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Document 52023AE4143

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses — Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Schaffung eines Rahmens für die Unternehmensbesteuerung in Europa (BEFIT) (COM(2023) 532 final – 2023/0321 (CNS)) — Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Verrechnungspreisgestaltung (COM(2023) 529 final – 2023/0322 (CNS))

    EESC 2023/04143

    ABl. C, C/2024/4059, 12.7.2024, ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2024/4059/oj (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2024/4059/oj

    European flag

    Amtsblatt
    der Europäischen Union

    DE

    Reihe C


    C/2024/4059

    12.7.2024

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Schaffung eines Rahmens für die Unternehmensbesteuerung in Europa (BEFIT)

    (COM(2023) 532 final – 2023/0321 (CNS))

    Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Verrechnungspreisgestaltung

    (COM(2023) 529 final – 2023/0322 (CNS))

    (C/2024/4059)

    Berichterstatter:

    Petru Sorin DANDEA

    Befassung

    Rat der Europäischen Union, 14.11.2023 und 30.11.2023

    Rechtsgrundlage

    Artikel 115 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    Zuständiges Arbeitsorgan

    Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

    Annahme im Arbeitsorgan

    10.4.2024

    Verabschiedung im Plenum

    24.4.2024

    Plenartagung Nr.

    587

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    179/0/4

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt das kontinuierliche Engagement der Kommission für die Entwicklung eines gemeinsamen Rahmens für die Unternehmensbesteuerung (BEFIT) mit dem Ziel, die Konsolidierung des Binnenmarkts zu unterstützen.

    1.2.

    Der EWSA stellt fest, dass über die Vorschläge der Kommission zur gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) von 2011 und zur gemeinsamen Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKB) von 2016, die beide auf die Entwicklung einer gemeinsamen unionsweiten Steuerbemessungsgrundlage abzielen, kein politischer Konsens im Rat erzielt werden konnte. Dies wurde bei der Vorlage des BEFIT-Legislativvorschlags sowohl unter politischen als auch technischen Aspekten berücksichtigt.

    1.3.

    Der EWSA unterstützt die Entscheidung der Kommission, BEFIT in Form einer EU-Richtlinie vorzuschlagen, da die derzeitige Vielfalt an unterschiedlichen nationalen Vorschriften zu Fragmentierung und Diskrepanzen führt und grenzüberschreitende Tätigkeiten im Binnenmarkt aufgrund der hohen Kosten, die den Unternehmen bei der Befolgung der Vorschriften mehrerer Rechtsrahmen entstehen, behindert.

    1.4.

    Der EWSA stellt fest, dass die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 48 Absatz 2 des BEFIT-Vorschlags berechtigt sind, den ihnen zugerechneten Anteilen Erhöhungen der Steuerbemessungsgrundlage, Steuerabzüge oder Steueranreize hinzuzufügen. Er erkennt zwar an, wie wichtig es ist, den Mitgliedstaaten Spielraum einzuräumen. Eine solche Flexibilität könnte jedoch dem Ziel der Kommission zuwiderlaufen, die Befolgungskosten für die Unternehmen zu verringern.

    1.5.

    Der EWSA teilt die Auffassung der Kommission, dass die Einigung über Säule 2 zur Schaffung eines gemeinsamen EU-Rechtsrahmens für die Unternehmensbesteuerung beitragen könnte. Nach Ansicht des EWSA sollte im Sinne der Vereinfachung und der Kostensenkung BEFIT so weit wie möglich an die Vorschriften der zweiten Säule der OECD angeglichen werden.

    1.6.

    Der EWSA stellt fest, dass es keine besonderen Vorschriften oder Anreize für Innovationstätigkeiten oder bestimmte Wirtschaftszweige gibt, obwohl die Berichtigungen der Finanzausweise unter BEFIT begrenzter sind als bei Säule 2. So ist bspw. unklar, ob die von einigen Mitgliedstaaten angebotenen Innovationssysteme und Patentboxen beibehalten werden.

    1.7.

