossen haben, finanziell zu unterstützen. Dadurch würde die Bildung strategischer Reserven ermöglicht, die rasch weiteren Kunden zur Verfügung gestellt werden könnten, sodass ein attraktives zwischenstaatliches System entstünde. Die Steuerung der Verwendung der in Reserve befindlichen Ausrüstung wird von denjenigen Mitgliedstaaten festgelegt werden, die Teil der SEAP sind.

    Drittens schlägt die Kommission vor, eine Standardregelung für künftige Verteidigungsverträge und Rahmenvereinbarungen mit in der EU ansässigen Herstellern einzuführen. Die Mitgliedstaaten haben nach dem Unionsrecht bereits die Möglichkeit, ihre Verträge und Rahmenvereinbarungen anderen Mitgliedstaaten zugänglich zu machen, wenn diese Möglichkeit von Beginn des Vergabeverfahrens an vorgesehen ist. Die Mitgliedstaaten nutzen diese Möglichkeit jedoch nur sehr selten. Infolgedessen ist die Beschaffung auf der Grundlage solcher Verträge und Rahmenvereinbarungen durch andere Mitgliedstaaten sehr begrenzt. Um für diesbezüglich strukturell Abhilfe zu schaffen, würde durch diese Standardregelung vorgesehen, dass – sofern nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist – ein Verteidigungsvertrag/eine Rahmenvereinbarung jedem anderen Mitgliedstaat zu den gleichen Bedingungen wie für den beschaffenden Mitgliedstaat zugänglich gemacht werden könnte (vorbehaltlich der Zustimmung der betreffenden Mitgliedstaaten). Darüber hinaus erscheint es aufgrund der Praxis der Mitgliedstaaten seit Beginn des großangelegten russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine notwendig, es den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, auch bestehende nationale Rahmenverträge mit in der EU ansässigen Herstellern zu nutzen, um im Namen anderer zusätzliche Mengen zu beschaffen (Rahmenvertrag mit federführendem Mitgliedstaat). Daher schlägt die Kommission im Zusammenhang mit dem EDIP eine Verlängerung der in der Verordnung zur Förderung der Munitionsproduktion vorgesehenen befristeten Ausnahmeregelung von der Richtlinie 2009/81/EG vor. Auf der Grundlage dieser „Solidaritätsklausel für die Industrie“ könnten die Mitgliedstaaten von den Verträgen anderer Mitgliedstaaten profitieren, ihren Verwaltungsaufwand (sowie auch den der Industrie) verringern und Ausrüstung innerhalb kürzerer Lieferfristen erhalten.

    Viertens könnten die Mitgliedstaaten zur Erleichterung der Beschaffung von der EDTIB im Rahmen bestehender EU-Instrumente, zum Beispiel des Instruments für technische Unterstützung 22 , für den Aufbau von Verwaltungskapazitäten sowie für die Umsetzung einschlägiger Reformen Unterstützung beantragen. Insbesondere könnten die nationalen Beschaffungsstellen der Mitgliedstaaten Unterstützung für die Vereinfachung der Vergabeverfahren, die Neuorganisation der Verwaltungsstrukturen, den Informationsaustausch sowie die allgemeine und berufliche Bildung beantragen, um in der Union die gemeinsame Beschaffung zu verbessern. Die EDA wird diesen Aufbau von Verwaltungskapazitäten weiter fördern, indem sie Foren für den Austausch über bewährte Verfahren bereitstellt und im Rahmen ihres Netzwerks von Experten für den Erwerb von Verteidigungsgütern weitere Kooperationsmaßnahmen plant.

    Wie im Fall der gemeinsamen Beschaffung ist es von wesentlicher Bedeutung, dass die Kommission und der Hohe Vertreter/Leiter der Agentur anhand der von den Mitgliedstaaten bereitgestellten Daten in der Lage sind, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten die Fortschritte zu messen, die mit der vorliegenden Strategie erreicht werden.

    Höhere Investitionen in die Verteidigung werden nur durch eine verstärkte Zusammenarbeit, die Voraussetzung für die Überwindung anhaltender Effizienzmängel ist, ihren Zweck erreichen. Mit Blick auf eine der Bedrohungsstufe angemessenen Resilienz sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeiten der EDTIB voll ausschöpfen, indem sie bei allen Investitionen und Anschaffungen zusammenarbeiten. Zur Messung der Fortschritte bei der Umsetzung dieser Strategie können zwei Indikatoren herangezogen werden.

    Erstens ist der EU-Verteidigungsmarkt zwischen 2017 und 2023 um 64 % gewachsen, während der Handel mit Verteidigungsgütern zwischen den Mitgliedstaaten nur geringfügig zugenommen hat und nunmehr lediglich 15 % des Gesamtwerts des EU‑Verteidigungsmarkts ausmacht. 23 Dieser Diskrepanz sollte entgegengewirkt werden. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, dafür zu sorgen, dass der Wert des Handels mit Verteidigungsgütern innerhalb der EU bis 2030 mindestens 35 % des Werts des EU‑Verteidigungsmarkts ausmacht.

    Darüber hinaus lassen aktuelle Daten darauf schließen, dass seit 2022 fast 80 % der Verteidigungsinvestitionen der Mitgliedstaaten bei Lieferanten aus Drittländern getätigt wurden, gegenüber etwa 60 % vor dem Krieg. Dieser besorgniserregenden Wendung, die aus Gründen der Dringlichkeit gerechtfertigt sein mag, kann durch mehr Transparenz und konkrete Fortschritte bei der Verfügbarkeit und den Lieferfristen von Produkten der EDTIB entgegengewirkt werden.

    Mit Blick auf die gemeinsamen Bestrebungen zur Verwirklichung der Strategie sollten die Mitgliedstaaten den derzeitigen Trend umkehren und schrittweise das Niveau ihrer Beschaffungen bei der EDTIB auf das Vorkriegsniveau anheben und möglichst weit darüber hinaus erhöhen. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, stetige Fortschritte bei der Beschaffung zu erzielen, um bis 2030 mindestens 50 % und bis 2035 60 % ihrer Verteidigungsinvestitionen in der EU zu tätigen. 24  

    Durch eine Umkehr der derzeitigen Trends und die Erfüllung dieser Richtwerte würden die Resilienz der Union sowie die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger spürbar erhöht. Aufgrund der zusätzlichen Unterstützung der europäischen Zusammenarbeit durch das EDIP und den Europäischen Verteidigungsfonds sowie der Nachfolgeprogramme ab 2028 in Verbindung mit starkem politischem Willen und Engagement der Mitgliedstaaten sind diese Richtwerte realistisch und erreichbar.

    Weiteres Vorgehen:

    Um die Mitgliedstaaten dabei zu unterstützen, mehr, besser, gemeinsam und in Europa zu investieren, werden die Kommission und der Hohe Vertreter/Leiter der Agentur

    Ø eine neue gemeinsame Programmplanungs- und Beschaffungsfunktion einrichten, indem ein Ausschuss für die industrielle Bereitschaft im Verteidigungsbereich sowie eine hochrangige Gruppe für die europäische Verteidigungsindustrie mit beratender Funktion eingesetzt werden.

    Die Kommission

    Ø schlägt vor, im Rahmen des EDIP die EDIRPA-Logik auszuweiten und die Zusammenarbeit bei der Beschaffung von Produkten der EDTIB zu unterstützen;

    Ø schlägt vor, im Rahmen des EDIP in Krisenzeiten eine rasche gegenseitige Anerkennung von Zertifizierungen zu ermöglichen;

    Ø schlägt vor, den Mitgliedstaaten einen neuen Rechtsrahmen, die Struktur für das europäische Rüstungsprogramm (SEAP), zur Verfügung zu stellen, um die Verteidigungszusammenarbeit in vollständiger Komplementarität mit dem SSZRahmen zu stärken;

    Ø schlägt die schrittweise Schaffung eines europäischen Mechanismus für militärische Verkäufe vor, mit dem die rechtzeitige und quantitative Verfügbarkeit von EU-Ausrüstung gefördert werden soll;

    Ø schlägt vor, im Rahmen des EDIP europäische Verteidigungsvorhaben von gemeinsamem Interesse auf den Weg zu bringen, um auf EU-Ebene dazu beizutragen, den freien Zugang der Union und der Mitgliedstaaten zu umkämpften Räumen wie Cyberraum, Weltraum, Luft- und Seeverkehr sowie zur Umsetzung der Prioritäten der EU für die Fähigkeitenentwicklung zu sichern und zu schützen.

    Darüber hinaus wird der Hohe Vertreter

    Ø den an der SSZ teilnehmenden Mitgliedstaaten im Rahmen der strategischen Überprüfung der SSZ 2023-2025 empfehlen, die verbindlicheren Verpflichtungen in Bezug auf die EDTIB zu stärken (oder mögliche neue zu prüfen) und SSZ-Projekte zu nutzen, um die Ziele der vorliegenden Strategie zu erreichen.

    3.Sicherstellung der Verfügbarkeit: eine reaktionsfähige EDTIB unter allen Umständen und für jeden Zeithorizont 

    Die EU kann bereits heute auf eine insgesamt wettbewerbsfähige EDTIB von Weltrang vertrauen. In einem sich dramatisch wandelnden geopolitischen Kontext, in dem die EU und ihre Mitgliedstaaten die Verantwortung für die Sicherheit ihrer Bürgerinnen und Bürger übernehmen müssen, ist es wichtiger denn je, mit einer reaktionsfähigeren und resilienteren EDTIB zusammenzuarbeiten. Dabei kommt es darauf an, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die EU-Industrie die Nachfrage der Mitgliedstaaten rechtzeitig und in richtigem Umfang decken kann. Während die Mitgliedstaaten dafür verantwortlich sind, feste und langfristige Aufträge zu erteilen, um die erforderliche Vorhersehbarkeit des Marktes der Verteidigungsindustrie sicherzustellen, ist die Kommission bereit, ihre Vorrechte und einschlägigen Programme zur Unterstützung dieser Bemühungen einzusetzen.

    3.1.Unterstützung einer schnelleren Reaktion und einer vielseitigen Anpassung an dringenden Bedarf

    Wie durch die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine deutlich veranschaulicht wurde, sind die Sicherheit der Union und ihre Fähigkeit, ihre Partner wirksam zu unterstützen, von ihrer Fähigkeit abhängig, rasch Verteidigungsgüter zu mobilisieren. Da die Bedrohungslage in absehbarer Zukunft voraussichtlich hoch bleiben wird, muss die EDTIB in der Lage sein, die erforderlichen Güter in der richtigen Menge, an die richtigen Orte und zum richtigen Zeitpunkt zu liefern. Um dies zu erreichen, muss die EDTIB einen Paradigmenwechsel vollziehen und mehr Risiken eingehen, um besser auf den Bedarf aller Mitgliedstaaten reagieren zu können.

