EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52022DC0085

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT Haushaltspolitische Leitlinien für 2023

COM/2022/85 final

Brüssel, den 2.3.2022

COM(2022) 85 final

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT

Haushaltspolitische Leitlinien für 2023


MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT

Haushaltspolitische Leitlinien für 2023

1.Einleitung

Die russische Invasion der Ukraine untergräbt die Sicherheit und Stabilität in Europa und weltweit. Die jüngsten Ereignisse sind ein Wendepunkt für Europa und stellen unsere Friedensordnung grundsätzlich in Frage. Die EU steht solidarisch an der Seite der Ukraine, politisch wie wirtschaftlich. In Reaktion auf die grundlosen und ungerechtfertigten Militäraktionen Russlands hat die EU ein Paket massiver und gezielter Sanktionen beschlossen, das maximale Auswirkungen auf die russische Wirtschaft und die politische Elite haben wird. Gleichzeitig steht die EU vor unmittelbaren Herausforderungen, insbesondere auch was den Zustrom von Geflüchteten, die Sicherheit und mögliche Gegenmaßnahmen von russischer Seite angeht. Diese Krise könnte sich negativ auf das Wachstum auswirken, unter anderem über die Auswirkungen auf die Finanzmärkte, weiteren Druck auf die Energiepreise, anhaltende Lieferengpässe und Vertrauenseffekte.

Die außergewöhnlichen Unsicherheitsfaktoren und Risiken verlangen eine starke wirtschafts- und haushaltspolitische Koordinierung, um die COVID-19-Krise zu überwinden. Eine mutige, abgestimmte Fiskalreaktion auf die Pandemie, die beispiellose Unterstützung aus neuen EU-Instrumenten und die akkommodierende Geldpolitik haben der EU-Wirtschaft durch die Krise geholfen und schaffen nun die Grundlage für die Erholung. Im dritten Quartal 2021 hatte das BIP der EU sein Vorkrisenniveau wieder erreicht; laut Winterprognose 2022 der Kommission sollte die gesamtwirtschaftliche Produktion bis Ende 2022 in allen Mitgliedstaaten höher liegen als vor der Pandemie. Im weiteren Verlauf sollte die Haushaltspolitik weiterhin eng koordiniert werden, um die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu gewährleisten, und im Zusammenspiel mit der allgemeinen Wirtschaftspolitik dazu beitragen, die Erholung zu stützen und die europäische Wirtschaft trotz der verschlechterten weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf einen kraftvolleren und nachhaltigen Wachstumspfad zu führen.

Die Fiskalpolitik muss sich bereit halten, auf die sich rasch wandelnden Umstände zu reagieren. Die politischen Rahmenbedingungen verändern sich. Die pandemiebedingten befristeten Sofortmaßnahmen dürften größtenteils 2022 auslaufen, da sich die öffentliche Gesundheitslage zunehmend normalisiert.( 1 ) Die kurzfristigen Inflationsaussichten weisen auf eine allmähliche Normalisierung der Geldpolitik hin. Allerdings dürfte sich die Invasion der Ukraine negativ auf den Ausblick auswirken, der nun unsicherer geworden und eher mit Abwärtsrisiken behaftet ist. Die sogenannte „allgemeine Ausweichklausel“ des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP)( 2 ) wird 2022 weiter gelten. Dies ermöglicht es der Finanzpolitik, sich an die Veränderung der Lage anzupassen und so den unmittelbaren Herausforderungen dieser Krise zu begegnen. Ausgehend von der Winterprognose 2022 der Kommission wird erwartet, dass die allgemeine Ausweichklausel ab 2023 außer Kraft gesetzt wird.( 3 ) Angesichts der erhöhten Unsicherheit wird dies auf Basis der Frühjahrsprognose 2022 der Kommission erneut bewertet werden. Und schließlich wurde im Oktober 2021 die Debatte über den Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung wieder angestoßen, um rechtzeitig bis 2023 einen breiten Konsens über das weitere Vorgehen zu erzielen.( 4

Diese Mitteilung gibt den Mitgliedstaaten Leitlinien für die Durchführung und Koordinierung der Haushaltspolitik an die Hand, die von der Veränderung des Wirtschaftsausblicks abhängig sind. Dabei wird der positiven Erfahrung mit den ähnlichen Leitlinien vom März 2021 Rechnung getragen, die in die fortlaufenden Beratungen im Rat, in der Euro-Gruppe und mit anderen EU- und internationalen Interessenträgern über die angemessene fiskalpolitische Reaktion und deren Anpassung eingeflossen sind. Die Grundsätze spiegeln die Winterprognose 2022 der Kommission wider und sollten bei den bevorstehenden Stabilitäts- und Konvergenzprogrammen der Mitgliedstaaten als Kompass dienen. Die Leitlinien werden bei Bedarf, spätestens jedoch im Frühjahrspaket der Kommission zum Europäischen Semester Ende Mai 2022 an die wirtschaftlichen Entwicklungen angepasst.

Der Rest dieser Mitteilung ist in vier Abschnitte gegliedert. In Abschnitt 2 werden die Wirtschaftsaussichten für 2022 und 2023 skizziert. Abschnitt 3 enthält fünf Grundsätze und erläutert, wie sich diese ausgehend von der Winterprognose 2022 der Kommission auf die haushaltspolitischen Empfehlungen auswirken, die im Mai 2022 mit Blick auf die Haushaltspläne der Mitgliedstaaten für das Jahr 2023 vorgeschlagen werden sollen. In Abschnitt 4 wird der Stand der Überprüfung der wirtschaftspolitischen Steuerung zusammengefasst. In Abschnitt 5 werden die nächsten Schritte beschrieben.

2.Wirtschaftslage und -ausblick

Bei Eintritt in das dritte Jahr der COVID-19-Pandemie hatte die EU-Wirtschaft die Lücke zum Produktionsniveau vor der Pandemie wieder geschlossen. Die EU-Wirtschaft erholte sich 2021 kräftig, und die Arbeitslosigkeit sank auf ein Rekordtief, aber das Tempo des Wachstums ließ gegen Jahresende nach. Die Ausbreitung der Omikron-Variante zog neuerliche Mobilitätseinschränkungen, erneuten Druck auf die Gesundheitssysteme und Personalausfälle wegen Krankheit, Quarantäne und Pflegeaufgaben nach sich. Längere Lieferausfälle, gekoppelt mit starker Nachfrage, trieben die Rohstoff- und Energiepreise in die Höhe. Diese widrigen Entwicklungen dämpften die Wachstumsdynamik in der EU und führten dazu, dass sich das reale BIP-Wachstum im letzten Quartal 2021 verlangsamte.

