Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52020PC0024

Vorschlag für einen BESCHLUSS DES RATES zur Ermächtigung der Mitgliedstaaten, das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation gegen Gewalt und Belästigung von (Nr. 190 von 2019) im Interesse der Europäischen Union zu ratifizieren

COM/2020/24 final

Brüssel, den 22.1.2020

COM(2020) 24 final

2020/0011(NLE)

Vorschlag für einen

BESCHLUSS DES RATES

zur Ermächtigung der Mitgliedstaaten, das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation gegen Gewalt und Belästigung von (Nr. 190 von 2019) im Interesse der Europäischen Union zu ratifizieren


BEGRÜNDUNG

 

1.GEGENSTAND DES VORSCHLAGS

Der vorgeschlagene Beschluss des Rates wird den Mitgliedstaaten die Ratifizierung des Übereinkommens über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), das auch als Übereinkommen Nr. 190 gegen Gewalt und Belästigung von 2019 bezeichnet wird (im Folgenden: Übereinkommen), für die in die Zuständigkeit der Union fallenden Angelegenheiten ermöglichen.

2.KONTEXT DES VORSCHLAGS

Wie die #metoo- und ähnliche Bewegungen kürzlich gezeigt haben, sind (auch geschlechtsspezifische) Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz auf der ganzen Welt allgegenwärtig. Es müssen bessere Präventionsmaßnahmen getroffen und die Opfer geschützt werden.

Deshalb hat die 108. Internationale Arbeitskonferenz (zum hundertjährigen Jubiläum) am 21. Juni 2019 das IAO-Übereinkommen Nr. 190 gegen Gewalt und Belästigung sowie die Empfehlung Nr. 206 gegen Gewalt und Belästigung (im Folgenden: Empfehlung) verabschiedet.

Das Übereinkommen ist das erste völkerrechtliche Instrument, in dem spezifische, weltweit gültige Standards für die Bekämpfung von Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz und konkrete Maßnahmen festgelegt werden, die Staaten und andere einschlägige Akteure umsetzen müssen. Dem Übereinkommen und der Empfehlung liegt ein inklusives, integriertes und geschlechtersensibles Konzept für die Prävention und Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt zugrunde.

Die Europäische Union (EU) setzt sich sowohl innerhalb der EU als auch im Rahmen ihrer Außenbeziehungen für die Förderung der Menschenrechte und menschenwürdige Arbeit (hierzu gehören auch sichere und gesunde Arbeitsbedingungen), für die Gleichstellung von Frauen und Männern und für die Beendigung von Diskriminierung ein.

In der EU haben die Sozialpartner auf europäischer Ebene im Jahr 2007 eine „Rahmenvereinbarung zu Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz“ 1 geschlossen, nachdem die Kommission eine Anhörung der Sozialpartner auf europäischer Ebene zu Gewalt am Arbeitsplatz und deren Auswirkungen auf die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz durchgeführt hatte 2 . Diese bietet Arbeitgebern, Arbeitnehmern und deren Vertretern einen maßnahmenorientierten Rahmen, der dazu dient, Probleme der Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz zu ermitteln, zu verhindern und zu bewältigen.

Es liegt im Interesse der EU, sich im Einklang mit ihrem eigenen Rechtsrahmen für die Umsetzung eines völkerrechtlichen Instruments zur Bekämpfung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt einzusetzen, denn das Übereinkommen betrifft bestimmte Gebiete des Unionsrechts, die Europäische Union kann ihm jedoch nicht beitreten. Der Inhalt des Übereinkommens widerspricht nicht dem Besitzstand der Union. Es liegt daher im Interesse der EU, dass das Übereinkommen von ihren Mitgliedstaaten ratifiziert wird. Deshalb ist es in Anbetracht der Zuständigkeit der EU für die im Übereinkommen geregelten Sachgebiete erforderlich, dass etwaige rechtliche Hindernisse für die Ratifizierung des Übereinkommens durch die Mitgliedstaaten der EU beseitigt werden.

