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Document 52021PC0681

    Vorschlag für einen DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS DES RATES zur Änderung des Durchführungsbeschlusses (EU) 2018/593 hinsichtlich der Dauer und des Umfangs der von den Artikeln 218 und 232 der Richtlinie 2006/112/EG abweichenden Sondermaßnahme

    COM/2021/681 final

    Brüssel, den 5.11.2021

    COM(2021) 681 final

    2021/0357(NLE)

    Vorschlag für einen

    DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS DES RATES

    zur Änderung des Durchführungsbeschlusses (EU) 2018/593 hinsichtlich der Dauer und des Umfangs der von den Artikeln 218 und 232 der Richtlinie 2006/112/EG abweichenden Sondermaßnahme


    BEGRÜNDUNG

    Nach Artikel 395 Absatz 1 der Richtlinie 2006/112/EG vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 1 (im Folgenden die „MwSt-Richtlinie“) kann der Rat auf Vorschlag der Kommission einstimmig jeden Mitgliedstaat ermächtigen, von dieser Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einzuführen, um die Mehrwertsteuererhebung zu vereinfachen oder bestimmte Formen der Steuerhinterziehung oder ‑umgehung zu verhindern.

    Die Italienische Republik beantragte mit einem bei der Kommission am 31. März 2021 registrierten Schreiben die Ermächtigung, weiterhin von den Artikeln 218 und 232 der MwSt-Richtlinie abweichen zu können, um auch zukünftig eine obligatorische elektronische Rechnungsstellung vorschreiben zu können. Die derzeitige Ausnahmeregelung läuft am 31. Dezember 2021 aus. Ferner wurde in dem Antrag um die Ermächtigung ersucht, den Anwendungsbereich der geltenden, mit dem Durchführungsbeschluss (EU) 2018/593 des Rates 2 gewährten Sondermaßnahme auszuweiten, damit auch Steuerpflichtige erfasst werden, die die Steuerbefreiungen für Kleinunternehmen gemäß Artikel 282 der MwSt-Richtlinie in Anspruch nehmen können. Mit Schreiben vom 10. September 2021 unterrichtete die Kommission die anderen Mitgliedstaaten gemäß Artikel 395 Absatz 2 der MwSt-Richtlinie über den Antrag der Italienischen Republik. Mit Schreiben vom 13. September 2021 teilte die Kommission der Italienischen Republik mit, dass ihr alle für die Prüfung des Antrags erforderlichen Angaben vorliegen.

    1.KONTEXT DES VORSCHLAGS

    Gründe und Ziele des Vorschlags

    Mit dem Durchführungsbeschluss (EU) 2018/593 führte die Italienische Republik – auch im Einklang mit der Empfehlung des Rates vom 11. Juli 2017 zum nationalen Reformprogramm Italiens 2017 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Italiens 2017 3 – ein allgemeines System der obligatorischen elektronischen Rechnungsstellung ein, das Sistema di Interscambio (SdI).

    Italien trägt vor, dass die Ziele der Maßnahme – Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung, einfachere Einhaltung der Steuervorschriften, effizientere Steuererhebung und Modernisierung der italienischen Produktion sowie Senkung der Verwaltungskosten für Unternehmen – vollständig erreicht wurden.

    Was die Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug und ‑hinterziehung anbelangt, so seien durch die Maßnahme die Kompetenzen der Steuerverwaltung gestärkt, die zur Aufdeckung und Verfolgung von Mehrwertsteuerbetrug und ‑hinterziehung erforderliche Zeit verkürzt und die Möglichkeiten für Risikoanalysen verbessert worden. Des Weiteren habe sich die Maßnahme als wirksam für die Prävention von Steuerhinterziehung und -betrug erwiesen, da sie abschreckend auf die Steuerzahler wirke.

