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Document 52021AE2032

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Gemeinsamen Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Überprüfung der Handelspolitik — Eine offene, nachhaltige und entschlossene Handelspolitik“ (COM(2021) 66 final)

    EESC 2021/02032

    ABl. C 374 vom 16.9.2021, p. 73–78 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    16.9.2021   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 374/73


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Gemeinsamen Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Überprüfung der Handelspolitik — Eine offene, nachhaltige und entschlossene Handelspolitik“

    (COM(2021) 66 final)

    (2021/C 374/12)

    Berichterstatter:

    Timo VUORI

    Mitberichterstatter:

    Christophe QUAREZ

    Befassung

    Europäische Kommission, 26.3.2021

    Rechtsgrundlage

    Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    Zuständige Fachgruppe

    Fachgruppe Außenbeziehungen

    Annahme in der Fachgruppe

    16.6.2021

    Verabschiedung auf der Plenartagung

    8.7.2021

    Plenartagung Nr.

    562

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    208/2/1

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die neue handelspolitische Strategie der EU. Zusätzlich zur globalen Pandemie gibt es Chancen und Risiken im Zusammenhang mit dem Welthandel und der europäischen Wirtschaft. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, die globalen und EU-Handelsregeln zu überdenken. Um die richtigen Instrumente zu entwickeln, muss die EU zunächst die Veränderungen im Handel analysieren und quantifizieren und dabei zwischen vorübergehenden bzw. COVID-19-bedingten und dauerhaften Veränderungen unterscheiden.

    1.2.

    Der EWSA befürwortet den Grundsatz der Förderung einer „offenen, strategischen und entschlossenen“ Handelspolitik als Mittel zur Verbesserung des Marktzugangs und zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen. In der Praxis muss diese Politik für nachhaltiges Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, menschenwürdige Arbeit und bessere Verbraucherentscheidungen in Europa sorgen. Eine positive wirtschaftliche Entwicklung erfordert eine solide Kombination externer und interner Maßnahmen. Die Handelspolitik ist nur ein Teil der Lösung (1).

    1.3.

    Der EWSA stimmt zu, dass die Modernisierung der Welthandelsorganisation (WTO) oberste Priorität besitzt, da sie eine zentrale Rolle für ein effektives Modell multilateraler Beziehungen mit einer modernen Handelsagenda spielt, die auch ökologische und soziale Aspekte zu berücksichtigt. Die EU muss daher ehrgeizige Reformen der WTO vorantreiben und eine moderne WTO-Agenda fördern, indem sie Tabus (d. h. soziale Aspekte des Handels) abbaut und aktuelle und künftige Herausforderungen nachhaltig angeht. Zu diesem Zweck fordert der EWSA die EU und die Mitgliedstaaten auf, eine strategische Zusammenarbeit mit wichtigen Handelspartnern in prioritären multilateralen Fragen zu entwickeln (2).

    1.4.

    Nach Ansicht des EWSA sollte die EU bessere multilaterale und bilaterale Handelsregelungen und -standards im Zusammenhang mit Herausforderungen wie Klima- und sozialer Wandel, Landwirtschaft, Korruptionsbekämpfung, wirtschaftliche und Steuerfragen, Digitalisierung, Umweltschutz, biologische Vielfalt, Kreislaufwirtschaft und Gesundheitssicherheit fördern (3).

    1.5.

    Der EWSA macht seit Langem geltend, dass Nachhaltigkeit eine Antriebskraft für die Handelspolitik sein sollte, da der Handel bei der Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen eine Schlüsselrolle spielen kann. Er begrüßt daher den Fokus auf Nachhaltigkeit in der EU-Handelspolitik und die Tatsache, dass die Einhaltung des Übereinkommens von Paris ein wesentliches Element künftiger Handels- und Investitionsabkommen sein wird. Der EWSA bekräftigt seine Forderung, dass dieser wichtige Aspekt auch für die grundlegenden Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) gelten sollte (4).

    1.6.