2.1Inhalt des Übereinkommens

Der Inhalt des Übereinkommens Nr. 190 der IAO gegen Gewalt und Belästigung von 2019 lässt sich wie folgt zusammenfassen:

In der Präambel des Übereinkommens

·wird anerkannt, dass jede Person das Recht auf eine Arbeitswelt ohne Gewalt und Belästigung hat;

·wird anerkannt, dass Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt eine Verletzung oder einen Missbrauch der Menschenrechte darstellen können und dass Gewalt und Belästigung eine Bedrohung für die Chancengleichheit, inakzeptabel und mit menschenwürdiger Arbeit unvereinbar sind;

·wird anerkannt, dass Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt die psychische, physische und sexuelle Gesundheit einer Person, ihre Würde sowie ihr familiäres und soziales Umfeld beeinträchtigen und Personen, insbesondere Frauen, daran hindern können, in den Arbeitsmarkt einzusteigen, erwerbstätig zu bleiben und beruflich voranzukommen.

In Teil I (Begriffsbestimmungen) des Übereinkommens

·wird der Begriff „Gewalt und Belästigung“ einheitlich definiert und bezogen auf eine Bandbreite von inakzeptablen Verhaltensweisen und Praktiken oder deren Androhung, gleich ob es sich um ein einmaliges oder ein wiederholtes Vorkommnis handelt, die auf physischen, psychischen, sexuellen oder wirtschaftlichen Schaden abzielen, diesen zur Folge haben oder wahrscheinlich zur Folge haben (Artikel 1 Buchstabe a);

·wird der Begriff „geschlechtsspezifische Gewalt und Belästigung“ definiert (Artikel 1 Buchstabe b);

·wird festgelegt, dass unbeschadet der einheitlichen Definition von Gewalt und Belästigung im Übereinkommen diese Begriffe in den innerstaatlichen Rechtsvorschriften nach einem einheitlichen Konzept oder getrennt definiert werden können (Artikel 1 Absatz 2).

Teil II (Geltungsbereich) des Übereinkommens

·schützt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie andere Personen in der Arbeitswelt, darunter abhängig Beschäftigte im Sinne der innerstaatlichen Rechtsvorschriften und Praxis, sowie erwerbstätige Personen ungeachtet ihres Vertragsstatus, in Ausbildung befindliche Personen, einschließlich Praktikantinnen und Praktikanten und Lehrlinge, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis beendet wurde, Freiwillige, Arbeitsuchende und Stellenbewerberinnen und Stellenbewerber sowie natürliche Personen, die die Befugnisse, Pflichten oder Verantwortlichkeiten einer Arbeitgeberin oder eines Arbeitgebers ausüben (Artikel 2);

·gilt für Gewalt und Belästigung in der „Arbeitswelt“; dieser Begriff erstreckt sich nicht nur auf die Arbeitsstätte, sondern auch auf arbeitsbezogene Räume und Fahrten, Reisen, Ausbildungen, Veranstaltungen oder gesellschaftliche Aktivitäten, von der Arbeitgeberin oder vom Arbeitgeber bereitgestellte Unterkünfte und den Weg zur und von der Arbeit (Artikel 3).

In Teil III sind die zentralen Grundsätze festgelegt, welche die ratifizierenden Staaten u. a. dazu verpflichten,

·einen inklusiven, integrierten und geschlechterorientierten Ansatz zur Verhinderung und Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt anzunehmen, der ein gesetzliches Verbot von Gewalt und Belästigung einschließt (Artikel 4 Absatz 2);

·sicherzustellen, dass einschlägige Politiken Gewalt und Belästigung angehen (Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b);

·eine umfassende Strategie für die Umsetzung von Maßnahmen zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt und Belästigung anzunehmen (Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe c);

·Rechtsvorschriften und Politiken anzunehmen, die das Recht auf Gleichheit und Nichtdiskriminierung in Beschäftigung und Beruf gewährleisten, u. a. für verletzliche Gruppen oder Gruppen in Situationen der Verletzlichkeit (Artikel 6).