    Obwohl sich nicht genau beziffern lässt, welcher Anteil der beigetriebenen Steuern direkt auf die Einführung der obligatorischen elektronischen Rechnungsstellung zurückzuführen ist, hat Italien dennoch einige Schätzungen vorgelegt. Diesen Schätzungen zufolge könnten rund 2 Mrd. EUR direkt der besseren Einhaltung der Mehrwertsteuervorschriften infolge der Einführung der fraglichen Maßnahme zugeschrieben werden, während zusätzliche Einnahmen an direkten Steuern in Höhe von rund 580 Mio. EUR indirekt auf die Maßnahme zurückzuführen seien. Was die Kontrolle und Durchsetzung betrifft, so ermöglichten die Maßnahmen zur Ermittlung und Unterbindung falscher Mehrwertsteuergutschriften im Jahr 2019 die Beitreibung von 945 Mio. EUR. Des Weiteren hat die Verwendung elektronischer Rechnungsstellungsdaten für das gesamte Jahr 2019 ebenfalls entscheidend dazu beigetragen, dass Steuerpflichtige ermittelt wurden, die die Voraussetzungen für den Status „esportatore abituale“ nicht erfüllen (MwSt-Verluste in Höhe von 1,3 Mrd. EUR aufgrund falsch angegebener Obergrenzen). Weitere Verfahren zum Abgleich elektronischer Rechnungsstellungsdaten mit grenzüberschreitenden Informationsquellen zur Betrugsbekämpfung (einschließlich des Europäischen Netzes zur Betrugsbekämpfung EUROFISC) laufen derzeit. Außerdem konnten durch die Maßnahmen Unternehmen ermittelt werden, die zwischen Ende 2019 und 2020 an innergemeinschaftlichen Betrugsmechanismen beteiligt waren, welche auf Rechnungsstellungsströmen für nichtexistierende Transaktionen in Höhe von rund 1 Mrd. EUR beruhten.

    Was die Vereinfachung der Einhaltung der Steuervorschriften betrifft, so hat die Einführung der obligatorischen elektronischen Rechnungsstellung es der Steuerbehörde ermöglicht, den Steuerpflichtigen Folgendes zur Verfügung zu stellen: vorab ausgefüllte Kauf- und Verkaufsbelege, die Planung der periodischen Mehrwertsteuerabrechnung, vorab ausgefüllte Jahres-Mehrwertsteuererklärungen und vorab ausgefüllte Zahlungsformulare einschließlich der zu entrichtenden, zu verrechnenden oder zu erstattenden Steuern (wobei Steuerpflichtigen, die die elektronische Rechnungsstellung nutzen, Priorität eingeräumt wird). Durch die elektronische Rechnungsstellung müssen nun eine Reihe von Verpflichtungen nicht mehr erfüllt werden, wie z. B. die Meldung der Rechnungsdaten zu inländischen Umsätzen, die Abgabe von Intrastat-Erklärungen über Käufe, die Verpflichtung zur Angabe von Einzelheiten zu den von Leasing-, Miet- und Verleihunternehmen geschlossenen Verträgen und die Verpflichtung, Umsätze mit Lieferungen von Waren aus der Republik San Marino nach Italien zu melden.

    Italien zufolge hat die Einführung der obligatorischen elektronischen Rechnungsstellung noch weitere Vorteile gebracht, da sie das Rechnungsstellungsverfahren sowohl für die Rechnungsaussteller als auch für die Rechnungsempfänger vereinfacht und die Entwicklung damit verbundener Dienstleistungen ermöglicht hat; dadurch können die Geschäftsergebnisse, u. a. das Cashflow-Management, in Echtzeit überwacht werden. Des Weiteren haben sich die Daten aus der obligatorischen elektronischen Rechnungsstellung im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie als sehr hilfreich erwiesen; so konnten die Veränderungen in der Wirtschaft im Zusammenhang mit der Gesundheitskrise analysiert und die am besten geeigneten Unterstützungsmaßnahmen ergriffen werden.

    Da der Durchführungsbeschluss (EU) 2018/593 bis zum 31. Dezember 2021 gilt, hat Italien beantragt, weiterhin von den Artikeln 218 und 232 der MwSt-Richtlinie abweichen zu dürfen, um auch zukünftig die elektronische Rechnungsstellung verbindlich vorschreiben zu können.