    Die Mobilisierung der EDTIB sollte mit dem Ziel erfolgen, in ganz Europa die Resilienz und Versorgungssicherheit zu erhöhen, wobei der spezifische Bedarf derjenigen Mitgliedstaaten, die dem Risiko des Eintretens konventioneller militärischer Bedrohungen objektiv am unmittelbarsten ausgesetzt sind, in vollem Umfang zu berücksichtigen ist. Dazu ist es unter anderem erforderlich, durch weitere Investitionen in die militärische Mobilität Engpässe für die rasche, effiziente und ungehinderte Verbringung von Verteidigungsgütern und -fähigkeiten zu beseitigen.

    Die EU wird dieses Umdenken begleiten und dazu beitragen, das mit den Bemühungen ihrer Verteidigungsindustrie einhergehende Risiko zu verringern und ihre Bereitschaft zu verbessern, indem sie den Ausbau der Produktionskapazitäten in der EU in den von den Mitgliedstaaten und der Kommission gemeinsam festgelegten Bereichen unter besonderer Berücksichtigung von KMU und kleinen Midcap-Unternehmen unterstützt. Zu diesem Zweck schlägt die Kommission vor, die Interventionslogik des Programms der Munitionsproduktionsverordnung über Boden-Boden-Munition und Flugkörper hinaus auszuweiten, damit die EU produktive Investitionen in die EDTIB für die am dringendsten benötigten Produkte beschleunigen kann. Mit der finanziellen Unterstützung der EU wird beabsichtigt, eine Steigerung des Produktionsvolumens relevanter Verteidigungsgüter zu ermöglichen, zu einer Verkürzung ihrer Lieferzeiten beizutragen sowie potenzielle Engpässe und Faktoren, durch die ihre Lieferung und Produktion verzögert oder behindert werden könnten, zu beseitigen. Soweit möglich, sollten mit einer finanziellen Unterstützung dieser Art auch grenzüberschreitende Industriepartnerschaften und die Zusammenarbeit einschlägiger Unternehmen im Rahmen gemeinsamer Anstrengungen der Industrie gefördert werden, wobei uneingeschränkt die jeweils relevanten Finanz- und Wettbewerbsvorschriften zu beachten sind.

    Im Rahmen der Unterstützung des Ausbaus gilt es jedoch auch, sich mit den industriellen Folgen eines Ausbaus zu befassen, sobald die gestiegene Nachfrage gedeckt ist. Wird jetzt in die Entwicklung ständig verfügbarer Einrichtungen und die mögliche Umwidmung ziviler Produktionslinien investiert, würde ein Beitrag zur Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger der Union geleistet und gleichzeitig die Flexibilität der Produktionskapazitäten der EDTIB gewahrt und ihre Wettbewerbsfähigkeit insgesamt erhalten.

    Die Kommission wird über das EDIP zum Aufbau ständig verfügbarer Kapazitätsreserven für die Industrie beitragen, durch die die nötige Flexibilität dafür geschaffen wird, auf Spitzen dringend zu deckender Nachfrage mit einem Ausbau reagieren zu können. Dies wäre insbesondere dann angezeigt, wenn die Mitgliedstaaten kritische Versorgungsengpässe feststellen.

    Es wird die Möglichkeit bestehen, beispielsweise die Finanzierung von Werkzeugmaschinen und der relevanten Personalkosten vorzusehen, damit die EDTIB im Fall einer größeren Krise in der Lage ist, innerhalb kurzer Zeit die erforderlichen Güter in großem Umfang zu produzieren, indem sie die Verfügbarkeit von Produktionskapazitäten verbessert und gleichzeitig nach Möglichkeit die Produktionstechnologien modernisiert. Dadurch wird sichergestellt, dass bei Bedarf ein sofortiger Ausbau erfolgen kann.

    Darüber hinaus wird die Kommission gemeinsam mit den Mitgliedstaaten Maßnahmen zur raschen Mobilisierung von Produktionslinien aus der zivilen Industrie für die Zwecke der Verteidigungsproduktion prüfen und dafür Sorge tragen, dass bei solchen Szenarien die erforderlichen qualifizierten Arbeitskräfte zur Verfügung stehen (z. B. durch Vorbereitung von Personal im Wege von Sicherheitsüberprüfungen und Schulungen). Durch diese wirksamen und praktischen Lösungen wird es möglich, die Produktion der EDTIB unverzüglich an die von den Mitgliedstaaten mitgeteilten Nachfrageschwankungen anzupassen.

    Kasten 3. Ein Argument für eine größere Reaktionsfähigkeit: Verwirklichung der Massenproduktion verteidigungsrelevanter Drohnen vor dem Hintergrund der laufenden Bemühungen um die Ausschöpfung ihres Potenzials

    Unbemannten Systemen kommt auf dem Kriegsschauplatz der Ukraine in der Luft, zur See und zu Land eine entscheidende Rolle zu, da sie in großem Umfang zur Überwachung und Aufklärung, zur Feuerunterstützung und auch als Effektoren eingesetzt werden. Schätzungsweise setzt die Ukraine pro Monat bis zu 10 000 Flugdrohnen im Kriegsgebiet ein und stellt monatlich 40 000 neue Drohnen her. 

    Bei den meisten davon handelt es sich um kostengünstige Verbrauchsgüter, häufig umfunktionierte kommerzielle zivile Drohnen, mit denen gleichwohl wesentlich teurere Ausrüstung zerstört werden kann. Zwar wird durch sie der Bedarf an einem breiten Spektrum militärischer Spezialdrohnen nicht verringert, jedoch hat es sich erwiesen, dass sie von erheblichem taktischem und strategischem Wert sind.

    Mit dem Europäischen Verteidigungsfonds und den Vorgängerfonds werden zwar seit 2017 FuE-Maßnahmen für unbemannte Systeme im Verteidigungsbereich unterstützt, allerdings lässt sich feststellen, dass der Aufbau von Kapazitäten zur raschen Steigerung und Erreichung der Massenproduktion solcher Ausrüstung ein Schlüsselelement der Verteidigungsbereitschaft der EU im Hinblick auf Konflikte mit hoher Intensität ist. Dieser Umstand könnte Gegenstand von Maßnahmen im Rahmen des künftigen EDIP sein, und es sollten kritische Abhängigkeiten oder Engpässe ermittelt und beseitigt werden. Eine Unterstützung der gemeinsamen Beschaffung von Drohnen oder die Abwehr unbemannter Flugsysteme ist auch im Rahmen von EDIRPA möglich.

    Unbemannte Flugsysteme zählen auch zum vorrangigen Bedarf der Ukraine, der möglicherweise in Abstimmung mit den Arbeiten im Rahmen der Kontaktgruppe „Verteidigung der Ukraine“ über die Europäische Friedensfazilität unterstützt werden könnte.

    Die Kommission hat am 29. November 2022 die europäische Drohnenstrategie 2.0 angenommen, in deren Rahmen mehrere Leitinitiativen umgesetzt werden. Zusätzlich zur Finanzierung einschlägiger FuE-Maßnahmen im Rahmen des Programms „Horizont Europa“ und des Europäischen Verteidigungsfonds wurden weitere Maßnahmen eingeleitet: erstens koordinierte Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen, bei denen Mittel aus EU-Instrumenten und Darlehen der Europäischen Investitionsbank (EIB) kombiniert werden, um ein neues Vorzeigeprojekt zu „Drohnentechnologien“ zu unterstützen; zweitens die Entwicklung eines strategischen Drohnentechnologie-Fahrplans, um vorrangige Bereiche zur Förderung von Forschung und Innovation, zur Verringerung bestehender strategischer Abhängigkeiten und zur Vermeidung neuer Abhängigkeiten zu ermitteln, bzw. die Einrichtung eines EU-Netzes von Drohnentestzentren für zivile Verteidigung, um den Austausch zwischen dem zivilen und dem Verteidigungssektor zu erleichtern.

    Um die Vielseitigkeit der EDTIB weiter zu unterstützen, regt die Kommission im Rahmen des vorgeschlagenen EDIP die Einrichtung eines Fonds zur Beschleunigung der Transformation der Lieferkette im Verteidigungsbereich (FAST) an. Mit diesem Fonds soll KMU und kleinen Midcap-Unternehmen, die Verteidigungstechnologien entwickeln und/oder Verteidigungsgüter herstellen oder planen, demnächst Tätigkeiten dieser Art aufzunehmen, der Zugang zu Fremd- und/oder Beteiligungsfinanzierung erleichtert werden. Mit FAST bestünde die Möglichkeit, ein Vielfaches der Mittel zu mobilisieren, die der Initiative durch das EDIP als Darlehen oder Kapitalbeteiligungen zugewiesen werden.

    Durch die Mobilisierung zusätzlicher öffentlicher und privater Investitionen zur Unterstützung der EDTIB wird mit FAST die Resilienz der Wertschöpfungsketten der Verteidigungsindustrie der Union gestärkt werden. Mit dieser Initiative sollte außerdem zur Entwicklung eines Ökosystems von Investoren beigetragen werden, die den Schwerpunkt auf Wachstumsphasen legen und in kritische Rüstungslieferanten investieren und die Expansion innovativer Verteidigungsunternehmen unterstützen.

    3.2.Technologische Vorreiterrolle im Verteidigungsbereich als Ziel

    Während sichergestellt wird, dass die EU in der Lage ist, von der Produktionsseite her auf Sicherheitskrisen zu reagieren, ist es für Europa gleichermaßen wichtig, an der Spitze der Innovation zu stehen. Nachhaltige FuE-Anstrengungen sind notwendiger denn je, um die Wettbewerbsfähigkeit der EDTIB insbesondere im Hinblick auf ihre Verfügbarkeit langfristig zu erhalten, um das Potenzial der Exzellenz ihrer Wissenschaftler, Ingenieure und Innovatoren voll auszuschöpfen. Kurzfristig würde mit technologischen Durchbrüchen auch dazu beigetragen, die derzeitigen Herausforderungen, einschließlich des anhaltenden Krieges in der Ukraine, zu bewältigen.

    3.2.1.Förderung von Innovationen und Ausschöpfung des Verteidigungspotenzials von KMU 

    Durch die Förderung und Unterstützung einer strukturierteren und systematischeren Zusammenarbeit in der gesamten EU wurde mit dem Europäischen Verteidigungsfonds der Weg für eine innovativere EDTIB und für die Öffnung und Europäisierung der Lieferketten geebnet. Es ist jedoch von entscheidender Bedeutung, die Ambitionen der EU weiter zu verstärken, um Innovationen im Verteidigungsbereich und das Hinzukommen neuer Akteure in den Lieferketten im Verteidigungsbereich wirksam zu fördern. Der Sektor muss die schnelleren zivilen Innovationszyklen für Technologien mit potenziell doppeltem Verwendungszweck in vollem Umfang nutzen, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu wahren und den Vorteil des Militärs auf dem Schlachtfeld zu sichern.