In der Winterprognose 2022 der Kommission wurde damit gerechnet, dass sich das robuste Wachstum der europäischen Wirtschaft fortsetzten würde, wenn auch in abgeschwächter Form Anfang 2022 und im Jahr 2023. Nach einer vorübergehenden Schwächephase sollte das Wirtschaftswachstum dann im zweiten Quartal 2022 wieder Fahrt aufnehmen und im Prognosezeitraum robust bleiben. Laut Prognose sollte das Wachstum weiterhin durch starke Fundamentalfaktoren gestützt werden. Ein sich verbessernder Arbeitsmarkt, eine hohe Ersparnis der privaten Haushalte, nach wie vor günstige Finanzierungsbedingungen und der Einsatz der Mittel aus der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) sollten allesamt eine dauerhafte und robuste Wachstumsphase bewirken. Für 2022 wurde in der Winterprognose mit einem realen BIP-Wachstum von 4,0 % in der EU gerechnet, das damit zwar 1,3 Prozentpunkte niedriger als 2021 ausfallen, aber immer noch deutlich über dem langfristigen Durchschnitt liegen sollte. Laut Winterprognose( 5 ) sollte sich 2023 die „Rückkehr zur Normalität“ fortsetzen und sich das Wachstum dann auf 2,8 % abschwächen.

Die Invasion der Ukraine und die daraus resultierenden geopolitischen Spannungen wurden in der Winterprognose noch nicht berücksichtigt. Sie wirken sich negativ auf die Wachstumsaussichten aus und führen dazu, dass die Abwärtsrisiken nun überwiegen. Beispielsweise könnte die Inflation aufgrund des Kostendrucks, der sich aus angebotsseitigen Engpässen ergibt, höher ausfallen als erwartet. Höhere Energiepreise, die in stärkerem Maße von den Erzeuger- an die Verbraucherpreise weitergegeben werden, könnten die gesamtwirtschaftliche Nachfrage belasten. Die globalen Lieferengpässe dürften weit bis ins Jahr 2022 hinein anhalten. Hinzu kommt, dass unerwartet starke Zweitrundeneffekte aus möglicherweise über der Produktivität liegenden Lohnerhöhungen die Inflation längere Zeit auf hohem Niveau halten könnten. Andererseits könnten die Investitionen, die aus der ARF und aus Mitteln des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) gefördert werden, auch einen stärkeren Konjunkturimpuls bewirken.

3.Zentrale Grundsätze und ihre Auswirkungen auf die haushaltspolitischen Leitlinien

In diesem Abschnitt wird dargelegt, von welchen zentralen Grundsätzen sich die Kommission leiten lassen wird, wenn sie die Stabilitäts- und Konvergenzprogramme der Mitgliedstaaten bewertet. Die Implikationen, die daraus für die im Mai 2022 anstehenden haushaltspolitischen Empfehlungen an die Mitgliedstaaten mit Blick auf deren Haushaltspläne für 2023 abgeleitet werden, beruhen auf der Winterprognose. Die Kommission wird die Lage genau beobachten und ihre politischen Leitlinien gegebenenfalls anpassen. 

Die haushaltspolitischen Empfehlungen für 2023 werden qualitativ formuliert und quantitativ untermauert. Angesichts der besonderen wirtschaftlichen Bedingungen und der daraus folgenden Schwierigkeiten bei der Schätzung der Produktionslücken und strukturellen Haushaltssalden wird die Kommission im Frühling, wie schon im vergangenen Jahr, länderspezifische haushaltspolitische Leitlinien vorschlagen, die auf dem Ansatz der haushaltspolitischen Empfehlung für 2022 aufbauen, das Wachstum der laufenden Ausgaben zu begrenzen und das Augenmerk auf die Qualität und Zusammensetzung der öffentlichen Finanzen zu richten. Dies wird der Kommission als Grundlage dienen, wenn sie die tatsächliche haushaltspolitische Entwicklung anhand der Empfehlungen überwacht. Die Haushaltspläne der Euro-Mitgliedstaaten für das Jahr 2023 werden im Herbst in den Stellungnahmen der Kommission zu den Übersichten über die Haushaltsplanung bewertet.

Grundsatz 1: Koordinierung der Politik und stimmiger Policy-Mix

Die haushaltspolitische Koordinierung bleibt von zentraler Bedeutung. Durch die koordinierte fiskalpolitische Antwort der Mitgliedstaaten auf den COVID-19-bedingten schweren Wirtschaftsabschwung, die durch die Auslösung der allgemeinen Ausweichklausel erleichtert und durch Maßnahmen auf EU-Ebene flankiert wurde, konnten die wirtschaftlichen Auswirkungen erfolgreich abgefedert werden. Nun braucht es weiterhin eine starke haushaltspolitische Koordinierung, um einen sanften Übergang zu einem neuen nachhaltigen Wachstumspfad und tragfähigen öffentlichen Finanzen sicherzustellen.

Der angemessene haushaltspolitische Kurs für das Euro-Währungsgebiet sollte aus der richtigen Balance zwischen Nachhaltigkeits- und Stabilisierungserwägungen resultieren. Es ist essenziell, dass eine solche Verschränkung auf Länderebene und unter Berücksichtigung der Euroraum-/EU-Dimension erreicht wird. Auch wenn die Wirtschaft noch von soliden Fundamentalfaktoren und der Unterstützung durch EU-Mittel, namentlich aus der ARF, profitiert, wird mit dem allmählichen Auslaufen der Maßnahmen, die während der Pandemie zur Stützung der Wirtschaft ergriffen wurden, 2023 doch ein bedeutender Rückenwind entfallen. Bei Zeitpunkt und Tempo der fiskalpolitischen Normalisierung sollten auch die Wechselwirkungen mit der Geld- und Finanzmarktpolitik und der von der ARF ausgehenden Fiskalimpuls( 6 ) berücksichtigt werden.