    Darüber hinaus wird in dem Antrag auch die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Maßnahme auf Steuerpflichtige beantragt, die die Steuerbefreiungen für Kleinunternehmen gemäß Artikel 282 der MwSt-Richtlinie in Anspruch nehmen. Italien ist der Auffassung, dass durch diese Ausweitung die Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug und ‑hinterziehung gestärkt wird, weil den Steuerbehörden so ein vollständiges Bild der von allen Steuerpflichtigen getätigten Umsätze vermittelt würde. Des Weiteren werden die Steuerbehörden in der Lage sein die Einhaltung des Schwellenwertes für den Umsatz der Steuerpflichtigen im Rahmen der oben genannten Befreiung zu überwachen und so die Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme dieser Regelung durch Steuerpflichtige zu bekämpfen, die in erheblichem Maße gegen die gesetzlich festgelegten Bedingungen und Anforderungen verstoßen.

    Italien zufolge sollte die beantragte Ausweitung des Anwendungsbereichs der Maßnahme für die betroffenen Steuerpflichtigen keinen erheblichen Verwaltungsaufwand mit sich bringen. Mehr als 10 % der Steuerpflichtigen, die die Steuerbefreiungen für Kleinunternehmen gemäß Artikel 282 der MwSt-Richtlinie in Anspruch nehmen, stellen ihre Rechnungen bereits über das SdI aus. Des Weiteren hat die italienische Steuerbehörde allen mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmen unentgeltlich verschiedene Lösungen zur Erstellung und Übermittlung elektronischer Rechnungen zur Verfügung gestellt. Dazu gehören ein Softwarepaket, das auf einem Computer installiert werden kann und mit dem die elektronischen Rechnungsdateien auch ohne Internetverbindung erstellt und durch einfaches Hochladen übertragen werden können, sowie eine Anwendung, die auf jedem mobilen Gerät installiert werden kann, um elektronische Rechnungen zu erstellen und zu übermitteln. Darüber hinaus hat die italienische Steuerbehörde kostenlos einen digitalen Speicherdienst zur Archivierung der Rechnungsdateien zur Verfügung gestellt, der die Einhaltung der Anforderungen an die Echtheit, Integrität und Lesbarkeit der Dateien über einen Zeitraum von 15 Jahren gewährleistet.

    KMU würden vom Wegfall der Kosten für den Druck und die Archivierung von Rechnungen, von der Verringerung des Risikos von Fehlern bei der Rechnungserstellung und vom Zugang zu einer Reihe von Online-Diensten der italienischen Steuerbehörde profitieren, die es den Steuerpflichtigen ermöglichen, die Rechnungsstellungsdaten zur Analyse ihrer Geschäftsergebnisse zu nutzen.

    Angesichts des breiten Anwendungsbereichs der Ausnahmeregelung und ihrer Ausweitung auf Steuerpflichtige, die die Steuerbefreiungen für Kleinunternehmen gemäß Artikel 282 der MwSt-Richtlinie in Anspruch nehmen, ist es wichtig, dass das notwendige Follow-up im Rahmen der Maßnahme gewährleistet ist, insbesondere in Bezug auf die Auswirkungen auf die Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug und ‑hinterziehung sowie auf die Steuerpflichtigen unter besonderer Berücksichtigung von KMU. Für den Fall, dass Italien die abweichende Regelung verlängern möchte, sollte zusammen mit dem Verlängerungsantrag ein Bericht über die Funktionsweise der Maßnahme vorgelegt werden. Darin sollte die Wirksamkeit der Maßnahme bei der Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug und ‑hinterziehung sowie bei der Vereinfachung der Steuererhebung beurteilt werden. Der Bericht sollte auch eine Bewertung der Auswirkungen der Maßnahme auf die Steuerpflichtigen, insbesondere KMU, enthalten und die Erhöhung des Verwaltungsaufwands und der Befolgungskosten ausführlich erläutern.

    Es wird vorgeschlagen, die Ermächtigung bis zum 31. Dezember 2024 zu verlängern.