    Im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit müssen die Fähigkeit und Autonomie zur Entwicklung innovativer Verteidigungsgüter auch durch die Unterstützung der Forschung im Bereich zukunftssicherer Verteidigungsfähigkeiten, einschließlich disruptiver Technologien, gestützt werden. Letztere können einen tiefgreifenden Wandel der Streitkräfte der Mitgliedstaaten und einen entscheidenden operativen Vorteil bewirken. In diesem Sinne muss die EU versuchen, innovativen Unternehmen – insbesondere Start-up-Unternehmen, KMU, kleinen Midcap-Unternehmen sowie Forschungs- und Technologieorganisationen (RTO) – flexiblere, schnellere und schlankere Finanzierungszyklen und bessere Verbindungen zu militärischen Endnutzern und Investoren zu bieten. 

    Vor diesem Hintergrund werden mit dem EU-Innovationsprogramm im Verteidigungsbereich (EUDIS), das im Rahmen des Europäischen Verteidigungsfonds mit einer Mittelausstattung von 2 Mrd. EUR 25 entwickelt wurde, innerhalb des laufenden MFR, auch durch die Vermittlung von Kontakten zu Investoren, Partnern und Endnutzern, innovationsunterstützende Dienste für einzelne Einrichtungen vorgeschlagen ; zudem wird die Unterstützung für die Erprobung und Validierung innovativer Produkte und Technologien verstärkt. Im Rahmen des Programms wird darauf hingearbeitet, den Verwaltungsaufwand, insbesondere für KMU und kleine Midcap-Unternehmen, zu verringern, indem beispielsweise die Einführung von ständig verfügbaren Aufforderungen zur Einreichung von Projektvorschlägen und Möglichkeiten zur Unterstützung eines vielversprechenden Technologietransfers vom zivilen Bereich zum Verteidigungsbereich geprüft werden.

    Dank der kontinuierlichen und intensiven Zusammenarbeit zwischen der Kommission (EUDIS) und der EDA (Innovationszentrum für den Verteidigungsbereich) können innovative Akteure im Verteidigungsbereich in vollem Umfang die maßgeschneiderten Unterstützungsmaßnahmen der EU, unter anderem Orientierungshilfen für die Anforderungen an die militärischen Fähigkeiten der Endnutzer und Möglichkeiten zur Vernetzung mit europäischen Verteidigungsgemeinschaften, in Anspruch nehmen. Jedes Jahr unterstützt das EUDIS in enger Zusammenarbeit mit dem Innovationszentrum für den Verteidigungsbereich bis zu 400 innovative Start-up-Unternehmen und KMU, um ihnen dabei zu helfen, traditionelle Hemmnisse für den Marktzutritt zu überwinden.

    Die Dienststellen der Kommission werden nach Konsultation der EDA (Innovationszentrum für den Verteidigungsbereich) Hackathons unterstützen, bei denen junge Ingenieure und Start-up-Unternehmen miteinander in Wettbewerb treten, um die beste Lösung für konkrete Probleme in Kriegsgebieten – angefangen bei den Herausforderungen, mit denen die ukrainischen Streitkräfte vor Ort konfrontiert sind – zu finden. Um die technologische und industrielle Basis der ukrainischen Verteidigung weiter zu unterstützen, wird ein EU-Innovationsbüro in Kiew als Bindeglied zwischen Start‑up‑Unternehmen und innovativen Akteuren aus der EU sowie der ukrainischen Industrie und den ukrainischen Streitkräften fungieren. Es wird dazu beitragen, technologische Durchbrüche weiterzugeben, die Auswirkungen auf das Kriegsgeschehen haben können.

    Kasten 4. KMU – bereits jetzt im Mittelpunkt der Bemühungen der EU zur Unterstützung der Verteidigungsindustrie

    Als flexiblen Akteuren kommt den KMU in der Verteidigungsgemeinschaft eine immer wichtigere Rolle als Anbieter disruptiver Technologien und Innovationen zu. Die Kommission hat daher Maßnahmen ergriffen, um einen aktiveren Beitrag der KMU zur FuE im Verteidigungsbereich der EU zu unterstützen, insbesondere durch an KMU gerichtete Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen im Rahmen des Europäischen Verteidigungsfonds und gleichzeitig durch eine Förderung ihrer Beteiligung an allen anderen Projekten. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit unter Beteiligung von KMU ist eines der Vergabekriterien des Programms des Europäischen Verteidigungsfonds, und es werden finanzielle Boni gewährt, die sich nach dem Umfang der Beteiligung von KMU an Entwicklungsmaßnahmen richten.

    Im Anschluss an die Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen im Rahmen des Europäischen Verteidigungsfonds 2021 und 2022 erhielten 511 KMU Mittel in Höhe von 354 Mio. EUR, was 40 % der Teilnehmer bzw. 20 % der Mittel entspricht. Bei den Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen im Rahmen des Europäischen Verteidigungsfonds entfiel 2023 auf KMU ein Anteil von ca. 50 % an den teilnehmenden Einrichtungen bzw. von 30 % an den insgesamt beantragten Finanzhilfen. Für den Zeitraum 2023-2027 dürften KMU bis zu 840 Mio. EUR aus dem Europäischen Verteidigungsfonds erhalten.

    Im Jahr 2022 wurden im Rahmen des EUDIS aus dem Europäischen Verteidigungsfonds 224 Mio. EUR für die Unterstützung von Innovation im Verteidigungsbereich und für KMU bereitgestellt, einschließlich spezifischer Maßnahmen, zum Beispiel für technologische Herausforderungen. Die EUDIS-Maßnahmen werden weiterentwickelt und umgesetzt, um KMU während ihres gesamten Wachstumszyklus zu unterstützen. Ein wichtiger Meilenstein wurde im Januar 2024 mit der Einrichtung einer Eigenkapitalfazilität für den Verteidigungsbereich erreicht, mit der zusammen mit dem zur EIB-Gruppe gehörenden Europäischen Investitionsfonds bis zu 500 Mio. EUR in vielversprechende KMU im Verteidigungsbereich investiert werden sollen, um deren Wachstum zu begleiten. Im Jahr 2024 werden voraussichtlich ein Beschleunigungsinstrument für den Verteidigungsbereich ins Leben gerufen und Maßnahmen zur Vermittlung von Kontakten mit Investoren organisiert.

    3.2.2.Die Unterstützungsprojekte im Rahmen des Europäischen Verteidigungsfonds werden über die FuE-Phase hinaus zu einer konkreten Realität

    Mit mehr als 1 Mrd. EUR pro Jahr im Zeitraum 2021-2027 ist der Europäische Verteidigungsfonds bereits ein wirksames Instrument zur Förderung der industriellen Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich und zur Schaffung von Anreizen für grenzüberschreitende Forschung und Entwicklung im Verteidigungsbereich, wodurch ein Beitrag zu in stärkerem Maße europäischen industriellen Wertschöpfungsketten im Verteidigungsbereich geleistet wird. 26  

    Über die Forschungs- und die Frühentwicklungsphase hinaus kommt es bei den Kooperationen in der Phase der Prototypentwicklung allerdings zu einer „Kommerzialisierungslücke“, in der eine deutlich höhere Beteiligung der Mitgliedstaaten erforderlich wird.

    Zudem können unterschiedliche operative Anforderungen und unterschiedliche nationale industriepolitische Maßnahmen zur Folge haben, dass Verteidigungsunternehmen die Kooperation beenden, sobald die Maßnahme im Rahmen des Europäischen Verteidigungsfonds ausläuft. Um dies zu vermeiden, ist für Kooperationsmaßnahmen im Verteidigungsbereich, die ursprünglich aus dem Europäischen Verteidigungsfonds unterstützt wurden und bei denen das Prototyp-Stadium erreicht wurde, möglicherweise auf der Grundlage gemeinsamer, harmonisierter funktioneller Anforderungen eine nachhaltige Unterstützung mit Blick auf die Industriereife erforderlich. 

    Die Struktur für das Europäische Rüstungsprogramm und die Ausweitung der EDIRPA‑Logik werden entscheidend dazu beitragen, dass Projekte, die auf dem Europäischen Verteidigungsfonds beruhen, optimal in Anspruch genommen werden können. Darüber hinaus werden im Rahmen des EDIP rückzahlbare Zuschüsse für spezifische Maßnahmen im Zusammenhang mit der Herstellung und Kommerzialisierung von Prototypen – insbesondere von jenen, die aus dem Europäischen Verteidigungsfonds hervorgegangen sind – vorgesehen. 

    Um die „Kommerzialisierungslücke“ nach der FuE-Phase von Kooperationsprojekten erfolgreich zu schließen, müssen sich unter anderem die beteiligten Mitgliedstaaten auf die Bedingungen für die Ausfuhr der gemeinsam entwickelten Produkte verständigen, sobald das Prototyp-Stadium erreicht ist. Angesichts der laufenden Überprüfung des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP über die Waffenausfuhrkontrolle fordert die Kommission die Mitgliedstaaten erneut auf 27 , auszuloten, wie sich – insbesondere für die gemeinsam entwickelten Verteidigungsfähigkeiten – ihre Verfahren zur Kontrolle von Waffenausfuhren straffen und schrittweise weiter angleichen lassen. Zu demselben Zweck sollten sich die Mitgliedstaaten über bewährte Verfahren in Bezug auf Ausfuhrkontrollregeln für gemeinsam entwickelte Fähigkeiten austauschen. 

    Darüber hinaus wird die Kommission Maßnahmen treffen, um die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern im Rahmen von EU-finanzierten Projekten zu erleichtern, und darauf hinwirken, die Verwaltung der Bedingungen und Verfahren für Verbringungsgenehmigungen zu vereinfachen, insbesondere durch die Aufnahme von Verbringungsbestimmungen in die betreffende Musterfinanzhilfevereinbarung, um den Rückgriff auf Endverwendererklärungen zu begrenzen.

    Derzeit wird eine ordnungsgemäße und wirksame Umsetzung der Richtlinie 2009/43/EG durch mehrere Faktoren erschwert, wodurch verhindert wird, dass die damit verbundenen Vorteile auf dem Verteidigungsmarkt voll ausgeschöpft werden können. Um die derzeitigen Herausforderungen, durch die ihre wirksame Umsetzung derzeit beeinträchtigt wird, genauer zu analysieren, wird die Kommission die Richtlinie bis Ende 2025 evaluieren.

    3.3.Sicherstellung der Versorgung auf EU-Ebene

    Resilienz ist eine Voraussetzung für die Bereitschaft und Wettbewerbsfähigkeit der EDTIB.

    Die EU hat bereits Instrumente und Rahmen entwickelt, um die Bereitschaft und Resilienz der Industrie zur Bewältigung künftiger Krisensituationen zu erhöhen, unter anderem im Rahmen der EDA. 28 Jedoch stehen Maßnahmen dieser Art entweder nicht zur Unterstützung der EDTIB zur Verfügung oder werden von den Mitgliedstaaten nur in begrenztem Umfang dafür angewandt. Daher wird eine EU-weite Regelung für die Versorgungssicherheit eingeführt, mit der eine größere Resilienz sichergestellt und zugleich der EDTIB und den EU-Lieferketten im Verteidigungsbereich ein Wettbewerbsvorteil verschafft wird. Da die EU-Lieferketten im Verteidigungsbereich ein Maß an Versorgungssicherheit bieten, mit dem externe Wettbewerber nicht mithalten können, könnten sie von den Mitgliedstaaten mit einer „Vertrauensdividende“ belohnt werden.

