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Document 52023DC0173

BERICHT DER KOMMISSION AN DEN RAT Überprüfung des Funktionierens der Verordnung (EU) 2022/1369 über koordinierte Maßnahmen zur Senkung der Gasnachfrage

COM/2023/173 final

Brüssel, den 20.3.2023

COM(2023) 173 final

BERICHT DER KOMMISSION AN DEN RAT

Überprüfung des Funktionierens der Verordnung (EU) 2022/1369 über koordinierte Maßnahmen zur Senkung der Gasnachfrage

{SWD(2023) 63 final}


I.Einleitung

Im Laufe des Jahres 2022 setzte Russland Gaslieferungen als politische Waffe ein. In diesem Zusammenhang verabschiedete die EU im August 2022 die Dringlichkeitsverordnung (EU) 2022/1369 des Rates mit dem Ziel, die Gasnachfrage in koordinierter Weise um 15 % zu senken und so die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Gemäß der Verordnung (EU) 2022/1369 des Rates müssen sich die Mitgliedstaaten nach besten Kräften bemühen, die Gasnachfrage um 15 % zu senken; bei einem Unionsalarm wird diese Anforderung verpflichtend. Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten ihre gemäß Artikel 8 der Verordnung (EU) 2017/1938 erstellten Notfallpläne aktualisieren, um den durchgeführten Maßnahmen Rechnung zu tragen, und die erreichte Nachfragesenkung alle zwei Monate an Eurostat melden. Nach Artikel 9 nimmt die Kommission eine Überprüfung vor, auf deren Grundlage sie vorschlagen kann, die Geltungsdauer der Verordnung zu verlängern. Die begleitende Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen SWD/2023/63 enthält eine Analyse der Gasnachfragesenkungen seit August 2022, eine szenarienbasierte Analyse der Prognosen zum Speicherfüllstand bei Annahme unterschiedlich langer Fortsetzungen der Nachfragesenkung und eine tiefgehende Analyse zu früheren Senkungen sowie Aufwärts- und Abwärtsrisiken in den Jahren 2023 und 2024.

Die Thematik wurde mit der Koordinierungsgruppe „Erdgas“ 1 erörtert, der Vertreter der Mitgliedstaaten und europäischer Verbände angehören, die Lieferanten, Infrastrukturbetreiber, Händler und die wichtigsten Gasverbraucher repräsentieren. Die Mitglieder der Koordinierungsgruppe „Erdgas“ haben in ihrer Sitzung vom 16. Februar zum Ausdruck gebracht, wie wichtig eine anhaltende Senkung der Nachfrage als besonders kosteneffiziente Maßnahme zur Gewährleistung und Verbesserung der Versorgungssicherheit ist.

II.Ergriffene Maßnahmen und erreichte Nachfragesenkung

Seit der Annahme der Verordnung (EU) 2022/1369 des Rates ist es der EU gelungen, sich durch Diversifizierung stärker von russischem Gas abzukoppeln 2 und ihre Gasnachfrage von August 2022 bis Januar 2023 um 19 % (41,5 Mrd. m³) im Vergleich zum Durchschnittswert im selben Zeitraum der vorangegangenen fünf Jahre zu senken. Tab el le 2 (siehe Anhang) zeigt, dass die Nachfragesenkung zwischen den Monaten und Mitgliedstaaten variiert hat, was auf die unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten zurückzuführen ist. Im Falle eines Unionsalarms wird diesen unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten auch durch die Anwendung der in Artikel 5 der Verordnung (EU) 2022/1369 des Rates festgelegten Ausnahmen Rechnung getragen.

Die derzeitigen Speicherfüllstände sind für den Zeitpunkt im Jahr relativ hoch, die Gaspreise sind seit den Höchstständen im August stetig gesunken (wobei sie weiter deutlich über dem Langzeitdurchschnitt liegen) und die Versorgungssicherheit ist für die verbleibende Wintersaison 2022/2023 gewährleistet. In Abschnitt III wird jedoch aufgezeigt, dass der EU-Gasmarkt nach wie vor angespannt ist und die Mitgliedstaaten ohne eine Senkung der Gasnachfrage über den 31. März hinaus ihrer Speicherverpflichtung von 90 % bis zum 31. Oktober wahrscheinlich nicht nachkommen können. Dies würde die Versorgungssicherheit im Winter 2023/2024 gefährden und könnte zu Gasknappheit oder einer Rückkehr zu sehr hohen Gaspreisen führen.