Gemäß Teil IV (Schutz und Prävention) besteht für die ratifizierenden Staaten insbesondere die Verpflichtung,

·geeignete Maßnahmen zur Verhinderung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt zu treffen (Artikel 8);

·Rechtsvorschriften anzunehmen, die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zur Verhinderung von Gewalt und Belästigung verpflichten, u. a. durch Ermittlung der Risiken von Gewalt und Belästigung sowie durch Information und Schulung der betroffenen Personen (Artikel 9).

Darüber hinaus müssen die ratifizierenden Staaten gemäß Teil V (Durchsetzung und Abhilfemaßnahmen) angemessene Vorkehrungen zur Erleichterung des Zugangs zu geeigneten und wirksamen Abhilfemaßnahmen treffen; die Auswirkungen von häuslicher Gewalt auf die Arbeitswelt anerkennen und, soweit dies angemessen und praktisch durchführbar ist, ihre Auswirkungen in der Arbeitswelt mindern; sicherstellen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Recht haben, sich von einer Arbeitssituation zu entfernen, wenn diese Situation aufgrund von Gewalt und Belästigung eine unmittelbare und ernste Gefahr für sie darstellt (Artikel 10).

Das Übereinkommen enthält ferner Bestimmungen über Leitlinien, Schulungen und Sensibilisierung.

2.2Unionsrecht im Bereich Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt

Einige Aspekte des Übereinkommens sowie der ergänzenden Empfehlung betreffen Sachgebiete, die unter das EU-Recht fallen, und zwar insbesondere unter

·Artikel 153 Absatz 1 Buchstaben a und i und Artikel 157 Absatz 3 AEUV, wonach die Union die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Verbesserung der Arbeitsumwelt zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer, der Chancengleichheit von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt und der Gleichbehandlung am Arbeitsplatz unterstützt und ergänzt sowie Maßnahmen zur Gewährleistung der Anwendung des Grundsatzes der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen beschließt;

·die Rahmenrichtlinie 89/391/EWG 3 , die sich auf alle Risiken für die Gesundheit und Sicherheit von Arbeitnehmern am Arbeitsplatz erstreckt, wozu auch psychosoziale Risiken wie Belästigung und Gewalt zählen;

·die „Rahmenvereinbarung zu Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz“ 4 , die 2007 von den Sozialpartnern auf europäischer Ebene gemäß Artikel 138 EG-Vertrag (heute Artikel 155 AEUV) geschlossen wurde und die Arbeitgebern, Arbeitnehmern und ihren Vertretern einen handlungsorientierten Rahmen für die Feststellung, Verhinderung und Bewältigung von Fällen von Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz bietet;

·den strategischen Rahmen der EU für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2014-2020 5 und die Mitteilung der Kommission „Sicherere und gesündere Arbeitsbedingungen für alle - Modernisierung der Rechtsvorschriften und Maßnahmen der EU im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz“ 6 , in denen die Bedeutung der Prävention von psychosozialen Risiken am Arbeitsplatz hervorgehoben wird;

·die Richtlinie 2006/54/EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen, die Belästigung und sexuelle Belästigung verbietet 7 ;

·die Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf 8 ;

·die Richtlinie 2000/43/EG zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft 9 ;

·die Beschlüsse des Rates vom 11. Mai 2017 über die Unterzeichnung — im Namen der Europäischen Union — des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt 10 (Übereinkommen von Istanbul 11 ) und die laufenden Beratungen im Rat über den Beitritt der Union zum Übereinkommen von Istanbul, das Bestimmungen zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt einschließlich sexueller Belästigung, über den Schutz der Opfer derartiger Gewalt und die Bestrafung der Täter enthält.