    3.3.1.Höhere Versorgungssicherheit zur Maximierung des Verteidigungspotenzials des Binnenmarkts

    Im Rahmen des EDIP schlägt die Kommission vor, eine modulare und stufenweise EU‑Regelung für die Versorgungssicherheit einzurichten, um Solidarität und Wirksamkeit als Reaktion auf Spannungen entlang der Lieferketten oder auf Sicherheitskrisen zu stärken und die rechtzeitige Ermittlung potenzieller Engpässe zu ermöglichen. Es werden verschiedene Maßnahmenpakete vorgeschlagen, um zwei Arten von Krisen zu bewältigen:

    ·Versorgungskrisen, in denen durch Engpässe bei zivilen Komponenten bzw. bei Komponenten mit doppeltem Verwendungszweck oder bei Rohstoffen die rechtzeitige Verfügbarkeit und Lieferung von Verteidigungsgütern ernsthaft gefährdet sind. In diesem Fall wird nach der Aktivierung eines „Krisenzustands“ durch den Rat ein Instrumentarium genutzt, um die Versorgung der Lieferketten im Verteidigungsbereich mit den betreffenden Komponenten und/oder Rohstoffen sicherzustellen, auch – soweit erforderlich und durch das übergeordnete öffentliche Interesse gerechtfertigt – durch Einräumung des Vorrangs gegenüber einigen oder allen zivilen Lieferungen (vorrangige Aufträge).

    ·Versorgungskrisen, die unmittelbar mit dem Bestehen einer Sicherheitskrise in der Union oder ihrer Nachbarschaft verbunden sind. Um solchen Szenarien zu begegnen, sollte dem Rat die Möglichkeit gegeben werden, eine zweite, obere Stufe des Krisenzustands zu aktivieren, um auf Maßnahmen zurückzugreifen, die für die Lösung der Krise erforderlich und verhältnismäßig sind (hauptsächlich die Versorgung mit speziell für militärische Zwecke bestimmten Produkten).

    Zur Unterstützung der wirksamen, effizienten und verhältnismäßigen Nutzung dieses zweistufigen Krisenrahmens schlägt die Kommission vor, kritische Produkte für bestimmte Lieferketten im Verteidigungsbereich zu ermitteln und zu überwachen. Die betreffenden Lieferketten wiederum wären gemeinsam mit den Mitgliedstaaten im Rahmen des Ausschusses für die industrielle Bereitschaft im Verteidigungsbereich zu ermitteln.

    Aufbauend auf dem derzeit in anderen Sektoren verfügbaren Rahmen und den strategischen Schlüsseltätigkeiten der EDA wird diese Ermittlung und Überwachung in erster Linie auf öffentlich zugänglichen Informationen und nur bei Bedarf auf Daten, die von Unternehmen bereitgestellt werden, gestützt sein (vorbehaltlich nationaler Sicherheitsgarantien der Mitgliedstaaten).

    3.3.2.Ermöglichung der strategischen Bevorratung und Risikominderung bei der strategischen Bevorratung

    Um das Risiko für die Versorgungssicherheit der EDTIB weiter zu verringern, wird die Kommission als langfristiges Ziel in Erwägung ziehen, eine von der Industrie vorgenommene strategische Bevorratung mit Basiskomponenten wie Elektronikkomponenten und Rohstoffen, die bereichsübergreifend in Verteidigungssystemen verwendet werden, zu finanzieren. 29 Würden solche Vorräte im Rahmen von Großaufträgen angelegt, könnten die Kosten gesenkt und die Preisinflation, zu der es in Krisen infolge des Nachfrageanstiegs kommt, eingedämmt werden.

    Im Rahmen des EDIP schlägt die Kommission einen vorbereitenden Pilotversuch in kleinem Maßstab vor und ermöglicht die Unterstützung für das Anlegen strategischer Vorräte. Durch ein System dieser Art wird der Priorisierungsmechanismus für Krisenzeiten ergänzt und auf diese Weise sichergestellt, dass auf diesen Mechanismus auch künftig nur als letztes Mittel zurückgegriffen wird. In diesem Zusammenhang könnten auch die laufenden Arbeiten zu Resilienz- und Vorsorgemaßnahmen im Rahmen des Aktionsplans zur militärischen Mobilität 2.0 in Betracht gezogen werden, unter anderem bestehende SSZ-Projekte zur militärischen Mobilität und ein Netz von Logistik‑Drehkreuzen.

    3.3.3.Ermittlung der besonders starken strategischen Abhängigkeiten im Vorfeld und deren Bewältigung

    Übermäßige Abhängigkeiten von Technologien, die für den Verteidigungssektor von entscheidender Bedeutung sind, beeinträchtigen die Handlungsfreiheit der Streitkräfte der Mitgliedstaaten und können sich aufgrund der damit verbundenen Einschränkungen negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der EDTIB auswirken.

    Die Kommission hat bereits die EU-Beobachtungsstelle für kritische Technologien 30 eingerichtet, um Abhängigkeiten zu ermitteln und Technologiefahrpläne für deren Abmilderung zu entwickeln. Ihr erster als Verschlusssache eingestufter Bericht wurde jüngst den Mitgliedstaaten vorgelegt. Durch eine Ausweitung der Beobachtungsstelle wird eine schnellere Ermittlung von Abhängigkeiten und die Überwachung der Lieferketten ermöglicht sowie ein Überblick über die kritischen Aspekte gegeben. Die Arbeiten wurden mit einer Untergruppe elektrischer, elektronischer und elektromechanischer Halbleiterkomponenten sowie autonomen Systemtechnologien begonnen. 

    Parallel dazu wird eine gegenseitige Bereicherung zwischen den Arbeitsprogrammen anderer Instrumente der Union wie dem Europäischen Verteidigungsfonds und der Initiative „Chips für Europa“ angestrebt, um die ermittelten Abhängigkeiten zu verringern und sicherzustellen, dass die EDTIB über verteidigungsindustrielle Grundlagentechnologien und -produkte wie vertrauenswürdige Chips verfügt, mit denen ihre Bereitschaft unterstützt wird.

    Darüber hinaus steht die Kommission den EU-Mitgliedstaaten und insbesondere ihren regionalen und lokalen Gebietskörperschaften durch das Instrument für technische Unterstützung 31 zur Seite, über das maßgeschneiderte technische Unterstützung bei der Konzeption und Umsetzung von Reformen zur Förderung der wirtschaftlichen und technologischen Sicherheit sowie der Wettbewerbsfähigkeit und zur Stärkung der Resilienz der Lieferketten in den Mitgliedstaaten bereitgestellt wird.

    Weiteres Vorgehen:

    Um die Verfügbarkeit auf der Grundlage einer reaktionsfähigeren EDTIB über alle Zeithorizonte hinweg sicherzustellen,

    Ø schlägt die Kommission vor, die Interventionslogik der Munitionsproduktionsverordnung im Rahmen der EDIP über Munition und Flugkörper hinaus auszuweiten und sie durch die Entwicklung ständig verfügbarer Einrichtungen und die mögliche Umwidmung ziviler Produktionslinien zu ergänzen;

    Ø wird die Kommission gemeinsam mit dem Hohen Vertreter und den Mitgliedstaaten einen Vorschlag ausarbeiten, um die Produktion von Drohnen in der EU oder gegebenenfalls gemeinsam mit der Ukraine durch eine Mobilisierung einschlägiger Instrumente zu unterstützen;

    Ø schlägt die Kommission im Rahmen des EDIP die Einrichtung eines Fonds zur Beschleunigung der Transformation der Lieferkette im Verteidigungsbereich (FAST) vor. Durch dieses neue Finanzinstrument werden KMU durch Fremd- und/oder Beteiligungsfinanzierung unterstützt;

    Ø wird die Kommission durch rückzahlbare Zuschüsse im Rahmen des EDIP mit Blick auf die Industriereife nachhaltige Unterstützung für kooperative Maßnahmen im Verteidigungsbereich bieten, für die ursprünglich Mittel aus dem Europäischen Verteidigungsfonds bereitgestellt wurden;

    Ø schlägt die Kommission vor, eine modulare und stufenweise EU-Regelung für die Versorgungssicherheit einzuführen, um Solidarität und Wirksamkeit als Reaktion auf Spannungen entlang der Lieferketten oder auf Sicherheitskrisen zu stärken und die rechtzeitige Ermittlung potenzieller Engpässe zu ermöglichen.

    Die EU

    Ø wird ein Innovationsbüro in Kiew eröffnen, um Start-up-Unternehmen und innovative Akteure aus der Union mit der ukrainischen Industrie und den ukrainischen Streitkräften zusammenzubringen.

    4.Finanzierung der Ambitionen der Union im Hinblick auf die industrielle Bereitschaft im Verteidigungsbereich

    Damit mit dieser Strategie das Ziel, auf EU-Ebene neue Ambitionen für die industrielle Bereitschaft im Verteidigungsbereich zu verwirklichen, erreicht werden kann, sollte sie mit einer mutigen Aufstockung der Mittel einhergehen, die den Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind, entspricht.

    Der Vorschlag für eine Verordnung zur Einrichtung des EDIP sieht parallel zu dieser Strategie Mittel in Höhe von 1,5 Mrd. EUR für Investitionen in die industrielle Bereitschaft im Verteidigungsbereich der EDTIB vor.

    Diese sollten durch zusätzliche Beträge für die Entwicklung der ukrainischen DTIB und ihre engere Integration in die EDTIB und den Markt der Union für Verteidigungsgüter ergänzt werden. Zudem sind für den unmittelbaren Verteidigungsbedarf der Ukraine zusätzliche Finanzmittel für die Beschaffung von militärischem Material erforderlich, um sie bei der Ausübung ihres Selbstverteidigungsrechts zu unterstützen. Sollte der Rat auf Vorschlag des Hohen Vertreters einen GASP-Beschluss nach Artikel 29 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) annehmen, um außerordentliche Barbestände von Zentralverwahrern, die aus den unerwarteten und außerordentlichen Einnahmen aus Russlands immobilisierten staatlichen Vermögenswerten stammen, an die Union zu übertragen, so könnte diese zusätzliche Unterstützung im Einklang mit den Zielen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Union aus diesen Einnahmen entnommen werden. Sollten diese zusätzlichen Mittel verfügbar werden, könnte damit möglicherweise die finanzielle Kapazität der Europäischen Friedensfazilität für die Beschaffung militärischer Ausrüstung zur Unterstützung der Ukraine oder eines anderen Instruments der Union erhöht werden. Mit anderen Worten würde dies bedeuten, dass die Zufallsgewinne aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten für den gemeinsamen Erwerb militärischer Ausrüstung für die Ukraine genutzt würden.

    Sobald der unmittelbare Verteidigungsbedarf der Ukraine dies zulässt, könnten bestimmte Beträge aus solchen außerordentlichen Barbeständen auch für die Zwecke der mittel- und langfristigen Entwicklung der ukrainischen DTIB, für die die Bestimmungen des Vorschlags für eine Verordnung zur Einrichtung des EDIP gelten, sowie für den allgemeinen Haushaltsbedarf der Ukraine für die Erholung und den Wiederaufbau entnommen werden.