    Kohärenz mit den bestehenden Vorschriften in diesem Bereich

    Artikel 218 der MwSt-Richtlinie misst Papier- und elektronischen Rechnungen gleichen Wert bei, denn darin heißt es, dass die Mitgliedstaaten als Rechnung alle auf Papier oder elektronisch vorliegenden Dokumente oder Mitteilungen anerkennen. Nach Artikel 232 der MwSt-Richtlinie unterliegt die Verwendung elektronischer Rechnungen der Zustimmung durch den Rechnungsempfänger. Die von Italien eingeführte obligatorische elektronische Rechnungsstellung weicht tatsächlich von diesen beiden Bestimmungen ab.

    Die Ausnahmeregelung kann auf der Grundlage von Artikel 395 der MwSt-Richtlinie genehmigt werden, der abweichende Sondermaßnahmen zur Vereinfachung der Mehrwertsteuererhebung oder zur Verhinderung bestimmter Formen der Steuerhinterziehung oder ‑umgehung erlaubt. Da die abweichende Regelung auf der Grundlage der von Italien vorgelegten Informationen sowohl zur Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung als auch zur Vereinfachung der Steuererhebung beigetragen hat, steht die Ausnahmeregelung im Einklang mit den bestehenden Vorschriften.

    Die Einführung einer obligatorischen elektronischen Rechnungsstellung entspricht auch der Empfehlung des Rates 4 zum nationalen Reformprogramm Italiens 2017, dass Italien 2017 und 2018 unter anderem „in umfangreicherem Maße elektronische Rechnungsstellung und Zahlung vorschreibt“.

    Schließlich nahm die Kommission im Jahr 2020 die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat Aktionsplan für eine faire und einfache Besteuerung zur Unterstützung der Aufbaustrategie 5 an. Eine der in diesem Aktionsplan vorgesehenen Maßnahmen ist die Vorlage eines Legislativvorschlags der Kommission zur Modernisierung der Mehrwertsteuermeldepflichten. In diesem Zusammenhang wird geprüft, ob die elektronische Rechnungsstellung weiter ausgebaut werden muss. Die abweichende Regelung steht daher im Einklang mit den Zielen des Aktionsplans der Kommission. Eines der Ziele des künftigen Kommissionsvorschlags besteht darin, die bestehenden und künftigen Berichterstattungsmechanismen für inländische Transaktionen zu straffen, einschließlich des durch diese abweichende Regelung genehmigten Verfahrens.

    2.RECHTSGRUNDLAGE, SUBSIDIARITÄT UND VERHÄLTNISMÄẞIGKEIT

    Rechtsgrundlage

    Artikel 395 der MwSt-Richtlinie.

    Subsidiarität (bei nicht ausschließlicher Zuständigkeit)

    In Anbetracht der Bestimmung der MwSt-Richtlinie, auf die sich der Vorschlag stützt, findet das Subsidiaritätsprinzip keine Anwendung.

    Verhältnismäßigkeit

    Der Vorschlag entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Beschluss betrifft die Ermächtigung eines Mitgliedstaats auf eigenen Antrag und stellt keine Verpflichtung dar.

    Die Einführung der obligatorischen elektronischen Rechnungsstellung ist reibungslos und ohne besondere Probleme erfolgt. Den von Italien vorgelegten Informationen zufolge hat sie dazu beigetragen, die Ziele der Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug und ‑hinterziehung zu erreichen und gleichzeitig die Steuererhebung zu vereinfachen.

    Italien beantragt die Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Steuerpflichtige, die die Steuerbefreiungen für KMU in Anspruch nehmen. Italien hat mehrere Maßnahmen ergriffen, um diese Steuerpflichtigen bei der Umstellung auf die obligatorische elektronische Rechnungsstellung zu unterstützen. Die italienische Steuerbehörde hat verschiedene Lösungen kostenlos zur Verfügung gestellt, wie z. B. ein Softwarepaket zur Installation auf Computern oder eine Anwendung für mobile Geräte, die es den Steuerzahlern ermöglicht, elektronische Rechnungen auf einfache Weise zu erstellen und zu übermitteln. Diese Maßnahmen werden diese Unternehmen von ihren laufenden Kosten für die Ausstellung und Bearbeitung von Rechnungen (wie z. B. Druck- oder Archivierungskosten) entlasten; gleichzeitig werden mögliche Fehler reduziert.