    Der EWSA fordert eine entschlossene Stärkung der Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung und deren Durchsetzbarkeit in bilateralen Handels- und Investitionsabkommen der EU. Die bevorstehende Überprüfung der Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung (5) ist integraler Bestandteil der Handelsstrategie der EU.

    1.7.

    Der EWSA befürwortet voll und ganz die Stärkung der Nachhaltigkeit in globalen Wertschöpfungsketten (6). Die EU-Handelspolitik muss die internationalen Bestrebungen zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen in globalen Lieferketten fördern. Dazu sind Instrumente gegen Korruption und Umwelt-, Arbeits-, Sozial- und Menschenrechtsverstöße zu entwickeln. Der EWSA ist der Ansicht, dass die EU ehrgeizige EU-Rechtsvorschriften ausarbeiten muss, z. B. zur Sorgfaltspflicht in Lieferketten und zur Nachhaltigkeit bei der Vergabe öffentlicher Aufträge.

    1.8.

    Der EWSA bedauert den fehlenden Verweis auf die entscheidende Rolle der Zivilgesellschaft im Handel und betont, dass die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft von der Gestaltung bis zur Überwachung der Handelsinstrumente und -abkommen verstärkt werden muss. Er fordert die Wiedereinsetzung der Sachverständigengruppe für Freihandelsabkommen (FHA), die sich außerordentlich engagiert, eingehend und regelmäßig mit spezifischen Handelsfragen befasst hat und deren Tätigkeit dringend erforderlich ist. Er betont ferner, dass die internen Beratungsgruppen (DAG), die wesentliche Säulen der institutionellen Überwachung moderner Freihandelsabkommen sind, gestärkt werden müssen.

    1.9.

    Der EWSA stellt fest, dass die EU ein besseres Verständnis der Bedeutung globaler Wertschöpfungsketten und ihrer Auswirkungen auf Unternehmen und die Bürgerinnen und Bürger haben muss. Die Diversifizierung von Bezugsquellen kann stärker zur Widerstandsfähigkeit beitragen als deren Beschränkung. Ebenfalls hilfreich wäre die Einrichtung von Überwachungsmechanismen zur Vermeidung einer Konzentration von Bezugsquellen auf Unternehmensebene sowie bei der Vergabe öffentlicher Aufträge.

    1.10.

    Der EWSA unterstützt die Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Wertschöpfungsketten, insbesondere durch verstärkte Tragfähigkeit. Die Wirtschaft der EU hängt von globalen Lieferketten ab, und die „Autonomie der EU“ muss dieser Realität Rechnung tragen. Die COVID-19-Krise hat gezeigt, dass die Autonomie der EU in kritischen und strategischen Bereichen gestärkt werden muss, und es ist wichtig, dass die EU zunächst ihre Schwachstellen bewertet. Der EWSA unterstützt die Bemühungen der EU um verbindliche Sorgfaltspflichten in Lieferketten als Mittel zur Stärkung ihrer Widerstandsfähigkeit, um Unternehmen bei der Ermittlung von Risiken im Zusammenhang mit Sozial- und Umweltstandards zu unterstützen. Der EWSA befürwortet in diesem Zusammenhang die Arbeiten an einem neuen Abkommen der Vereinten Nationen über Wirtschaft und Menschenrechte und einem IAO-Übereinkommen über menschenwürdige Arbeit in globalen Lieferketten (7).

    1.11.

    Der EWSA betont, wie wichtig es ist, Nutzen aus einer breiten Palette von EU-Freihandelsabkommen zu ziehen, die den Werten der EU und internationalen Standards Rechnung tragen. In den Fällen, in denen die WTO nicht tätig werden kann oder den Interessen der EU nicht in vollem Umfang gerecht wird, sollte die EU auf solche Abkommen mit führenden und aufstrebenden Volkswirtschaften im internationalen Handel setzen. Wenngleich die EU über ein weitreichendes Netz von Handelsabkommen verfügt, werden über 60 % des EU-Außenhandels immer noch außerhalb von Präferenzabkommen auf der Grundlage der allgemeinen WTO-Regeln abgewickelt.

    1.12.

