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Document 52022IR0195

    Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Digitaler Zusammenhalt

    COR 2022/00195

    ABl. C 498 vom 30.12.2022, p. 39–44 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    30.12.2022   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 498/39


    Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Digitaler Zusammenhalt

    (2022/C 498/08)

    Berichterstatter:

    Gaetano ARMAO (IT/EVP), Vizepräsident und Mitglied der Regionalregierung der Region Sizilien

    POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

    DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN (AdR),

    Einführung

    1.

    möchte gleich zu Beginn bekräftigen, dass der wirtschaftliche, soziale und territoriale Zusammenhalt im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Artikel 174) als eines der wichtigsten Ziele angegeben ist, um konkret eine harmonische und ausgewogene Entwicklung in der gesamten Europäischen Union (EU) und ihren Regionen zu erreichen;

    2.

    betont, dass der Begriff „digitaler Zusammenhalt“ die Anerkennung der grundlegenden Rolle der Technologie in unserem Leben bedingt und die Aufnahme der Kohäsionsziele in die digitalen Rechte, Grundsätze und Strategien der Union erfordert, wofür Artikel 175 AEUV entsprechend überarbeitet werden müsste;

    3.

    verweist darauf, dass der Europäische Ausschuss der Regionen (AdR) im EU-Jahresbarometer zur Lage der Gemeinden und Regionen 2021 den digitalen Zusammenhalt als einen wichtigen Faktor für die Schaffung inklusiver Gesellschaften in der EU hervorgehoben und betont hat, dass der Begriff „digitaler Zusammenhalt“ eine wichtige zusätzliche Dimension zu den im EU-Vertrag verankerten Zielen des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts ist (1). Die Digitalisierung kann helfen, soziale und territoriale Ungleichheiten zu verringern, denn sie erreicht auch Menschen, die andernfalls von bestimmten Dienstleistungen ausgeschlossen wären oder nur begrenzt Zugang dazu hätten;

    4.

    weist darauf hin, dass der Begriff des digitalen Zusammenhalts (2) und die zu seiner konkreten Verwirklichung erforderlichen Maßnahmen, wie in einer neueren großen Zukunftsstudie (3) des Europäischen Ausschusses der Regionen dargelegt, bedeuten, dass jede Bürgerin und jeder Bürger in Europa einen guten Zugang zum Internet und zu digitalen Diensten hat und dass die Souveränität und Robustheit der digitalen Infrastruktur der EU gestärkt werden;

    5.

    betont, dass die EU darauf hinwirken sollte, dass der digitale Wandel allen Bürgerinnen und Bürgern der EU so zugänglich wie möglich ist, und dass sie besonderes Augenmerk darauf richten sollte, den weniger entwickelten Regionen sowie Regionen mit dauerhaften natürlichen oder demografischen Nachteilen, wie Inselgruppen, Gebieten in äußerster Randlage, Inseln sowie Grenz- und Bergregionen dabei zu helfen, ihre Digitalisierung rascher zu vollziehen, denn sie stehen vor besonderen Herausforderungen. Dabei sollte möglichst auf ihren Stärken aufgebaut werden, wofür auch die Peer-to-Peer-Zusammenarbeit wichtig ist;

    6.

    sieht in der Technologie zwar ein wichtiges Mittel, das uns bei der Anpassung an schwierige Situationen in allen Gesellschaftsbereichen hilft; verweist aber gleichzeitig darauf, dass die herausragende Rolle der Digitaltechnik bei der Reaktion auf COVID-19 und beim Aufbau von Krisenfestigkeit gegen COVID-19 Mängel bei der digitalen Infrastruktur und der digitalen Kompetenz aufgezeigt und die digitale Kluft in der EU eher noch vertieft hat;

    Anstehende Herausforderungen

    7.

    weist darauf hin, dass sich der Begriff „digitale Kluft“ auf „unterschiedliche Stufen des Zugangs zu und der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und insbesondere auf die Lücken beim Zugang zu internetgestützten digitalen Diensten und ihrer Nutzung“ bezieht (4); betont, dass schnelle Internetverbindungen für alle in der Europäischen Union von Städten bis hin zu ländlichen und abgelegenen Gebieten eine Leistung der Daseinsvorsorge sein und entsprechend behandelt werden müssen;