    Des Weiteren kann die italienische Steuerbehörde aufgrund der obligatorischen elektronischen Rechnungsstellung den Steuerzahlern verschiedene Online-Dienste anbieten. Es sei darauf hingewiesen, dass mehr als 10 % der Steuerpflichtigen, die die Steuerbefreiungen für KMU in Anspruch nehmen, sich bereits freiwillig für die Ausstellung elektronischer Rechnungen entschieden haben. Darüber hinaus könnten durch die Einführung der obligatorischen elektronischen Rechnungsstellung mehrere Berichtspflichten wegfallen.

    Außerdem würde durch die beantragte Ausweitung des Anwendungsbereichs der Maßnahme die Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug und ‑hinterziehung gestärkt, weil die italienischen Steuerbehörden über ein vollständiges Bild der von allen Steuerpflichtigen ausgestellten Rechnungen verfügen würden. Die Ausweitung würde es ihnen auch ermöglichen, Steuerpflichtige zu ermitteln, die in wesentlichen Punkten gegen die gesetzlich vorgeschriebenen Bedingungen und Anforderungen für die Inanspruchnahme der genannten Steuerbefreiungen für KMU verstoßen.

    Die Ausnahmeregelung ist zeitlich begrenzt, und für den Fall, dass Italien die abweichende Regelung verlängern möchte, ist zusammen mit dem Antrag ein Bericht über das Funktionieren und die Wirksamkeit der Maßnahme und insbesondere über ihre Auswirkungen auf KMU vorzulegen.

    Daher ist die Sondermaßnahme dem angestrebten Ziel – Bekämpfung der Steuerhinterziehung und Vereinfachung der Steuererhebung – angemessen.

    Wahl des Instruments

    Vorgeschlagenes Instrument: Durchführungsbeschluss des Rates.

    Gemäß Artikel 395 der MwSt-Richtlinie dürfen die Mitgliedstaaten nur dann von den gemeinsamen Mehrwertsteuervorschriften abweichen, wenn der Rat sie hierzu auf Vorschlag der Kommission einstimmig ermächtigt. Ein Durchführungsbeschluss des Rates ist das am besten geeignete Instrument, da er an einzelne Mitgliedstaaten gerichtet werden kann.

    3.ERGEBNISSE DER EX-POST-BEWERTUNGEN, DER KONSULTATION DER INTERESSENTRÄGER UND DER FOLGENABSCHÄTZUNGEN

    Folgenabschätzung

    Italien beantragte die Ermächtigung, weiterhin die obligatorische elektronische Rechnungsstellung für alle Rechnungen vorzuschreiben, die von Steuerpflichtigen mit Sitz in Italien an andere Wirtschaftsbeteiligte oder Endverbraucher ausgestellt wurden, sowie den Anwendungsbereich der Regelung auf Steuerpflichtige auszudehnen, die die Steuerbefreiungen für Kleinunternehmen in Anspruch nehmen. Die Verpflichtung zur elektronischen Rechnungsstellung soll auch für vereinfachte Rechnungen, Dokumente im Sinne von Artikel 219 der MwSt-Richtlinie und Rechnungen über steuerbefreite Umsätze gelten. Nichtansässige Steuerpflichtige können für die Übermittlung ihrer Rechnungen über das SdI optieren.

    Die Steuerpflichtigen haben ihre Systeme bereits an die Anforderungen der obligatorischen elektronischen Rechnungsstellung angepasst. Würde die Verlängerung bzw. Ausweitung nicht genehmigt, wären die bereits für diese Anpassung entstandenen Kosten für die Steuerpflichtigen verlorene Kosten, während wahrscheinlich weitere Kosten für die Anpassung an ein neues Meldesystem entstehen würden, welches anstelle der obligatorischen elektronischen Rechnungsstellung eingeführt würde.