    Der EWSA fordert die EU auf, ehrgeizige EU-Freihandelsabkommen mit Handelspartnern abzuschließen — insbesondere in Asien und Amerika. In Bezug auf den Aufbau strategischer Partnerschaften der EU mit Nachbarstaaten und Erweiterungsländern, einschließlich Länder des Mittelmeerraums und Afrikas, unterstreicht der EWSA die strategische Bedeutung der Vertiefung von Partnerschaften — insbesondere mit den USA. Darüber hinaus muss die EU die Handelsbeziehungen weiter verbessern und gleiche Wettbewerbsbedingungen mit Asien und Lateinamerika schaffen.

    1.13.

    Der EWSA stellt fest, dass die EU ausgehandelte Handels- und Investitionsabkommen im Interesse ihres Ansehens als Handelspartner reibungsloser bis zur Ratifizierung führen muss. Die Kommission muss von der Mandatserteilung an während der gesamten Verhandlungen (8) mit dem Europäischen Parlament und der Zivilgesellschaft, insbesondere über den EWSA, zusammenarbeiten, um Bedenken Rechnung zu tragen und aufzugreifen und so für reibungslosere Ratifizierungsprozesse zu sorgen.

    1.14.

    Der EWSA begrüßt konkrete Maßnahmen, um die bestehenden EU-Freihandelsabkommen umzusetzen, voranzubringen und ihre wirksame Durchführung sicherzustellen. Diese Abkommen sind wertvolle Instrumente der EU, um den Waren- und Dienstleistungsstrom in globalen Lieferketten zu unterstützen und eine bessere Widerstandsfähigkeit der EU sicherzustellen. Der Leitende Handelsbeauftragte der EU sollte die Kohärenz der Umsetzung und Durchsetzung von EU- und WTO-Abkommen, einschließlich der Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung, fördern.

    1.15.

    Der EWSA begrüßt, dass die EU ihre Werte und Handelsverpflichtungen entschlossen und auch unilateral verteidigen will, wenn alle anderen Optionen versagen. Alle möglichen politischen und wirtschaftlichen Folgen solcher Entscheidungen sollten dabei berücksichtigt werden.

    1.16.

    Der EWSA tritt dafür ein, dass die EU auch weiterhin ihre Handelshilfe dazu einsetzen wird, Entwicklungsländer bei der Umsetzung von Handelsabkommen zu unterstützen und die Einhaltung von Regeln und Standards, insbesondere im Hinblick auf die nachhaltige Entwicklung, zu fördern.

    1.17.

    Der EWSA betont, dass für den EU-Agrarsektor gleiche Wettbewerbsbedingungen sichergestellt werden müssen. Der Marktzugang zu Drittländern für europäische Agrarerzeugnisse sollte verbessert werden. Umgekehrt müssen aus Drittländern eingeführte Erzeugnisse die europäischen Nachhaltigkeits- und Lebensmittelsicherheitsstandards erfüllen. Die EU-Freihandelsabkommen müssen den Gesundheits- und Pflanzenschutzbestimmungen der EU sowie dem Vorsorgeprinzip entsprechen (9).

    1.18.

    Der EWSA begrüßt, dass kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in der neuen Handelspolitik auf allen Ebenen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird (10). Er fordert erneut verstärkte Anstrengungen zur Information über die Auswirkungen des internationalen Handels auf Unternehmen und Menschen.

    2.   Allgemeine Bemerkungen

    2.1.

    Der EWSA begrüßt die Forderung der Kommission nach einem Meinungs- und Gedankenaustausch darüber, wie eine neue EU-Handelspolitik im Dienste von Unternehmen und Menschen sichergestellt werden kann. Er teilt insbesondere die Dringlichkeit dieser Überprüfung angesichts der konkreten Rolle, die der Handel bei der Erholung von der COVID-19-Pandemie spielen kann. Der Handel ist eine Priorität des EWSA, weshalb er in der breit angelegten öffentlichen Konsultation umfassend behandelt wurde (11).

    2.2.

