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Document 52021AE4839

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/631 im Hinblick auf eine Verschärfung der CO2-Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und für neue leichte Nutzfahrzeuge im Einklang mit den ehrgeizigeren Klimazielen der Union (COM(2021) 556 final — 2021/0197 (COD))

    EESC 2021/04839

    ABl. C 194 vom 12.5.2022, p. 81–86 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    12.5.2022   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 194/81


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/631 im Hinblick auf eine Verschärfung der CO2-Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und für neue leichte Nutzfahrzeuge im Einklang mit den ehrgeizigeren Klimazielen der Union

    (COM(2021) 556 final — 2021/0197 (COD))

    (2022/C 194/11)

    Berichterstatter:

    Dirk BERGRATH

    Mitberichterstatter:

    Bruno CHOIX

    Befassung

    Europäisches Parlament, 13.9.2021

    Rat, 20.9.2021

    Rechtsgrundlage

    Artikel 192 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    Zuständige Fachgruppe

    Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

    Annahme in der Fachgruppe

    13.12.2021

    Verabschiedung im Plenum

    19.1.2022

    Plenartagung Nr.

    566

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    237/1/6

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) bekräftigt seine Unterstützung für das Ziel des europäischen Grünen Deals, die EU bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Der EWSA unterstreicht des Weiteren die Bedeutung der EU-Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität, in der eine Reihe von Etappenzielen auf dem Weg zu dem ehrgeizigen Ziel festgelegt ist, den Verkehr bis 2050 fit für ein klimaneutrales Europa zu machen, indem ein „integrierter Systemansatz“ gefördert wird (1).

    1.2.

    Der EWSA teilt die Auffassung, dass es mit den Neuzulassungen von Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen in der Europäischen Union möglich sein sollte, das Ziel einer Senkung der flottenweiten Emissionen in der EU um 100 % bis 2035 zu erreichen. Der EWSA unterstützt die vorgeschlagenen EU-weiten Flottenzielwerte für die CO2-Emissionsminderung bei neuen Personenkraftwagen um 55 % (gegenüber dem Ziel für 2021) und allgemein auch das Ziel einer Reduktion um 50 % bei leichten Nutzfahrzeugen ab 2030.

    1.3.

    Der EWSA betont, dass Flottengrenzwerte ein sehr starker und wirkungsvoller Antrieb für den Technologiewandel der Branche sind. Im Einklang mit seiner früheren Stellungnahme (2) stellt der EWSA fest, dass der „Tail-pipe-Ansatz“ trotz aller Vorteile durch andere Politikinstrumente ergänzt werden muss. Das Paket „Fit für 55“ muss einem Lebenszyklusansatz folgen. Es muss vermieden werden, dass die Elektrifizierung des Straßenverkehrs zu einer Verlagerung der Emissionen zu vorgelagerten Teilen der Wertschöpfungskette führt.

    1.4.

    Der EWSA betont ausdrücklich, dass individuelle Mobilität für alle zugänglich und erschwinglich bleiben muss, insbesondere für Pendler, die keinen Zugang zu guten öffentlichen Verkehrsmitteln oder anderen Mobilitätslösungen haben (3).

    1.5.

    Die Automobilindustrie ist für die europäische Wirtschaft von strategischer Bedeutung. Die Automobilherstellung (Montage und Zulieferer) beschäftigt 2,6 Mio. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und schafft 900 000 Arbeitsplätze in Zulieferbetrieben, die zusammen 11,6 % der Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe der EU ausmachen.

    1.6.

    Angesichts der drastischen Beschleunigung, die das Paket „Fit für 55“ vor allem bei der Senkung der CO2-Emissionen in der Automobilindustrie mit sich bringen wird, werden zusätzliche Mittel, zum Beispiel in einem erweiterten Fonds für einen gerechten Übergang, nötig sein, um die sozialen Folgen von Emissionsminderungsmaßnahmen in Regionen, die von den Lieferketten der Automobilindustrie abhängen, abzufedern.

    1.7.