Einige Aspekte des Übereinkommens und der Empfehlung stehen zudem im Zusammenhang mit Sachgebieten, die unter das Unionsrecht in den Bereichen justizielle Zusammenarbeit und Rechte von Opfern 12 , Migration, Asyl und Freizügigkeit 13 fallen; das einschlägige Sekundärrecht der Union 14 begründet für die Opfer von Straftaten und deren Familienangehörige das Recht auf angemessene Informationen, angemessene Unterstützung und angemessenen Schutz, auf Beteiligung an Strafverfahren und einen respektvollen und diskriminierungsfreien Umgang mit ihnen.

Das Übereinkommen und die Empfehlung enthalten auch Bestimmungen, die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, insbesondere im Hinblick auf Tarifverhandlungen.

3.ERGEBNISSE DER KONSULTATIONEN DER INTERESSIERTEN KREISE UND DER FOLGENABSCHÄTZUNGEN

Entfällt.

4.ERMÄCHTIGUNG ZUR RATIFIZIERUNG DES ÜBEREINKOMMENS IM INTERESSE DER UNION

Das Übereinkommen betrifft bestimmte Gebiete des Unionsrechts wie etwa Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Gleichstellung und Nichtdiskriminierung, auf denen ein hoher Regulierungsgrad erreicht wurde.

Gemäß den vom Gerichtshof der Europäischen Union ausgearbeiteten Grundsätzen für die Zuständigkeiten in den Außenbeziehungen 15 und insbesondere für den Abschluss und die Ratifizierung von IAO-Übereinkommen 16 können die Mitgliedstaaten allein das Übereinkommen nicht ratifizieren, da Teile des Übereinkommens gemäß Artikel 3 Absatz 2 AEUV in die Zuständigkeit der Union fallen.

Die EU kann jedoch IAO-Übereinkommen nicht ratifizieren, da nach der Verfassung der IAO 17 nur Staaten solchen Übereinkommen beitreten können.

Deshalb müssen die Organe und Mitgliedstaaten der EU die notwendigen Maßnahmen treffen, um die Zusammenarbeit bei der Ratifizierung des Übereinkommens und bei der Umsetzung der sich aus dem Übereinkommen ergebenden Verpflichtungen bestmöglich zu gewährleisten 18 .

Seit 2005 hat der Rat im Interesse der EU den Mitgliedstaaten die Ermächtigung zur Ratifizierung von fünf IAO-Übereinkommen und einem IAO-Protokoll erteilt, die zum Teil in Zuständigkeitsbereiche der EU fielen 19 .

Die materiellrechtlichen Bestimmungen des Übereinkommens widersprechen nicht dem Besitzstand der Union. Gemäß Artikel 19 Absatz 8 der Verfassung der IAO legt das Übereinkommen Mindeststandards fest. Das bedeutet, dass die EU-Rechtsvorschriften strenger sein können als die Bestimmungen des Übereinkommens und umgekehrt 20 .

Mit dem vorgeschlagenen Beschluss sollen die Mitgliedstaaten somit ermächtigt werden, im Interesse der EU die in die Zuständigkeit der EU fallenden Teile des Übereinkommens zu ratifizieren; ihnen wird empfohlen, dies bis Ende 2022 zu tun.

5.RECHTSGRUNDLAGE

5.1Verfahrensrechtliche Grundlage

Artikel 218 Absatz 6 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gilt unabhängig davon, ob die Union Mitglied der Organisation ist, die eine internationale Übereinkunft verabschiedet hat 21 .