    8.

    unterstreicht, dass durch digitale Kommunikationsformen auch neue Herausforderungen für demokratische Prozesse entstehen. Für viele Menschen sind die sozialen Medien die wichtigste Nachrichtenquelle, deren Betreiber selten Faktenchecks durchführen. Die digitale Auseinandersetzung in sozialen Medien kann zu einer gesellschaftlichen Polarisierung und Fragmentierung führen. Die Möglichkeiten der Beeinflussung, insbesondere durch den Einsatz von Algorithmen, durch die das Userverhalten gesteuert wird, sind sehr groß;

    9.

    betont, dass eine Politik des digitalen Zusammenhalts die Gründe für die wachsende digitale Kluft in der Union und die Herausforderungen in Regionen angehen muss, die zwar versuchen, die digitale Kluft zu überbrücken, aber immer noch im Rückstand sind, auch wenn die größer werdende digitale Kluft offiziell nicht als Bedrohung für den Zusammenhalt der EU erachtet wird;

    10.

    hebt hervor, dass Inseln, Grenzregionen, Regionen mit geografischen Herausforderungen und Bergregionen (5) besondere geografische, wirtschaftliche, demografische und soziale Merkmale aufweisen, die spezielle Herausforderungen mit sich bringen. Dazu gehören ihre begrenzte Größe (Fläche, Bevölkerungsdichte, Wirtschaft), ein begrenzter lokaler Markt und Schwierigkeiten bei der Erzielung von Skaleneffekten, hohe Beförderungskosten, gering entwickelte Verflechtung zwischen Industrien, Defizite bei unternehmerischer Kompetenz, Infrastruktur und Unternehmensdienstleistungen (im Vergleich zu Festlandsunternehmen) sowie weniger umfangreiche Sozial- und Bildungsleistungen für die Bürger. Darüber hinaus sind Inselgruppen, denen aus ihrer Lage eine doppelte oder dreifache Benachteiligung erwächst, zusätzlich belastet, wie erst vor kurzem im Bericht des Europäischen Parlaments „Inseln und Kohäsionspolitik: aktuelle Situation und zukünftige Herausforderungen“ hervorgehoben wurde (6);

    11.

    sorgt sich, dass die bestehenden digitalen Lücken nicht kleiner werden, sondern im Bereich der folgenden Schlüsselkomponenten des digitalen Wandels in der EU vielmehr noch zunehmen (7):

    Es liegen keine Daten über den Umfang grundlegender digitaler Kompetenzen auf lokaler und regionaler Ebene vor. Stattdessen wird ein Ersatzindikator herangezogen, nämlich die individuelle Fähigkeit zur täglichen Nutzung des Internets. Während in einigen westlichen EU-Mitgliedstaaten die digitale Kluft zwischen Stadt und Land bei den digitalen Kompetenzen geringer wird (DE, SE, NL, BE), ist sie in allen anderen Mitgliedstaaten immer noch beträchtlich.

    Im Bereich Konnektivität und digitale Infrastruktur weisen ländliche Gebiete beim Zugang zu Netzen der nächsten Generation (NGA) und beim Anschluss von Haushalten an Netze mit hoher Kapazität immer noch einen Rückstand auf.

    Der digitale Umbau der Unternehmen lässt sich an der Zahl der als „Einhorn“ bezeichneten Start-ups in der EU (d. h. Start-ups mit einer Marktbewertung von über einer Milliarde US-Dollar) ablesen, und diese ballen sich überwiegend in Kontinentaleuropa und in Hauptstadtregionen.