    Der EWSA bekräftigt seine Forderung, dass eine Bewertung eine Bestandsaufnahme in Bezug auf die Qualifizierung, Umschulung und Ausbildung der Beschäftigten sowie eine aktuelle Analyse der Bereiche enthalten sollte, in denen (zusätzlicher) Handlungsbedarf besteht, um die Kompetenzen und Qualifikationen der Beschäftigten in der Automobilindustrie für den Strukturwandel weiter zu verbessern (4). Der EWSA bekräftigt, dass diese Aspekte in die vorgeschlagenen Bestimmungen für Steuerung und Überwachung aufgenommen werden sollten.

    1.8.

    Der EWSA befürchtet, dass die Reduktionsziele kaum zu erreichen sein werden, wenn die Ladeinfrastruktur, die den Übergang flankieren muss, nicht vorhanden ist. Die Ladeinfrastruktur muss dort aufgebaut werden, wo die Menschen leben, arbeiten und ihren täglichen Beschäftigungen nachgehen.

    1.9.

    Erneuerbare und kohlenstoffarme Kraftstoffe sowie E-Fuels könnten eine gewisse Rolle bei der Senkung der CO2-Emissionen des Straßenverkehrs spielen, insbesondere bei der bestehenden Fahrzeugflotte und bei schwer elektrifizierbaren Segmenten, aber es müssen strikte Nachhaltigkeitsnormen gelten.

    2.   Kontext des Vorschlags

    2.1.

    In der Mitteilung über den europäischen Grünen Deal (5) wurde eine neue Wachstumsstrategie für die EU vorgestellt, mit der die EU zu einer fairen und wohlhabenden Gesellschaft mit einer modernen, ressourcenschonenden und wettbewerbsfähigen Wirtschaft werden soll. Damit wird das Bestreben der Kommission bekräftigt, ihre Klimaziele höherzustecken und Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen.

    2.2.

    Dieses Ziel wurde in der Mitteilung „Ein sauberer Planet für alle — eine europäische strategische, langfristige Vision für eine wohlhabende, moderne, wettbewerbsfähige und klimaneutrale Wirtschaft“ dargelegt (6).

    2.3.

    Ausgehend von einer umfassenden Folgenabschätzung schlug die Kommission in ihrer Mitteilung „Mehr Ehrgeiz für das Klimaziel Europas bis 2030“ (7) vor, in der EU ehrgeizigere Ziele zu verfolgen, und legte einen umfassenden Plan vor, um die verbindlichen EU-Zielvorgaben für 2030 dahin gehend zu erhöhen, dass die Nettoemissionen auf verantwortungsvolle Weise um mindestens 55 % gesenkt werden. Das Ziel für 2030 steht mit dem Ziel des Übereinkommens von Paris im Einklang, die Erderwärmung deutlich unter 2 oC zu halten und die Bemühungen um die Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 oC fortzusetzen. Der Europäische Rat billigte auf seiner Tagung im Dezember 2020 das neue verbindliche Ziel der EU für 2030 (8). Um diese ehrgeizigere Zielvorgabe für 2030 umzusetzen, hat die Kommission die aktuellen Rechtsvorschriften in den Bereichen Klima und Energie, nach denen die Treibhausgasemissionen bis 2030 nur um 40 % und bis 2050 um 60 % verringert werden würden, überprüft.

    2.4.

    Wie im Klimazielplan der Kommission (9) angekündigt, ist das Legislativpaket „Fit für 55“ der umfassendste Baustein im Rahmen der Anstrengungen zur Verwirklichung des ehrgeizigen neuen Klimaziels für 2030, und alle Wirtschaftszweige und Politikbereiche einschließlich des Straßenverkehrs werden dazu beitragen müssen.

    2.5.

    Die Automobilindustrie ist mit einem Anteil von über 7 % am BIP der EU von zentraler Bedeutung für die Wirtschaft der EU. Sie beschäftigt direkt oder indirekt 12,6 Mio. Europäerinnen und Europäer. Die Investitionen der EU-Automobilbranche in Forschung und Entwicklung belaufen sich auf 60,9 Mrd. EUR jährlich.

    2.6.

    Mit der Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität (10) trägt die Kommission den umfassenderen Herausforderungen des Übergangs zu einer emissionsfreien Mobilität Rechnung und legt einen Fahrplan vor, mit dem der europäische Verkehrssektor konsequent in eine nachhaltige und intelligente Zukunft geführt werden soll.

    2.7.