5.2Materiellrechtliche Grundlage

5.2.1Grundsätze

Die materiellrechtliche Grundlage für einen Beschluss nach Artikel 218 Absatz 6 AEUV hängt in erster Linie vom Ziel und Inhalt der internationalen Übereinkunft ab, die im Interesse der Union ratifiziert werden soll. Liegt der Übereinkunft ein doppelter Zweck oder Gegenstand zugrunde und ist einer davon der wesentliche und der andere von untergeordneter Bedeutung, muss der Beschluss gemäß Artikel 218 Absatz 6 AEUV auf eine einzige materiellrechtliche Grundlage gestützt werden, nämlich auf diejenige, die der wesentliche oder vorrangige Zweck oder Gegenstand verlangt. Hat eine Übereinkunft gleichzeitig mehrere Zielsetzungen oder Komponenten, die untrennbar miteinander verbunden sind, ohne dass die eine gegenüber der anderen nebensächlich ist, so muss die materiellrechtliche Grundlage eines Beschlusses nach Artikel 218 Absatz 6 AEUV ausnahmsweise die verschiedenen zugehörigen Rechtsgrundlagen umfassen.

5.2.2 Anwendung der Grundsätze auf den vorliegenden Fall (siehe auch die Angaben zum Unionsrecht unter Abschnitt 2)

Zwar enthält das Übereinkommen auch Elemente, die mit den Sachgebieten Nichtdiskriminierung, justizielle Zusammenarbeit und Rechte von Opfern zusammenhängen, doch betreffen Ziel und Inhalt des Übereinkommens in erster Linie die Sozialpolitik, und zwar insbesondere die Verbesserung der Arbeitsumwelt zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer (Artikel 153 Absatz 1 Buchstabe a AEUV) und die Chancengleichheit von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt sowie die Gleichbehandlung am Arbeitsplatz (Artikel 153 Absatz 1 Buchstabe i AEUV), also Sachgebiete, auf denen gemäß Artikel 153 Absatz 2 AEUV Richtlinien erlassen wurden, sowie die Anwendung des Grundsatzes der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen gemäß Artikel 157 Absatz 3 AEUV.

Nur in zweiter Linie hängen Ziel und Inhalt des Übereinkommens mit der Bekämpfung von Diskriminierungen gemäß Artikel 19 zusammen.

Die materiellrechtliche Grundlage des vorgeschlagenen Beschlusses bildet daher Artikel 153 Absatz 2 AEUV in Verbindung mit Artikel 153 Absatz 1 Buchstabe a, Artikel 153 Absatz 1 Buchstabe i und Artikel 157 Absatz 3 AEUV.

6Schlussfolgerung

Als Rechtsgrundlage für den vorgeschlagenen Beschluss sollten Artikel 153 Absatz 2 AEUV, Artikel 153 Absatz 1 Buchstabe a, Artikel 153 Absatz 1 Buchstabe i und Artikel 157 Absatz 3 AEUV, welche die Hauptrechtsgrundlage des Unionsrechts auf dem Gebiet des Schutzes der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz sowie der Gleichstellung von Männern und Frauen in Beschäftigung und Beruf bilden, in Verbindung mit Artikel 218 Absatz 6 AEUV herangezogen werden.

2020/0011 (NLE)

Vorschlag für einen

BESCHLUSS DES RATES

zur Ermächtigung der Mitgliedstaaten, das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation gegen Gewalt und Belästigung von (Nr. 190 von 2019) im Interesse der Europäischen Union zu ratifizieren

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 153 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 153 Absatz 1 Buchstaben a und i, Artikel 157 Absatz 3 und Artikel 218 Absatz 6 Buchstabe a Ziffer v,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zustimmung des Europäischen Parlaments,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)Im Jahr 2019 hat die 108. Internationale Arbeitskonferenz das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt, das auch als Übereinkommen gegen Gewalt und Belästigung bezeichnet werden kann (Übereinkommen Nr. 190 von 2019), verabschiedet.

(2)Im Rahmen ihres Einsatzes für menschenwürdige Arbeit für alle, für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz und Geschlechtergleichstellung sowie zur Bekämpfung von Diskriminierungen fördert die Union die Ratifizierung von internationalen Arbeitsübereinkommen, die von der Internationalen Arbeitsorganisation als zeitgemäß eingestuft werden.