    Im Hinblick auf das Ausmaß der Anstrengungen, die erforderlich sind, um die industrielle Bereitschaft im Verteidigungsbereich in der gesamten Union sicherzustellen, sind diese Mittel als eine – vom Umfang her begrenzte – Brücke zum nächsten mehrjährigen Finanzrahmen zu betrachten. In Anbetracht dessen, dass die sicherheitspolitischen Herausforderungen, mit denen Europa konfrontiert ist, wahrscheinlich bestehen bleiben werden, ist es umso wichtiger, dass der nächste MFR für den Zeitraum ab 2028 eine ambitionierte Finanzausstattung für die Verteidigung mit entsprechenden Haushaltsmitteln für die Nachfolgeinstrumente des Europäischen Verteidigungsfonds und des EDIP umfasst.

    In der vorliegenden Strategie wird gefordert, dass die Ambitionen im derzeitigen MFR im Wege des EDIP bekräftigt und die Haushaltsmittel zur Unterstützung der Verteidigungsindustrie für den nächsten MFR aufgestockt werden. Aufgrund des sicherheitspolitischen Paradigmenwechsels, der eine Folge der starken Zunahme regionaler und globaler Bedrohungen ist und für die Union und ihre Mitgliedstaaten potenziell existenzielle sicherheitspolitische Herausforderungen darstellt, ist es angesichts des Umstands, dass der nächste MFR erst 2028 anläuft, allerdings notwendig, eine Debatte anzustoßen, um den Finanzbedarf der EU für die industrielle Bereitschaft im Verteidigungsbereich, der diesem Paradigmenwechsel angemessen wäre, zu quantifizieren und sich mit der Frage zu befassen, wie eine adäquate Finanzierung sichergestellt werden kann. Dies muss gemeinsam mit den Mitgliedstaaten kurzfristig geprüft werden, um festzustellen, welche Anforderungen und Optionen durch verfügbare Instrumente wie ein finanziell gestärktes EDIP und eine finanziell gestärkte EFF, großangelegte gemeinsame Beschaffungsmaßnahmen im Verteidigungsbereich für die Ukraine und die Mitgliedstaaten, eine massive und schnellere industrielle Ausweitung der industriellen Basis der EU im Verteidigungsbereich und neue Vorzeigeprojekte im Verteidigungsbereich zum Schutz des ungehinderten Zugangs der EU zu umkämpften Räumen gefördert werden können.

    5.Etablierung einer Kultur der Verteidigungsbereitschaft – auch über alle Politikbereiche der EU hinweg 

    Die europäische Verteidigungsindustrie trägt entscheidend zu Resilienz, Sicherheit und sozialer Nachhaltigkeit bei. Ohne Frieden wird es auf dem Kontinent keinen wirtschaftlichen Wohlstand geben, und die Rolle, die der EDTIB dabei zukommt, muss im Regelungsumfeld und in der Politik der Union uneingeschränkt anerkannt werden. Die EDTIB bildet außerdem ein einziges und kritisches Luft-, Raumfahrt- und Verteidigungsökosystem, dessen zentrale Akteure auch zu Technologien beitragen, die im Mittelpunkt des Übergangs zu einer grünen Wirtschaft stehen.

    Daher muss unbedingt sichergestellt werden, dass die EDTIB einen Zugang zu Finanzmitteln erhält, der dem Umfang der erforderlichen Investitionen entspricht, in ein angemessenes Regelungsumfeld eingebunden ist und für die jungen Generationen und die besten Talente ausreichend attraktiv ist.

    5.1.Erleichterung des Zugangs zu Finanzmitteln

    Da es dringend notwendig ist, Investitionen in dieses Ökosystem zu fördern, kommt es entscheidend darauf an, einen ausreichenden Zugang zu Finanzmitteln sicherzustellen und öffentliche Investitionen für den EU-Verteidigungssektor zu mobilisieren. Daher ist es unerlässlich, den Finanzsektor einzubeziehen. Zu diesem Zweck werden die Kommission und der Hohe Vertreter/Leiter der Agentur soweit erforderlich mit den Mitgliedstaaten, der Industrie und dem Finanzsektor zusammenarbeiten, um den Zugang der EDTIB zu privaten und öffentlichen Finanzmitteln zu verbessern.

    5.1.1.Zugang zu privater Finanzierung

    Die EDTIB ist beim Zugang zu Finanzmitteln, insbesondere zu privater Finanzierung, nach wie vor mit Hindernissen konfrontiert. Einer kürzlich veröffentlichten Studie der Kommission 32 zufolge sind KMU, die im Verteidigungssektor tätig sind, beim Zugang zu Finanzmitteln mit größeren Hindernissen konfrontiert als in anderen Wirtschaftszweigen aktive Unternehmen. Im Zeitraum 2021-2022 verzichteten zwei Drittel der befragten Unternehmen darauf, sich um eine Eigenkapitalfinanzierung zu bemühen, und fast 50 % wollten keine Fremdfinanzierung in Anspruch nehmen, was in deutlichem Kontrast zum Durchschnittswert von 6,6 % bei den KMU in der EU im selben Zeitraum steht.

    Zur Verbesserung des Zugangs des Sektors zu Finanzmitteln werden die Kommission und die EDA gemeinsam mit den Mitgliedstaaten die Initiative ergreifen und mit Banken und Investoren im Zuge eines hochrangigen Dialogs deren verstärkte Beteiligung erörtern, Schwierigkeiten ermitteln und Möglichkeiten finden, um den Privatsektor vermehrt für die Unterstützung von Verteidigungsinvestitionen zu gewinnen.

    Die Bereitschaft der Finanzakteure, mit der Verteidigungsindustrie zusammenzuarbeiten, dürfte durch die Besonderheiten des Verteidigungsmarkts (unter anderem der Komplexität der Beschaffung oder den Schwierigkeiten bei der Einschätzung der genauen Auswirkungen bestehender internationaler Waffenübereinkommen) bzw. durch Mutmaßungen in Bezug auf die Faktoren Umwelt, Soziales und Governance (ESG) beeinträchtigt sein.

    Im EU-Rahmen für ein nachhaltiges Finanzwesen sind weder einschlägige Vorschriften vorgesehen noch geplant, durch die private Investitionen in die Verteidigungsindustrie behindert werden. Die Kommissionsdienststellen werden – gegebenenfalls zusammen mit der ESMA – Orientierungshilfen für die Anwendung des EU-Rahmens für ein nachhaltiges Finanzwesen im Verteidigungsbereich bereitstellen. Die Kommission wird in enger Zusammenarbeit mit der EDA den Dialog zwischen dem Verteidigungs- und dem Finanzsektor intensivieren und die Industrie bei ihren Bemühungen um Transparenz unterstützen. Die Kommission wird zudem – insbesondere im EU-Rahmen für ein nachhaltiges Finanzwesen – auf eine bessere Anerkennung der Souveränität, Resilienz und Sicherheit der EU hinarbeiten. Das von der EDA verwaltete Netz von Regierungssachverständigen für ESG ist ein Beispiel für eine Plattform, mit der gegenseitiges Verständnis und Vertrauen weiterentwickelt werden könnte. Insbesondere sollte dieses Forum die Schnittstelle zwischen den Verteidigungsministerien der Mitgliedstaaten und dem Finanzsektor stärken.

    Dadurch würden konkrete Maßnahmen ermöglicht, um die derzeitigen Herausforderungen der Verteidigungsindustrie in Bezug auf den Zugang zu Finanzmitteln abzumildern, da in diesem Zusammenhang auf den Kapitalmärkten Synergien zwischen institutionellen und privaten Akteuren als kritisch eingestuft wurden.

    Kasten 5: Verteidigungsindustrie und der EU-Rahmen für ein nachhaltiges Finanzwesen

    Die Verteidigungsindustrie der Union trägt entscheidend zur Resilienz und Sicherheit der Union und damit zu Frieden und sozialer Nachhaltigkeit bei. Vor diesem Hintergrund steht der EU-Rahmen für ein nachhaltiges Finanzwesen voll und ganz im Einklang mit den Bemühungen der Union, der europäischen Verteidigungsindustrie einen ausreichenden Zugang zu Finanzmitteln und Investitionen zu ermöglichen. Die Finanzierung des Verteidigungssektors wird dadurch nicht eingeschränkt.

    Die EU-Vorschriften über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten und Präferenzen gelten quer durch alle Wirtschaftszweige in gleichem Umfang. Die Kommission hat bisher keine „Sozialtaxonomie“ aufgestellt und plant dies auch nicht. Sieht man von Waffen ab, die gemäß den von den Mitgliedstaaten unterzeichneten internationalen Übereinkommen verboten sind und daher von der EU als mit sozialer Nachhaltigkeit unvereinbar angesehen werden, sorgt die Verteidigungsindustrie angesichts ihres Beitrags zu Resilienz, Sicherheit und Frieden für mehr Nachhaltigkeit.

    Auch der Umstand, dass bestimmte Tätigkeiten der Verteidigungsindustrie bisher nicht in die Umwelttaxonomie der EU aufgenommen wurden, berührt die Umweltleistung der Verteidigungsindustrie nicht und sollte daher keine Auswirkungen auf ihren Zugang zu Finanzmitteln haben. 

    5.1.2.Uneingeschränkte Nutzung bestehender horizontaler EU-Finanzinstrumente

    Grundsätzlich kann die EDTIB bereits von bestehenden EU-Finanzierungsinstrumenten profitieren, die über InvestEU umgesetzt werden. Allerdings ist die derzeitige Darlehenspolitik der europäischen Finanzakteure, die InvestEU umsetzen, einschließlich der EIB-Gruppe sowie der nationalen Förderbanken und -institute, und der internationalen Finanzinstitutionen ein großes Hemmnis für den Einsatz solcher Finanzinstrumente zur Unterstützung des Sektors, wenn Technologien finanziert werden sollen, die über Anwendungen mit doppeltem Verwendungszweck hinausgehen.

    Dies zeigt sich daran, dass man nicht in der Lage ist, den „Aufstockungsfonds“ gemäß der Munitionsproduktionsverordnung umzusetzen. Eine Änderung ihrer Kreditvergabepolitik, insbesondere der Kreditvergabepolitik der EIB-Gruppe, ist daher notwendig und eine wichtige Priorität, um sicherzustellen, dass der Verteidigungssektor Zugang zu EU-Finanzierungsinstrumenten hat und in vollem Umfang davon profitieren kann. Eine solche Änderung wird auch positive Kaskadeneffekte haben, da an den Finanzmarkt und die Privatbanken dadurch ein starkes und positives Signal ausgesendet wird.