    Der die Strategie begleitende Aktionsplan enthält Maßnahmen, die unter anderem darauf abzielen, die Nutzung emissionsfreier Fahrzeuge und den Aufbau der dafür erforderlichen Infrastruktur zu fördern. Der Übergang zu emissionsfreien Fahrzeugen wird Umweltverschmutzung vermeiden und die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger schützen; außerdem wird, wie im Null-Schadstoff-Aktionsplan (11) dargelegt, das Null-Schadstoff-Ziel des europäischen Grünen Deals unterstützt.

    2.8.

    Die CO2-Emissionsnormen für Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge sind wichtige Faktoren für die Senkung der CO2-Emissionen des Sektors, wie in der Mitteilung „Mehr Ehrgeiz für das Klimaziel Europas bis 2030“ aufgezeigt wird. Die allgemeinen Ziele dieses Vorschlags bestehen darin, zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 beizutragen. Im Einklang mit dem Europäischen Klimagesetz sollen dazu die Nettoemissionen von Treibhausgasen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber dem Stand von 1990 gesenkt werden.

    2.9.

    Weil CO2-Emissionsnormen das Angebot neuer emissionsfreier Fahrzeuge auf dem Markt begünstigen, sind sie auch eine ergänzende Maßnahme zur Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates (12) (Erneuerbare-Energien-Richtlinie), die darauf abzielt, die CO2-Emissionen bei der Erzeugung des in Elektrofahrzeugen verwendeten Stroms zu senken und die Nutzung von erneuerbaren und kohlenstoffarmen Kraftstoffen durch die gegenwärtig verwendeten Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor zu fördern. Außerdem bestehen erhebliche Synergien zwischen den CO2-Emissionsnormen und einem verstärkten Emissionshandelssystem (EHS) (13) und der Erneuerbare-Energien-Richtlinie.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1.

    Der EWSA bekräftigt seine Unterstützung für das Ziel des europäischen Grünen Deals, die EU bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Er steht gleichfalls hinter den überarbeiteten Emissionsreduktionszielen für 2030, wie er in seiner Stellungnahme zum europäischen Klimagesetz (14) dargelegt hat.

    3.2.

    Die Verringerung der Treibhausgasemissionen der EU um mindestens 55 % bis 2030 wird erhebliche zusätzliche Anstrengungen in allen Bereichen der Wirtschaft erfordern. Dies gilt insbesondere für den Verkehr. Der Verkehrssektor gehört zu den Prioritäten des europäischen Grünen Deals, wobei das allgemeine Ziel darin besteht, die verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen bis 2050 um 90 % zu senken. Der Straßenverkehr ist für 22 % der gesamten Treibhausgasemissionen der EU und 27 % ihrer CO2-Emissionen verantwortlich (15). Amtlichen Daten zufolge waren die Emissionen aus dem Straßenverkehr 2018 um 26,8 % höher als 1990 (16). 2019 stiegen die Emissionen neuer Personenkraftwagen das dritte Jahr in Folge und erreichten 122,3 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer (g CO2/km) (17).

    3.3.

    Der EWSA unterstreicht die Bedeutung der EU-Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität, in der eine Reihe von Etappenzielen auf dem Weg zu dem ehrgeizigen Ziel festgelegt ist, den Verkehr bis 2050 für ein klimaneutrales Europa fit zu machen. Aufbauend auf früheren Strategiepapieren fördert die Strategie zu Recht einen „integrierten Systemansatz“, der sich auf mehrere einander ergänzende Instrumente zur Umgestaltung des Verkehrs stützt. Emissionsnormen spielen zwar eine zentrale Rolle, doch zur Erreichung der gesteckten Ziele sind zusätzliche Anstrengungen erforderlich, um die Infrastruktur aufzubauen, eine CO2-arme Stromerzeugung voranzutreiben und eine CO2-Bepreisung für den Verkehr einzurichten (18).

    3.4.

    Die Verordnung über CO2-Emissionsnormen für Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge ist der Eckpfeiler der EU-Strategie zur Verringerung der Emissionen in diesem Sektor. Der EWSA weist darauf hin, dass die Verordnung über CO2-Emissionen von Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen 2018 gründlich überarbeitet wurde (19). Der EWSA sieht diese jüngste Überarbeitung jedoch als nicht ausreichend an, um die im EU-Klimagesetz festgelegten Ziele für die Verringerung der Treibhausgasemissionen zu erreichen.