Abbildung 1 zeigt den Gasverbrauch in der EU von August 2022 bis Januar 2023 (grüne Linie – „Ist“) im Vergleich zum Durchschnitt desselben Zeitraums in den fünf Jahren davor (blaue Linie – „Referenz“) sowie das 15%-Senkungsziel (rote Linie – „Ziel“), das für August 2022 bis März 2023 festgelegt wurde und gemäß diesem Vorschlag auch für die anderen Monate gelten würde. Abbildung 1 zeigt auch, dass der Gasverbrauch im Winter deutlich höher ist als im Sommer. Tatsächlich liegt die Nachfrage in Q2 und Q3 etwa halb so hoch wie in Q1 und Q4.

Abbildung 1: Referenzverbrauch, Zielverbrauch (d. h. Referenzverbrauch minus 15 %) und Istverbrauch (August 2022 bis Januar 2023); EU27 (Mrd. m3)

Quelle: ENER/CET-Berechnungen auf der Grundlage der Eurostat-Reihe NRG_CB_GASM, Unterserie IC_CAL_MG in Mio. m³ zum 7. März 2023, 11.00 Uhr.

Sektoren

Für eine eingehende Analyse der Senkung der Gasnachfrage ist eine regelmäßige Veröffentlichung der sektorbezogenen Gasnachfrage erforderlich. Derzeit meldet Eurostat den Gasverbrauch nach Nachfragesektor 3 nur auf jährlicher Basis um ein Jahr zeitversetzt. Eine zuverlässige Aufschlüsselung der Gaseinsparungen nach Sektoren oder eine Aufgliederung in strukturelle und nicht strukturelle Senkungen auf der Grundlage eines offiziellen Datensatzes, der die gesamte EU abdeckt, ist daher nicht möglich.

Ausgehend von Hilfsdaten schätzt die Kommission 4 , dass im Zeitraum August bis Dezember 2022 etwa 50 % der gesamten Gasnachfragesenkung auf private Haushalte und etwa 43 % auf die Industrie entfielen, auf den Stromerzeugungssektor allerdings nur 7 %, was sich durch die geringe Verfügbarkeit von Wasser- und Kernkraft erklärt. 5 Während die Industrie im Sommer und Herbst den Hauptanteil an der Nachfragesenkung hatte, entfiel auf die Haushalte im Winter der größte Anteil der Nachfragesenkung (und des Verbrauchs). Schätzungen zufolge war etwa ein Sechstel der Gesamtsenkung temperaturbedingt, d. h. auf einen milderen (frühen) Winter als im Referenzzeitraum zurückzuführen, was einem Anteil von 5 Mrd. m³ der Senkung von insgesamt 30 Mrd. m³ zwischen August und Dezember entspricht.

In den Notfallplänen gemeldete Maßnahmen der Mitgliedstaaten

In den Artikeln 7 und 8 der Verordnung (EU) 2022/1369 des Rates ist festgelegt, dass die Mitgliedstaaten die umgesetzten Maßnahmen zur Senkung der Nachfrage im Wege einer Aktualisierung ihrer Notfallpläne melden müssen. Die meisten Mitgliedstaaten haben der Kommission ihre aktualisierten Notfallpläne mitgeteilt.

Den aktualisierten Plänen zufolge lassen sich bei den kurzfristigen Maßnahmen im Wesentlichen zwei Arten unterscheiden: 1) Informationskampagnen zu Gaseinsparungen und 2) Maßnahmen zur Reduzierung des Heizens und Kühlens.

·Die meisten Mitgliedstaaten führten Kommunikationskampagnen durch. In einigen Fällen werden mit den Kampagnen auch die bestehenden Subventionsregelungen für Energieeffizienz bekannt gemacht, die hauptsächlich auf Haushalte und KMU ausgerichtet sind.

·Temperaturbegrenzung: Die meisten Pläne sehen Heiz- und Kühlbeschränkungen in öffentlichen Gebäuden vor; einige Mitgliedstaaten haben diese Begrenzung auf Büros und Geschäfte ausgeweitet.