    Darüber hinaus muss die EU die Möglichkeiten maximieren, die sich aus den Synergien und Komplementaritäten zwischen den Finanzierungsinstrumenten und Finanzhilfen ergeben. Der künftige MFR sollte in diesem Zusammenhang darauf ausgerichtet sein, die Synergien zwischen den EU-Instrumenten weiter zu optimieren, wie im Weißbuch der Kommission über Optionen für eine verstärkte Unterstützung von Forschung und Entwicklung zu Technologien mit potenziell doppeltem Verwendungszweck 33 ausgeführt wird. Die öffentliche Konsultation zum Weißbuch, die derzeit durchgeführt wird, greift künftigen Maßnahmen der Kommission in diesem Bereich nicht vor. Im gegenwärtigen Rahmen ist es bereits möglich, dass für die Verteidigung gegebenenfalls schnellere zivile Innovationszyklen genutzt werden und umgekehrt, wobei zu berücksichtigen ist, dass einige Technologien, die in Verteidigungsplattformen eingesetzt werden, potenziell einen doppelten Verwendungszweck aufweisen.

    Die Kommission und der Hohe Vertreter/Leiter der Agentur ersuchen die Leitungsgremien der EIB-Gruppe und insbesondere den Verwaltungsrat der EIB, die die Verteidigung betreffenden Ausnahmen in der Darlehenspolitik der EIB-Gruppe im Einklang mit den politischen Prioritäten der EU und dem geltenden Recht anzupassen. So wäre es der EIB möglich, die Herstellung militärischer Ausrüstung und generell die europäische Verteidigungsindustrie zu unterstützen, wie dies kürzlich auch vom Europäischen Parlament 34 gefordert wurde. Durch eine Verständigung der Kommission und der EIB-Gruppe auf eine gemeinsame Begriffsbestimmung für „Technologien mit doppeltem Verwendungszweck“, die auf die Strategische Europäische Sicherheitsinitiative und die Eigenkapitalfazilität für den Verteidigungsbereich gestützt ist, könnte ein Beitrag dazu geleistet werden, gemeinsame Investitionen in Technologien, Produkte und Infrastruktur mit doppeltem Verwendungszweck zu fördern.

    Ein solcher Schritt wäre zwar begrüßenswert, aber nicht ausreichend. Die EIB trägt durch ihr Mandat gemäß Artikel 309 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu einer ausgewogenen und reibungslosen Entwicklung des Binnenmarkts im Interesse der Union bei. Die Verteidigungsindustrie ist ein integraler Bestandteil des Binnenmarkts. Damit der Finanzbedarf des Sektors gedeckt und die vollständige Mobilisierung von EUFinanzierungsprogrammen, einschließlich InvestEU, zur Unterstützung der Verteidigungsbereitschaft ermöglicht wird, sollte die EIB alle erforderlichen Schritte 35 unternehmen, um ihre Darlehenspolitik in diesem Jahr zu überprüfen und an die aktuellen politischen Prioritäten und objektiven Erfordernisse anzupassen. Die öffentlichen Finanzakteure der Mitgliedstaaten werden aufgefordert, dies ebenfalls zu tun.

    5.1.3.Vollständige Einbeziehung von Verteidigung und Sicherheit als strategisches Ziel der einschlägigen Finanzierungen und Programme der Union

    Die EDTIB sollte in vollem Umfang von der Unionsfinanzierung profitieren, die für die technologische und industrielle Entwicklung – auch im Rahmen der Fonds der Kohäsionspolitik (EFRE 36 , ESF+ 37 (z. B. im Hinblick auf Kompetenzen), Kohäsionsfonds (z. B. für Verkehr) und InvestEU)) – konzipiert wurde, sofern dies mit dem jeweiligen Programm und den jeweiligen politischen Zielen im Einklang steht. Die Verteidigungsindustrie ist zwar bereits im Rahmen dieser Instrumente förderfähig, jedoch sollten die Mitgliedstaaten in Erwägung ziehen, der geteilten Mittelverwaltung unterliegende Mittel verstärkt in diese Branche umzulenken, wenn dadurch die regionale Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit unterstützt wird, und so der herausragenden Rolle der Verteidigungsindustrie als Priorität der Union und als entscheidender Faktor für die Stabilität und Sicherheit der Union gerecht werden.

    In diesem Zusammenhang wird die Kommission in Erwägung ziehen, die Bereitschaft, Sicherheit und Resilienz im Verteidigungsbereich als ausdrückliches strategisches Ziel in künftige einschlägige EU-Programme aufzunehmen oder in diesen beizubehalten, um sicherzustellen, dass die EDTIB uneingeschränkt durch diese Programme unterstützt wird und dass die Durchführungspartner und Vermittler (im Fall der indirekten Mittelverwaltung) bei der Verfolgung dieser Ziele nicht behindert werden.

    5.2.Sicherstellung eines angemessenen Regelungsumfelds für die Tätigkeiten der EDTIB 

    Die EDTIB sollte in einem angemessenen Regelungsumfeld agieren können. Dazu müssen in der EU-Politik durchgängig verteidigungspolitische Überlegungen berücksichtigt werden. Mögliche negative Auswirkungen der Initiativen der Union auf die EDTIB sollten möglichst früh ermittelt und abgemildert werden. Die Kommission wird daher Erwägungen zur industriellen Bereitschaft im Verteidigungsbereich systematischer und soweit erforderlich in ihre Initiativen einbeziehen. Darüber hinaus wird die Kommission gemeinsam mit dem Hohen Vertreter/Leiter der Agentur in diesen Fragen weiterhin mit den Mitgliedstaaten und der EDTIB zusammenarbeiten und dabei auf bestehende Initiativen aufbauen, die von der EDA in Bereichen wie der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) 38 und der Initiative zum einheitlichen europäischen Luftraum (SES) unterstützt werden.

    Aufgrund der sich wandelnden Sicherheitslage muss die Kommission auch eine Verkürzung der administrativen Vorlaufzeiten in Betracht ziehen und gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung im erforderlichen Umfang sicherstellen. Im Zuge der 2024 vorgesehenen Überarbeitung der Haushaltsordnung wird die Union unter Notfallbedingungen die erforderlichen Maßnahmen zur Unterstützung der industriellen Bereitschaft im Verteidigungsbereich treffen können.

    5.3.Erhöhung der Attraktivität des Verteidigungssektors für die jungen Generationen und die besten Talente 

    Investitionen in Menschen und ihre Kompetenzen sind von entscheidender Bedeutung, um mit neuen Technologien Schritt zu halten und Fachkräfte für diese Branche zu interessieren und zu binden. Die EU unterstützt die Mitgliedstaaten und fördert Partnerschaften, wenn es um die Zusammenarbeit im Hinblick auf das Verständnis des aktuellen und künftigen Qualifikationsbedarfs des Sektors geht (z. B. durch den Europäischen Kompetenzpakt).

    Der aktuelle Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel in der Verteidigungsindustrie ist auf die in der Vergangenheit unzureichenden Investitionen in neue Verteidigungsprogramme und die mangelnde Attraktivität des Sektors sowie auf die eingeschränkte Mobilität und die Alterung der Arbeitskräfte zurückzuführen. Zwar ist es von entscheidender Bedeutung, die negativen Wahrnehmungen gegenüber der Verteidigungsindustrie zu verstehen und abzumildern, um die Attraktivität des Sektors – auch für eine vielfältige Belegschaft – zu verbessern, jedoch sind weitere Maßnahmen aller Interessenträger erforderlich, um das Arbeitskräftepotenzial der Union voll ausschöpfen zu können, indem unter anderem geschlechtsspezifische Stereotype überwunden werden. Zu diesem Zweck wird mit dem angekündigten Aktionsplan der Kommission zur Behebung des Arbeitskräfte- und Fachkräftemangels in der EU darauf abgezielt, die Engpässe für nachhaltiges Wachstum, die durch diesen Mangel in vielen Sektoren mitverursacht wurden, zu beseitigen, um künftig die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der EU zu sichern und gleichzeitig weiterhin über hochwertige Arbeitsplätze und Arbeitskräfte mit den richtigen Qualifikationen zu verfügen.

    Die Kommission und der Hohe Vertreter/Leiter der Agentur werden neben der durchgängigen Berücksichtigung der Verteidigung auch Maßnahmen prüfen, die darauf ausgerichtet sind, die Mobilität der Arbeitskräfte zu verbessern und die verteidigungsbezogene Bildung zu fördern und sich insbesondere auf die durch die EU‑Programme für die Verteidigungsindustrie gebotenen Möglichkeiten und auf die Zusammenarbeit zwischen Bildungsanbietern, einschließlich des Europäischen Sicherheits- und Verteidigungskollegs, stützen.

    5.4.Unterstützung der EDTIB beim Beitrag zum Übergang zu einer grünen Wirtschaft

    Damit die EDTIB einen Beitrag zum Übergang zu einer grünen Wirtschaft leistet und ihre Resilienz und Kosteneffizienz stärkt, muss sie weiter Anstrengungen unternehmen, um im Einklang mit der Politik und den Zielen der EU ihre Produktion und ihre Produkte nachhaltiger zu gestalten, die CO2-Emissionen zu verringern und die Kreislauffähigkeit zu steigern. In der Gemeinsamen Mitteilung mit dem Titel „Eine neue Perspektive auf den Klima-Sicherheits-Nexus“ wird der Stellenwert der Verteidigungsindustrie für die Bemühungen der Streitkräfte der Mitgliedstaaten um die Anpassung an den Klimawandel und zur Eindämmung des Klimawandels gewürdigt. Es gibt weitere Möglichkeiten, um Synergien und mögliche Bereiche der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, der Industrie und den EU-Diensten auch im Hinblick auf Innovation, Analyse und Normung für neuartige erneuerbare Energiequellen auszuloten, die im militärischen Bereich und darüber hinaus im kommerziellen Sektor genutzt werden. Wird für eine entsprechende Sichtbarkeit und Anerkennung der Bemühungen des Verteidigungssektors um ökologische Nachhaltigkeit gesorgt, könnte damit ebenfalls ein Beitrag zu seiner allgemeinen gesellschaftlichen Akzeptanz geleistet werden.

    Die Kommission und der Hohe Vertreter/Leiter der Agentur werden die Bemühungen der EDTIB um den Übergang zu einer grünen Wirtschaft weiterhin unterstützen, z. B. durch die in der Gemeinsamen Mitteilung zum Klima-Sicherheits-Nexus vorgeschlagenen Maßnahmen, sowie eine umweltorientierte Auftragsvergabe.

    Weiteres Vorgehen:

    Um in Europa eine Kultur der Verteidigungsbereitschaft zu etablieren, hat die Kommission zusammen mit dem Hohen Vertreter/Leiter der Agentur beschlossen,

    Ødie Leitungsgremien der EIB-Gruppe aufzufordern, die Darlehenspolitik der EIB-Gruppe in diesem Jahr zu überprüfen und die derzeit die Verteidigung betreffenden Ausnahmen im Einklang mit den politischen Prioritäten der EU und dem geltenden Recht anzupassen;

    Øden Dialog zwischen dem Verteidigungs- und dem Finanzsektor zu intensivieren und Leitlinien für die Anwendung des EU-Rahmens für ein nachhaltiges Finanzwesen bereitzustellen.