    Der internationale Handel ist für die Wirtschaft Europas und seine Bevölkerung lebenswichtig. Er sorgt für 35 Mio. Arbeitsplätze in der EU, von denen 45 % von ausländischen Investitionen abhängen, und 85 % aller EU-Exporte entfallen auf KMU. 43 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der EU entfallen auf den internationalen Handel. Der EU-Binnenmarkt mit 450 Mio. Verbraucherinnen und Verbrauchern und einem Pro-Kopf-BIP in Höhe von 25 000 EUR macht die EU zum weltweit größten und attraktiven Verbrauchermarkt. Die EU ist weltweit führend im Agrar- und Lebensmittelhandel, und gehört für über 80 Länder zu den wichtigsten Handelspartnern. Zusammengefasst macht dies die EU zum größten Akteur im Welthandel. Die EU-Wirtschaft ist stark mit dem Rest der Welt verflochten.

    Die Bedeutung eines offenen und inklusiven internationalen Handels für die Wirtschaft und Menschen Europas

    2.3.

    Der EWSA befürwortet, dass die EU ihre wichtigste handelspolitische Aufgabe fortsetzt: die Öffnung der Märkte für europäische Waren, Dienstleistungen, Investitionen und öffentliche Aufträge, den Abbau und die Beseitigung ungerechtfertigter Handelshemmnisse in Drittländern und die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen durch internationale und bilaterale Handelsregelungen. Zudem hält es der EWSA für wesentlich, dass die Handelspolitik die Werte der EU und internationale Standards sowie die nachhaltige Entwicklung fördert, den Klimawandel bekämpft und die Sicherheit stärkt.

    2.4.

    Der EWSA begrüßt, dass die handelspolitische Strategie einige Anliegen der Interessenträger, die während der öffentlichen Konsultation vorgebracht wurden, berücksichtigt. Es fehlen jedoch Überlegungen darüber, wie die Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die Handelspolitik verbessert werden kann (12). Der EWSA unterstreicht, dass eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft auf einzelstaatlicher und EU-Ebene — über die Überprüfung des bisherigen zivilgesellschaftlichen Dialogs hinaus — notwendig ist, um sicherzustellen, dass die Handelspolitik einen Mehrwert für die Unternehmen und Bevölkerung Europas schafft.

    2.5.

    Die COVID-19-Krise hat die Anfälligkeit des Welthandelssystems und in Bezug auf die Arbeitnehmer in den Lieferketten (13) im Fall einer Gesundheitskrise verdeutlicht. Der Verlust der Kontrolle über die Wertschöpfungsketten und die Einsicht in die industrielle Abhängigkeit der EU lösten Fragen hinsichtlich der Verbindungen zwischen Gesundheit und Handel aus.

    3.   Besondere Bemerkungen

    Geschickter Einsatz der „offenen strategischen Autonomie“

    3.1.

    Der EWSA befürwortet das Konzept der offenen strategischen Autonomie der EU. Die EU muss einen strategischen Ansatz verfolgen, um dank einer modernen EU-Handels- und Investitionspolitik Offenheit und gleiche Wettbewerbsbedingungen aufrechtzuerhalten. Sie muss einen regelbasierten offenen und fairen Handel fördern und Unternehmen, Arbeitnehmer und Verbraucher vor unlauteren Handelspraktiken schützen.

    3.2.

    Die Stärkung der Widerstandsfähigkeit und Nachhaltigkeit ist eine strategische Entscheidung für die EU. Es gilt, das richtige Gleichgewicht zwischen Offenheit und Autonomie der europäischen Wirtschaft zu finden. Nachhaltigkeit ist eine unabdingbare Voraussetzung für Widerstandsfähigkeit.

    Stärkung der Widerstandsfähigkeit und Nachhaltigkeit der Wertschöpfungsketten — ein besseres Verständnis

    3.3.

    Die EU-Handelspolitik kann angesichts der tiefgreifenden Integration unserer Wirtschaft in die globalen Wertschöpfungsketten bei der Erholung nach der COVID-19-Krise eine entscheidende Rolle spielen.

    3.4.