·Mehrere Mitgliedstaaten haben Beleuchtungsbeschränkungen eingeführt, in der Regel für öffentliche Gebäude und Denkmäler, in einigen Fällen aber auch für Schaufenster.

Als mittelfristige Maßnahmen meldeten die Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Brennstoffumstellung, Subventionen für die energetische Sanierung von Gebäuden oder den Austausch ineffizienter Geräte. Als langfristige Maßnahmen leisten die Mitgliedstaaten häufig direkte Unterstützung für Kunden in Form von Subventionen oder Steuersenkungen, um den Einsatz erneuerbarer Energien, Wärmepumpen oder Energieeffizienz (z. B. auch durch Audits) zu fördern.

III.Ausblick auf den nächsten Winter

Während es der EU gelungen ist, die Nachfrage zwischen August 2022 und Januar 2023 zu senken und durch Diversifizierung weniger abhängig von russischen Einfuhren zu sein, wird in diesem Abschnitt untersucht, ob dies ausreicht, um Versorgungsrisiken im Winter 2023/2024 abzuwenden, wenn die Verordnung (EU) 2022/1369 am 31. März 2023 ausläuft.  Tab el le 1 zeigt auf der Grundlage der neuesten verfügbaren Marktinformationen und ‑daten, welche Speicherfüllstände für Oktober 2023 und März 2024 bei unterschiedlich langer Fortsetzung der Nachfragesenkung zu erwarten wären. 6   Abbildung 2  zeigt die Prognose für die Speicherfüllstände in den vier Szenarien. Aus  Tab el le 1 geht hervor, dass die Mitgliedstaaten im Falle keiner oder einer geringeren Senkung der Gasnachfrage nach dem 1. April (Szenarien A und B) die in der Verordnung (EU) 2022/1032 festgelegte Verpflichtung einer 90%igen Befüllung der Speicher bis zum 31. Oktober 2023 wahrscheinlich nicht erfüllen können, was bedeuten würde, dass die Versorgungssicherheit für den Winter 2023/2024 nicht gewährleistet werden kann. Für den Fall, dass die Gasnachfrage nach dem 1. April bis zum 31. Oktober weiterhin um 15 % gesenkt bleibt, könnte die Speicherverpflichtung von mindestens 90 % wahrscheinlich erfüllt werden (Szenarien C und D). Durch eine Fortsetzung der Senkung der Gasnachfrage bis zum 31. März 2024 ließen sich die Risiken für die Versorgungssicherheit im Winter 2024/2025 entscheidend verringern.

In ihrem Bericht vom 12. Dezember 2022 7 schätzt die Internationale Energieagentur (IEA), dass im Jahr 2023 eine Versorgungslücke entstehen könnte, wenn keine zusätzlichen Maßnahmen zur Einsparung von Gas ergriffen werden.

Tabelle 1: Monatliche Speicherfüllstände je nach Fortsetzung der Nachfragesenkung

Szenarioannahmen Speicherfüllstand (in Mrd. m³):

Ende Okt. 2023

Ende März 2024

A: Keine Fortsetzung

69

0

B: Fortsetzung von August 2023 bis März 2024

80

28

C: Fortsetzung von April 2023 bis Oktober 2023

95

9

D: Einjährige Fortsetzung von April 2023 bis März 2024

95

43

 Quelle: ENER/CET-Berechnungen.

·Szenario A: Keine Fortsetzung: Ohne Nachfragesenkung im Anschluss würden die Speicherfüllstände bis Ende Oktober 2023 nur 69 Mrd. m³ erreichen und damit deutlich unter der Speicherverpflichtung von 90 % (89,4 Mrd. m³) liegen. Zudem wären die Speichermengen bis Februar 2024 vollständig erschöpft, was sehr ernste Risiken für die Versorgungssicherheit im Winter 2024/2025 zur Folge hätte.