    Nach Auffassung des EWSA erfordert die Möglichkeit eines grenzüberschreitenden Verlustausgleichs in einer BEFIT-Gruppe Klarstellungen sowohl in Bezug auf zeitliche Beschränkungen für Verlustvorträge/Verlustrückträge als auch in Bezug auf die Koexistenz mit Säule 2. BEFIT bietet die Möglichkeit, durch Aggregation Verluste in einem Mitgliedstaat mit Gewinnen in einem anderen Mitgliedstaat grenzüberschreitend zu verrechnen. Dies könnte jedoch im Widerspruch zu einer Ergänzungssteuer im Rahmen von Säule 2 (um einen effektiven Mindeststeuersatz von 15 % sicherzustellen) stehen.

    1.8.

    Der EWSA empfiehlt, dass jede Datenverarbeitung im Zusammenhang mit dem BEFIT-Rahmen im Einklang mit dem in der DSGVO (1) verankerten Grundsatz der „Datenminimierung“ erfolgt. Dabei wird die Erhebung personenbezogener Daten auf das für die spezifischen Zwecke des BEFIT-Vorschlags unmittelbar relevante und erforderliche Maß beschränkt, und die Daten sind nur für den dafür erforderlichen Mindestzeitraum zu speichern.

    1.9.

    Der EWSA teilt die Auffassung der Kommission, dass mehrere Konzepte und Fragen im Zusammenhang mit den Rechtsvorschriften über die Verrechnungspreisgestaltung geklärt werden müssen, um den Rechtsrahmen sicherer und berechenbarer zu machen. Dadurch könnten die Befolgungskosten für KMU im laufenden Geschäftsbetrieb und möglicherweise auch die Verfahrens- und Gerichtskosten gesenkt werden.

    1.10.

    Es sei darauf hingewiesen, dass einige Ziele des Kommissionsvorschlags möglicherweise auch durch eine Überarbeitung der Richtlinie über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten hätten verfolgt werden können. Es bleibt abzuwarten, wie andere wichtige Drittländer auf das neue EU-Konzept für Verrechnungspreisvorschriften reagieren werden. Nach Auffassung des EWSA wäre es auch hilfreich, das Gemeinsame Verrechnungspreisforum wieder einzurichten, um zu erörtern, wie Streitigkeiten über Verrechnungspreise innerhalb der EU besser bewältigt werden können.

    1.11.

    Der EWSA betont, dass die Befolgungskosten und der Verwaltungsaufwand für Unternehmen, die am BEFIT-Vorschlag interessiert sind, sorgfältig bewertet werden müssen, damit sie die tatsächlichen Vorteile des neuen Rahmens für Unternehmen in ganz Europa verstehen können. Die von der Kommission geplanten Maßnahmen zur Überwachung der Wirksamkeit und Effizienz von BEFIT scheinen diesbezüglich zielführend zu sein (Umsetzung und erste BEFIT-Betriebskosten; Zahl der Unternehmensgruppen, die zwingend dem Anwendungsbereich des Vorschlags unterliegen, sowie die Zahl der freiwillig teilnehmenden Unternehmen; Entwicklung der Befolgungskosten; Zahl der Doppelbesteuerungsstreitigkeiten).

    1.12.

    Der EWSA stellt fest, dass der Kommission zufolge BEFIT „auch im Hinblick auf die Eigenmittel relevant [ist], so wie dies aus der Mitteilung ‚Die nächste Generation von Eigenmitteln für den EU-Haushalt‘ von 2021 hervorgeht“. Aufgrund des langwierigen und ungewissen Gesetzgebungsverfahren für BEFIT ist es jedoch schwierig, sowohl den für Eigenmittel verfügbaren Betrag als auch den Zeitpunkt abzusehen, zu dem diese zusätzlichen Mittel verfügbar sein werden.

    1.13.

    Um eine angemessene Koordinierung zwischen BEFIT und den spezifischen nationalen Steuervorschriften zu gewährleisten, die in einigen Mitgliedstaaten für sozialwirtschaftliche Einrichtungen wie Genossenschaften und Sozialunternehmen gelten, fordert der EWSA, die Existenz solcher speziellen Steuervorschriften im neuen Rahmen anzuerkennen.