    Von 2019 bis 2020 hat sich die Kluft bei der Digitalisierung öffentlicher Dienstleistungen zwischen Stadtbewohnern und Bewohnern städtischer Gebiete vergrößert;

    betont, dass der besondere Fall der Gebiete in äußerster Randlage, deren einzigartige und komplexe Realität, wie in Artikel 349 AEUV anerkannt, eine Anpassung der europäischen Politik an ihre Besonderheiten erfordert, nicht vergessen werden darf. Das betrifft nicht nur den Grundsatz des wirtschaftlichen und sozialen, sondern auch des digitalen Zusammenhalts;

    12.

    weist darauf hin, dass sich die Tragweite der Maßnahmen, die für die Überwindung der digitalen Kluft erforderlich sind, über mehrere Politikbereiche erstreckt, der digitale Zusammenhalt also ein bereichsübergreifendes Unterfangen ist; begrüßt daher, dass die Konferenz zur Zukunft Europas den digitalen Zusammenhalt als Ergänzung zum wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt anerkennt (8); ist der Ansicht, dass der digitale Zusammenhalt ein Bestandteil des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts ist und als Leistung der Daseinsvorsorge angesehen werden muss;

    13.

    hebt hervor, dass sich die digitale Kluft auf Dienste auswirkt, die auf lokaler Ebene in folgenden Bereichen erbracht werden:

    Gesundheitsversorgung: kein Zugang zu elektronischen Gesundheitsdiensten; geringeres Bewusstsein digitalisierungsferner Menschen für COVID-19 und entsprechend erhöhte Anfälligkeit auch gegenüber möglichen künftigen Pandemien;

    Bildung: ungleicher Zugang zu Bildungsressourcen; Stillstand im Bildungsprozess; Schüler und Studierende erhalten kaum technische Hilfe aus ihrem familiären Umfeld;

    Andere grundlegende Dienste: zunehmende finanzielle Ausgrenzung aufgrund des Trends hin zu einer bargeldlosen Gesellschaft; der Zugang digitalisierungsferner Menschen zu staatlichen Leistungen ist begrenzt, sofern diese ausschließlich digital zu beantragen sind. Sozioökonomische Bedingungen: größeres sozioökonomisches Gefälle zwischen denjenigen, die mit digitalen Mitteln Telearbeit machen konnten, und denjenigen, die nicht arbeiten konnten;

    Zunahme der sozialen Ausgrenzung: Die digitale Kluft kann die Teilnahme an gesellschaftlichen Initiativen erschweren, die online stattfinden, und die Menschen so daran hindern, ihre demokratischen Rechte auszuüben;

    14.

    vertritt die Auffassung, dass öffentliche Verwaltungen und andere Organisationen, die digitale Dienstleistungen erbringen, bei der Gestaltung digitaler Dienste der Zugänglichkeit für Menschen mit einer sensorischen Behinderung oder mit begrenzten digitalen Fähigkeiten Rechnung tragen sollten. Auch Nutzer mit beschränkten Zugangsmöglichkeiten müssen von diesen Diensten Gebrauch machen können;

    15.

    bedauert, dass die Aufnahme eines Grundsatzes über den digitalen Zusammenhalt, durch den dafür gesorgt wird, dass keine Region und keine Person in Bezug auf Konnektivität und Zugänglichkeit zurückgelassen wird, nicht formell Teil des Vorschlags der Kommission für eine „Europäische Erklärung zu den digitalen Rechten und Grundsätzen für die digitale Dekade“ war (9);

    16.

    begrüßt gezielte Maßnahmen wie die kürzlich erfolgte Änderung der allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung, die Änderung der Bestimmungen über die Gewährung staatlicher Beihilfen für feste Breitbandnetze und die laufende Überarbeitung der Breitbandleitlinien; mahnt jedoch mehr Klarheit in Bezug auf die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf digitale Infrastrukturen an und dringt auf deren zusätzliche Vereinfachung (10);

    17.

    weist darauf hin, dass durch den gezielten Einsatz digitaler Lösungen größere Mengen CO2 eingespart werden können. Eine große Herausforderung ist jedoch der steigende Energieverbrauch von Rechenzentren, Endgeräten und Übertragungsnetzen. Eine Digitalisierung ohne sozial-ökologische Rahmenbedingungen wäre fahrlässig. Die Digitalisierung selbst muss flankiert werden, um den Ressourcenverbrauch zu begrenzen und Rebound-Effekte zu vermeiden, bei denen Effizienzsteigerung zu erhöhtem Verbrauch führt;

    Verwirklichung des digitalen Zusammenhalts

    18.