Ausgehend von der Winterprognose hält es die Kommission für angemessen, von einem insgesamt stützenden haushaltspolitischen Kurs in den Jahren 2020-2022 zu einem insgesamt weitgehend neutralen haushaltspolitischen Kurs im Jahr 2023 überzugehen, gleichzeitig aber die Bereitschaft zu erhalten, auf die sich weiterentwickelnde Wirtschaftslage zu reagieren.

Grundsatz 2: Schuldentragfähigkeit durch schrittweise und qualitativ hochwertige Haushaltsanpassung und Wirtschaftswachstum

Die öffentlichen Schuldenquoten sind hoch und durch die Pandemie gestiegen. Die notwendige fiskalpolitische Antwort auf die COVID-19-Pandemie und der Rückgang der Produktion haben zu einem erheblichen Anstieg der öffentlichen Schuldenquoten geführt, insbesondere in einigen hoch verschuldeten Mitgliedstaaten, auch wenn sich die Schuldendienstkosten nicht erhöht haben. Die öffentliche Schuldenquote der EU insgesamt erreichte 2021 mit rund 92 % des BIP den Höchststand und wird 2023 voraussichtlich nur leicht auf 89 % des BIP sinken. Zugleich bestehen zwischen den Mitgliedstaaten nach wie vor große Unterschiede. In sechs Mitgliedstaaten dürfte die öffentliche Schuldenquote 2023 weiterhin bei über 100 % des BIP liegen, während sie in rund der Hälfte der Mitgliedstaaten unter 60 % des BIP bleibt.

Bei unveränderter Politik würde sich die öffentliche Schuldenquote der EU in den nächsten zehn Jahren weitgehend stabilisieren, in mehreren hoch verschuldeten Mitgliedstaaten aber weiter steigen. Die Schuldendynamik wird durch mehrere Faktoren bestimmt. Einerseits werden die mit einer höheren Staatsverschuldung verbundenen Risiken durch andere Herausforderungen verschärft, darunter die projizierten Kosten der Bevölkerungsalterung und die Eventualverbindlichkeiten (in Form von Garantien), die während der COVID-19-Krise übernommen wurden. Anderseits war die allgemeine Schuldendynamik im Jahr 2021 besser als erwartet. Die niedrigen Finanzierungskosten und die günstigen Wachstumsaussichten, die teils den erwarteten Positiveffekten von Investitionen und Reformen auf das mittelfristige Potenzialwachstum zu verdanken sind, stellen entlastende Faktoren dar. Wie groß diese Effekte ausfallen, hängt von der weiterhin ungewissen Entwicklung der Zins-/Wachstumsdifferenziale ab.

Um die Schuldendynamik einzudämmen, braucht es eine über mehrere Jahre angelegte Haushaltsanpassung, die mit Investitionen und Reformen zur Stützung des Wachstumspotenzials kombiniert wird. Die Gewährleistung tragfähiger öffentlicher Finanzen durch einen schrittweisen Abbau hoher Staatsschulden ist von großer Bedeutung. Einige Mitgliedstaaten laufen Gefahr, mit höheren Ausgabenquoten und niedrigeren Einnahmenquoten (bezogen auf das BIP) aus der Krise hervorzugehen. Werden die Schulden in hoch verschuldeten Ländern auf mittlere Sicht nicht reduziert, würde dies die Wachstumsaussichten belasten und die Unterschiede zwischen den Ländern vertiefen. Da die öffentlichen Finanzen dann dem Risiko ungünstiger Finanzmarktentwicklungen ausgesetzt wären, könnte dies der allgemeinen Widerstandsfähigkeit der Volkswirtschaften schaden. Die Sensitivität der Schuldendynamik für die Entwicklung der Finanzierungsbedingungen spielt eine Rolle für den erforderlichen Umfang und das erforderliche Tempo der Anpassung. Erfolgreiche Strategien zum Schuldenabbau sollten auf Haushaltskonsolidierung, die Qualität und Zusammensetzung der öffentlichen Finanzen und die Förderung des Wachstums abstellen. Eine allzu abrupte Konsolidierung würde die laufende Erholung untergraben, was sich negativ auf das Potenzialwachstum, das Marktklima und die Finanzierungskosten niederschlagen würde und für die Schuldentragfähigkeit letztlich kontraproduktiv wäre.

Ausgehend von der Winterprognose hält es die Kommission für ratsam, ab 2023 mit einer schrittweisen Haushaltsanpassung zum Abbau hoher öffentlicher Schulden zu beginnen, wobei sich eine allzu abrupte Konsolidierung negativ auf das Wachstum und damit auch auf die Schuldentragfähigkeit auswirken könnte. 

Grundsatz 3: Förderung von Investitionen und nachhaltigem Wachstum

Die europäischen Volkswirtschaften auf einen höheren nachhaltigen Wachstumspfad zu führen und die Herausforderungen des ökologischen und digitalen Wandels anzugehen, sollte in allen Mitgliedstaaten ganz oben auf der Tagesordnung stehen. ( 7 ) Schätzungen der Europäischen Kommission und anderer Organisationen deuten darauf hin, dass hohe Investitionen getätigt werden müssen, damit die Klima- und Digitalziele der EU erreicht werden. So sind im Zeitraum 2021-2030 zusätzliche öffentliche und private Investitionen in Höhe von 520 Mrd. EUR jährlich vonnöten, um die Ziele des Grünen Deals zu verwirklichen. Die Investitionslücke, die noch geschlossen werden muss, um den digitalen Wandel in der EU zu vollziehen, wird für die nächsten zehn Jahre auf rund 125 Mrd. EUR jährlich geschätzt. Die meisten dieser Investitionen müssen im Privatsektor mobilisiert werden. Allerdings muss auch der öffentliche Sektor seinen Beitrag leisten und ergänzende Mittel bereitstellen, um politische Maßnahmen zu unterstützen, Risiken für innovative Projekte zu verringern, private Investitionen zu lenken und zu mobilisieren und Marktversagen zu beheben. In der Mitteilung über ein zukunftsfähiges europäisches Wachstumsmodell wird betont, wie wichtig ein koordiniertes Vorgehen aller einschlägigen Akteure ist, einschließlich der EU, der Mitgliedstaaten und des Privatsektors, um alle verfügbaren politischen Hebel zu nutzen.( 8 ) Von zentraler Bedeutung ist es, mit Blick auf die Investitions- und die Reformpolitik in den Mitgliedstaaten sowie hinsichtlich der nationalen und der EU-Ziele Kohärenz zu gewährleisten.

