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Document 52022XC1004(02)

    Bekanntmachung der Kommission Informelle Orientierungshilfen zu neuen oder ungelösten Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung der Artikel 101 und 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union in Einzelfällen (Beratungsschreiben) 2022/C 381/07

    C/2022/6925

    ABl. C 381 vom 4.10.2022, p. 9–13 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    4.10.2022   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 381/9


    Bekanntmachung der Kommission Informelle Orientierungshilfen zu neuen oder ungelösten Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung der Artikel 101 und 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union in Einzelfällen (Beratungsschreiben)

    (2022/C 381/07)

    I.   VERORDNUNG (EG) Nr. 1/2003

    1.

    Mit der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (1) wurden Regeln zur Durchsetzung der Artikel 101 und 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union eingeführt. Die Verordnung soll es der Kommission ermöglichen, das Hauptaugenmerk auf die wirksame Durchsetzung der Wettbewerbsregeln zu lenken. Gleichzeitig schafft sie jedoch auch Rechtssicherheit, da Vereinbarungen (2), die zwar unter Artikel 101 Absatz 1 AEUV fallen, aber die Voraussetzungen des Artikels 101 Absatz 3 AEUV erfüllen, rechtsgültig und vollstreckbar sind, ohne dass dies der Entscheidung einer Wettbewerbsbehörde bedarf (Artikel 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003).

    2.

    Zwar sind nach der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 neben der Kommission auch die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten und die einzelstaatlichen Gerichte befugt, Artikel 101 und 102 AEUV in vollem Umfang anzuwenden. Die Verordnung enthält jedoch eine Reihe von Maßnahmen, die das Risiko ihrer uneinheitlichen Anwendung begrenzen und dadurch den Unternehmen den in der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (3) als vorrangig angesehenen Aspekt der Rechtssicherheit gewährleisten.

    3.

    Unternehmen sind in der Regel gut in der Lage, die Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens zu prüfen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob und in welcher Form sie eine Vereinbarung oder ein einseitiges Verhalten umsetzen wollen. Sie haben eine genaue Kenntnis des Sachverhalts und können sich auf die Gruppenfreistellungsverordnungen, die Rechtsprechung, die Beschlusspraxis der Kommission sowie auf umfassende Erläuterungen der Kommission in ihren Leitlinien und Bekanntmachungen stützen, die den Unternehmen ihre Selbstprüfung weiter erleichtern sollen (4). Darüber hinaus hat die Kommission Leitlinien zur Anwendung des Artikels 101 Absatz 3 AEUV (5) ausgearbeitet. Dies erlaubt es den Unternehmen in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle, die Vereinbarkeit ihrer Vereinbarungen mit Artikel 101 AEUV zuverlässig zu prüfen.

    4.

    In Fällen, in denen dennoch ernsthafte Rechtsunsicherheit entsteht, weil sie neue oder ungelöste Fragen für die Anwendung der Artikel 101 oder 102 AEUV aufwerfen, können einzelne Unternehmen den Wunsch haben, die Kommission um informelle Beratung zu ersuchen (6). Ein solches Ersuchen schafft im Einklang mit den in Abschnitt II dieser Bekanntmachung dargelegten Grundsätzen allerdings keinen Rechtsanspruch auf eine solche Beratung, da diese Bekanntmachung keine Regeln wiedereinführen kann, die mit den Rahmenregeln der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 für die Selbstprüfung nicht in Einklang stehen würden. Wenn sie dies jedoch für angemessen hält, kann die Kommission solche informellen Orientierungshilfen zur Auslegung der Artikel 101 oder 102 vorbehaltlich ihrer Durchsetzungsprioritäten in einer schriftlichen Erklärung (Beratungsschreiben) bereitstellen. Diese Bekanntmachung enthält detaillierte Erläuterungen zu diesem Instrument.

    II.   ZUR EINSCHÄTZUNG DER FRAGE, OB EIN BERATUNGSSCHREIBEN ERGEHEN SOLL

    5.

    Aufgrund der ihr durch die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 übertragenen Befugnisse kann die Kommission Zuwiderhandlungen gegen die Artikel 101 und 102 AEUV wirksam untersuchen, verfolgen und mit Geldbußen belegen (7). Ein wesentliches Ziel der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 ist es, für eine wirksame Durchsetzung der EU-Wettbewerbsregeln zu sorgen, indem sie durch die Regelung, dass Unternehmen selber prüfen, ob ihr Vorgehen anmeldepflichtig ist, und die damit verbundene Abschaffung des früheren Anmeldesystems der Kommission ermöglicht, sich auf die Verfolgung der schwerwiegendsten Verstöße gegen die Artikel 101 und 102 AEUV zu konzentrieren (8).