    3.5.

    Die Automobilindustrie ist für die europäische Wirtschaft von strategischer Bedeutung. Die Automobilherstellung (Montage und Zulieferer) beschäftigt 2,6 Mio. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und schafft 900 000 Arbeitsplätze in Zulieferbetrieben, die zusammen 11,6 % der Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe der EU ausmachen. Insgesamt sind in Europa 12,6 Mio. Menschen in der Automobilbranche beschäftigt, das entspricht 6,6 % aller Arbeitsplätze in der EU. Die EU-Automobilindustrie erwirtschaftet jährlich einen Handelsüberschuss von 76 Mrd. EUR und kommt für 33 % der gesamten FuE-Ausgaben in der EU auf. Und schließlich sind der Kauf und die Nutzung von Kraftfahrzeugen eine wichtige Steuereinnahmequelle der Mitgliedstaaten, wobei allein Deutschland jährlich fast 100 Mrd. EUR einzieht (20).

    3.6.

    Die Umsetzung der Emissionsminderungsziele für 2030 im Straßenverkehr wird enorme Anstrengungen zur Umstellung der Automobilindustrie und zur Ersetzung der bestehenden Fahrzeugflotte erfordern. Die Verbreitung von Elektrofahrzeugen in Europa nimmt zwar in vielen Mitgliedstaaten rasch zu, ist aber nach wie vor mäßig: Elektroautos machten 2019 nur 3,5 % der gesamten Pkw-Neuzulassungen aus, einschließlich batterieelektrischer Fahrzeuge und aufladbarer Hybridfahrzeuge (Plug-in-Hybrid). Der Anteil von Elektrofahrzeugen an der bestehenden Fahrzeugflotte in der EU liegt bei nur 1,2 %. (21) Die jüngsten Zahlen deuten auf einen sprunghaften Anstieg des Marktanteils batterieelektrischer Fahrzeuge auf 9,8 % und von Plug-in-Hybridfahrzeugen auf 9,1 % im dritten Quartal 2021 hin (22).

    3.7.

    Dabei ist zu bedenken, dass die Automobilindustrie der EU ihre Emissionen in einem Kontext verringern muss, in dem sie schon mit einer Reihe anderer Faktoren des Strukturwandels zu kämpfen hat, die sich bereits erheblich auf die Arbeitskräfte auswirken: Die Automatisierung und Robotisierung von Montagelinien bringt Produktivitätssteigerungen mit sich, die Folgen für die Zahl der in der Branche geleisteten Arbeitsstunden haben werden (23), der anhaltende Mangel an Halbleitern hat zu einem Einbruch der Produktion geführt, und die Pandemie und ihre Folgen haben Verkäufe und Produktion auf historische Tiefstände sinken lassen.

    3.8.

    Der EWSA betont ausdrücklich, dass individuelle Mobilität für alle zugänglich und erschwinglich bleiben muss, insbesondere für Pendler, die keinen Zugang zu guten öffentlichen Verkehrsmitteln oder anderen Mobilitätslösungen haben (24). Ein erhebliches Hindernis für das Wachstum des Elektrofahrzeugmarktes sind die hohen Anschaffungspreise, die zu höheren Abschreibungskosten für Erstbesitzer führen, die maßgeblich für den Mix im Fahrzeugbestand sind. Aus verschiedenen Berichten geht jedoch hervor, dass batterieelektrische Fahrzeuge in vielen Ländern bereits die kostengünstigste Option für die Verbraucher sind, wenn man auf die Gesamtbetriebskosten schaut (25). Die Beibehaltung angemessener Unterstützungsmaßnahmen und Anreize wird in den kommenden Jahren ausschlaggebend dafür sein, dass auch Zweit- und Drittbesitzer noch Vorteile haben. Sie werden am meisten von der Elektrifizierung profitieren.

    3.9.