    2.   Vorschlag der Kommission und Hintergrund

    2.1.

    Der Kommissionsvorschlag zur „Schaffung eines Rahmens für die Unternehmensbesteuerung in Europa (BEFIT)“ betrifft ein neues einheitliches Regelwerk zur Bestimmung der Steuerbemessungsgrundlage von Unternehmensgruppen. Er zielt darauf ab, die Befolgungskosten für grenzüberschreitend tätige Großunternehmen zu senken. Dadurch können die nationalen Behörden die zu entrichtenden Steuern einfacher feststellen.

    2.2.

    Der Kommissionsvorschlag ersetzt die beiden früheren Vorschläge über die gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKB) und die gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) von 2011 bzw. 2016, die aufgrund mangelnden politischen Konsenses zurückgezogen wurden. Der neue Rahmen basiert auf den bisherigen Erfahrungen mit der GKKB, dem internationalen Steuerabkommen der OECD/G20 über die globale Mindestbesteuerung und auf der Ende 2022 angenommen Richtlinie zur zweiten Säule.

    2.3.

    Was den Anwendungsbereich betrifft, so werden die neuen Vorschriften für in der EU tätige Gruppen mit einem jährlichen Gesamtumsatzerlös von mindestens 750 Mio. EUR verbindlich sein, wenn die oberste Muttergesellschaft mindestens 75 % der Eigentumsrechte oder der Ansprüche auf Gewinnbeteiligung hält. Ein Mitglied der BEFIT-Gruppe muss diese Schwellenwerte ohne Unterbrechung während des gesamten Geschäftsjahres einhalten. Für andere kleinere Gruppen, z. B. grenzüberschreitend tätige KMU-Gruppen, ist der Rechtsrahmen optional, sofern sie konsolidierte Jahresabschlüsse aufstellen.

    2.4.

    Insbesondere enthält der Kommissionsvorschlag gemeinsame Regeln zur Bestimmung der Steuerbemessungsgrundlage auf Unternehmensebene. Alle Unternehmen, die derselben Gruppe angehören, werden ihre Steuerbemessungsgrundlagen anhand gemeinsamer Regeln für steuerliche Anpassungen ihrer Jahresabschlüsse ermitteln.

    2.5.

    Die Aggregation der Steuerbemessungsgrundlage der Gruppe auf Ebene der EU ist für das Funktionieren des neuen Rahmens zentral. Die Steuerbemessungsgrundlagen aller Gruppenmitglieder werden zu einer einzigen Steuerbemessungsgrundlage aggregiert. Dies ermöglicht den grenzübergreifenden Verlustausgleich, da Verluste automatisch mit Gewinnen grenzüberschreitend verrechnet werden. Eine solche Entlastung ist derzeit kaum möglich, was zu Überbesteuerung der Konzerngewinne führen und Unternehmen von grenzüberschreitenden Aktivitäten im Binnenmarkt abhalten könnte.

    2.6.

    Die aggregierte Steuerbemessungsgrundlage wird dann nach der für den Übergangszeitraum geltenden Zurechnungsregel zugerechnet. Dabei wird auf den prozentualen Anteil des jeweiligen Mitglieds der BEFIT-Gruppe an der aggregierten Steuerbemessungsgrundlage abgestellt, der aus dem Durchschnitt der steuerlichen Ergebnisse der vorangegangenen drei Geschäftsjahre errechnet wird. Die Zurechnungsregel für den Übergangszeitraum erleichtert die Festlegung einer dauerhaften Zuteilungsmethode, die auf einer Formelaufteilung nach Maßgabe wesentlicher Faktoren beruhen kann.

    2.7.

    Im Einzelnen enthält Kapitel II Regeln für die Ermittlung des vorläufigen steuerlichen Ergebnisses jedes Mitglieds der BEFIT-Gruppe unter Anwendung der Vorschriften von Abschnitt 2 über „Anpassungen der bilanziellen Nettoerträge oder -verluste“, Abschnitt 3 über „Abschreibung“ und Abschnitt 4 über den „maßgeblichen Zeitpunkt und die Bestimmung von Beträgen“.