·Szenario B: Achtmonatige Fortsetzung von August 2023 bis März 2024: In diesem Szenario würden die Speicher zu langsam gefüllt werden und die Speicherfüllstände würden bis Ende Oktober nur 80 Mrd. m³ erreichen und damit deutlich unter der Speicherverpflichtung von 90 % (89,4 Mrd. m³) liegen. Darüber hinaus würden die Speicherfüllstände bis zum Ende des nächsten Winters auf unter 30 % (28 Mrd. m³) sinken (28 % Ende März 2024), was zu ernsten Risiken für die Versorgungssicherheit führen und es schwierig machen würde, die Speicher für den folgenden Winter 2024/2025 ausreichend aufzufüllen.

·Szenario C: Siebenmonatige Fortsetzung von April 2023 bis Oktober 2023: In diesem Szenario wären die Speicher bis zum Ende des Sommers ausreichend gefüllt (95 % – 95 Mrd. m3) und die für Ende Oktober 2023 geltende Speicherverpflichtung von 90 % (89,4 Mrd. m³) könnte erfüllt werden. Da die Gasnachfrage jedoch selbst in einem normalen Winter doppelt so hoch ist wie im Sommer, wären die Speicher am Ende des nächsten Winters fast vollständig leer (9 Mrd. m3 Ende März 2024). Dies würde zu sehr ernsten Risiken für die Versorgungssicherheit führen, und es wäre sehr schwierig, die Speicher für den folgenden Winter 2024/2025 ausreichend aufzufüllen.

·Szenario D: Einjährige Fortsetzung von April 2023 bis März 2024: Bei einer Fortsetzung der Nachfragesenkung um 15 % erreichen die Speicherfüllstände bis Ende Oktober 2023 95 Mrd. m³, womit die Speicherverpflichtung von 90 % (89,4 Mrd. m³) erfüllt wäre. Ende März 2024 würden die Speichermengen bei etwa 43 Mrd. m³ liegen.

Abbildung 2: Monatliche Speicherfüllstände je nach Fortsetzung der Nachfragesenkung

Quelle: ENER/CET-Berechnungen.

Über die in Abbildung 1 und Tab el le 1 dargestellte Analyse hinaus sind für dieses Jahr und den nächsten Winter eine Reihe von Faktoren und Risiken zu berücksichtigen, die den Gasverbrauch erhöhen könnten. 8  Dazu gehören ein möglicher Wiederanstieg der weltweiten Nachfrage nach LNG (begrenzt, da die EU nach wie vor der Premiummarkt ist 9 ), ein Wiederanstieg der Nachfrage nach Industriegas und eine Umkehr der Umstellung von Gas auf Kohle (beides aufgrund niedrigerer Gaspreise im Jahr 2023), die Wetterbedingungen und deren möglicher Einfluss auf den Heizbedarf im Winter 10 ,, eine geringe Erzeugung von Atomkraft und Wasserkraft (aufgrund von Dürren) sowie weitere Störungen der Gasversorgung. Die französischen Nuklearkapazitäten sind derzeit niedriger als im Jahr 2022, die Wasserstände in Italien liegen auf dem Niveau von 2022, was eine ähnlich niedrige Stromerzeugung aus Wasserkraft erwarten lässt, und die niedrigen Gaspreise haben bereits in den ersten Wochen des Jahres 2023 zu Umstellungen von Kohle zu Gas geführt (siehe Abschnitt IV.3 der Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen SWD/2023/63). Sollten diese Risiken weiter zum Tragen kommen, werden sie den globalen und europäischen Gasmarkt belasten, was sich auf die Befüllung unterirdischer Speicheranlagen für den Winter 2023/2024, das Gaspreisniveau und die Volatilität dieser Preise auswirken könnte.

IV.Ausblick

Trotz erheblicher Verbesserungen seit August 2022 ist die Lage auf dem globalen Gasmarkt im Jahr 2023 nach wie vor angespannt. Mehrere Faktoren (Wetter, verbleibende russische Einfuhren, Verfügbarkeit alternativer Stromquellen und die weitere Verknappung auf den globalen LNG-Märkten) könnten die Einspeichersaison 2023 belasten. Dabei ist ein wichtiger Aspekt, dass – im Gegensatz zur vorangegangenen Einspeichersaison – bei der Einspeicherung im Jahr 2023 auf die Mengen an russischem Pipelinegas, wie sie im Jahr 2022 in die EU eingeführt wurden (60 Mrd. m³), verzichtet werden muss. Um die Risiken für die Versorgungssicherheit und die entsprechenden Auswirkungen auf den Markt zu begrenzen, muss die Nachfragesenkung fortgesetzt werden. Bei der Entscheidung, ob und wie eine solche Senkung der Gasnachfrage in der Union sichergestellt werden kann, sind die folgenden Überlegungen besonders wichtig:

1)Das weltweite Angebot an Erdgas bleibt knapp. Der Anteil des russischen Pipelinegases an den gesamten EU-Einfuhren ist von 49 % vor Januar 2022 auf weniger als 10 % im Januar 2023 gesunken. In der Einspeichersaison 2022 waren die russischen Einfuhren von Pipelinegas deutlich höher als für 2023 erwartet. Angesichts dieser geringeren Lieferungen aus Russland muss die Nachfrage gesenkt werden.

2)Eine Senkung der Nachfrage würde die Preisvolatilität verringern. Auch wenn die schlimmsten wirtschaftlichen Auswirkungen 2022 abgewendet wurden, bleibt die Lage auf den globalen Gasmärkten im Jahr 2023 sehr angespannt. Die Gaspreise haben 2022 mit einem Spitzenpreis von über 320 EUR/MWh am 26. August historische Höchststände erreicht und liegen mit derzeit wieder unter 45 EUR/MWh immer noch bei dem Doppelten der historischen Norm. Auf der Sitzung der Koordinierungsgruppe „Erdgas“ am 16. Februar 2023 erkannten die Vertreter der Mitgliedstaaten und der Gasverbände an, wie grundlegend wichtig die Nachfragesenkung ist, um den Druck auf einen angespannten Markt zu verringern und die Volatilität der Gaspreise einzudämmen.

3)Die bei der Anwendung der Verordnung (EU) 2022/1369 zum Ausdruck gekommene Solidarität sollte beibehalten werden. Der derzeitige Rechtsrahmen für die Gasversorgungssicherheit, der mit der Verordnung (EU) 2017/1938 geschaffen wurde, trägt Unterbrechungen der Lieferungen eines wichtigen Gaslieferanten, die mehr als 30 Tage dauern, noch immer nicht angemessen Rechnung. Langfristige Unterbrechungen bergen weiterhin das Risiko, dass Mitgliedstaaten mit unkoordinierten Maßnahmen reagieren, die die Versorgungssicherheit in benachbarten Mitgliedstaaten gefährden und die Industrie und die Verbraucher in der Union sowie das Funktionieren des Binnenmarktes zusätzlich belasten könnten. Zwar sind einige Mitgliedstaaten den Störungen stärker ausgesetzt als andere, aber Schwierigkeiten oder Engpässe bei der Gasversorgung würden den Volkswirtschaften aller Mitgliedstaaten schaden.

4)Wie die Kommission in ihrer Mitteilung „Gaseinsparungen für einen sicheren Winter“ vom 20. Juli 2022 dargelegt hat, ist es für die Bevölkerung und die Industrie billiger, die Nachfrage weiterhin in verhältnismäßiger Weise und nachweislich kontrollierbar proaktiv zu senken, anstatt zu einem späteren Zeitpunkt unkoordinierte Kürzungen bewältigen zu müssen.

5)Bei einer Nachfragesenkung um 15 % lässt sich die Speicherverpflichtung von 90 % erfüllen: Die Szenarien C und D zeigen, dass ein Senkungsziel von 15 % ab dem 1. April 2023 angemessen und notwendig ist und es der EU ermöglicht, ihre Speicherverpflichtungen von 90 % bis Ende Oktober zu erfüllen, und zwar auch für den Fall, dass mäßige Abwärtsrisiken eintreten (z. B. geringere LNG-Lieferungen, niedrige Wasserstände oder Wetter mit mäßig unterdurchschnittlichen Temperaturen).

6)Die Fortsetzung der Gasnachfragesenkung ist dringend erforderlich, um den Marktteilnehmern Sicherheit zu bieten. Die geltende Verordnung läuft am 31. März 2023 mit dem Ende der Wintersaison aus. Die Fortsetzung der Senkungsbemühungen ab dem 1. April schafft Klarheit und vermeidet uneinheitliche Botschaften zum empfohlenen Verhalten.