    6.

    Zwar lässt die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 das Recht der Kommission unberührt, einzelnen Unternehmen informelle Beratung zu leisten (9), wie in dieser Bekanntmachung ausgeführt, jedoch darf dadurch das Hauptziel der Verordnung, die wirksame Durchsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV zu gewährleisten, nicht beeinträchtigt werden. Die Kommission darf daher einzelnen Unternehmen nur insoweit informelle Beratung leisten, wie dies mit ihren Prioritäten bei der Durchsetzung der Wettbewerbsregeln vereinbar ist.

    7.

    Wenn die Kommission um ein Beratungsschreiben ersucht wird, erwägt sie unter Beachtung der unter Randnummer 6 genannten Vorgaben, ob es angebracht ist, dem Ersuchen Folge zu leisten. Ein Beratungsschreiben kommt nur in Betracht, wenn eine erste Bewertung des Sachverhalts und der rechtlichen Umstände des Verhaltens oder geplanten Verhaltens nach Auffassung der Kommission triftige Gründe ergibt, die Anwendbarkeit der Artikel 101 oder 102 AEUV auf die fragliche Vereinbarung oder einseitige Verhaltensweise durch ein solches Schreiben zu klären. Dafür müssen folgende zwei Kriterien erfüllt sein:

    (a)

    neue oder ungelöste Fragen: Die materiellrechtliche Beurteilung einer Vereinbarung oder einseitigen Verhaltensweise auf der Grundlage des Artikels 101 und/oder 102 AEUV wirft in Bezug auf die Rechtsanwendung eine Frage auf, die weder durch den bestehenden EU-Rechtsrahmen einschließlich der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union noch durch ausreichende allgemein verfügbare Orientierungshilfen auf Unionsebene mittels der Beschlusspraxis oder früherer Beratungsschreiben hinreichend geklärt ist.

    (b)

    ein Interesse an der Bereitstellung von Orientierungshilfen: Die erste Prüfung der Vereinbarung oder einseitigen Verhaltensweise legt nahe, dass eine öffentliche Klärung der Anwendbarkeit der Artikel 101 oder 102 AEUV mittels eines Beratungsschreibens unter Berücksichtigung eines oder mehrerer der folgenden Aspekte einen Mehrwert im Hinblick auf die Rechtssicherheit erbringen würde:

    die tatsächliche oder potenzielle wirtschaftliche Bedeutung der von der Vereinbarung oder einseitigen Verhaltensweise betroffenen Waren oder Dienstleistungen, insbesondere unter Berücksichtigung der Verbraucherinteressen,

    die Bedeutung der Ziele der Vereinbarung oder einseitigen Verhaltensweise für die Verwirklichung der Prioritäten der Kommission oder das Unionsinteresse,

    der Umfang der von den beteiligten Unternehmen getätigten oder zu tätigenden Investitionen, die mit der Vereinbarung oder einseitigen Verhaltensweise in Zusammenhang stehen, und

    das Ausmaß, in dem die Vereinbarung oder Verhaltensweise tatsächlich oder wahrscheinlich einer verbreiteten Gepflogenheit in der Union entspricht (10).

    8.

    In den folgenden Fällen wird die Kommission ein Beratungsschreiben nicht in Betracht ziehen:

    Im Ersuchen werden Fragen aufgeworfen, die in dieser oder ähnlicher Art bereits in anhängigen Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union behandelt werden, oder

    die Vereinbarung oder einseitige Verhaltensweise, auf die sich das Ersuchen bezieht, ist bereits Gegenstand eines Verfahrens bei der Kommission oder bei einem Gericht oder einer Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats.

    9.

    Hypothetische Fragen wird die Kommission nicht behandeln. Ebenso wird sie keine Beratungsschreiben zu Vereinbarungen oder einseitigen Verhaltensweisen erstellen, die von den beteiligten Unternehmen nicht mehr durchgeführt werden. Unternehmen können die Kommission allerdings um ein Beratungsschreiben zu Fragen ersuchen, die sich im Hinblick auf eine vorgesehene Vereinbarung oder einseitige Verhaltensweise stellen, bevor sie diese durchführen. In diesem Fall muss die Planung ausreichend fortgeschritten sein, damit ein Beratungsschreiben in Betracht kommt.