    2.8.

    Aus organisatorischer Sicht kann dank der hybriden zentralen Anlaufstelle gemäß den Bestimmungen von Kapitel V ein Gruppenmitglied bei der Steuerverwaltung eines Mitgliedstaats die Steuererklärungen der Gruppe einreichen. Mit anderen Worten: die „erklärungspflichtige Einheit“, bei der es sich grundsätzlich um die oberste Muttergesellschaft handelt, gibt die Erklärung („gemeinsame BEFIT-Erklärung“) für die gesamte BEFIT-Gruppe bei der für sie zuständigen Steuerverwaltung („Behörde der Erklärungsabgabe“) ab. Die Behörde der Erklärungsabgabe übermittelt dann alle relevanten Informationen an die anderen Mitgliedstaaten, in denen die Gruppe tätig ist.

    2.9.

    Steuerprüfungen und Streitbeilegungsverfahren erfolgen weiterhin auf nationaler Ebene. Unter bestimmten Umständen müssen Prüfungen im Rahmen des bestehenden Rechtsrahmens gemeinsam durchgeführt werden. Für jede BEFIT-Gruppe gibt es außerdem ein „BEFIT-Team“, in dem Vertreter jeder zuständigen Steuerverwaltung aus den Mitgliedstaaten, in denen die Gruppe tätig ist, zum Informationsaustausch und zur Koordinierung zusammenkommen.

    2.10.

    Laut Kommissionsvorschlag [sollten die Mitgliedstaaten], „um sicherzustellen, dass die Vorschriften des gemeinsamen Rahmens korrekt um- und durchgesetzt werden, [...] Vorschriften für Sanktionen festlegen, die bei Verstößen gegen die gemäß dieser Richtlinie erlassenen nationalen Vorschriften zu verhängen wären. Solche Sanktionen sollten wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.“

    2.11.

    Der Kommissionsvorschlag enthält auch gezielte Vorschriften zur Harmonisierung der Verrechnungspreisvorschriften innerhalb der EU. Damit soll ein gemeinsamer Ansatz für die Lösung der häufigsten Schwachstellen in diesem Bereich sichergestellt werden.

    2.12.

    Mit den neuen Verrechnungspreisvorschriften soll ein gemeinsamer EU-Rahmen für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes geschaffen werden. Dieses Ziel soll erreicht werden durch: 1) Aufnahme des Fremdvergleichsgrundsatzes in das Unionsrecht; 2) Harmonisierung der wichtigsten Verrechnungspreisvorschriften; 3) Klarstellung der Rolle und des Status der OECD-Verrechnungspreisleitlinien und 4) Schaffung der Möglichkeit, innerhalb der Union gemeinsame verbindliche Vorschriften über bestimmte Verrechnungspreisthemen zu erlassen, die sich im Rahmen der OECD-Verrechnungspreisleitlinien halten.

    2.13.

    Der Vorschlag für eine Verrechnungspreisrichtlinie greift die wichtigsten Elemente der Analyse im Rahmen der OECD-Verrechnungspreisleitlinien (Abgrenzung tatsächlicher Geschäftsvorfälle, Vergleichbarkeitsanalyse, anerkannte OECD-Verrechnungspreismethoden) auf und klärt, wie die Mechanismen zur Vornahme von Berichtigungen in der EU angewandt werden sollten, um Doppelbesteuerung zu vermeiden.

    3.   Allgemeine und besondere Bemerkungen

    3.1.

    Der EWSA begrüßt die kontinuierlichen Bemühungen der Kommission, einen gemeinsamen Rahmen für die Unternehmensbesteuerung zu entwickeln, um den Binnenmarkt zu fördern. Dieser Gedanke zieht sich durch die gesamte Geschichte der Union und ist bereits in Strategiepapieren der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft aus den 1960er Jahren zu finden. Dieses ehrgeizige Ziel wird mit dem BEFIT-Vorschlag erneut aufgegriffen.

    3.2.