Die ARF und die MFR-Fonds werden öffentliche Investitionen und Reformen in den kommenden Jahren unterstützen. So werden aus der ARF – dem Kernstück von NextGenerationEU – bis zum Jahr 2026 Mittel im Umfang von 338 Mrd. EUR an nicht rückzahlbaren Finanzhilfen („Zuschüssen“) und bis zu 386 Mrd. EUR an Darlehen (beide Beträge in jeweiligen Preisen) bereitgestellt. Die ARF-Finanzierung wird es ermöglichen, Resilienz aufzubauen, unsere ökologischen und digitalen Ziele voranzutreiben und den Zusammenhalt, die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Bislang haben 22 EU-Länder grünes Licht für ihren Aufbau- und Resilienzplan und davon 21 Länder auf Antrag eine Vorfinanzierung erhalten. Die Auszahlung der ARF-Zuschüsse soll frontlastig erfolgen, wobei rund zwei Drittel aller Zuschussmittel bis Ende 2023 fließen sollen.( 9 ) Die mit ARF-Zuschüssen finanzierten Ausgaben werden es ermöglichen, hochwertige Investitionsprojekte zu finanzieren und die Kosten produktivitätssteigernder Reformen zu decken, ohne dass sich Defizite und Schuldenstände erhöhen. Eine zügige Umsetzung der Aufbau- und Resilienzpläne wird somit eine anhaltende und nachhaltige Erholung fördern, für höheres Potenzialwachstum sorgen und eine allmähliche Verbesserung der Haushaltslage unterstützen, auch in den Mitgliedstaaten mit den höchsten öffentlichen Schuldenquoten. Die Billigung der neuen Generation der kohäsionspolitischen Fonds der EU wird die Investitionen weiter erhöhen und so den ökologischen und digitalen Wandel sowie die Resilienz im gesamten Unionsgebiet fördern.

Alle Mitgliedstaaten sollten die Gesamtinvestitionen schützen und – sofern dies gerechtfertigt ist – die auf nationaler Ebene finanzierten Investitionen erhöhen, insbesondere für den ökologischen und digitalen Wandel und die Resilienz. Wie auch bei den ARF-finanzierten Investitionen sollte der Schwerpunkt auf der hohen Qualität der Investitionen liegen. Die Haushaltspolitik sollte neu ausgerichtet werden, um den ökologischen und digitalen Wandel voranzubringen und ein anhaltendes und nachhaltiges Wachstum zu erreichen. Erforderlichenfalls (z. B. in Reaktion auf rückläufige ARF-Beiträge) sollten die Mitgliedstaaten die national finanzierten Investitionen, insbesondere für den ökologischen und digitalen Wandel, ausweiten. Nehmen hoch verschuldete Mitgliedstaaten eine Haushaltsanpassung vor, so sollte dies nicht zulasten der Investitionen gehen, sondern vielmehr durch eine Begrenzung des Anstiegs der national finanzierten laufenden Ausgaben erreicht werden.

Aus Sicht der Kommission sollten auf nationaler Ebene finanzierte hochwertige öffentliche Investitionen gefördert und in den mittelfristigen Haushaltsplanungen geschützt werden, da die Förderung einer resilienten Wirtschaft und die Bewältigung der Herausforderungen des ökologischen und digitalen Wandels gemeinsame zentrale politische Ziele für 2023 und danach darstellen.

Grundsatz 4: Haushaltspolitische Strategien, die mit einem mittelfristigen Konsolidierungsansatz im Einklang stehen und der Aufbau- und Resilienzfazilität Rechnung tragen

In hoch verschuldeten Mitgliedstaaten sollte die Haushaltsanpassung schrittweise erfolgen, keinen übermäßig restriktiven haushaltspolitischen Kurs bewirken und durch Investitionen und Reformen flankiert werden, die das Wachstumspotenzial wieder steigern und den Weg zu einem glaubwürdigen rückläufigen Schuldentrend ebnen. Um einen mittelfristigen Schuldenabbau zu erreichen, sollten schrittweise und beharrliche Konsolidierungsanstrengungen unternommen und gleichzeitig die Zusammensetzung der öffentlichen Finanzen verbessert werden. Die mittelfristigen Planungen müssen mit der Schuldentragfähigkeitsanalyse für die betreffenden Mitgliedstaaten im Einklang stehen.( 10 ) Die Pläne sollten konkrete Verweise auf die geplanten Investitionen und Reformen enthalten und dem voraussichtlichen Zeitplan für die Auszahlung von EU-Mitteln (insbesondere auch ARF-Zuschüssen) Rechnung tragen. Für die Zeit nach 2023 sollte der Schwerpunkt der mittelfristigen Planungen darauf liegen, eine Haushaltskonsolidierung voranzutreiben, damit schrittweise und auf nachhaltige und wachstumsfreundliche Weise mittelfristig vorsichtige Haushaltspositionen erreicht werden. In den Plänen sollten die zugrunde liegenden Maßnahmen und die begleitenden Reformen und Investitionen im Einzelnen erläutert werden.

Im Hinblick auf den Pfad zur Haushaltsanpassung sollte berücksichtigt werden, wie sich die ARF-Unterstützung auf die Wirtschaftstätigkeit auswirkt. Mit den ARF-Zuschüssen wird weiterhin signifikante fiskalische Unterstützung für das Wachstum der Gesamtnachfrage geleistet, bis der Höhepunkt des in den Plänen der einzelnen Mitgliedstaaten dargelegten Zahlungsprofils erreicht ist; danach wird die Unterstützung zurückgefahren. Dies sollte in den mittelfristigen Haushaltsplanungen berücksichtigt werden.

Die Konsolidierung sollte nicht auf die lange Bank geschoben werden. Wird eine notwendige Haushaltsanpassung auf spätere Jahre verschoben, so steigen die damit verbundenen Umsetzungsrisiken und es gestaltet sich häufig schwieriger, die in den Stabilitäts- und Konvergenzprogrammen der Mitgliedstaaten festgelegten mittelfristigen Haushaltsziele zu erreichen. Mitunter führt eine aufgeschobene Haushaltskonsolidierung auch dazu, dass positive Wachstumsüberraschungen und unerwartete Mehreinnahmen nicht für einen schnelleren Schuldenabbau, sondern für höhere laufende Ausgaben oder Steuersenkungen verwendet werden. So wird es häufig versäumt, Puffer wiederaufzubauen, wenn die wirtschaftlichen Bedingungen es zulassen.