    III.   HINWEISE ZUM ERSUCHEN UM EIN BERATUNGSSCHREIBEN

    10.

    Ein Ersuchen um informelle Beratung kann von einem oder mehreren Unternehmen eingereicht werden, die an einer Vereinbarung oder einer einseitigen Verhaltensweise, die unter Artikel 101 und/oder Artikel 102 AEUV fallen könnte, beteiligt sind oder sich daran beteiligen wollen, in Bezug auf Auslegungsfragen, die durch die Vereinbarung oder einseitige Verhaltensweise aufgeworfen werden.

    11.

    Ein Ersuchen ist an folgende Anschrift zu richten:

    Europäische Kommission

    Generaldirektion Wettbewerb Registratur Antitrust

    1049 Bruxelles/Brussel

    BELGIQUE/BELGIË

    oder per E-Mail an comp-greffe-antitrust@ec.europa.eu.

    12.

    In dem Ersuchen um ein Beratungsschreiben sollten die Antragsteller Folgendes angeben:

    Name und Anschrift aller beteiligten Unternehmen sowie eine einzelne Adresse zur Abwicklung der Kontakte mit der Kommission,

    die spezifischen Fragen, zu denen um eine informelle Beratung ersucht wird,

    vollständige und umfassende Angaben zu allen Aspekten, die für eine sachkundige Beurteilung der aufgeworfenen Fragen relevant sind, einschließlich einschlägiger Unterlagen, damit die Kommission ihr Beratungsschreiben auf diese Angaben stützen kann,

    eine auf Randnummer 7 Buchstabe a dieser Bekanntmachung gestützte vorläufige Selbstprüfung im Hinblick auf die Gründe, aus denen das Ersuchen neue oder ungelöste Fragen betrifft, die weder durch den bestehenden EU-Rechtsrahmen einschließlich der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union noch durch ausreichende allgemein verfügbare Orientierungshilfen auf Unionsebene mittels der Beschlusspraxis oder früherer Beratungsschreiben hinreichend geklärt sind,

    eine auf Randnummer 7 Buchstabe b dieser Bekanntmachung gestützte vorläufige Selbstprüfung im Hinblick auf die Gründe, aus denen eine öffentliche Klärung der Anwendbarkeit der Artikel 101 oder 102 AEUV durch ein Beratungsschreiben einen Mehrwert im Hinblick auf die Rechtssicherheit erbringen würde,

    eine im Rahmen der eigenen Möglichkeiten vorgenommene vorläufige Selbstprüfung im Hinblick auf die Anwendung der Artikel 101 oder 102 AEUV auf die neuen oder ungelösten Fragen, die sich aus der Vereinbarung oder einseitigen Verhaltensweise ergeben,

    alle weiteren Informationen, die eine Einschätzung des Ersuchens im Hinblick auf die Randnummern 8 bis 9 dieser Bekanntmachung ermöglichen, einschließlich einer nach bestem Wissen abgegebenen Erklärung, dass die betreffende Vereinbarung oder einseitige Verhaltensweise nicht Gegenstand eines Verfahrens vor einem Gericht oder einer Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats ist,

    gegebenenfalls einen Hinweis auf Angaben, die als Geschäftsgeheimnisse angesehen werden;

    sonstige Informationen oder Unterlagen, die für die Bewertung der Vereinbarung oder Verhaltensweise von Belang sind.

    13.

    Vor der förmlichen Beantragung eines Beratungsschreibens können die Unternehmen sich mit der Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission zwecks einer informellen und vertraulichen Erörterung des geplanten Antrags in Verbindung setzen.

    IV.   BEARBEITUNG DES ERSUCHENS

    14.

    Die Kommission wird das Ersuchen grundsätzlich auf der Grundlage der vorgelegten Informationen bewerten und keine Anträge bearbeiten, die die unter Randnummer 12 dieser Bekanntmachung genannten Voraussetzungen nicht erfüllen. Die Kommission kann jedoch zusätzliche Informationen aus öffentlichen Quellen, früherer Rechtsprechung, der Beschlusspraxis und Beratungsschreiben auf Unionsebene oder aus anderen Quellen verwenden und die Antragsteller oder in Ausnahmefällen andere ausgewählte Parteien auffordern, ergänzende Informationen vorzulegen, wobei die Vertraulichkeit der von den Antragstellern vorgelegten Angaben zu wahren ist.. Enthalten die Angaben personenbezogene Daten, so sind diese gemäß der Verordnung (EU) 1725/2018(1725) (11) zu verarbeiten.