    stellt fest, dass digitale Kompetenzen und digitale Infrastruktur der Schlüssel für die Weiterentwicklung aller anderen Aspekte des digitalen Kompasses sind, und empfiehlt daher der Europäischen Kommission, eine gezielte langfristige Strategie mit Ressourcen und Koordinierungsmechanismen aufzustellen und zu verfolgen, mit der große, auf der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten beruhende Projekte unterstützt werden, sodass alle Bürgerinnen und Bürger über zeitgemäße digitale Kompetenzen und Infrastrukturen verfügen;

    19.

    empfiehlt, angemessene digitale Kompetenzen in alle Maßnahmen im Rahmen des lebenslangen Lernens aufzunehmen, um alle europäischen Bürgerinnen und Bürger in die Lage zu versetzen, vom allgemeinen Recht auf Zugang zum Internet Gebrauch zu machen. Bildung darf dabei nicht nur im Sinne von Ausbildung verstanden werden, sondern soll die Bürgerinnen und Bürger zu einer aktiven Teilhabe und reflektierten Informationsgewinnung befähigen;

    20.

    betont in diesem Zusammenhang, dass der Verbesserung der digitalen Kompetenzen weniger digitalaffiner Bevölkerungsgruppen, wie etwa älteren Menschen, besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden und dafür gesorgt werden muss, dass sie zumindest über Grundkenntnisse verfügen. Zudem gilt es, junge Menschen in weniger entwickelten Regionen zu unterstützen, deren Bildungsleistung aufgrund der digitalen Kluft und des fehlenden Zugangs zu einer angemessenen Online-Bildung in mehreren Regionen besonders stark von der Krise betroffen war. Bei der Zuweisung des Bildungshaushalts zur Bewältigung des Bildungsnotstands sollte in der EU-Politik den regionalen Unterschieden, insbesondere den weniger entwickelten Regionen, mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden als in den letzten Jahren. Digitale Bildungsinhalte sollten auch Möglichkeiten für Kinder nationaler Minderheiten umfassen und so für Gleichheit unter Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft sorgen;

    21.

    betont, dass ein unverzichtbarer Teil der Digitalkompetenz für alle Bevölkerungsteile auch eine ausreichende Medienkompetenz zur Bewertung der Seriosität von Informationen, insbesondere in den Bereichen Gesundheit, Finanzen und Zeitgeschehen, ist. Dies gilt insbesondere aufgrund der Zunahme von Phänomenen wie Fake News und Hate Speech;

    22.

    schlägt vor, dass die Europäische Kommission in Fortführung der kürzlich vorgelegten Erklärung zu den digitalen Rechten und Grundsätzen einen umfassenden Rahmen, Rechtsakte und Instrumente zur Durchsetzung der europäischen digitalen Rechte und zur Förderung einer engeren Zusammenarbeit mit den europäischen Bürgern schafft, um dafür Sorge zu tragen, dass die digitalen Grundsätze Verbreitung finden und dem gesellschaftlichen Bedarf entsprechen. Ferner sollte eine Überarbeitung der im Jahr 2000 eingeführten Charta der Grundrechte der Europäischen Union unter Berücksichtigung der neu proklamierten digitalen Rechte ins Auge gefasst werden;

    23.

    begrüßt die Empfehlung der Konferenz zur Zukunft Europas, den gleichberechtigten Zugang zum Internet zu einem Grundrecht aller europäischen Bürgerinnen und Bürger zu machen. In diesem Zusammenhang ist es von zentraler Bedeutung, dass über eine souveräne und widerstandsfähige digitale Infrastruktur der EU ein zuverlässiger Zugang zum Internet und zu digitalen Diensten gegeben ist. Durch geeignete Maßnahmen ist dafür zu sorgen, dass der Wettbewerb fair und offen ist und dass Monopole und generell ein Missbrauch von Marktmacht, Anbieterbindung, Datenkonzentration und Abhängigkeit von Drittländern bei Infrastruktur und Dienstleistungen verhindert werden;

    24.

    schlägt im Einklang mit der Empfehlung, die das Gremium europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (11) in seinen speziellen Empfehlungen an die nationalen Regulierungsbehörden ausgesprochen hat, vor, die gemeinsame Nutzung von Infrastrukturen (zwischen Telekommunikationsbetreibern und anderen Diensteanbietern wie Stromanbieter, Eisenbahngesellschaften usw.) zu fördern, um die Kosten des Ausbaus von Breitbandnetzen und der Abdeckung abgelegener Gebiete zu senken;