Aus Sicht der Kommission sollte in den Stabilitäts- und Konvergenzprogrammen dargelegt werden, wie die mittelfristigen Haushaltsplanungen der Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die Staatsverschuldung allmählich auf ein dem Vorsichtsprinzip entsprechendes Niveau zurückgeführt und durch eine schrittweise Konsolidierung, Investitionen und Reformen nachhaltiges Wachstum sichergestellt wird.

Grundsatz 5: Differenzierte haushaltspolitische Strategien und Berücksichtigung der Euroraum-Dimension

Damit in Mitgliedstaaten mit hoher Verschuldung die Schuldenquoten stabilisiert und anschließend gesenkt werden, muss ab 2023 eine schrittweise Haushaltsanpassung eingeleitet werden. Um die Widerstandsfähigkeit gegenüber künftigen Schocks zu stärken, günstige Finanzierungsbedingungen zu erhalten und angesichts möglicher Spillover-Effekte das reibungslose Funktionieren des Euro-Währungsgebiets zu gewährleisten, wird es weiterhin wichtig sein, Haushaltspuffer wiederaufzubauen und die öffentlichen Schuldenquoten – sobald es die wirtschaftlichen Bedingungen zulassen – wieder zu senken. Ausgehend von der Winterprognose 2022 der Kommission erscheint es für Mitgliedstaaten mit hoher Verschuldung angemessen, ab 2023 schrittweise ihre zugrunde liegende Haushaltslage zu verbessern. Um dies zu erreichen, sollten die national finanzierten laufenden Ausgaben (ohne diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen) langsamer steigen als das mittelfristige Produktionspotenzial (gemessen am Ausgabenrichtwert). Hoch verschuldete Mitgliedstaaten sollten weiterhin die für den ökologischen und digitalen Wandel notwendigen Investitionen fördern und die Haushaltsanpassung über die national finanzierten laufenden Ausgaben durchführen. Diese Strategie sollte durch eine zeitnahe Umsetzung der Aufbau- und Resilienzpläne unterstützt werden. Unerwartete Einnahmen, auch aus positiven Wachstumsüberraschungen, sollten für den Schuldenabbau verwendet werden.

Mitgliedstaaten mit niedriger/mittlerer Verschuldung sollten den Investitionen in den ökologischen und digitalen Wandel Priorität geben. Mitgliedstaaten mit niedrigem/mittlerem Schuldenstand zeichnen sich im Allgemeinen durch solide Haushaltspositionen aus. ( 11 ) Der Ausweitung der öffentlichen Investitionen für den ökologischen und digitalen Wandel sollte Priorität eingeräumt werden, erforderlichenfalls (z. B. in Reaktion auf rückläufige ARF-Beiträge) durch national finanzierte Investitionen, die schneller steigen als das mittelfristige Produktionspotenzial. Die Entwicklung der laufenden Ausgaben sollte mit der Wahrung eines insgesamt neutralen haushaltspolitischen Kurses im Einklang stehen und folglich im Jahr 2023 nicht auf eine Haushaltsanpassung abstellen, es sei denn, Anzeichen einer Übernachfrage verlangen agile haushaltspolitische Maßnahmen, um das Ausgabenwachstum einzudämmen, oder – im umgekehrten Fall – eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Aussichten erfordert zusätzliche Ausgaben. Dies wird dazu beitragen, einen angemessenen haushaltspolitischen Kurs für das Euro-Währungsgebiet insgesamt beizubehalten, da Spillover-Effekte durch verfrühte Haushaltskürzungen in Mitgliedstaaten mit niedrigem/mittlerem Schuldenstand die gesamtwirtschaftliche Nachfrage im Euro-Währungsgebiet über Gebühr belasten und die Umsetzung von Haushaltsanpassungen in Mitgliedstaaten mit hohem Schuldenstand erschweren könnten. 

Aus Sicht der Kommission sollten die haushaltspolitischen Empfehlungen für die einzelnen Mitgliedstaaten weiterhin differenziert gestaltet werden und möglichen länderübergreifenden Spillover-Effekte Rechnung tragen. Falls nationale Haushaltsanpassungen erforderlich sind, sollten diese so gestaltet werden, dass die Zusammensetzung der Ausgaben verbessert und die Gesamtinvestitionen geschützt werden.

Auswirkungen auf das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit (Defizitverfahren)

Die Kommission wird im Frühjahr 2022 keine neuen Defizitverfahren vorschlagen. Die COVID-19-Pandemie wirkt sich weiterhin in ungewöhnlichem Maße auf die Gesamtwirtschaft und die öffentlichen Haushalte aus, was zusammen mit der aktuellen geopolitischen Lage auch mit Blick auf die Festlegung eines detaillierten haushaltspolitischen Kurses zu außerordentlich hoher Unsicherheit führt. Aus diesen Gründen sollte aus Sicht der Kommission im Frühjahr 2022 kein Beschluss über die Einleitung von Defizitverfahren gegen Mitgliedstaaten gefasst werden.

Im Herbst 2022 wird die Kommission erneut prüfen, ob Defizitverfahren vorgeschlagen werden sollten. Mitgliedstaaten, deren Planung für das Jahr 2023 und danach eine Überschreitung der Defizitschwelle vorsieht, sollten die politischen Maßnahmen darlegen, mit denen sie das Defizit wieder unter den Referenzwert senken wollen, damit dies bei der Bewertung einschlägiger Faktoren gegebenenfalls berücksichtigt werden kann.( 12 ) Bei Mitgliedstaaten mit einer Schuldenquote über dem Referenzwert von 60 % des BIP wird die Kommission bei der Bewertung aller einschlägigen Faktoren dem Umstand Rechnung tragen, dass die Einhaltung des Richtwerts für den Schuldenabbau eine allzu anspruchsvolle frontlastige Konsolidierungsanstrengung verlangen würde, die das Wachstum gefährden könnte. Deshalb ist die Einhaltung des Richtwerts für den Schuldenabbau aus Sicht der Kommission unter den derzeitigen außergewöhnlichen wirtschaftlichen Bedingungen nicht angezeigt. Unterdessen geht die Überwachung der Schulden- und Defizitentwicklungen weiter, und im Herbst 2022 wird die Kommission erneut prüfen, ob Defizitverfahren vorgeschlagen werden sollten.