    15.

    Die Kommission kann die ihr vorgelegten Informationen den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten übermitteln und von diesen Informationen entgegennehmen. Sie kann den Inhalt des Ersuchens mit den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten erörtern, bevor sie ein Beratungsschreiben versendet.

    16.

    Bezüglich der Randnummern 13 – 15 dieser Bekanntmachung gelten die Vorschriften über das Berufsgeheimnis nach Artikel 28 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 für die von den Antragstellern oder anderen ausgewählten Dritten übermittelten Informationen.

    17.

    Die Kommission wird die Antragsteller unter Berücksichtigung der konkreten Umstände binnen einer angemessenen Frist bestmöglichst über ihr geplantes Vorgehen im Hinblick auf das Ersuchen unterrichten. Wird kein Beratungsschreiben versandt, teilt die Kommission dies den betroffenen Unternehmen mit.

    18.

    Die Antragsteller können ihr Ersuchen jederzeit zurückziehen. In solchen Fällen wird kein Beratungsschreiben versandt. Die im Zusammenhang mit einem Beratungsersuchen vorgelegten Informationen bleiben in jedem Fall zur Verfügung der Kommission und können später zur Einleitung von Verfahren auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 verwendet werden.

    19.

    Ein Ersuchen um ein Beratungsschreiben lässt die Befugnis der Kommission unberührt, in Bezug auf einen im Ersuchen dargelegten Sachverhalt ein Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 einzuleiten.

    V.   BERATUNGSSCHREIBEN

    20.

    Ein Beratungsschreiben der Kommission enthält Folgendes:

    eine Zusammenfassung des dem Schreiben zugrunde liegenden Sachverhalts,

    die wichtigsten rechtlichen Erwägungen, die der Anwendung von Artikel 101 oder 102 AEUV auf die neuen oder ungelösten Fragen, die sich aus der Vereinbarung oder einseitigen Verhaltensweise ergeben, nach dem Verständnis der Kommission zugrunde liegen.

    21.

    Ein Beratungsschreiben kann sich auf einen Teil der im Ersuchen aufgeworfenen Fragen beschränken. Es kann auch zusätzliche Aspekte aufgreifen. Gegebenenfalls kann die Kommission darlegen, wie lange man sich auf dieses Schreiben berufen kann oder dass sein Inhalt das Bestehen oder Nichtbestehen bestimmter Sachverhalte voraussetzt.

    22.

    Beratungsschreiben werden auf der Webseite der Kommission unter Beachtung der berechtigten Interessen der Antragsteller an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse veröffentlicht. Die Kommission wird mit den Antragstellern vor der Veröffentlichung des Beratungsschreibens eine öffentliche Fassung vereinbaren.

    VI.   WIRKUNGEN EINES BERATUNGSSCHREIBENS

    23.

    Beratungsschreiben der Kommission dienen in erster Linie dazu, den Unternehmen zu helfen, selbst eine sachkundige Prüfung ihrer Vereinbarungen und einseitigen Verhaltensweisen vorzunehmen. Die Antragsteller sind weiterhin gehalten, eine eigene Prüfung der Anwendbarkeit der Artikel 101 oder 102 AEUV vorzunehmen. Beratungsschreiben geben die Haltung der Kommission zu den ihr vorgelegten Sachverhalten wieder und begründen keine Rechte oder Pflichten der Antragsteller oder Dritter.

    24.

    Ein Beratungsschreiben kann der Beurteilung derselben Frage durch den Gerichtshof der Europäischen Union nicht vorgreifen.

    25.

    Ein Beratungsschreiben hindert die Kommission nicht daran, Vereinbarungen oder Verhaltensweisen, die die materielle Grundlage eines Beratungsschreibens bildeten, später in einem Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 zu prüfen. Die Kommission wird in diesem Fall einem früheren Beratungsschreiben Rechnung tragen, aber auch etwaige Änderungen des zugrunde liegenden Sachverhalts, von ihr selbst erkannte oder in einer Beschwerde vorgebrachte neue Gesichtspunkte, neue Entwicklungen in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, allgemeine Änderungen ihrer Politik und Entwicklungen auf den betroffenen Märkten berücksichtigen. Vorbehaltlich Randnummer 26 dieser Bekanntmachung wird die Kommission grundsätzlich keine Geldbußen gegen Antragsteller für Handlungen verhängen, die diese in gutem Glauben gestützt auf das Beratungsschreiben der Kommission vorgenommen haben (12). Wenn das öffentliche Interesse es gebietet, kann die Kommission ihr Beratungsschreiben ändern oder zurücknehmen (13).