7)Nur durch eine Verlängerung des Zeitraums für die Gasnachfragesenkung um 12 Monate wird über den Sommer eine ausreichende Speicherbefüllung erreicht, sodass die Speichervorgaben eingehalten werden können und die Versorgungssicherheit im nächsten Winter sichergestellt ist, wie in Abschnitt III dargestellt. Hingegen würde bei einer Fortsetzung der Nachfragesenkung lediglich im Zeitraum August bis März die Zeit nicht ausreichen, um einen angemessenen Speicherfüllstand von 90 % zu erreichen, was gegen Ende des nächsten Winters zu Risiken für die Versorgungssicherheit führen würde. Niedrige Temperaturen allein wären ausreichend, um die Speicheranlagen bis zum 31. März 2024 fast vollständig zu leeren. Bei einer Fortsetzung von April bis Oktober wären die Speicher zum 31. März 2024 sogar ohne kalte Temperaturen und auch dann, wenn keines der anderen Abwärtsrisiken eintritt, fast vollständig erschöpft. Anders ausgedrückt, könnten Fortsetzungen von weniger als 12 Monaten Panikkäufe, bei denen sich die Mitgliedstaaten gegenseitig überbieten (ohne dass mehr Gaslieferungen auf den EU-Markt gelangen), hohe Preise und mögliche Engpässe zur Folge haben. Eine ausführlichere Analyse findet sich in Abschnitt VI von SWD/2023/63.

8)Ein längerer Zeitraum schafft mehr Flexibilität, um die Bemühungen zur Nachfragesenkung über die Zeit optimaler zu verteilen. Er würde insbesondere die Möglichkeit von Preisspitzen verringern und somit die Kosten begrenzen, die den Mitgliedstaaten bei Gaskäufen für dieselben Mengen entstehen. Eine Fortsetzung für 12 Monate ermöglicht somit mehr Flexibilität, um den unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen, da die Senkung der Nachfrage für einige Mitgliedstaaten im Sommer einfacher ist („Frontloading“) und für andere im Winter („Backloading“). Zudem würde diese Option Flexibilität zwischen den Sektoren ermöglichen: Da die Nachfrage von Privathaushalten im Sommer gering ist, würde eine Verlängerung von April bis Oktober die Industrie und den weniger flexiblen Energiesektor, der von der Verfügbarkeit alternativer Energiequellen abhängig ist, unverhältnismäßig belasten.

9)Da im Umsetzungszeitraum August 2022 bis März 2023 die Überwachung im zweimonatlichen Turnus stattfand und keine sektorspezifischere Berichterstattung erfolgte, besteht kein umfassendes Verständnis der Art und sektoralen Verteilung dieser Nachfragesenkungen. Dies schränkte die Fähigkeit der Kommission und der Mitgliedstaaten ein, die sektoralen Anfälligkeiten und Einsparpotenziale (Energie, Industrie, Einwohner und Versorgungsdienstleistungen) zu ermitteln und somit kostenwirksamere Maßnahmen zu konzipieren.

 

V.ANHANG

In  Tab el le 2 sind die Gasnachfragesenkungen je Monat im Vergleich zum Referenzzeitraum zusammengefasst. Sie zeigt, dass mit den freiwilligen Maßnahmen zur Nachfragesenkung das Senkungsziel von 15 % zwischen August 2022 und Januar 2023 erreicht wurde. Die in der EU erreichte Senkung um 19,2 % entspricht einer Einsparung von ca. 41,5 Mrd. m³ im Vergleich zu einem 15‑%-Zielwert, der für diese sechs Monate bei ca. 32,5 Mrd. m³ und für August 2022 bis März 2023 bei ca. 45,3 Mrd. m³ lag.

Tabelle 2: Senkung der Gasnachfrage August 2022 bis Januar 2023

Mitgliedstaat

Aug.

Sep.

Okt.

Nov.

Dez.

Jan.

Aug.–Jan.