4.Aktueller Stand der Überprüfung der wirtschaftspolitischen Steuerung

Im Oktober 2021 nahm die Kommission die öffentliche Debatte über die Überprüfung des Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung der EU wieder auf und ersuchte die anderen Organe und alle wesentlichen Interessenträger, sich daran zu beteiligen. Die Debatte ist noch nicht abgeschlossen und stützt sich sowohl auf den Standpunkt der Kommission zur Wirksamkeit des Rahmens für die wirtschaftspolitische Überwachung, wie er im Februar 2020 vorgestellt wurde, als auch auf die Lehren aus der COVID-19-Krise. Die öffentliche Debatte über den haushaltspolitischen Rahmen der EU konzentriert sich auf die Herausforderung, die Verschuldung schrittweise, nachhaltig und auf wachstumsfreundliche Weise auf ein vertretbares Niveau zurückzuführen, die Notwendigkeit, die öffentlichen Investitionen in den kommenden Jahren auf hohem Niveau zu halten, insbesondere auch die Investitionen für den zweifachen Wandel und die Resilienz, die Bedeutung einer guten Zusammensetzung und Qualität der öffentlichen Finanzen, die Notwendigkeit einer antizyklischen Haushaltspolitik und der Schaffung von haushaltspolitischem Spielraum für die Stabilisierung, die Bedeutung einer starken politischen Koordinierung zwischen den verschiedenen politischen Instrumenten und zwischen der EU und den Mitgliedstaaten sowie die Notwendigkeit, den EU-Rahmen zu vereinfachen und eine wirksame Durchsetzung des haushaltspolitischen Rahmens der EU sicherzustellen. Die Debatte wird in verschiedenen Formaten geführt, darunter Fachtagungen, Workshops und eine Online-Umfrage. An dieser inklusiven Diskussion beteiligen sich Bürgerinnen und Bürger sowie ein breites Spektrum von Interessenträgern, insbesondere Sozialpartner, Hochschulen, andere Organe und Einrichtungen der EU sowie nationale Regierungen und Parlamente. Die Online-Umfrage endete am 31. Dezember 2021. Derzeit prüft die Kommission die eingegangenen Stellungnahmen und wird im März 2022 einen zusammenfassenden Bericht vorlegen. Die Zusammenarbeit mit den Interessenträgern zur Verbesserung der Wirksamkeit des Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung wird mit dem Ziel fortgesetzt, einen Konsens über seine Zukunft herbeizuführen.

Die laufende Debatte bietet den Mitgliedstaaten auch die Gelegenheit, Überlegungen über die wichtigsten Ziele des Governance-Rahmens, seine Funktionsweise und einzukalkulierende neue Herausforderungen anzustellen. Die Beratungen finden hauptsächlich im Wirtschafts- und Finanzausschuss und im Ausschuss für Wirtschaftspolitik statt, aber auch auf Ministerebene im Rat (Wirtschaft und Finanzen) und, wenn es um spezifische Fragen des Euro-Währungsgebiets geht, in der Euro-Gruppe. Es werden Gespräche zu einer begrenzten Anzahl von Schlüsselthemen organisiert, wobei den in der Mitteilung vom Oktober 2021 ermittelten Herausforderungen und den zentralen Themen der öffentlichen Debatte Rechnung getragen wird. Dazu gehören die Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung und der wachstumsfreundliche Schuldenabbau, der Schutz öffentlicher Investitionen und die Rolle des haushaltspolitischen Rahmens bei der Förderung öffentlicher Investitionen und Reformen vor dem Hintergrund des Übergangs zu einer ökologischen, digitalen und resilienten EU-Wirtschaft, Überlegungen zu den Lehren, die aus der Reaktion auf die COVID-19-Krise (einschließlich der ARF) gezogen werden, antizyklische haushaltspolitische Maßnahmen und die Schaffung von Spielraum für eine kurzfristige Stabilisierung sowie Möglichkeiten zur Vereinfachung der haushaltspolitischen Rahmenwerke, zur Stärkung der nationalen Eigenverantwortung und zur besseren Durchsetzung. Thema ist auch, wie sich die Invasion der Ukraine langfristig auf die Resilienz und die Sicherheit auswirken könnte. Darüber hinaus beraten die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets über spezifische Aspekte des Euro-Währungsgebiets. In den kommenden Monaten sind weitere Gespräche mit maßgeblichen Interessenträgern (z. B. dem Europäischen Fiskalausschuss) und mit Wissenschaftlern/Sachverständigen geplant. Die Abschlussgespräche – sowohl auf Ministerebene im Rat (Wirtschaft und Finanzen) als auch unter den Mitgliedern des Euro-Währungsgebiets in der Euro-Gruppe – sind derzeit für Juli anberaumt.

Auf der Grundlage der laufenden öffentlichen Debatte und der Gespräche mit den Mitgliedstaaten wird die Kommission Orientierungen für möglichen Änderungen am Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung vorlegen, um rechtzeitig für 2023 einen breiten Konsens hinsichtlich des weiteren Vorgehens herbeizuführen. Nach Auffassung der Kommission deutet der derzeitige Stand der Beratungen darauf hin, dass bei einer Reihe zentraler Fragen weitere und konkretere Arbeiten zuträglich wären, um einen sich abzeichnenden Konsens über den künftigen haushaltspolitischen Rahmen der EU voranzubringen.