    Im Mai 2020 schlug die Europäische Kommission die Einrichtung eines mit 40 Mrd. EUR ausgestatteten „Fonds für einen gerechten Übergang“ vor, mit dem Regionen, die von der Kohleindustrie und anderen CO2-intensiven Industriezweigen abhängig sind, in ihren Bemühungen um die Senkung der CO2-Emissionen unterstützt werden sollen. Im Zuge der Verhandlungen über den EU-Haushalt und den Aufbauplan der EU vereinbarten die Mitgliedstaaten, 17,5 Mrd. EUR für den Fonds für einen gerechten Übergang bereitzustellen. Angesichts der drastischen Beschleunigung, die das Paket „Fit für 55“ vor allem bei der Senkung der CO2-Emissionen in der Automobilindustrie mit sich bringen wird, werden zusätzliche Mittel nötig sein, um die sozialen Folgen von Emissionsminderungsmaßnahmen in Regionen, die von den Lieferketten der Automobilindustrie abhängen, abzufedern.

    4.   Besondere Bemerkungen

    4.1.

    Der EWSA betont, dass Flottengrenzwerte ein sehr starker und wirkungsvoller Antrieb für den Technologiewandel der Branche sind. Es ist in erster Linie dieser Regulierungsimpuls, der die europäische Automobilindustrie auf den Weg zu emissionsfreien Fahrzeugen brachte. Ehrgeizigere Flottengrenzwerte werden dazu beitragen, dass Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden kann.

    4.2.

    Der EWSA teilt die Auffassung, dass es mit den Neuzulassungen von Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen in der Europäischen Union möglich sein sollte, das Ziel einer Senkung der flottenweiten Emissionen in der EU um 100 % bis 2035 zu erreichen. Aus Sicht des EWSA kann dieses Reduktionsziel nur erreicht werden, wenn alle Rahmenbedingungen optimal ineinandergreifen und die Kunden (in der gesamten Europäischen Union) zum Umstieg auf emissionsfreie Fahrzeuge bewogen werden können. Es ist deshalb wichtig, die notwendige Ladeinfrastruktur dort aufzubauen, wo die Menschen leben, arbeiten und ihren täglichen Beschäftigungen nachgehen, und zugleich dafür zu sorgen, dass diese Ladeinfrastruktur für sie einfach zu benutzen ist.

    4.3.

    Der EWSA unterstützt die vorgeschlagenen EU-weiten CO2-Emissionsminderungsziele für neue Personenkraftwagen um 55 % (gegenüber dem Ziel für 2021) ab 2030. Der EWSA weist darauf hin, dass die zur Erreichung dieses Ziels notwendigen Entscheidungen in der Industrie angesichts der spezifischen Produktions- und Entwicklungszyklen in der Automobilindustrie jetzt getroffen werden müssen.

    4.4.

    Auch das Reduktionsziel von 50 % für leichte Nutzfahrzeuge unterstützt der EWSA zwar generell, weist aber sowohl auf den besonderen Produktions- und Entwicklungszyklus als auch auf die typische Nutzung dieser Fahrzeuge hin. Der EWSA befürchtet, dass die Reduktionsziele ohne eine einsatzbereite Ladeinfrastruktur zur Unterstützung des Übergangs kaum zu erreichen sein werden, sodass eventuell zusätzliche Kriterien festgelegt werden müssten.

    4.5.

    Der EWSA bekräftigt seine Forderung von 2018, für die (ursprünglich für 2024 geplante) Zwischenbewertung der geltenden Verordnung einen Sachstand zur Qualifizierung, Umschulung und Ausbildung der Beschäftigten sowie eine aktualisierte Analyse zu erarbeiten, in welchen Bereichen (zusätzlicher) Handlungsbedarf besteht, um die Kompetenzen und Qualifikationen der Beschäftigten in der Automobilindustrie für den Strukturwandel weiter zu verbessern (26). Der EWSA bekräftigt, dass diese Aspekte in die vorgeschlagenen Bestimmungen für Steuerung und Überwachung aufgenommen werden sollten, die sich auf Emissionsmessungen im praktischen Fahrbetrieb stützen müssen.

    4.6.