    Außerdem wird die Kommission

    Ødurch Finanzierungsprogramme der Union eine verstärkte Unterstützung der Sicherheit, Resilienz und Verteidigungsbereitschaft fördern. Dieses Ziel wird auch bei der Vorbereitung künftiger EU-Programme berücksichtigt.

    6.Erreichung von Bereitschaft und Resilienz durch Partnerschaften

    Die Bestrebungen der EU, rasch Verteidigungsbereitschaft zu erreichen, sollte auch durch Partnerschaften, insbesondere mit der Ukraine, sowie durch eine verstärkte Zusammenarbeit mit der NATO, strategischen und gleich gesinnten Partnern in Europa, jenseits des Atlantiks und darüber hinaus sowie anderen internationalen Organisationen unterstützt werden.

    6.1.Entwicklung immer engerer Beziehungen zur Ukraine

    Die Ukraine ist und wird auf dem Gebiet der Verteidigungsindustrie in zunehmendem Maße ein wichtiger Partner der Union sein. Die mit einem Angriffskrieg hoher Intensität konfrontierte ukrainische DTIB musste zu einem Modell der Kriegswirtschaft übergehen. Nach Beendigung des Krieges wird sich zeigen, dass sie eine der Triebkräfte der wirtschaftlichen Erholung des Landes und ein Testfeld für die industrielle Bereitschaft im Verteidigungsbereich ist. Eine engere Zusammenarbeit zwischen der EU und der ukrainischen Verteidigungsindustrie wird Bestandteil der künftigen Sicherheitsverpflichtungen der EU gegenüber der Ukraine sein. Die ukrainische DTIB und die EDTIB könnten daher von einer verstärkten Zusammenarbeit profitieren.

    Die Kommission und der Hohe Vertreter/Leiter der Agentur werden folgende Maßnahmen voranbringen:

    Beteiligung am Unionsprogramm zur Unterstützung der Verteidigungsindustrie

    -Um die Verbindungen zwischen der EDTIB und der ukrainischen DTIB zu stärken, wird der Ukraine im Rahmen des EDIP die Möglichkeit geboten, sich an der gemeinsamen Beschaffung zu beteiligen, und ukrainische Verteidigungsunternehmen erhalten die Möglichkeit, bei ihrer industriellen Expansion und der Zusammenarbeit mit der EDTIB unterstützt zu werden.

    Förderung der Zusammenarbeit zwischen der ukrainischen DTIB und der EDTIB

    -Die EDA wird ihre bestehende Verwaltungsvereinbarung mit der Ukraine in vollem Umfang nutzen und gemeinsam mit den Mitgliedstaaten eine mögliche Überarbeitung ihres Anwendungsbereichs prüfen, sobald die Voraussetzungen dafür gegeben sind.

    -Die Dienststellen der Kommission, die EDA und der EAD werden einen gezielten Informationsaustausch über Normen und die dabei gewonnenen Erkenntnisse fördern.

    -Im Zusammenhang mit dem vorgeschlagenen Unterstützungsfonds für die Ukraine im Rahmen der Europäischen Friedensfazilität wird der EAD Optionen für die Schaffung weiterer Anreize für die Kooperation zwischen den Verteidigungsindustrien der EU und der Ukraine prüfen.

    -Die EU wird 2024 ein „Forum der Verteidigungsindustrie EU-Ukraine“ ausrichten, damit die Verteidigungsindustrie der Ukraine noch intensiver mit der EU‑Verteidigungsindustrie zusammenarbeitet.

    Weitere Unterstützung der Ukraine durch die EDTIB

    -Durch die gemeinsame Beschaffung der militärischen Ausrüstung, die über den vorgeschlagenen Unterstützungsfonds für die Ukraine im Rahmen der Europäischen Friedensfazilität von der EDTIB geliefert wird, wird die Verteidigungsindustrie der EU von einer besseren Vorhersehbarkeit des vorrangigen Bedarfs der Ukraine profitieren.

    -Sofern der Rat einen entsprechenden Beschluss erlässt, könnte die Beschaffung militärischer Ausrüstung für die Ukraine über die Europäische Friedensfazilität weiter unterstützt werden, wobei die außerordentlichen Barbestände der Zentralverwahrer, die aus den unerwarteten und außerordentlichen Einnahmen aus Russlands immobilisierten staatlichen Vermögenswerten stammen, genutzt werden.

    -Der EAD, die EDA und die Kommissionsdienststellen werden die Kontaktgruppe „Verteidigung der Ukraine“ weiterhin regelmäßig auf den neuesten Stand bringen und die Fähigkeit der EDTIB fördern, dem ukrainischen Bedarf – auch im Rahmen der Fähigkeitskoalitionen – weiter zu entsprechen.

    6.2.NATO

    Im Einklang mit den drei gemeinsamen Erklärungen über die Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO 39 könnte bei intensiveren Gesprächen auf Mitarbeiterebene, einschließlich eines möglichen speziellen strukturierten Dialogs mit der NATO, stärker auf Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Verteidigungsindustrie und Themen von beiderseitigem Interesse (Kreislaufwirtschaft, Interoperabilität, industrielle Aspekte des Klimawandels, Normung, wechselseitige Zertifizierung und Reaktionen auf neue und sich abzeichnende Bedrohungen) eingegangen werden. Dazu ist ein verstärkter Informationsaustausch, auch über Verschlusssachen, zwischen den NATO-Bediensteten einerseits und den zuständigen Kommissionsdienststellen, dem EAD und der EDA andererseits erforderlich. Beide Organisationen sollten weiterhin einen Meinungsaustausch pflegen und Synergien und Komplementarität im Hinblick auf die Bemühungen im Bereich der Lieferkettensicherheit, die für die Entwicklung und Bereitstellung von Fähigkeiten von wesentlicher Bedeutung ist, ausloten.

    Die EU wird außerdem das Potenzial für eine weitere Stärkung der Zusammenarbeit zwischen dem EAD, der EDA, dem Internationalen Stab der NATO und der Unterstützungs- und Beschaffungsagentur der NATO (NSPA) sowie im Bereich Innovation zwischen der Initiative DIANA (Defence Innovation Accelerator for the North Atlantic), dem Innovationszentrum für den Verteidigungsbereich der EDA und dem EUDIS prüfen.

    6.3.Zusammenarbeit mit strategischen und internationalen Partnern zur Erreichung der Verteidigungsbereitschaft

    Aufgrund der Internationalisierung der Lieferketten ist es praktisch unmöglich, Rohstoffe und Tausende Bestandteile eines komplexen Systems dauerhaft von der Quelle bis zum Abnehmer zu kontrollieren.

    Durch eine Stärkung von wechselseitig vorteilhaften Partnerschaften mit strategischen Partnern, internationalen Organisationen und gleich gesinnten Drittländern, unter anderem durch Sicherheits- und Verteidigungsdialoge, können die Bemühungen der Union um die industrielle Bereitschaft im Verteidigungsbereich verstärkt werden. Diese Zusammenarbeit wird flexibel sein. In Bezug auf Form, Umfang und Art der Beteiligten sowie abhängig von den gemeinsamen Interessen wird sie unterschiedlich gestaltet sein. Mit dieser Zusammenarbeit sollte dazu beigetragen werden, die Lieferketten weiter zu sichern, die EDTIB zu stärken und die strategischen Abhängigkeiten der EU zu verringern, ohne dass neue Abhängigkeiten geschaffen werden (oder bisherige Abhängigkeiten fortbestehen).

    Darüber hinaus wird die EDA ihre geltenden Verwaltungsvereinbarungen im Einklang mit den von den Mitgliedstaaten vereinbarten Grundsätzen für die Zusammenarbeit mit Dritten weiterhin bestmöglich nutzen.

    Weiteres Vorgehen:

    Die Kommission und der Hohe Vertreter/Leiter der Agentur werden

    ØMaßnahmen prüfen, um die Beteiligung der Ukraine an den Programmen der Union zur Unterstützung der Verteidigungsindustrie, auch im Rahmen des EDIP, zu verbessern, die Möglichkeit der Ukraine, sich an der gemeinsamen Beschaffung zu beteiligen, zu stärken, den industriellen Ausbau in der Ukraine zu unterstützen und die Zusammenarbeit zwischen der EDTIB und der ukrainischen Verteidigungsindustrie zu verbessern;

    Øim Rahmen des vom Hohen Vertreter vorgeschlagenen Unterstützungsfonds für die Ukraine weitere militärische Unterstützung der EU für die Ukraine, insbesondere durch Nachfragesignale an die europäische Verteidigungsindustrie, sicherstellen, um die Produktionskapazitäten im Hinblick auf eine langfristige Unterstützung der Kriegsanstrengungen der Ukraine zu erhöhen und Anreize für die Zusammenarbeit zwischen der europäischen und der ukrainischen Verteidigungsindustrie zu schaffen;

    Øden strukturierten Dialog mit der NATO auf Mitarbeiterebene über Themen von beiderseitigem Interesse verbessern;

    Øim Jahr 2024 ein „Forum der Verteidigungsindustrie EU-Ukraine“ ausrichten, damit die Verteidigungsindustrie der Ukraine noch intensiver mit der EU‑Verteidigungsindustrie zusammenarbeitet.

    Schlussfolgerung

    Jahrzehntelang haben die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger eine beispiellose Friedensphase erlebt. Durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und die zunehmenden Spannungen vor der Haustür der EU sind die EU und ihre Mitgliedstaaten jedoch gefordert, strategische Verantwortung zu übernehmen und die Verteidigungsindustrie der EU zu stärken, um die beispiellosen Sicherheitsbedrohungen und -herausforderungen, mit denen sie konfrontiert sind, zu bewältigen.

    Eine technologische Spitzenposition und die Fähigkeit, für die ständige Verfügbarkeit von Verteidigungsgütern zu sorgen, sind Voraussetzungen dafür, dass die Union in der Lage ist, die Schlagkraft der Streitkräfte ihrer Mitgliedstaaten sicherzustellen und damit den Frieden auf dem Kontinent zu wahren. In der vorliegenden Strategie werden ambitionierte Maßnahmen vorgeschlagen, um den Wandel der EDTIB im kommenden Jahrzehnt zu fördern und zu unterstützen.

    Durch eine Erweiterung und Ergänzung der bestehenden Instrumente der EU-Politik im Bereich der Verteidigungsindustrie und durch die Darlegung der politischen, industriellen und haushaltspolitischen Ambitionen, die zur Unterstützung der EDTIB mobilisiert werden sollen, wird diese in die Lage versetzt, die Effizienzgewinne eines tatsächlich integrierten Verteidigungsmarktes zu nutzen und das ungenutzte Potenzial von Skaleneffekten freizusetzen.