    Die EU muss ihre Abhängigkeit von der Welt und den globalen Lieferketten eingehend bewerten. Widerstandsfähigkeit bei Importen kann durch Diversifizierung der Versorgungsquellen erreicht werden (14).

    3.5.

    Die Koordinierung und Widerstandsfähigkeit auf multilateraler Ebene, insbesondere auf der Ebene der Vereinten Nationen einschließlich IAO, der WTO und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), muss verbessert werden. So muss die EU beispielsweise internationale Instrumente wie die Erklärung über multinationale Unternehmen der IAO (15) oder die neuen Qualitätsindikatoren für ausländische Direktinvestitionen der OECD bezüglich der Auswirkungen der nachhaltigen Entwicklung besser nutzen (16). Sie muss die Erweiterung des WTO-Pharma-Abkommens durch die Aufnahme weiterer Erzeugnisse und Länder unterstützen. Außerdem sollte die Liberalisierung des Handels mit Medizintechnik und Gesundheitsprodukten fortgesetzt werden.

    3.6.

    Die EU wird auch weiterhin von Einfuhren verschiedener Waren und Dienstleistungen abhängig sein — von Rohstoffen bis hin zu Hochtechnologie. Es muss sichergestellt werden, dass der EU-Markt offen bleibt. Im Bereich der digitalen Wirtschaft muss die EU eine „intelligente technologische Souveränität“ fördern, in deren Rahmen der digitale Handel einen reibungslosen Fluss von Innovationen sowie High-Tech-Waren und -Dienstleistungen ermöglicht. Gleichzeitig müssen die europäischen Werte und Standards in Bezug auf Datenschutz und Cybersicherheit geschützt werden.

    3.7.

    Die EU kann die Rückverlagerung der Produktion nach Europa unterstützen, indem sie ein besseres Unternehmensumfeld für Investitionen, Innovation und Produktion schafft. Die Diversifizierung von Lieferketten kann eine wichtige Maßnahme zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit sein. Die EU muss Unternehmen daher in ihrer Geschäftspolitik unterstützen, indem sie durch bilaterale EU-Freihandelsabkommen und den EU-Binnenmarkt für solide und faire Unternehmensbedingungen sorgt.

    Notwendigkeit einer WTO-Reform und weltweiter Regeln für eine nachhaltigere und fairere Globalisierung

    3.8.

    Der EWSA befürwortet die aktive Rolle der EU bei der Gestaltung weltweiter Regeln (17). Das Jahr 2021 könnte ein Wendepunkt in der Welthandelsordnung sein. Der EWSA befürwortet daher das Engagement der EU für das offene, regelbasierte multilaterale Handelssystem mit einer reformierten WTO (18). Die EU und die Mitgliedstaaten müssen ihren Einfluss nutzen und proaktiv strategische Bündnisse mit gleichgesinnten Partnern schließen, um die Einhaltung der von der IAO festgelegten und überwachten internationalen Arbeitsnormen im Rahmen der WTO-Reformdebatte sicherzustellen. Als positives Beispiel und als Gelegenheit, zur Untermauerung dieses ehrgeizigen Neuansatzes begrüßt der EWSA den jüngsten Vorschlag der USA, das globale Problem der Zwangsarbeit auf Fischereifahrzeugen in den laufenden WTO-Verhandlungen über Fischereisubventionen (19) anzugehen.

    Förderung des ökologischen Wandels mit verantwortungsvollen und nachhaltigen Wertschöpfungsketten

    3.9.

    Die EU-Handelspolitik sollte im Einklang mit der EU-Politik des grünen Deals stehen, einschließlich der neuen Anforderungen in Bezug auf den digitalen, grünen und gerechten Wandel. Wichtig ist daher, Vorbereitungen für neue Instrumente wie das CO2-Grenzausgleichssystem zu treffen, das mit den Regeln der WTO vereinbar, im Kampf gegen den Klimawandel effektiv und für die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Industrie nützlich sein muss (20). Der EWSA befürwortet die Aufnahme eines Dialogs mit Drittländern und wichtigen Handelspartnern wie den USA und China (21).

    3.10.