    Italien zufolge hat die elektronische Rechnungsstellung zu spürbaren Ergebnissen bei der Bekämpfung von Steuerbetrug geführt, weil die Daten umfassender, aktueller und besser rückverfolgbar sind. Die Maßnahme wirkte auch präventiv, als Abschreckungsmittel gegen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug. Die Übermittlung von Rechnungen über das SdI hat der italienischen Steuerbehörde zeitnah und automatisch Zugang zu allen für steuerliche Zwecke relevanten Rechnungsdaten verschafft. Die Ausweitung der Maßnahme auf Steuerpflichtige, die die Steuerbefreiungen für KMU in Anspruch nehmen, wird diese Möglichkeit noch erweitern. Infolgedessen können die Steuerbehörden rechtzeitig und automatisch überprüfen, ob die erklärte Mehrwertsteuer der entrichteten Mehrwertsteuer entspricht.

    Den Schätzungen Italiens zufolge hat die Einführung der obligatorischen elektronischen Rechnungsstellung die Einhaltung der Mehrwertsteuervorschriften verbessert und zu MwSt‑Mehreinnahmen von rund 2 Mrd. EUR geführt. Sie ermöglichte indirekt auch weitere Mehreinnahmen von 580 Mio. EUR aus der Erhebung direkter Steuern. Weitere 945 Mio. EUR wurden im Jahr 2019 aufgrund von Maßnahmen zur Ermittlung und Unterbindung falscher Mehrwertsteuergutschriften eingezogen. Die Verwendung elektronischer Rechnungsstellungsdaten für das gesamte Jahr 2019 hat ebenfalls entscheidend dazu beigetragen, dass Steuerpflichtige ermittelt wurden, die die Voraussetzungen für den Status „esportatore abituale“ nicht erfüllen (MwSt-Verluste in Höhe von mehr als 1,3 Mrd. EUR aufgrund falsch angegebener Obergrenzen). Schließlich konnten durch die eingeholten Informationen Unternehmen ermittelt werden, die zwischen Ende 2019 und 2020 an innergemeinschaftlichen Betrugsmechanismen beteiligt waren, welche auf Rechnungsstellungsströmen für nichtexistierende Transaktionen in Höhe von rund 1 Mrd. EUR beruhten.

    Die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Maßnahme auf Steuerpflichtige, die die Steuerbefreiung für KMU in Anspruch nehmen, wird begleitet von abmildernden Maßnahmen, wie der unentgeltlichen Bereitstellung von Lösungen zur Erstellung und Übermittlung elektronischer Rechnungen, z. B. ein Softwarepaket für Computer oder eine Anwendung für mobile Geräte. Des Weiteren geht die Einführung der elektronischen Rechnungsstellung mit dem Wegfall anderer Anforderungen und der Erbringung zusätzlicher Dienstleistungen für Steuerpflichtige einher. Wie bereits erwähnt, würde die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Maßnahme auf Steuerpflichtige, die die Steuerbefreiungen für KMU in Anspruch nehmen, der italienischen Steuerbehörde ein vollständiges Bild der von allen Steuerpflichtigen ausgestellten Rechnungen vermitteln und ihr bei der Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug und ‑hinterziehung helfen.

    4.AUSWIRKUNGEN AUF DEN HAUSHALT

    Die Maßnahme hat keine nachteiligen Auswirkungen auf die MwSt-Eigenmittel der Union.

    2021/0357 (NLE)

    Vorschlag für einen

    DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS DES RATES

    zur Änderung des Durchführungsbeschlusses (EU) 2018/593 hinsichtlich der Dauer und des Umfangs der von den Artikeln 218 und 232 der Richtlinie 2006/112/EG abweichenden Sondermaßnahme

    DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

    gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

    gestützt auf die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 6 , insbesondere auf Artikel 395 Absatz 1,

    auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

    in Erwägung nachstehender Gründe:

    (1)Mit dem Durchführungsbeschluss (EU) 2018/593 des Rates 7 wurde Italien ermächtigt, eine von den Artikeln 218 und 232 der Richtlinie 2006/112/EG abweichende Regelung (im Folgenden „Sondermaßnahme“) einzuführen und die obligatorische elektronische Rechnungsstellung für alle in Italien ansässigen Steuerpflichtigen einzuführen, mit Ausnahme von Steuerpflichtigen, die die Steuerbefreiungen für Kleinunternehmen gemäß Artikel 282 der genannten Richtlinie in Anspruch nehmen.