(3)Einige Bestimmungen des Übereinkommens fallen gemäß Artikel 153 Absatz 2, Artikel 153 Absatz 1 Buchstaben a und i sowie Artikel 157 Absatz 3 AEUV unter den sozialpolitischen Besitzstand der Union im Bereich der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz und der Gleichstellung von Männern und Frauen in Beschäftigung und Beruf 22 . Einige Bestimmungen des Übereinkommens fallen unter den Besitzstand der Union auf dem Gebiet der Nichtdiskriminierung 23 .

(4)Somit fallen Teile des Übereinkommens in den Zuständigkeitsbereich der Union, und die Mitgliedstaaten dürfen in Bezug auf diese Teile keine Verpflichtungen außerhalb des institutionellen Rahmens der Union eingehen 24 .

(5)Die Union kann das Übereinkommen nicht ratifizieren, da nur Staaten Parteien des Übereinkommens sein können.

(6)Daher sollten die Mitgliedstaaten ermächtigt werden, gemeinsam im Interesse der Union die in die Zuständigkeit der Union fallenden Teile des Übereinkommens zu ratifizieren —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Die Mitgliedstaaten werden zur Ratifizierung derjenigen Teile des Übereinkommens gegen Gewalt und Belästigung der Internationalen Arbeitsorganisation (Nr. 190 von 2019), die gemäß Artikel 153 Absatz 2, Artikel 153 Absatz 1 Buchstaben a und i sowie Artikel 157 Absatz 3 AEUV in die Zuständigkeit der Europäischen Union fallen, ermächtigt.

Artikel 2

Die Mitgliedstaaten sollten die erforderlichen Maßnahmen treffen, um die Urkunden über die Ratifizierung des Übereinkommens so bald wie möglich, vorzugsweise bis zum 31. Dezember 2022, beim Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zu hinterlegen.

Artikel 3

Dieser Beschluss ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu Brüssel am […]

   Im Namen des Rates

   Der Präsident

(1)    KOM (2007) 686.
(2)

   K/2004/5220. 

(3)    Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit, ABl. L 183 vom 29.6.1989, S. 1).
(4)    KOM (2007) 686.
(5)    COM (2014) 332 final.
(6)    COM/2017/012 final.
(7)

   ABl. L 204 vom 26.7.2006, S. 23. Ähnliche Bestimmungen finden sich auch in der Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. L 373 vom 21.12.2004, S. 37) und in der Richtlinie 2010/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben, und zur Aufhebung der Richtlinie 86/613/EWG des Rates (ABl. L 180 vom 15.7.2010, S. 1).

(8)    ABl. L 303 vom 2.12.2000, S. 16.
(9)    ABl. L 180 vom 19.7.2000, S. 22.
(10)    Beschluss 2017/865 des Rates vom 11. Mai 2017 über die Unterzeichnung — im Namen der Europäischen Union — des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in Bezug auf Aspekte, die die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen betreffen (ABl. L 131 vom 20.5.2017, S. 11); Beschluss 2017/866 des Rates vom 11. Mai 2017 über die Unterzeichnung — im Namen der Europäischen Union — des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in Bezug auf Asyl und das Verbot der Zurückweisung (ABl. L 131 vom 20.5.2017, S. 13).
(11)    Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, Sammlung der Europaratsverträge Nr.°210, abrufbar unter https://www.coe.int/en/web/conventions/full-list/-/conventions/rms/090000168008482e .
(12)    Artikel 82, 83, 84 und 156 AEUV.
(13)    Artikel 21, 46, 78 und 79 AEUV.
(14)

   Richtlinie 2012/29/EU vom 25. Oktober 2012 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten, ABl. L 315 vom 14.11.2012, S. 57.