    Globale Lieferketten sind wesentliche Elemente des internationalen Handels und der Wirtschaft. Durch ihre Komplexität, Vielfältigkeit und Fragmentierung bergen sie gleichermaßen Chancen wie Risiken. Nach Auffassung des EWSA muss die EU mehr Daten über die positiven und negativen Auswirkungen globaler Lieferketten auf die EU sammeln (22).

    Nutzung der regulatorischen Wirkung der EU

    3.11.

    Die EU ist der weltweit größte Handelspartner im Dienstleistungsbereich. Die EU-Handelspolitik kann ein globales Unternehmensumfeld unterstützen, in dem EU-Dienstleistungsanbieter wachsen, innovativ und wettbewerbsfähig sein können. Insbesondere aufgrund von COVID-19-bedingten Änderungen ist der digitale Handel auf globaler Ebene von großer Bedeutung. Die EU muss ein rasches und ehrgeiziges WTO-Übereinkommen über den digitalen Handel anstreben.

    3.12.

    Die Handelspolitik der EU sollte Maßnahmen ergänzen, die in anderen internationalen Regulierungsorganisationen wie der OECD im Bereich der Wirtschafts- und Steuersysteme erarbeitet werden. Sie sollte die Einrichtung wirksamer Systeme der Zusammenarbeit mit den Steuer-, Strafverfolgungs- und Justizbehörden der Partnerländer unterstützen.

    3.13.

    Die Strategie sollte die EU optimal dazu befähigen, alle unilateralen, bilateralen und multilateralen Instrumente zu aktivieren: die Verbindlichkeit der Kapitel über „nachhaltige Entwicklung“ in Handels- und Investitionsabkommen, die handelspolitischen Schutzinstrumente, die Filterung ausländischer Investitionen, die Bekämpfung von Handelshemmnissen, die Befassung des WTO-Streitbeilegungsgremiums oder die Mechanismen zur Konsultation und Beilegung von Streitigkeiten in bilateralen Handelsabkommen.

    3.14.

    Die EU braucht wirksame handelspolitische Schutzinstrumente: kürzere Fristen für die Einführung vorläufiger Maßnahmen, weniger Untersuchungsaufwand für die europäischen Unternehmen und stärkere Instrumente bei ausländischen Subventionen. Die EU könnte über die Durchsetzungsverordnung hinaus ein Ad-hoc-Instrument in Erwägung ziehen, mit dem die Marktzugangsbedingungen angepasst werden können, wenn keine gegenseitigen Verpflichtungen bestehen bzw. wenn Praktiken den geschäftlichen Interessen der EU erheblich schaden.

    3.15.

    Neue Partnerländer im Rahmen neuer EU-Freihandelsabkommen sollten als Vorbedingung für den Abschluss eines Handelsabkommens nachweisen, dass sie die Kernarbeitsnormen der IAO in vollem Umfang einhalten. Diese Normen müssen ein wesentlicher Bestandteil eines jeden Freihandelsabkommens sein. Falls ein Partnerland diese Übereinkommen nicht ratifiziert oder ordnungsgemäß umgesetzt hat oder kein gleichwertiges Schutzniveau nachgewiesen hat, fordert der EWSA die Aufstellung eines verbindlichen und durchsetzbaren Fahrplans für die Ratifizierung mit technischer Unterstützung der IAO. Dieser Fahrplan sollte auch Teil der Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung sein, um sicherzustellen, dass diese Verpflichtungen zeitnah erfüllt werden.

    3.16.

    Darüber hinaus muss jedes Freihandelsabkommen der EU auf einer wirksameren Evaluierungspolitik der EU beruhen, mit der die wirtschaftlichen und nachhaltigkeitsspezifischen Folgenabschätzungen und Ex-post-Bewertungen nach fünf Jahren verbessert werden (23). Es gilt, zur Abfederung möglicher negativer Effekte Ausgleichsmaßnahmen vorzusehen. Schließlich muss die EU ihre Instrumente stärken und besser nutzen, um die Voraussetzungen für einen fairen Wettbewerb mit Drittländern zu schaffen.