·Für den Erfolg des haushaltspolitischen Rahmens der EU ist es entscheidend, dass die Schuldentragfähigkeit gewährleistet und durch Investitionen und Reformen nachhaltiges Wachstum gefördert wird. Die Gewährleistung der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen durch einen realistischen, schrittweisen und nachhaltigen Abbau hoher öffentlicher Schuldenquoten ist von zentraler Bedeutung. Der haushaltspolitische Rahmen der EU sollte Anreize für erfolgreiche mittelfristige Strategien zum Schuldenabbau schaffen, deren Schwerpunkt auf der Haushaltskonsolidierung, der Qualität und Zusammensetzung der öffentlichen Finanzen sowie der Wachstumsförderung liegen sollte. Der Rahmen sollte mit den derzeitigen und künftigen Herausforderungen vereinbar sein, auch im Hinblick auf seine Rolle bei der Aufrechterhaltung eines angemessenen Investitionsniveaus. In den kommenden Jahren müssen die öffentlichen Investitionen auf hohem Niveau gehalten werden; entsprechend wichtig ist es, eine gute Zusammensetzung und Qualität der öffentlichen Finanzen zu fördern, um nachhaltiges und integratives Wachstum sicherzustellen. Bei der Schaffung von Anreizen für nationale Investitionen und Reformen sollte dem haushaltspolitischen Rahmen der EU eine angemessene Rolle zukommen; besonderes Augenmerk sollte darauf gelegt werden, mit Blick auf die Investitions- und Reformpolitik in den Mitgliedstaaten sowie hinsichtlich der nationalen und der EU-Ziele für Kohärenz zu sorgen.

·Eine stärkere Berücksichtigung der mittelfristigen Perspektive bei der haushaltspolitischen Überwachung durch die EU erscheint vielversprechend. Die jährliche Überwachung der Haushaltsentwicklung der Mitgliedstaaten sollte unter Beibehaltung der positiven Elemente der multilateralen haushaltspolitischen Koordinierung fortgesetzt werden. Gleichzeitig könnte den Mitgliedstaaten vorbehaltlich klarer Leitlinien auf EU-Ebene mehr Spielraum bei der Aufstellung und Umsetzung ihres Plans zur Haushaltskonsolidierung auf mittlere Sicht eingeräumt werden, und die Integration der Investitions- und Reformagenda in ihren haushaltspolitischen Kurs könnte die Eigenverantwortung und damit die Einhaltung der Vorgaben stärken.

·Es sollte weiter erörtert werden, welche Erkenntnisse aus der Gestaltung, Governance und Funktionsweise der ARF gezogen werden können. Der Schwerpunkt sollte auf den Lehren im Hinblick auf die Verbesserung der Eigenverantwortung, des gegenseitigen Vertrauens, der Durchsetzung und des Zusammenspiels der wirtschaftlichen und haushaltspolitischen Dimension sowie der EU-Dimension und der nationalen Dimension liegen. Genauere Betrachtung hat hier der verpflichtungsbasierte politische Koordinierungsansatz der ARF verdient, der eine starke nationale Eigenverantwortung für die Gestaltung und Ergebnisse der Politik vorsieht und auf Ex-ante-Leitlinien für die Mitgliedstaaten zu Investitions- und Reformprioritäten beruht. Das Europäische Semester sollte der Bezugsrahmen für die integrierte Überwachung und die Koordinierung der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik in der EU bleiben.

·Zu den zentralen Zielen zählen Vereinfachung, stärkere nationale Eigenverantwortung und bessere Durchsetzung. Der geltende Rahmen stützt sich auf nicht beobachtbare Variablen, die empfindlich für Schwankungen sind und von konjunkturellen Bedingungen beeinflusst werden. Darüber hinaus umfasst er eine komplexe Reihe von Auslegungsbestimmungen, einschließlich verschiedener Flexibilitätsklauseln, die die Anwendung des Rahmens komplex machen und die Transparenz mindern. In Anbetracht dessen sind einfachere Haushaltsvorschriften mit einer zentralen operativen Regel auf EU-Ebene und beobachtbaren Indikatoren erforderlich; so könnten zur Bewertung der Einhaltung der Vorschriften die Nettogesamtausgaben herangezogen werden. Dabei muss auch geprüft werden, ob eine klare Fokussierung auf „schwerwiegende Fehler“ im Sinne des Vertrags zu einer wirkungsvolleren Umsetzung des Rahmens beitragen könnte. Diese Ziele sind miteinander verbunden. Insbesondere würde ein vereinfachter Rahmen die EU-Haushaltsüberwachung verständlicher machen und dadurch zu einer klareren Kommunikation, einer höheren Eigenverantwortung, einer besseren Einhaltung der Vorschriften und einer stärkeren Durchsetzung beitragen. Wenn auf der einen Seite den Mitgliedstaaten mehr Spielraum bei der Gestaltung ihres haushaltspolitischen Kurses zugestanden wird, sollte auf der anderen Seite im Falle der Nichteinhaltung eine strengere Durchsetzung des Rahmens durch die Kommission und den Rat vorgesehen werden.

5.Die nächsten Schritte

Diese Mitteilung enthält erste haushaltspolitische Leitlinien für 2023, die gegebenenfalls spätestens im Rahmen des Frühjahrspakets des Europäischen Semesters im Mai 2022 aktualisiert werden. Künftige Leitlinien werden weiterhin der weltwirtschaftlichen Lage, der spezifischen Situation der einzelnen Mitgliedstaaten und der Debatte über den Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung Rechnung tragen. Die Weiterentwicklung der Wirtschaftsaussichten wird aufmerksam verfolgt und gebührend berücksichtigt. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, diesen Leitlinien bei ihren Stabilitäts- und Konvergenzprogrammen Rechnung zu tragen.


Anhang

Liste der zusätzlichen Tabellen für die Stabilitäts- und Konvergenzprogramme der Mitgliedstaaten. Pflichtangaben sind durch Fettdruck gekennzeichnet.

Tabelle: Auswirkungen der ARF auf die Programmprojektionen – DARLEHEN 

Im Programm projizierter Cashflow aus ARF-Darlehen (% des BIP)

 

2020

2021

2022

2023

2024

2025

2026

Auszahlungen von ARF-Darlehen durch die EU

Rückzahlungen von ARF-Darlehen an die EU

 

 

 

 

 

 

 

 

Aus ARF-Darlehen finanzierte Ausgaben (% des BIP)

 

2020

2021

2022

2023

2024

2025

2026

Arbeitnehmerentgelt D.1

Vorleistungen P.2

Sozialleistungen D.62+D.632

Zinsausgaben D.41

Zu leistende Subventionen D.3

Laufende Transfers D.7

LAUFENDE AUSGABEN INSGESAMT

Bruttoanlageinvestitionen P.51g

Vermögenstransfers D.9

INVESTITIONSAUSGABEN INSGESAMT

 

 

 

 

 

 

 

 

Sonstige aus ARF-Darlehen finanzierte Kosten (% des BIP)1

 