(15)    AETR-Urteil des Gerichtshofs vom 31. März 1971 in der Rechtssache 22/70, Slg. 1971, 263.
(16)    Gutachten 2/91 des Gerichtshofs vom 19. März 1993 über das IAO-Übereinkommen Nr. 170 über Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit, Slg. 1993, I-1061.
(17)    Verfassung der IAO, Artikel 1 Absatz 2.
(18)    Gutachten 2/91 des Gerichtshofs (ebd.), Rn. 36, 37 und 38.
(19)    Entscheidung des Rates vom 14. April 2005 zur Ermächtigung der Mitgliedstaaten, das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation über Ausweise für Seeleute (Übereinkommen Nr. 185) im Interesse der Europäischen Gemeinschaft zu ratifizieren (ABl. L 136 vom 30.5.2005, S. 1); Entscheidung des Rates vom 7. Juni 2007 zur Ermächtigung der Mitgliedstaaten, das Seearbeitsübereinkommen 2006 der Internationalen Arbeitsorganisation im Interesse der Europäischen Gemeinschaft zu ratifizieren (ABl. L 161 vom 22.6.2007, S. 63); Beschluss des Rates vom 7. Juni 2010 zur Ermächtigung der Mitgliedstaaten, das Übereinkommen über die Arbeit im Fischereisektor der Internationalen Arbeitsorganisation aus dem Jahr 2007 (Übereinkommen Nr. 188) im Interesse der Europäischen Union zu ratifizieren (ABl. L 145 vom 11.6.2010, S. 12); Beschluss des Rates vom 28. Januar 2014 zur Ermächtigung der Mitgliedstaaten, das Übereinkommen über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte der Internationalen Arbeitsorganisation von 1990 (Übereinkommen Nr. 170) im Interesse der Europäischen Union zu ratifizieren (2014/51/EU); Beschluss des Rates vom 28. Januar 2014 zur Ermächtigung der Mitgliedstaaten, das Übereinkommen über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte der Internationalen Arbeitsorganisation von 2011 (Übereinkommen Nr. 189) im Interesse der Europäischen Union zu ratifizieren (2014/51/EU); Beschluss (EU) 2015/2071 des Rates vom 10. November 2015 zur Ermächtigung der Mitgliedstaaten, das Protokoll von 2014 zum Übereinkommen über Zwangs- oder Pflichtarbeit (1930) der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Artikel 1 bis 4 des Protokolls im Hinblick auf Fragen im Zusammenhang mit der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen im Interesse der Europäischen Union zu ratifizieren (ABl. L 301 vom 18.11.2015); Beschluss (EU) 2015/2037 des Rates vom 10. November 2015 zur Ermächtigung der Mitgliedstaaten, das Protokoll von 2014 zum Übereinkommen über Zwangs- oder Pflichtarbeit (1930) der Internationalen Arbeitsorganisation im Hinblick auf Fragen im Zusammenhang mit der Sozialpolitik im Interesse der Europäischen Union zu ratifizieren (ABl. L 298 vom 14.11.2015).
(20)    Gutachten 2/91 des Gerichtshofs (ebd.), Rn. 18.
(21)    Gutachten 2/91 des EuGH (ebd.) über das Übereinkommen Nr. 170 über Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit und Urteil des Gerichtshofes vom 7. Oktober 2014, Deutschland/Rat, C-399/12, ECLI:EU:C:2014:2258, Rn. 64.
(22)    Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit, ABl. L 183 vom 29.6.1989, S. 1). Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung) (ABl. L 204 vom 26.7.2006, S. 23). sowie Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. L 373 vom 21.12.2004, S. 37) und Richtlinie 2010/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben, und zur Aufhebung der Richtlinie 86/613/EWG des Rates (ABl. L 180 vom 15.7.2010, S. 1).
(23)    Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303 vom 2.12.2000, S. 16); Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. L 180 vom 19.7.2000, S. 22).
(24)    Gutachten 2/91 des Europäischen Gerichtshofs vom 19. März 1993, Slg. 1993, I-1061, Rn. 26.
Top