    Der EWSA stellt fest, dass für die jüngsten Versuche der Kommission, eine unionsweite gemeinsame Steuerbemessungsgrundlage zu entwickeln (mit den Vorschlägen für die GKKB und GKB von 2011 bzw. 2016), im Rat kein politischer Konsens erzielt wurde. Die bisherigen politischen und technischen Erfahrungen flossen in den nun vorgelegten Legislativvorschlag ein. Der daraus resultierende Text trägt auch den jüngsten steuerlichen Entwicklungen in Bezug auf die Globalisierung und Digitalisierung Rechnung.

    3.3.

    Der EWSA begrüßt, dass die Kommission vor der Veröffentlichung des endgültigen BEFIT-Textes eine öffentliche Konsultation durchgeführt hat. Insgesamt gingen 123 Beiträge von Unternehmensverbänden, Steuerberatern und Rechtsanwälten ein. Außerdem gab es Stellungnahmen von Bürgerinnen und Bürgern, größeren und kleineren Unternehmen sowie von Hochschulen und Forschungseinrichtungen, Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften.

    3.4.

    Der EWSA teilt die Auffassung der Kommission, dass der BEFIT-Vorschlag mit anderen jüngsten Gesetzgebungsinitiativen im Bereich der Besteuerung, z. B. dem DAC-Rahmen, im Einklang steht. Das von der Kommission angestrebte BEFIT-Verwaltungssystem könnte durchaus von der bestehenden und ständig zunehmenden Zusammenarbeit zwischen den nationalen Steuerbehörden profitieren.

    3.5.

    Der EWSA unterstützt die Entscheidung der Kommission, eine EU-Richtlinie für BEFIT vorzuschlagen, da die derzeitige Vielfalt der unterschiedlichen nationalen Vorschriften zu Fragmentierung und Diskrepanzen führt und grenzüberschreitende Tätigkeiten aufgrund der hohen Kosten, die den Unternehmen bei der Einhaltung der Vorschriften unterschiedlicher Rechtsrahmen entstehen, behindert. Die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten können auch zu Inkongruenzen und letztlich entweder zu fehlender Besteuerung oder zu Mehrfachbesteuerung desselben Gewinns führen. Eine Gesetzgebungsinitiative der Union ist daher besser geeignet und wirksamer als eine Vielzahl nationaler Maßnahmen (Subsidiaritätsprinzip).

    3.6.

    Der EWSA teilt die Auffassung der Kommission, dass die von den Mitgliedstaaten gebilligte Einigung (2) über die Säule 2 des Inklusiven Rahmens der OECD/G20 der Schaffung eines gemeinsamen Rechtsrahmens für die Unternehmensbesteuerung im Binnenmarkt förderlich sein könnte. Nach Ansicht des EWSA sollte BEFIT im Sinne der Vereinfachung und der Kostensenkung so weit wie möglich an die Vorschriften der zweiten Säule der OECD angeglichen werden. Nach Maßgabe des BEFIT müssen Steuerpflichtige jedoch die Abschlüsse nach einem mit dem EU-Recht (3) im Einklang stehenden Rechnungslegungsstandard erstellen, wie z. B. auf nationaler Ebene allgemein anerkannte Rechnungslegungsgrundsätze (GAAP) oder Internationale Rechnungslegungsstandards (IFRS).

    3.7.

    Der EWSA stellt fest, dass mit BEFIT drei Regelwerke parallel bestehen werden: der nationale Rahmen für die Festlegung der Einnahmen, das System der zweiten Säule und das BEFIT-System. Ein solch heterogener Gesamtrahmen könnte sich für kleine Mitgliedstaaten mit sehr begrenzter Verwaltungskapazität als Belastung erweisen, insbesondere wenn sich der Hauptsitz einer großen Gruppe in einem kleinen Mitgliedstaat befindet.

    3.8.

    Der EWSA stellt fest, dass es keine besonderen Vorschriften oder Anreize für Innovationstätigkeiten oder bestimmte Wirtschaftszweige gibt, obwohl die Berichtigungen der Finanzausweise unter BEFIT begrenzter sind als bei der zweiten Säule. So bleibt beispielsweise unklar, ob die von einigen Mitgliedstaaten angebotenen Innovationssysteme und Patentboxen beibehalten werden, was den Wettbewerbsvorteil der EU verringern könnte.