    (2)Italien beantragte mit einem bei der Kommission am 31. März 2021 registrierten Schreiben die Ermächtigung, weiterhin von den Artikeln 218 und 232 der Richtlinie 2006/112/EG abweichen zu können, um auch zukünftig eine obligatorische elektronische Rechnungsstellung vorschreiben zu können. Des Weiteren beantragte Italien, den Anwendungsbereich der Sondermaßnahme auch auf Steuerpflichtige auszudehnen, die die Steuerbefreiungen für Kleinunternehmen gemäß Artikel 282 der genannten Richtlinie in Anspruch nehmen.

    (3)Die Kommission unterrichtete die anderen Mitgliedstaaten mit Schreiben vom 10. September 2021 über den Antrag Italiens. Mit Schreiben vom 13. September 2021 teilte die Kommission Italien mit, dass sie über alle zur Beurteilung des Antrags erforderlichen Angaben verfügt.

    (4)Italien trägt vor, dass mit der Einführung des Systems der obligatorischen elektronischen Rechnungsstellung, das alle ausgestellten Rechnungen durch das von der italienischen Steuerbehörde verwaltete „Sistema di Interscambio“ (SdI) leitet, alle Ziele der Maßnahme – Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung, vereinfachte Einhaltung der Steuervorschriften, effizientere Steuererhebung und Senkung der Verwaltungskosten für die Unternehmen – vollständig erreicht worden seien.

    (5)Italien ist der Auffassung, dass die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Sondermaßnahme auch auf Steuerpflichtige, die die Steuerbefreiungen für Kleinunternehmen gemäß Artikel 282 der Richtlinie 2006/112/EG in Anspruch nehmen, die Möglichkeiten der italienischen Steuerbehörde verbessern würde, Mehrwertsteuerbetrug und hinterziehung zu bekämpfen, weil der Steuerbehörde durch diese Ausweitung ein vollständiges Bild der von allen Steuerpflichtigen ausgestellten Rechnungen vermittelt würde. Des Weiteren würde diese Ausweitung es der italienischen Steuerbehörde ermöglichen, zu überwachen, ob diese Steuerpflichtigen die Voraussetzungen und Bedingungen für die Inanspruchnahme der genannten Steuerbefreiung erfüllen.

    (6)Italien trägt vor, dass die beantragte Ausweitung des Anwendungsbereichs der Sondermaßnahme keine erheblichen Kosten für die Steuerpflichtigen, die die Steuerbefreiung für Kleinunternehmen gemäß Artikel 282 der Richtlinie 2006/112/EG in Anspruch nehmen, mit sich bringen wird. Um diese Kosten abzufedern, hat Italien verschiedene kostenlose Lösungen zur Erstellung und Übermittlung elektronischer Rechnungen zur Verfügung gestellt, wie z. B. ein Softwarepaket zur Installation auf Computern und eine Anwendung für mobile Geräte. Des Weiteren geht die Einführung der elektronischen Rechnungsstellung mit dem Wegfall anderer Anforderungen einher, wie z. B. der Meldung von Rechnungsdaten zu inländischen Umsätzen, der Abgabe von Intrastat-Erklärungen über Käufe oder der Verpflichtung zur Angabe von Einzelheiten zu den von Leasing-, Miet- und Verleihunternehmen geschlossenen Verträgen. Sie ermöglichte auch die Erbringung zusätzlicher Dienstleistungen für Steuerpflichtige, wie z. B. vorab ausgefüllte Kauf- und Verkaufsbelege, die Planung der periodischen Mehrwertsteuerabrechnung, vorab ausgefüllte Jahres-Mehrwertsteuererklärungen und vorab ausgefüllte Zahlungsformulare einschließlich der zu entrichtenden, zu verrechnenden oder zu erstattenden Steuern (wobei den Steuerpflichtigen, die die elektronische Rechnungsstellung nutzen, Priorität eingeräumt wird). Diese Maßnahmen sollten die Verhältnismäßigkeit der Sondermaßnahme gewährleisten.