    25.

    weist darauf hin, dass viele Regionen gute Erfahrungen mit öffentlich-privaten Partnerschaften sowohl beim Ausbau der digitalen Infrastruktur als auch bei der Verringerung der digitalen Kluft gemacht haben, und betont die Rolle regionaler digitaler Knotenpunkte für eine umfassendere Digitalisierung;

    26.

    betont nachdrücklich, dass die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten die Chancen der dezentralen Arbeit nutzen und für das Leben auf dem Lande, auf Inseln, in Berggebieten und in sehr dünn besiedelten Gebieten mit geringer Siedlungsdichte werben sollten, indem sie die Vorteile des Lebens in diesen Gebieten hervorheben. Das könnte zu einem ökologisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltigeren und erschwinglicheren Leben führen, wenn neben anderen grundlegenden Erfordernissen der digitale Zusammenhalt gewährleistet ist, d. h., wenn wichtige digitale Dienste allgemein verfügbar sind;

    27.

    plädiert für den Austausch bewährter Verfahren aus allen europäischen Regionen, die Beispiele für nachhaltige Möglichkeiten der dezentralen Arbeit sind, um dazu beizutragen, dass sich die dezentrale Arbeit in der Arbeitswelt fest etabliert und dabei ihr wirtschaftliches, soziales und ökologisches Potenzial bestmöglich genutzt wird;

    28.

    betont die Bedeutung der Mitwirkung lokaler und regionaler Schulen, Hochschulen, Forschungszentren und Ökosysteme an digitalen Innovationszentren bzw. deren Leitung, da diese häufig nicht durch die regionale Politik koordiniert werden und daher oftmals ein umfangreiches Know-how und viel Wissen nicht genutzt wird. In diesem Zusammenhang müssen Maßnahmen zur Vermeidung der Abwanderung hochqualifizierter Kräfte ergriffen werden. Dezentrale Arbeit kann unter fairen Bedingungen insbesondere in benachteiligten Gebieten Teil der Lösung sein;

    29.

    betont, dass KMU stärker bei der Digitalisierung unterstützt werden müssen. Sie haben einen Rückstand gegenüber größeren und besser ausgestatteten Unternehmen und müssen sich eine Reihe neuer Kompetenzen zulegen. Der Verwaltungsaufwand für den Zugang zu EU-Fördermitteln (nicht nur im Zusammenhang mit der Digitalisierung) für KMU und insbesondere Kleinstunternehmen muss erheblich verringert werden. Die Verwaltungsanforderungen müssen in einem angemessenen Verhältnis zur Betriebsgröße stehen und gleichzeitig eine faire Behandlung von KMU-Eigentümern beim Erhalt von EU-Förderung gewährleisten (12). Die Europäische Kommission sollte die derzeitigen Verfahren einem KMU-Test unterziehen und Vorschläge zur Verringerung des Verwaltungsaufwands, insbesondere für Kleinstunternehmen, vorlegen (z. B. Ausnahmen bei der Rechnungsprüfung);

    30.

    die Zuweisung von Mitteln aus der Aufbau- und Resilienzfazilität für digitale Initiativen und insbesondere für KMU sollte genau überwacht werden, und es sollte bewertet werden, ob die Höhe der den KMU zugewiesenen Mittel in einem angemessenen Verhältnis zum Beitrag der KMU zum nationalen (und regionalen) BIP steht;

    Elektronische Behördendienste, digitale Resilienz

    31.

    spricht sich dafür aus, dass die Europäische Kommission durch eine bessere Koordinierung mit den Mitgliedstaaten und den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften (LRG) und durch einen Austausch bewährter Verfahren eine gezieltere Sensibilisierungskampagne für die Bürger über die auf EU-, nationaler, regionaler und lokaler Ebene bestehenden Plattformen der elektronischen Bürgerbeteiligung fördert;

    32.