EU27

–13,5 %

–14,0 %

–24,4 %

–25,0 %

–12,4 %

–22,2 %

–19,2 %

Österreich

–26,7 %

–11,3 %

–24,0 %

–16,9 %

–13,6 %

–23,9 %

–19,2 %

Belgien

–1,0 %

–6,0 %

–20,5 %

–29,7 %

–9,8 %

–18,3 %

–16,0 %

Bulgarien

–14,9 %

–17,8 %

–32,7 %

–21,2 %

–21,8 %

–29,4 %

–23,9 %

Kroatien

–21,7 %

–23,1 %

–20,0 %

–25,6 %

–27,6 %

–24,2 %

–24,1 %

Zypern

-

-

-

-

-

-

-

Tschechien

–15,0 %

–9,1 %

–22,9 %

–18,8 %

–10,9 %

–24,0 %

–17,7 %

Dänemark

–21,7 %

–23,3 %

–31,1 %

–33,4 %

–13,7 %

–26,5 %

–24,9 %

Estland

–37,1 %

–31,7 %

–46,9 %

–32,3 %

–32,4 %

–38,0 %

–36,2 %

Finnland

–35,7 %

–57,4 %

–62,6 %

–58,3 %

–65,1 %

–63,1 %

–58,5 %

Frankreich

1,6 %

–2,5 %

–27,8 %

–29,3 %

–8,3 %

–19,2 %

–17,1 %

Deutschland

–28,0 %

–14,7 %

–28,6 %

–28,3 %

–4,7 %

–18,6 %

–19,4 %

Griechenland

4,5 %

–26,3 %

–42,0 %

–23,0 %

–12,6 %

–36,7 %

–22,7 %

Ungarn

–18,7 %

5,0 %

–33,9 %

–19,8 %

–17,5 %

–27,4 %

–21,0 %

Irland

11,3 %

2,1 %

–8,8 %

–10,3 %

9,5 %

–4,3 %

–0,3 %

Italien

–5,2 %

–14,0 %

–19,8 %

–22,7 %

–18,5 %

–22,7 %

–18,6 %

Lettland

–42,6 %

–52,7 %

–72,7 %

–15,2 %

0,9 %

–37,0 %

–31,8 %

Litauen

–43,6 %

–45,0 %

–50,8 %

–46,0 %

–11,9 %

–51,5 %

–40,5 %

Luxemburg

–36,4 %

–26,1 %

–35,5 %

–33,2 %

–17,5 %

–25,0 %

–27,7 %

Malta

4,6 %

–1,1 %

–11,2 %

43,6 %

27,0 %

21,9 %

+12,1 %

Niederlande

–29,7 %

–32,6 %

–33,3 %

–35,1 %

–17,5 %

–32,2 %

–29,5 %

Polen

–26,7 %

–25,4 %

–23,7 %

–8,3 %

–5,3 %

–12,0 %

–14,9 %

Portugal

–10,7 %

–17,0 %

–12,0 %

–8,9 %

–18,6 %

–34,9 %

–17,1 %

Rumänien

–25,2 %

–20,7 %

–27,5 %

–21,8 %

–15,9 %

–21,0 %

–21,2 %

Slowakei*

10,6 %

5,5 %

2,1 %

–2,7 %

23,6 %

–7,8 %

+4,6 %

Slowenien

–13,7 %

–10,9 %

–22,2 %

–11,7 %

–12,4 %

–14,7 %

–14,2 %

Spanien

2,6 %

0,7 %

–6,2 %

–21,8 %

–24,4 %

–23,9 %

–13,7 %

Schweden

–27,3 %

–35,7 %

–41,8 %

–51,0 %

–38,0 %

–41,9 %

–40,2 %

Anmerkung: Veränderung des Gasverbrauchs 2022 gegenüber dem Durchschnitt 2017–2021. Zypern verwendet kein Erdgas.

Quelle: ENER/CET-Berechnungen auf der Grundlage der Eurostat-Reihe NRG_CB_GASM, Unterserie IC_CAL_MG in TJ (GCV) zum 7. März 2023, 11.00 Uhr.

* Die Eurostat-Daten für die Slowakei werden derzeit überprüft.

(1)

  Register der Expertengruppen der Kommission und anderer ähnlicher Einrichtungen (europa.eu) .