    3.9.

    Der EWSA stellt fest, dass die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 48 Absatz 2 des BEFIT-Vorschlags (4) berechtigt sind, den ihnen zugerechneten Anteilen Erhöhungen der Steuerbemessungsgrundlage, Steuerabzüge oder Steueranreize hinzuzufügen. Dies kann zu unterschiedlicher Besteuerung von Unternehmensgewinnen in den einzelnen Mitgliedstaaten führen. Der EWSA erkennt zwar die Bedeutung eines gewissen Handlungsspielraums für die Mitgliedstaaten an. Eine derart ausgedehnte Flexibilität könnte jedoch das mit dem BEFIT-Vorschlag verfolgte Ziel der Vereinfachung untergraben.

    3.10.

    Nach Auffassung des EWSA erfordert die Möglichkeit des grenzüberschreitenden Verlustausgleichs in einer BEFIT-Gruppe Klarstellungen sowohl in Bezug auf zeitliche Beschränkungen für Verlustvorträge und -rückträge als auch in Bezug auf die Koexistenz mit Säule 2. BEFIT bietet die Möglichkeit, durch Aggregation Verluste in einem Mitgliedstaat mit Gewinnen in einem anderen Mitgliedstaat grenzüberschreitend zu verrechnen. Dies könnte jedoch im Widerspruch zu einer Ergänzungssteuer im Rahmen von Säule 2 (um einen effektiven Mindeststeuersatz von 15 % sicherzustellen) stehen.

    3.11.

    Der EWSA stellt fest, dass personenbezogene Daten, wie z. B. Angaben zur Beteiligung an einer BEFIT-Gruppe, von den Steuerverwaltungen nur für die Zwecke der Anwendung von Kapitel IV des Vorschlags und für die Zwecke der Prüfung und Konsensfindung bezüglich des Inhalts der gemeinsamen BEFIT-Erklärungen sowie für die Bearbeitung und Prüfung individueller Steuererklärungen gemäß Kapitel V verarbeitet werden dürfen. Der EWSA empfiehlt, dass jede Datenverarbeitung im Zusammenhang mit dem BEFIT-Rahmen nach dem Grundsatz der „Datenminimierung“ gemäß DSGVO erfolgt. Dabei ist die Erhebung personenbezogener Daten auf das für die spezifischen Zwecke des BEFIT-Vorschlags unmittelbar relevante und erforderliche Maß zu beschränken, und die Daten sind nur für den dafür erforderlichen Mindestzeitraum aufzubewahren.

    3.12.

    Der EWSA teilt die Auffassung der Kommission, dass mehrere Konzepte und Fragen im Zusammenhang mit den Rechtsvorschriften über die Verrechnungspreisgestaltung geklärt werden müssen, um den Rechtsrahmen sicherer und berechenbarer zu machen. Dadurch könnten die Befolgungskosten für KMU im laufenden Geschäftsbetrieb und möglicherweise auch die Verfahrens- und Gerichtskosten, die zahlreichen Unternehmen jährlich entstehen, gesenkt werden. Es sei darauf hingewiesen, dass einige Ziele des Kommissionsvorschlags möglicherweise auch durch eine Überarbeitung der Richtlinie über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten hätten verfolgt werden können. Es bleibt abzuwarten, wie sich andere wichtige Drittländer gegenüber dem neuen EU-Konzept für Verrechnungspreisvorschriften verhalten werden.

    3.13.

    Nach Auffassung des EWSA wäre es jedenfalls hilfreich, das Gemeinsame Verrechnungspreisforum wieder einzurichten, um eine offene Debatte über die Notwendigkeit einer besseren Bewältigung von Streitigkeiten über Verrechnungspreise innerhalb der EU zu fördern.

    3.14.