    schlägt vor, dass die Mitgliedstaaten spezielle Mittel für den Aufbau öffentlich-privater Partnerschaften, Sensibilisierungskampagnen und Schulungen bereitstellen, um Bürger und insbesondere die jüngeren Generationen, Unternehmen und den öffentlichen Sektor auf die Bekämpfung der Cyberkriminalität als Querschnittsthema des digitalen Wandels vorzubereiten. Das Finanzierungsprogramm für die Zeit nach der Krise sollte auch Investitionen in die digitale Bildung, die Breitbandanbindung, den Erwerb der erforderlichen Ausrüstung und die Schulung von Lehrkräften für eine solche Situation umfassen. Auch das Contentmanagement im Rahmen der digitalen Bildung sollte genau überdacht werden, wobei den Herausforderungen und Problemen Rechnung zu tragen ist, die sich aus der Nutzung digitaler Online-Inhalte ergeben könnten;

    33.

    schlägt vor, dass die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten länderübergreifende Regulierungs- und Interoperabilitätshemmnisse angehen, die einer vollständigen Verwirklichung des digitalen Binnenmarkts im Wege stehen und die Expansion von Unternehmen sowie die Anwendung von Technologien in größerem Maßstab in Europa behindern. Darüber hinaus sollten die LRG die Ausarbeitung eines gemeinsamen Modells z. B. durch die Breitbandplattform erleichtern;

    34.

    empfiehlt, dass die Interoperabilität regionaler und lokaler öffentlicher IT-Systeme mit den Systemen der nationalen Ebene den Ausgangspunkt für jede digitale Initiative bildet, insbesondere falls es bereits IKT-Normen der EU oder gemeinsame technische Spezifikationen der EU gibt. Interoperabilität sollte stets an Technologieneutralität von Lösungen und Diensten gekoppelt sein, auch um eine Anbieterbindung zu vermeiden; darüber hinaus sollte für jeden digitalen öffentlichen Dienst, der sich an KMU richtet, ein KMU-Test durchgeführt werden; Vertreter von LRG sollten einschlägigen Ausschüssen auf nationaler Ebene als Mitglied angehören und bei wichtigen, die Interoperabilität betreffenden Initiativen beraten;

    35.

    hält es für sehr wichtig, dass quelloffene Software und offene öffentliche Daten für alle hochwertigen Datensätze (wie in der Richtlinie (EU) 2019/1024 des Europäischen Parlaments und des Rates (13) über offene Daten und die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors genannt), zur Verfügung stehen, was ebenfalls als digitales Recht der EU-Bürgerinnen und -Bürger betrachtet werden sollte, um sie zur Wahrnehmung ihrer Rechte zu befähigen; die Bürgerwissenschaft sollte ebenfalls gefördert werden, und in diesem Zusammenhang sollten die wichtigsten betroffenen Gruppen auf EU-Ebene erfasst und entsprechend mobilisiert werden, einschließlich, aber nicht begrenzt auf die Erhebung „lokaler“ Daten für ein Monitoring des digitalen Zusammenhalts und Empfehlungen zu dessen Verwirklichung;

    36.

    bekräftigt im Einklang mit seiner jüngsten Stellungnahme zu dem Gesetz über künstliche Intelligenz, dass die Europäische Kommission die Folgenabschätzung zu den Auswirkungen von KI-Technologien auf die Bürger, insbesondere benachteiligte Gruppen, ausweiten sollte, indem sie die LRG und/oder ihre Vertreter obligatorisch in die Konsultation einbezieht und strengere Transparenz- und Informationsanforderungen für Hochrisiko-KI-Systeme festlegt (14);

    Monitoring und Messung der digitalen Kluft

    37.

    betont, dass die Europäische Kommission zusammen mit den Mitgliedstaaten, Eurostat, den nationalen statistischen Ämtern und der Gemeinsamen Forschungsstelle eine schrittweise, aber kontinuierliche Ausweitung der geografischen Aufschlüsselung der vorhandenen Daten fördern und den Informationsumfang auf Aspekte der digitalen Wirtschaft und der digitalen Gesellschaft erweitern sollte. Der Europäische Ausschuss der Regionen sollte als ein wesentlicher Akteur einbezogen werden, um die Anliegen der LRG im Bereich Daten und Information sowie geeignete Instrumente zur Messung der digitalen Reife einzubringen;

    38.