2020

2021

2022

2023

2024

2025

2026

Rückgang der Steuereinnahmen

Sonstige Kosten mit Auswirkungen auf die Einnahmen

Finanztransaktionen

Tabelle: Auswirkungen der ARF auf die Programmprojektionen – ZUSCHÜSSE 

Einnahmen aus ARF-Zuschüssen (% des BIP)

 

2020

2021

2022

2023

2024

2025

2026

ARF-Zuschüsse, wie in den Einnahmeprojektionen berücksichtigt

Barauszahlungen von ARF-Zuschüssen durch die EU

 

 

 

 

 

 

 

 

Aus ARF-Zuschüssen finanzierte Ausgaben (% des BIP)

 

2020

2021

2022

2023

2024

2025

2026

Arbeitnehmerentgelt D.1

Vorleistungen P.2

Sozialleistungen D.62+D.632

Zinsausgaben D.41

Zu leistende Subventionen D.3

Laufende Transfers D.7

LAUFENDE AUSGABEN INSGESAMT

Bruttoanlageinvestitionen P.51g

Vermögenstransfers D.9

INVESTITIONSAUSGABEN INSGESAMT

 

 

 

 

 

 

 

 

Sonstige aus ARF-Zuschüssen finanzierte Kosten (% des BIP)1

 

2020

2021

2022

2023

2024

2025

2026

Steuereinbußen

Sonstige Kosten mit Auswirkungen auf die Einnahmen

Finanztransaktionen

Tabelle: Bestand an Garantien, die laut Programm beschlossen/angekündigt wurden

 

Maßnahmen

Beschlossen am

Höchstbetrag der Eventualverbind-lichkeiten
(% des BIP)

Geschätzte Inanspruch-nahme
(% des BIP)

In Reaktion auf COVID-19

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zwischensumme

 

 

 

Sonstige

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zwischensumme

 

 

 

 

Gesamt

 

 

 

Anmerkung: Diese Tabelle ersetzt Tabelle 7 des Verhaltenskodex zum SWP.

(1)

()     Europäische Kommission (2021), „Übersichten über die Haushaltsplanung 2022: Gesamtbewertung“ (COM(2021) 900 final vom 24. November 2021).

(2)

()     Spezifische Bestimmungen im haushaltspolitischen Regelwerk der EU geben allen Mitgliedstaaten die Möglichkeit einer koordinierten, geordneten Abweichung von den regulären Anforderungen, wenn eine allgemeine Krisensituation vorliegt, die durch einen schwerwiegenden Wirtschaftsabschwung im Euro-Währungsgebiet oder in der Europäischen Union als Ganzes verursacht wurde (siehe Artikel 5 Absatz 1, Artikel 6 Absatz 3, Artikel 9 Absatz 1 und Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 sowie Artikel 3 Absatz 5 und Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97). 

(3)

()     In Kraft gesetzt wurde die Klausel, indem der Rat die Mitteilung der Kommission über die Aktivierung der allgemeinen Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakt (COM(2020) 123 final vom 23. März 2020) billigte. Über ihre Deaktivierung wird auf Basis einer Gesamtbewertung der Wirtschaftslage entschieden, wobei die Wirtschaftstätigkeit in der EU bzw. im Euro-Währungsgebiet im Vergleich zum Vorkrisenniveau (Ende 2019) das wichtigste quantitative Kriterium ist. Europäische Kommission (2021), „Ein Jahr nach dem Ausbruch von COVID-19: die fiskalpolitische Reaktion“ (COM(2021) 105 final vom 3. März 2021, S. 7-8 und S. 14).

(4)

()    Europäische Kommission (2021), „Die EU-Wirtschaft nach COVID-19: Auswirkungen auf die wirtschaftspolitische Steuerung“ (COM(2021) 662 final vom 19. Oktober 2021).

(5)

()     Die Winterprognose 2022 der Kommission wurde am 10. Februar veröffentlicht; Redaktionsschluss war der 1. Februar 2022. 

(6)

()    Die ARF-Zuschüsse werden die Wirtschaft zwar weiterhin jedes Jahr unterstützen, doch misst der von der ARF ausgehende jährliche Fiskalimpuls die Differenz zwischen den ARF-Zuschüssen, die in den einzelnen Jahren zum Einsatz kommen.

(7)

()    Die derzeitigen wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Prioritäten der EU sind in vier Dimensionen gegliedert: ökologische Nachhaltigkeit, Produktivität, Gerechtigkeit und makroökonomische Stabilität. Siehe Europäische Kommission (2021), „Jahresbericht zum nachhaltigen Wachstum 2022“ (COM(2021) 740 final vom 21. November 2021).

(8)

()    Europäische Kommission (2022), „Auf dem Weg zu einer grünen, digitalen und resilienten Wirtschaft: unser europäisches Wachstumsmodell“.

(9)

()     Bislang beläuft sich die Mittelzuweisung bei den vom Rat gebilligten 22 Aufbau- und Resilienzplänen auf 291 Mrd. EUR an nicht rückzahlbaren Finanzmitteln und 154 Mrd. EUR an Darlehen. Bei sechs Mitgliedstaaten (Zypern, Griechenland, Italien, Portugal, Rumänien und Slowenien) geht mit dem gebilligten Plan auch ein Darlehen einher. Wie in Artikel 18 der ARF-Verordnung ((EU) 2021/241) vorgesehen, wird die Berechnung des maximalen finanziellen Beitrags an nicht rückzahlbaren ARF-Hilfen bis spätestens 30. Juni 2022 aktualisiert. Siehe Europäische Kommission (2022), „Jahresbericht über die Aufbau- und Resilienzfazilität“.

(10)

()     Verhaltenskodex zum Stabilitäts- und Wachstumspakt (2017), http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-9344-2017-INIT/en/pdf.

(11)

()     Nach den Simulationen der Kommission würde selbst ein sehr moderater Anpassungspfad in einigen Mitgliedstaaten rasch zu einem Haushaltsüberschuss führen.

(12)

()     Die entsprechenden einschlägigen Faktoren sind in Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 dargelegt. Grundsätzlich kann ein defizitbedingtes Defizitverfahren nur dann vermieden werden, wenn der Referenzwert nur vorübergehend oder ausnahmsweise überschritten wird oder das Defizit in der Nähe des Referenzwerts bleibt.

Top