    3.17.

    Öffentliche Aufträge in der EU sollten nur Unternehmen aus Ländern offenstehen, die die Kernübereinkommen der IAO und das Pariser Klimaschutzübereinkommen einhalten. Die EU hat ihr öffentliches Beschaffungswesen für Drittstaaten geöffnet, wobei viele dieser Länder der EU noch keinen vergleichbaren Zugang gewähren. Dies schadet den europäischen Unternehmen. Es ist von wesentlicher Bedeutung, die Verordnung über ein internationales Instrument über öffentliche Aufträge zu verabschieden, um die Position der EU zu stärken. Die Freihandelsabkommen der EU müssen bewährte Verfahren für die Berücksichtigung ökologischer und sozialer Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge fördern (24).

    3.18.

    Die EU muss weiterhin ihre Handelshilfe dazu einsetzen, Entwicklungsländer bei der Umsetzung von Handelsabkommen zu unterstützen und die Einhaltung von Regeln und Standards, insbesondere im Hinblick auf die nachhaltige Entwicklung, zu fördern. Sie muss gerechte und florierende Wirtschaftsbeziehungen mit den Entwicklungsländern aufbauen, um die Armut zu verringern und menschenwürdige Arbeitsplätze zu schaffen. Es gilt, eine engere Verbindung zwischen dem präferenziellen Zugang zum EU-Markt und der Einhaltung internationaler Standards wie Arbeits- und Menschenrechte herzustellen.

    Brüssel, den 8. Juli 2021

    Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Christa SCHWENG


    (1)  ABl. C 364 vom 28.10.2020, S. 108, ABl. C 47 vom 11.2.2020, S. 38.

    (2)  ABl. C 364 vom 28.10.2020, S. 53.

    (3)  ABl. C 364 vom 28.10.2020, S. 37.

    (4)  ABl. C 129 vom 11.4.2018, S. 27.

    (5)  Eine Initiativstellungnahme hierzu (REX/535) soll im September 2021 verabschiedet werden.

    (6)  ABl. C 429 vom 11.12.2020, S. 197.

    (7)  ABl. C 97 vom 24.3.2020, S. 9.

    (8)  Eine Initiativstellungnahme hierzu (REX/536) soll Anfang 2022 verabschiedet werden.

    (9)  ABl. C 429 vom 11.12.2020, S. 66.

    (10)  ABl. C 429 vom 11.12.2020, S. 210.

    (11)  Begleitausschuss Internationaler Handel — Beitrag zur Überprüfung der Handelspolitik, September 2020.

    (12)  Eine Initiativstellungnahme hierzu (REX/536) soll Anfang 2022 verabschiedet werden.

    (13)  ABl. C 429 vom 11.12.2020, S. 197.

    (14)  ECIPE Occasional paper 06/2020 Globalization Comes to the Rescue: How Dependency Makes Us More Resilient; Kommers Kollegium Report on Improving Economic Resilience Through Trade, 2020.

    (15)  Dreigliedrige Grundsatzerklärung über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik (2017).

    (16)  https://www.oecd.org/investment/fdi-qualities-indicators.htm.

    (17)  ABl. C 364 vom 28.10.2020, S. 53.

    (18)  ABl. C 159 vom 10.5.2019, S. 15.

    (19)  Zwangsarbeit auf Fischereifahrzeugen, Eingabe der Vereinigten Staaten an die WTO, 26. Mai 2021, https://ustr.gov/sites/default/files/IssueAreas/Trade%20Organizations/WTO/US.Proposal.Forced.Labor.26May2021.final%5B2%5D.pdf.

    (20)  ABl. C 429 vom 11.12.2020, S. 122; kommende Stellungnahme NAT/834 zum CO2-Grenzausgleichssystem.

    (21)  ABl. C 364 vom 28.10.2020, S. 37.

    (22)  ABl. C 429 vom 11.12.2020, S. 197.

    (23)  ABl. C 47 vom 11.2.2020, S. 38.

    (24)  ABl. C 429 vom 11.12.2020, S. 197.


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