    schlägt vor, ein robustes und umfassendes System lokaler digitaler Indikatoren zur Messung der digitalen Reife zu entwickeln, das als Entscheidungsgrundlage und auch als Kriterien für die Bestimmung der Ressourcen für den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt im Sinne der derzeit geltenden Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen dienen kann;

    39.

    regt eine Zusammenarbeit der Europäischen Kommission mit dem Europäischen Ausschuss der Regionen an der Gestaltung eines digitalen Kompasses an, der der territorialen Dimension konkret Rechnung trägt. Dann wird es möglich sein, von der Bewertung der Fortschritte bei Digitalisierung und digitalem Wandel in Europa zur Weiterentwicklung des digitalen Zusammenhalts in allen Gebieten zu gelangen.

    Brüssel, den 12. Oktober 2022

    Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

    Vasco ALVES CORDEIRO


    (1)  EU-Jahresbarometer zur Lage der Gemeinden und Regionen, Kapitel IV — Der digitale Wandel auf lokaler und regionaler Ebene, S. 63.

    (2)  Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen: „Digitales Europa für alle: Intelligente und inklusive Lösungen vor Ort“ (ABl. C 39 vom 5.2.2020, S. 83).

    (3)  Susana Fontana, Fabio Bisogni (Fondazione FORMIT), Simona Cavallini, Rossella Soldi (Progress Consulting S.r.l.), Territoriale Zukunftsstudie über die Bewältigung der digitalen Kluft und die Förderung des digitalen Zusammenhalts, 16. Mai 2022 (Entwurf).

    (4)  OECD (2021), Bridging Connectivity Divides, OECD Digital Economy Papers, Nr. 315, OECD Publishing, Paris. Online abrufbar unter: https://doi.org/10.1787/e38f5db7-en.

    (5)  Insgesamt 17,7 Millionen Menschen leben auf 362 Inseln mit mehr als 50 Einwohnern in 15 europäischen Ländern; in diesen Regionen liegt das Pro-Kopf-BIP unter 80 % des EU-Durchschnitts und ein erheblicher Teil davon fällt nach wie vor in die Kategorie der unterentwickelten Regionen. (Quelle: https://www.regione.sicilia.it/la-regione-informa/estimation-insularity-cost-sicily).

    (6)  (A9-0144/2022-159), https://oeil.secure.europarl.europa.eu/oeil/popups/ficheprocedure.do?reference=2021/2079(INI)&l=de.

    (7)  Quelle: EU-Jahresbarometer zur Lage der Gemeinden und Regionen 2021, Kapitel IV — Der digitale Wandel auf lokaler und regionaler Ebene, A. Stand der Digitalisierung, S. 69.

    (8)  Konferenz zur Zukunft Europas, Bericht über das endgültige Ergebnis, 12 Vorschlag: Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU und weitere Vertiefung des Binnenmarkts, Maßnahme 14, Seite 56.

    (9)  Europäische Erklärung zu den digitalen Rechten und Grundsätzen für die digitale Dekade, 26. Januar 2022.

    (10)  Siehe den RegHub-Bericht 21st Century Rules for 21st Century Infrastructure — Overcoming obstacles to transport, digital, and green infrastructure deployment. Abrufbar unter https://cor.europa.eu/en/engage/Documents/RegHub/RegHub%20report%20on%2021%20century%20rules.pdf.

    (11)  Iclaves & Esade, Study on post-COVID measures to close the digital divide, Abschlussbericht, Oktober 2021.

    (12)  Die Erklärung der direkten Personalkosten für KMU-Eigentümer, die kein Gehalt beziehen, und andere natürliche Personen, die kein Gehalt beziehen, basiert auf Einheitskosten, die einem Gehalt für Forscher entsprechen (https://ec.europa.eu/info/funding-tenders/opportunities/docs/2021-2027/common/guidance/unit-cost-decision-sme-owners-natural-persons_en.pdf).

    (13)  Richtlinie (EU) 2019/1024 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über offene Daten und die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors (ABl. L 172 vom 26.6.2019, S. 56).

    (14)  Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen zum Thema „Europäisches Konzept für künstliche Intelligenz — Gesetz über künstliche Intelligenz“ (ABl. C 97 vom 28.2.2022, S. 60).


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