    Die Überarbeitung der Verordnung über die CO2-Normen muss auf Technologieneutralität beruhen, wobei zu bedenken ist, dass nicht alle Optionen eine hohe Energieeffizienz bieten. Der Elektroantrieb ist zwar eindeutig die wichtigste Option für die Senkung der Emissionen des Straßenverkehrs, eignet sich aber möglicherweise weniger für den Schwer- und Fernverkehr. Wie die Europäische Kommission 2018 in ihrer Mitteilung „Ein sauberer Planet für alle“ betonte, muss ein breites Spektrum an technischen Lösungen in Betracht gezogen werden, und die EU muss in ihrem Ansatz technologieneutral vorgehen. Batterien, Wasserstoff, fortgeschrittene Biokraftstoffe, Biomethan und E-Liquids werden zur Senkung der verkehrsbedingten CO2-Emissionen beitragen. Der EWSA unterstützt den Grundsatz der Technologieneutralität und betont, dass auch künftig alle Antriebsarten, die die CO2- und die Emissionsnormen im Einklang mit den Zielen des Grünen Deals erfüllen, ihren Platz im Mobilitätsmix haben müssen.

    4.7.

    Im Einklang mit seiner früheren Stellungnahme (27) stellt der EWSA fest, dass der im Verordnungsentwurf gewählte „Tailpipe-Ansatz“ trotz aller Vorteile durch andere Politikinstrumente ergänzt werden muss. Das Paket „Fit für 55“ muss einem Lebenszyklusansatz folgen. Es muss vermieden werden, dass die Elektrifizierung des Straßenverkehrs zu einer Verlagerung der Emissionen zu vorgelagerten Teilen der Wertschöpfungskette führt. Ein überarbeitetes EU-Emissionshandelssystem und die Erneuerbare-Energien-Richtlinie müssen dafür sorgen, dass die Elektrifizierung des Straßenverkehrs und die Umstellung auf eine CO2-arme Stromerzeugung im gleichen Takt erfolgen.

    4.8.

    Die derzeitige Marktakzeptanz zeigt, dass die Plug-in-Hybridtechnik als Einstiegs- und Übergangstechnologie fungieren kann, um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen. Dabei muss jedoch sichergestellt sein, dass Hybridfahrzeuge die meiste Zeit über im reinen Elektromodus betrieben werden, was häufiges Laden erfordert. Um der zunehmenden Diskussion über die irreführende Benennung von Plug-in-Hybriden zu begegnen, sollten rasch u. a. folgende Maßnahmen ergriffen werden, um den Anteil der „Elektrofahrten“ zu erhöhen:

    Die elektrische Reichweite von Plug-in-Hybridfahrzeugen muss so ausgelegt werden, dass sie dem typischen Nutzerverhalten entspricht. Bei Pkw sollte modellübergreifend eine Reichweite von etwa 80 bis 100 km unter realen Bedingungen und eine Ladekapazität von 11 kW angestrebt werden.

    Zur Unterstützung des Fahrers im Elektroantrieb müssen digitale Dienste, Informationen und intelligente Betriebsstrategien in die Fahrzeuge integriert werden.

    Daten zur fahrzeuginternen Messung des Kraftstoff- und/oder Stromverbrauchs (OBFCM) müssen über die (einheitlich definierte) OBD-II-Schnittstelle (On-board-Diagnose) unter Einhaltung des Datenschutzes durch die technischen Dienste verfügbar sein.

    Es sollten nationale Anreize für den Einsatz von Batterien (sozial gerechte CO2-Bepreisungssysteme und schrittweise Abschaffung indirekter Subventionen für fossile Brennstoffe, wie unversteuerte Tankkarten für Beschäftigte, die ein Firmenfahrzeug nutzen) gesetzt werden.

    4.9.

    Erneuerbare und kohlenstoffarme Kraftstoffe sowie E-Fuels könnten eine begrenzte Rolle bei der Senkung der CO2-Emissionen des Straßenverkehrs spielen, insbesondere bei der bestehenden Fahrzeugflotte und bei schwer elektrifizierbaren Segmenten. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass diese Kraftstoffe vorrangig für die Dekarbonisierung der Teile des Verkehrssystems benötigt werden, die — wie der Luft- und der Seeverkehr — schwer zu elektrifizieren sind. Darüber hinaus muss die EU-Rechtsetzung dafür sorgen, dass strikte Nachhaltigkeitsnormen gelten. Erstens muss durch eine Lebenszyklusanalyse sichergestellt werden, dass der CO2-Fußabdruck mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050 im Einklang steht. Zweitens muss die Verwendung dieser alternativen Kraftstoffe, selbst wenn sie nur in begrenztem Umfang stattfindet, mit den Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung im Einklang stehen. Deshalb müssen Biokraftstoffe aus Pflanzen sowie Biokraftstoffe auf Palmöl- und Sojabasis schrittweise abgeschafft werden.