(2)

Im Jahr 2022 gingen die russischen Gaslieferungen an die EU gegenüber 2021 von 152 Mrd. m3 auf 80 Mrd. m3 und damit um 47 % zurück. Sie wurden hauptsächlich ersetzt durch Lieferungen aus den Vereinigten Staaten, die ihre Ausfuhren von 21 Mrd. m³ auf 50 Mrd. m³ erhöhten, und aus dem Vereinigten Königreich mit einer Erhöhung der Liefermengen von 6 Mrd. m³ auf 24 Mrd. m³. Höhere Gasmengen wurden an die EU auch aus Norwegen (+10 Mrd. m³), Aserbaidschan (+3 Mrd. m³), Katar (+2 Mrd. m³) sowie Trinidad und Tobago (+1 Mrd. m³) geliefert.

(3)

Der einzige Sektor, für den offizielle Eurostat-Daten vorliegen, ist die Stromerzeugung; Senkung um 2,1 % zwischen August 2022 und Januar 2023 auf der Grundlage der Eurostat-Reihe NRG_CB_GASM, Unterserie TI_EHG_MAP in TJ (GCV) zum 7. März 2023, 11.00 Uhr.

(4)

GD Gemeinsame Forschungsstelle.

(5)

Obwohl in den vorläufigen Analysen von Bruegel (2023) und der IEA (2023) andere Referenzzeiträume verwendet werden, sind die dort anhand von Hilfsdaten geschätzten Größenordnungen ähnlich.

(6)

Annahmen:

-Speicherfüllstand zum 7. März 2023 (58,5 Mrd. m³ am Ende des 5. März);

-Versorgung über nichtrussische Gaspipelines entspricht dem Durchschnitt der letzten sieben Monate des Jahres 2022;

-Versorgung mit Flüssigerdgas (LNG) entspricht dem Durchschnitt der letzten sieben Monate des Jahres 2022 zuzüglich 15 Mrd. m³/Jahr (1,25 Mrd. m³/Monat) ab April 2023;

-keine russischen Lieferungen von Pipelinegas;

-durchschnittliche Nachfrage wie im Referenzzeitraum unter Anwendung der angegebenen prozentualen Verringerungen;

-Ausfuhren in die Schweiz wie im Jahr 2021 (letzte verfügbare Daten; 2,2 Mrd. m³/Jahr, davon 1/3 im Sommer und 2/3 im Winter);

-Ausfuhren in die Ukraine und die Republik Moldau in Höhe von 0,5 Mrd. m³/Monat.

(7)

IEA (2022): How to Avoid Gas Shortages in the European Union in 2023. A practical set of actions to close a potential supply-demand gap (Wie sich Gasengpässe in der Europäischen Union im Jahr 2023 vermeiden lassen – Konkrete Maßnahmen zur Schließung einer potenziellen Lücke zwischen Angebot und Nachfrage).

(8)

 IEA (2022): How to Avoid Gas Shortages in the European Union in 2023. A practical set of actions to close a potential supply-demand gap.

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Andere Parteien auf dem Weltmarkt treten ab einem bestimmten Niveau der Erdgaspreise nicht als Konkurrenz in Erscheinung, da sie auf andere Brennstoffe umsteigen.

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Laut Aussagen des Europäischen Verbunds der Fernleitungsnetzbetreiber (ENTSOG) würde ein sehr kalter Winter, der mit einer Wahrscheinlichkeit von 5 % eintreten könnte, die Nachfrage um 24 Mrd. m3 erhöhen. Siehe Abbildung 1 (mit einer angenommenen Nachfragesenkung um 15 %) in: ENTSOG Winter Supply Outlook 2022/2023, abrufbar unter: https://entsog.eu/sites/default/files/2022-10/SO0038-22_Winter%20Supply%20Outlook_2022-23_2.pdf . Diese Prognose stimmt mit den Berechnungen von ENER/CET überein, wonach für das Gesamtjahr von einer Mehrnachfrage von 28 Mrd. m³ ausgegangen wird, wenn die 15%ige Nachfragesenkung nicht auf die durchschnittliche Nachfrage der letzten fünf Jahre, sondern auf die jeweils höchste Nachfrage jedes Monats im Zeitraum 2014–2021 angewendet wird (für frühere Jahre sind keine monatlichen Daten verfügbar).

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