    Durch die Umsetzung der vorliegenden Strategie wird ein Beitrag dazu geleistet, dass die europäische Verteidigungsindustrie besser auf dringenden Bedarf reagieren kann, ohne die Zukunft zu opfern. Angefangen bei einer früher einsetzenden und stärker im Zeichen der Zusammenarbeit stehenden Investitionsplanung bis hin zu mehr Unterstützung bei der Heranführung an die Industriereife und der gemeinsamen Beschaffung, von einer wirksameren Einbeziehung von Innovationen bis hin zu einer größeren Kontinuität bei den Bemühungen um die Entwicklung von Hochleistungsfähigkeiten und strategischen Enablern, von einer größeren Versorgungssicherheit bis hin zu größerer Handlungsfreiheit – die vorliegende Strategie wird als Katalysator all das mobilisieren, was für die Wiederherstellung und Erhaltung des Friedens auf dem europäischen Kontinent erforderlich ist.

    Die Anpassung der Verteidigungsindustrie der Union an die derzeitigen Sicherheits- und Markttrends muss vorrangig angegangen werden. Die Kommission und der Hohe Vertreter/Leiter der Agentur sind bereit, die Mitgliedstaaten bei diesen Bemühungen zu unterstützen.

    (1)      Informelle Tagung der Staats- und Regierungschefs in Versailles, 10. und 11. März 2022, 20220311-versailles-declaration-de.pdf (europa.eu) .
    (2)      Ein Strategischer Kompass für Sicherheit und Verteidigung – Für eine Europäische Union, die ihre Bürgerinnen und Bürger, Werte und Interessen schützt und zu Weltfrieden und internationaler Sicherheit beiträgt, Brüssel, 21. März 2022, 7371/22, pdf (europa.eu) .
    (3)      Tagung des Europäischen Rates, Brüssel, 15. Dezember 2023, EUCO 20/23, europeancouncilconclusions-14-15-12-2023-de.pdf (europa.eu). In den Schlussfolgerungen heißt es: „Im Anschluss an eine Bestandsaufnahme der Arbeiten zur Umsetzung seiner früheren Schlussfolgerungen, der Erklärung von Versailles und des Strategischen Kompasses unterstreicht der Europäische Rat, dass mehr getan werden muss, um die Ziele der Union – Verbesserung der Verteidigungsbereitschaft und Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf kooperative Weise, einschließlich Steigerung der Verteidigungsinvestitionen und der Fähigkeitenentwicklung – zu erreichen und einen wirksamen und integrierten Markt für Verteidigung zu verwirklichen.“
    (4)      Bei Meinungsumfragen in der EU wurden das starke Interesse und die hohen Erwartungen der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger an einer verstärkten Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen bestätigt. Dem Standard-Eurobarometer 100 (Dezember 2023) zufolge sind 79 % der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger der Auffassung, dass die Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen auf EU-Ebene verstärkt werden sollte, und 69 % der Ansicht, dass die EU ihre Kapazität zur Herstellung von Militärausrüstung ausbauen muss.
    (5)      Gemeinsame Mitteilung mit dem Titel „Analyse der Defizite bei den Verteidigungsinvestitionen und die nächsten Schritte“. Brüssel, den 18.5.2022, JOIN(2022) 24 final.
    (6)      22 der 27 Mitgliedstaaten sind derzeit NATO-Mitglieder, Schweden wird der Allianz voraussichtlich in Kürze beitreten.
    (7)      Gegenüber einem historischen Tiefstand von 171 Mrd. EUR im Jahr 2014. Siehe Europäische Verteidigungsagentur, Defence Data 2022, key findings and analysis.
    (8)      Jean-Pierre Maulny: The Impact of the War in Ukraine on the European Defence Market. IRIS, September 2023, 19_ProgEuropeIndusDef_JPMaulny.pdf (iris-france.org) .
    (9)      Koordinierte Jährliche Überprüfung der Verteidigung 2022.
    (10)      2007 vom EDA-Lenkungsausschuss auf Ministerebene festgesetzt.
    (11)      Europäischer Rat, Erklärung von Granada, 6. Oktober 2023.
    (12)      Datenquelle: SIPRI-Schätzungen für die Kommission.
    (13)      Lieferung und gemeinsame Beschaffung von Munition für die Ukraine; Brüssel, den 20. März 2023, 7632/23, pdf (europa.eu) .
    (14)      Bis heute hat die EDA 60 Rahmenverträge mit der europäischen Industrie unterzeichnet.
    (15)      Verordnung (EU) 2023/1525 zur Förderung der Munitionsproduktion (ASAP) (ABl. L 185 vom 24.7.2023, S. 7).
    (16)      Verordnung (EU) 2023/2418 über die Einrichtung eines Instruments zur Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie durch gemeinsame Beschaffung (EDIRPA) (ABl. L, 2023/2418, 26.10.2023).
    (17)    Die EDTIB würde, insbesondere in Krisenzeiten, durch die Umsetzung der Maßnahmen, die in der Mitteilung mit dem Titel „Aktualisierung der neuen Industriestrategie von 2020: einen stärkeren Binnenmarkt für die Erholung Europas aufbauen“ (COM(2021) 350), dargelegt sind, von einem resilienteren EU-Binnenmarkt profitieren.
    (18) 2007 vom EDA-Lenkungsausschuss auf Ministerebene festgelegt.
    (19)    EU-Normungsstrategie, COM(2022) 31.
    (20)      Center for International Policy, Security Assistance Monitor, securityassistance.org .
    (21)      Zum Beispiel die Datenbank EUCLID der EDA.
    (22)    Verordnung (EU) 2021/240 vom 10. Februar 2021 zur Schaffung eines Instruments für technische Unterstützung (ABl. L 57 vom 18.2.2021, S. 1).
    (23)      Aus den Daten in den Jahresberichten und der Datenbank des EAD zu den Waffenausfuhren der EUMitgliedstaaten lassen sich nützliche Informationen über die Trends ableiten, die den europäischen Verteidigungsmarkt und die europäische Verteidigungsindustrie betreffen. Insbesondere lässt sich anhand dieser Daten die Intensität der Handelsströme innerhalb der EU messen, was Aufschluss über die Intensität sowohl der grenzüberschreitenden Beschaffung von Endprodukten als auch der grenzüberschreitenden Ströme in den Lieferketten der EDTIB gibt. Was die Beschaffung von Verteidigungsgütern durch die Mitgliedstaaten betrifft, so erfolgt in der Tat keine zentrale Erhebung der Daten über die Herkunft der Produkte. Die Kommissionsdienststellen werden in Abstimmung mit dem EAD und der EDA mit den Mitgliedstaaten darauf hinarbeiten, eine Methode zur Messung des Anteils der Beschaffung im Rahmen der EDTIB im Vergleich zur Beschaffung, die Einrichtungen aus Drittländern zugutekommt, zu entwickeln.
    (24)      In der Mitteilung zur Analyse der Investitionslücke im Verteidigungsbereich wies die Kommission ausgehend von einer wissenschaftlichen Veröffentlichung von D. Fiott (unter Verwendung der Ein- und Ausfuhrzahlen des US-Außenministeriums) darauf hin, dass zwischen 2007 und 2016 mehr als 60 % der europäischen Haushaltsmittel für die Beschaffung von Verteidigungsgütern für militärische Einfuhren aus Drittländern ausgegeben wurden. Wie in Kasten 1 dargelegt, wurden zwischen dem Beginn des Angriffskriegs Russlands und Juni 2023 78 % der Beschaffungen im Verteidigungsbereich durch EU-Mitgliedstaaten in Drittländern getätigt, davon 63 % in den USA.
    (25)      1,46 Mrd. EUR an Mitteln aus dem Europäischen Verteidigungsfonds und 500 Mio. EUR aus anderen öffentlichen und privaten Quellen.
    (26)      In drei Jahren wurden mehr als 145 Projekte mit 2618 Teilnehmern, die das Rückgrat des verteidigungsindustriellen Ökosystems der EU bilden, im Rahmen des Europäischen Verteidigungsfonds auf den Weg gebracht, der sich derzeit mit einem breiten Spektrum modernster Verteidigungsfähigkeiten und -technologien befasst. An den Kooperationen sind Forschungseinrichtungen (609 Teilnehmer), KMU (826 Teilnehmer), größere Einrichtungen (1113 Teilnehmer), öffentliche Einrichtungen (456 Teilnehmer) und Hochschulen (230 Teilnehmer) beteiligt, die zusammen die EDTIB der Zukunft bilden.
    (27)      Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Beitrag der Kommission zur europäischen Verteidigung“, COM(2022) 60 final.
    (28)      Zum Beispiel haben die EU-Mitgliedstaaten 2013 eine Rahmenübereinkunft zur Versorgungssicherheit angenommen. Es war beabsichtigt, dass dieser Rahmen durch die Festlegung von Verhaltenskodizes oder Durchführungsvereinbarungen umgesetzt wird, und so verabschiedete der EDA‑Lenkungsausschuss 2014 einen Verhaltenskodex über Priorisierung.
    (29)    In diesem Zusammenhang wird die Kommission prüfen, ob auf Instrumente zurückgegriffen werden kann, die im Rahmen der Verordnung zu kritischen Rohstoffen (COM(2023) 160) entwickelt wurden.
    (30)      Fahrplan für kritische Technologien für Sicherheit und Verteidigung; Straßburg, 15.2.2022, COM(2022) 61 final.
    (31) https://commission.europa.eu/funding-tenders/find-funding/eu-funding-programmes/technical-support-instrument/technical-support-instrument-tsi_de
    (32) „Access to equity financing for European defence SMEs“ (Zugang zu Beteiligungsfinanzierung für europäische KMU im Verteidigungsbereich): https://defence-industry-space.ec.europa.eu/study-results-access-equity-financing-european-defence-smes-2024-01-11_en .
    (33)    Weißbuch der Kommission über Optionen für eine verstärkte Unterstützung von Forschung und Entwicklung zu Technologien mit potenziell doppeltem Verwendungszweck; Brüssel, den 24.1.2024, COM(2024) 27 final.
    (34)      Siehe Entschließung des Europäischen Parlaments vom 28. Februar 2024 zur Finanztätigkeit der Europäischen Investitionsbank – Jahresbericht 2023 ( 2023/2229(INI) ). In dem Bericht fordert das Parlament insbesondere die EIB auf, „ihre Unterstützung der Strategischen Europäischen Sicherheitsinitiative und der europäischen Verteidigungsindustrie, einschließlich KMU, zu verstärken, insbesondere, um zur kontinuierlichen Unterstützung der Ukraine beizutragen“ und „ihre Förderfähigkeitsliste dahin gehend zu überarbeiten, dass Munition und militärische Ausrüstung, die über Anwendungen mit doppeltem Verwendungszweck hinausgehen, nicht länger von der EIB-Finanzierung ausgeschlossen werden“.
    (35)      Z. B. notwendige vorbereitende Schritte, wie z. B. Marktanalysen.
    (36)      Europäischer Fonds für regionale Entwicklung.
    (37)      Europäischer Sozialfonds Plus.
    (38)    Einschließlich der weiteren Zusammenarbeit mit der Europäischen Chemikalienagentur.
    (39)       Gemeinsame Erklärung EU-NATO (8. Juli 2016) ; Gemeinsame Erklärung EU-NATO (10. Juli 2018) ; Gemeinsame Erklärung EU-NATO (10. Januar 2023) .
    Top