    4.10.

    Der EWSA spricht sich dafür aus, die Ausnahmeregelung für Kleinserienhersteller, von denen weniger als 10 000 Personenkraftwagen oder 22 000 leichte Nutzfahrzeuge pro Jahr zugelassen werden, ab 2030 abzuschaffen. Ein allgemeiner Nischenmarkt für Fahrzeuge, die keinen Emissionszielen unterliegen, ist nicht akzeptabel. Allerdings fehlen in dem Vorschlag Bestimmungen für schwer elektrifizierbare Sonderfahrzeuge.

    Brüssel, den 19. Januar 2022

    Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Christa SCHWENG


    (1)  ABl. C 286 vom 16.7.2021, S. 158.

    (2)  ABl. C 227 vom 28.6.2018, S. 52.

    (3)  Stellungnahme des EWSA „Die EU-Mobilitätsstrategie und industrielle Wertschöpfungsketten der EU: ein Ökosystemansatz in der Automobilindustrie“ (Initiativstellungnahme), Ziffer 1.3 (ABl. C 105 vom 4.3.2022, S. 26).

    (4)  ABl. C 227 vom 28.6.2018, S. 52, Ziffern 1.6 und 4.13.

    (5)  COM(2019) 640 final.

    (6)  COM(2018) 773 final.

    (7)  COM(2020) 562 final.

    (8)  Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 10./11. Dezember 2020, EUCO 22/20 CO EUR 17 CONCL 8.

    (9)  COM(2020) 562 final.

    (10)  COM(2020) 789 final.

    (11)  COM(2021) 400 final. Siehe in diesem Zusammenhang auch die Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 vom 11.6.2008, S. 1) und die Richtlinie (EU) 2016/2284 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2016 über die Reduktion der nationalen Emissionen bestimmter Luftschadstoffe, zur Änderung der Richtlinie 2003/35/EG und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/81/EG (ABl. L 344 vom 17.12.2016, S. 1).

    (12)  Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 82).

    (13)  ABl. L 275 vom 25.10.2003, S. 32.

    (14)  ABl. C 364 vom 28.10.2020, S. 143.

    (15)  https://unfccc.int/documents/275968

    (16)  https://www.eea.europa.eu/data-and-maps/indicators/transport-emissions-of-greenhouse-gases-7/assessment

    (17)  https://www.eea.europa.eu/highlights/average-car-emissions-kept-increasing

    (18)  ABl. C 286 vom 16.7.2021, S. 158.

    (19)  ABl. C 227 vom 28.6.2018, S. 52.

    (20)  Angaben der ACEA für 2021 https://www.acea.auto/files/ACEA_Pocket_Guide_2021-2022.pdf.

    (21)  EU + Großbritannien, Norwegen, Island: https://www.eea.europa.eu/data-and-maps/indicators/proportion-of-vehicle-fleet-meeting-5/assessment; batteriebetriebene Fahrzeuge 0,4 % und Hybridfahrzeuge 0,8 % nach Angaben der ACEA für 2021.

    (22)  https://www.acea.auto/fuel-pc/fuel-types-of-new-cars-battery-electric-9-8-hybrid-20-7-and-petrol-39-5-market-share-in-q3-2021/

    (23)  Siehe Veröffentlichung des Fraunhofer-Instituts, ELAB 2.0.

    (24)  Stellungnahme des EWSA „Die EU-Mobilitätsstrategie und industrielle Wertschöpfungsketten der EU: ein Ökosystemansatz in der Automobilindustrie“ (Initiativstellungnahme), Ziffer 1.3 (ABl. C 105 vom 4.3.2022, S. 26).

    (25)  https://www.beuc.eu/publications/beuc-x-2021-039_electric_cars_calculating_the_total_cost_of_ownership_for_consumers.pdf

    (26)  ABl. C 227 vom 28.6.2018, S. 52, Ziffern 1.6 und 4.13.

    (27)  ABl. C 227 vom 28.6.2018, S. 52.


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