    (7)Die Sondermaßnahme sollte zeitlich befristet sein, damit ihre Auswirkungen auf die Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug und hinterziehung und auf Steuerpflichtige, insbesondere auf diejenigen, die die Steuerbefreiung für Kleinunternehmen gemäß Artikel 282 der Richtlinie 2006/112/EG in Anspruch nehmen, überwacht werden können.

    (8)Falls Italien die Verlängerung der Sondermaßnahme für erforderlich hält, sollte es der Kommission zusammen mit dem Antrag auf Verlängerung einen Bericht vorlegen, in dem die Wirksamkeit der Sondermaßnahme in Bezug auf die Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug und hinterziehung sowie auf die Vereinfachung der Steuererhebung bewertet wird. In diesem Bericht werden auch die Auswirkungen der Maßnahme auf Steuerpflichtige bewertet, insbesondere auf diejenigen, die die Steuerbefreiung für Kleinunternehmen gemäß Artikel 282 der Richtlinie 2006/112/EG in Anspruch nehmen.

    (9)Diese Sondermaßnahme sollte das Recht von Verbrauchern auf Erhalt von Papierrechnungen im Fall innergemeinschaftlicher Umsätze nicht beeinträchtigen.

    (10)Die abweichende Regelung wird keine nachteiligen Auswirkungen auf die Mehrwertsteuer-Eigenmittel der Union haben.

    (11)Der Durchführungsbeschluss (EU) 2018/593 sollte daher entsprechend geändert werden —

    HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

    Artikel 1

    Der Durchführungsbeschluss (EU) 2018/593 wird wie folgt geändert:

    (1) Artikel 1 erhält folgende Fassung:

    Artikel 1

    Abweichend von Artikel 218 der Richtlinie 2006/112/EG wird Italien ermächtigt, nur dann Rechnungen in Form von Dokumenten oder Mitteilungen in elektronischem Format zu akzeptieren, wenn sie von im italienischen Hoheitsgebiet ansässigen Steuerpflichtigen ausgestellt werden.“

    (2) Artikel 2 erhält folgende Fassung:

    Artikel 2

    Abweichend von Artikel 232 der Richtlinie 2006/112/EG wird Italien ermächtigt, eine Bestimmung zu erlassen, wonach die Verwendung elektronischer Rechnungen, die von im italienischen Hoheitsgebiet ansässigen Steuerpflichtigen ausgestellt wurden, nicht der Zustimmung des Rechnungsempfängers unterliegt.“

    (3) Artikel 4 erhält folgende Fassung:

    Artikel 4

    Dieser Beschluss gilt bis zum 31. Dezember 2024.

    Sollte Italien die Verlängerung der in Artikel 1 und 2 genannten Ausnahmen für erforderlich halten, so legt es der Kommission zusammen mit dem Antrag auf Verlängerung einen Bericht vor, in dem die Wirksamkeit der in Artikel 3 genannten nationalen Maßnahmen bei der Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug und ‑hinterziehung sowie bei der Vereinfachung der Steuererhebung bewertet wird. In diesem Bericht wird auch evaluiert, wie sich diese Maßnahmen auf die Steuerpflichtigen, insbesondere auf diejenigen, die die in Artikel 282 der Richtlinie 2006/112/EG genannte Steuerbefreiung für Kleinunternehmen in Anspruch nehmen, auswirken und ob sie zu einer Zunahme der Verwaltungslasten und ‑kosten führen.“

    Artikel 2

    Dieser Beschluss ist an die Italienische Republik gerichtet.

    Geschehen zu Brüssel am […]

       Im Namen des Rates

       Der Präsident//Die Präsidentin

    (1)    ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1.
    (2)    ABl. L 99 vom 19.4.2018, S. 14.
    (3)    ABl. C 261 vom 9.8.2017, S. 46.
    (4)    ABl. C 261 vom 9.8.2017, S. 46.
    (5)     https://ec.europa.eu/taxation_customs/system/files/2020-07/2020_tax_package_tax_action_plan_de.pdf  
    (6)    ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1.
    (7)    ABl. L 99 vom 19.4.2018, S. 14.
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