    26.

    Die in einem Beratungsschreiben enthaltenen Klarstellungen zur Anwendbarkeit der Artikel 101 oder 102 AEUV werden ausdrücklich davon abhängig gemacht, dass die Angaben der Antragsteller genau und richtig sind. Jede wesentliche Abweichung dieser Angaben vom tatsächlichen Sachverhalt führt dazu, dass das Beratungsschreiben unwirksam wird.

    27.

    Beratungsschreiben stellen keine Beschlüsse der Kommission dar. Die Wettbewerbsbehörden und Gerichte der Mitgliedstaaten, die zur Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV befugt sind, sind nicht an die Beratungsschreiben der Kommission gebunden. Den Wettbewerbsbehörden und Gerichten der Mitgliedstaaten steht es allerdings frei, Beratungsschreiben der Kommission zu berücksichtigen, soweit sie dies in einem bestimmten Fall für zweckmäßig erachten.

    (1)  Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. L 1 vom 4.1.2003, S. 1). Mit Wirkung vom 1. Dezember 2009 sind an die Stelle der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag die Artikel 101 und 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) getreten. Die Artikel 81 und 82 EG-Vertrag und die Artikel 101 und 102 AEUV sind im Wesentlichen identisch. Im Rahmen dieser Bekanntmachung sind Bezugnahmen auf die Artikel 101 und 102 AEUV als Bezugnahme auf die Artikel 81 und 82 EG-Vertrag zu verstehen, wo dies angebracht ist. Der AEUV hat auch bestimmte terminologische Änderungen wie zum Beispiel die Ersetzung von „Gemeinschaft“ durch „Union“ und von „Gemeinsamer Markt“ durch „Binnenmarkt“ mit sich gebracht. Ist die Bedeutung unverändert, so werden in dieser Bekanntmachung die Begriffe des AEUV verwendet.

    (2)  In dieser Bekanntmachung werden „Vereinbarungen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen“ zusammenfassend als „Vereinbarungen“ bezeichnet. Für das Verhalten marktbeherrschender Unternehmen wird der Ausdruck „(einseitige) Verhaltensweise“ verwendet. Der Ausdruck „Unternehmen“ schließt Unternehmensvereinigungen ein.

    (3)  Der Gerichtshof der Europäischen Union besteht aus dem Gerichtshof und dem Gericht.

    (4)  Die Kommission hat Gruppenfreistellungsverordnungen, Leitlinien und Bekanntmachungen erlassen. Darüber hinaus veröffentlicht die Kommission ihre Beschlüsse. Sämtliche Dokumente sind abrufbar unter: https://ec.europa.eu/competition-policy/index_en

    (5)  Bekanntmachung der Kommission — Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag (ABl. C 101 vom 27.4.2004, S. 97).

    (6)  Vgl. Erwägungsgrund 38 der Verordnung (EU) Nr. 1/2003.

    (7)  Vgl. insbesondere die Artikel 7 – 9, 12, 17 – 24 und 29 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003.

    (8)  Vgl. insbesondere Erwägungsgrund 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003.

    (9)  Vgl. Erwägungsgrund 38 der Verordnung (EU) Nr. 1/2003.

    (10)  Diese Bekanntmachung lässt die Möglichkeit der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten unberührt, ihrerseits Orientierungshilfen im Einklang mit ihrem Rechtsrahmen zu geben, insbesondere wenn eine Vereinbarung oder einseitige Verhaltensweise einer vornehmlich auf einen Mitgliedstaat begrenzten Gepflogenheit entspricht oder entsprechen könnte.

    (11)  Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39).

    (12)  Ein Antragsteller kann sich nicht darauf berufen, dass er sich in gutem Glauben auf ein Beratungsschreiben verlassen hat, wenn sich der Sachverhalt grundlegend geändert hat.

    (13)  Die Kommission ist nicht verpflichtet, Beratungsschreiben abzuändern oder zurückzunehmen, bevor sie wegen einer Vereinbarung oder eines einseitigen Verhaltens ein Verfahren nach der Verordnung 1/2003 einleitet und Geldbußen gegen den oder die Antragsteller verhängt.


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