    Der EWSA teilt die Auffassung der Kommission, dass die Umsetzung der Richtlinie fünf Jahre nach ihrem Inkrafttreten bewertet werden sollte. Dadurch könnte den Mitgliedstaaten die Zeit und die notwendige Unterstützung gegeben werden, um den neuen Rahmen ordnungsgemäß umzusetzen und ihn ggf. zu ändern. Diesbezüglich ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Mitgliedstaaten zusammenarbeiten und Informationen über die künftige Funktionsweise des Systems austauschen.

    3.15.

    Die von der Kommission geplante Überwachung der Wirksamkeit und Effizienz von BEFIT erscheint ebenfalls sinnvoll. Sie betrifft die Umsetzung und die anfänglichen BEFIT-Betriebskosten, die Zahl der Unternehmensgruppen, die zwingend in den Anwendungsbereich des Vorschlags fallen, sowie die Zahl der freiwillig teilnehmenden Unternehmen, die Entwicklung der Befolgungskosten und die Zahl der Doppelbesteuerungsstreitigkeiten.

    3.16.

    Der EWSA betont, dass die Befolgungskosten und der Verwaltungsaufwand für alle beteiligten Unternehmen sorgfältig bewertet werden müssen, um die tatsächlichen Vorteile des neuen Rahmens für Unternehmen in ganz Europa zu verstehen.

    3.17.

    Der EWSA stellt fest, dass der Kommission zufolge BEFIT „auch im Hinblick auf die Eigenmittel relevant [ist], so wie dies aus der Mitteilung ‚Die nächste Generation von Eigenmitteln für den EU-Haushalt‘ von 2021 hervorgeht“. Aufgrund des langwierigen und ungewissen Gesetzgebungsverfahrens für BEFIT ist es jedoch schwierig, sowohl den für die Eigenmittel verfügbaren Betrag als auch den Zeitpunkt abzusehen, zu dem diese zusätzlichen Mittel verfügbar sein werden.

    3.18.

    Um eine angemessene Koordinierung zwischen BEFIT und den spezifischen nationalen Steuervorschriften zu gewährleisten, die in einigen Mitgliedstaaten für sozialwirtschaftliche Einrichtungen wie Genossenschaften und Sozialunternehmen gelten, fordert der EWSA, die Existenz solcher speziellen Steuervorschriften im neuen Rahmen anzuerkennen. Ein Beispiel hierfür ist die Abzugsfähigkeit von Gewinnen, die von Genossenschaften und genossenschaftlichen Gruppen als Rücklagen hinterlegt werden und die als solche weder während der aktiven Zeit der Genossenschaft noch nach ihrer Auflösung an die Mitglieder ausgeschüttet werden können. Ein weiteres Beispiel ist die Abzugsfähigkeit von Gewinnen oder Dividenden, die Genossenschaften je nach gehaltenen Anteilen an ihre Mitglieder ausschütten. Ein solcher Ansatz stünde im Einklang mit der Kommissionsmitteilung vom 9. Dezember 2021 (EU-Aktionsplan für die Sozialwirtschaft) und der Empfehlung des Rates Nr. 1344 vom 27. November 2023 (Empfehlung des Rates zur Entwicklung der Rahmenbedingungen für die Sozialwirtschaft).

    Brüssel, den 24. April 2024

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Oliver RÖPKE


    (1)  Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).

    (2)  Die Mitgliedstaaten nahmen im Dezember 2021 einstimmig die „Richtlinie zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union (Richtlinie zur zweiten Säule)“ an.

    (3)  Die Kommission sollte den Auswirkungen von BEFIT auf Unternehmen, die ihre Steuerbemessungsgrundlage anhand von GAAP konsolidieren, die in einem Nicht-EU-Land gelten, besondere Aufmerksamkeit widmen.

    (4)  Artikel 48 Absatz 2 des Vorschlags lautet: „Zusätzlich zu den in Absatz 1 aufgeführten Anpassungen können die Mitgliedstaaten erlauben, dass der Anteil, der den in diesem Mitgliedstaat steuerlich ansässigen bzw. in Form einer Betriebsstätte gelegenen Mitgliedern der BEFIT-Gruppe zugerechnet wird, um zusätzliche Posten erhöht oder verringert wird.“


    ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2024/4059/oj

    ISSN 1977-088X (electronic edition)


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