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Document 52020IP0230

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. September 2020 zur Vorbereitung der Sondertagung des Europäischen Rates zu der gefährlichen Eskalation und der Rolle der Türkei im östlichen Mittelmeerraum (2020/2774(RSP))

ABl. C 385 vom 22.9.2021, p. 117–121 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

22.9.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 385/117


P9_TA(2020)0230

Vorbereitung der Sondertagung des Europäischen Rates zu der gefährlichen Eskalation und der Rolle der Türkei im östlichen Mittelmeerraum

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. September 2020 zur Vorbereitung der Sondertagung des Europäischen Rates zu der gefährlichen Eskalation und der Rolle der Türkei im östlichen Mittelmeerraum (2020/2774(RSP))

(2021/C 385/11)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Türkei, insbesondere jene vom 24. November 2016 zu den Beziehungen zwischen der EU und der Türkei (1), vom 27. Oktober 2016 zu der Lage der Journalisten in der Türkei (2), vom 8. Februar 2018 zur aktuellen Lage der Menschenrechte in der Türkei (3), vom 13. März 2019 zu dem Bericht 2018 der Kommission über die Türkei (4), vom 19. September 2019 zur Lage in der Türkei und insbesondere zur Absetzung gewählter Bürgermeister (5) und vom 13. November 2014 zu Maßnahmen der Türkei, die Spannungen in der ausschließlichen Wirtschaftszone der Republik Zypern verursachen (6),

unter Hinweis auf seine Aussprache vom 9. Juli 2020 über Stabilität und Sicherheit im östlichen Mittelmeerraum und die negative Rolle der Türkei;

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 29. Mai 2019 über die EU-Erweiterungspolitik (COM(2019)0260) und das dazugehörige Arbeitsdokument ihrer Dienststellen (SWD(2019)0220),

unter Hinweis auf die früheren Erklärungen des Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HR) zu den Bohrtätigkeiten der Türkei im östlichen Mittelmeer, insbesondere auf jene vom 16. August 2020 zu erneuten Bohrtätigkeiten der Türkei im östlichen Mittelmeer, unter Hinweis auf seine Äußerungen vom 6. Juli 2020 auf der Pressekonferenz im Anschluss an sein Treffen mit dem türkischen Außenminister Mevlut Çavuşoğlu, seine Äußerungen vom 25. Juni 2020 im Anschluss an sein Treffen mit dem griechischen Verteidigungsminister Nikolaos Panagiotopoulos und seine Äußerungen vom 26. Juni 2020 im Anschluss an sein Treffen mit dem zyprischen Außenminister Nikos Christodoulides;

unter Hinweis auf die einschlägigen Schlussfolgerungen des Rates und des Europäischen Rates zur Türkei, insbesondere auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 19. August 2020 zum östlichen Mittelmeer, die Schlussfolgerungen des Rates vom 27. Februar 2020 zu den rechtswidrigen Bohrungen der Türkei im östlichen Mittelmeer und die Schlussfolgerungen des Rates vom 17./18. Oktober 2019 zu den rechtswidrigen Bohrungen der Türkei in der ausschließlichen Wirtschaftszone Zyperns,

unter Hinweis auf die Erklärungen der Außenminister der EU vom 15. Mai 2020 und vom 14. August 2020 zur Lage im östlichen Mittelmeerraum,

unter Hinweis auf das Ergebnis des informellen Treffens der Außenminister der EU (Gymnich-Treffen) vom 28. August 2020,

unter Hinweis auf den NATO-Vertrag von 1949 und auf die Erklärung des Generalsekretärs der NATO vom 3. September 2020,

unter Hinweis auf die Erklärung von Ajaccio nach dem siebten Gipfeltreffen der südlichen Länder der Union (MED7) vom 10. September 2020,

unter Hinweis auf das einschlägige Völkergewohnheitsrecht und auf das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ) von 1982, dem Griechenland und Zypern sowie die Europäische Union beigetreten sind, sowie auf die Charta der Vereinten Nationen,

unter Hinweis auf das Römische Statut und die Gründungsdokumente des Internationalen Gerichtshofs (IGH) sowie auf die Präzedenzfälle seiner Rechtsprechung,

gestützt auf Artikel 132 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass der östliche Mittelmeerraum, ein Gebiet von strategischer Bedeutung für die EU und eine Schlüsselregion für den Frieden und die Stabilität des gesamten Mittelmeerraums und des Nahen Ostens, unter langjährigen, vielschichtigen Streitigkeiten politischer, wirtschaftlicher und geostrategischer Art leidet; in der Erwägung, dass die eskalierenden Spannungen im östlichen Mittelmeerraum durch unilaterale Schritte — einschließlich militärischer Maßnahmen — der Türkei, das Fehlen eines alle Seiten einbeziehenden diplomatischen Dialogs und das bedauerliche Scheitern der Bemühungen um eine Vermittlung in dem Konflikt angeheizt werden;

B.

in der Erwägung, dass die Türkei seit der Entdeckung der Offshore-Erdgasvorkommen Anfang der 2000er Jahre ihre Nachbarn im Hinblick auf das Völkerrecht und die Abgrenzung ihrer ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) herausgefordert hat; in der Erwägung, dass die Entdeckung bedeutender Erdgasvorkommen im Mittelmeer, einschließlich der Entdeckung des Leviathan-Feldes im Jahr 2010, gefolgt von der Entdeckung des Gasfeldes Zohr — des größten jemals im Mittelmeer entdeckten Gasvorkommens — vor der Küste Ägyptens im Jahr 2015, das Interesse an der Region geweckt und 2018 und 2019 weitere Erkundungen und Bohrungen nach sich zog;

C.

in der Erwägung, dass die Türkei das SRÜ, dem Griechenland und Zypern beigetreten sind, aufgrund der anhaltenden Seestreitigkeiten über die Abgrenzung einer AWZ nicht unterzeichnet hat; in der Erwägung, dass das sich immer weiterentwickelnde Seerecht, das naturgemäß komplex ist, von Griechenland und der Türkei unterschiedlich ausgelegt wird; in der Erwägung, dass beide Seiten geltend machen, dass die Auslegung des Seerechts durch die andere Seite gegen das Völkerrecht verstößt und dass die Handlungen der anderen Seite rechtswidrig sind; in der Erwägung, dass der vorstehend genannte Streit über die Abgrenzung der AWZ und des Festlandsockels zwischen der Türkei auf der einen und Griechenland auf der anderen Seite seit November 1973 ungelöst ist;

D.

in der Erwägung, dass die Türkei ein Bewerberland und ein wichtiger Partner der EU ist, von dem erwartet wird, dass er die höchsten demokratischen Standards, die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit achtet und internationale Übereinkommen einhält; in der Erwägung, dass die Europäische Union klar und entschlossen die Interessen der Europäischen Union verteidigen, ihre uneingeschränkte Unterstützung und Solidarität mit Griechenland und Zypern unter Beweis stellen und das Völkerrecht achten will;

E.

in der Erwägung, dass die illegalen Explorations- und Bohrtätigkeiten der Türkei im östlichen Mittelmeer zu einer intensiven und gefährlichen Militarisierung des östlichen Mittelmeers führen und somit eine ernsthafte Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit der gesamten Region darstellen; in der Erwägung, dass Frankreich, um Griechenland und Zypern zu unterstützen, am 12. August 2020 zwei Marineschiffe und Kampfflugzeuge in dem Gebiet stationierte und am 26. August 2020 zusammen mit Griechenland, Zypern und Italien an Militärübungen teilnahm;

F.

in der Erwägung, dass am 10. Juni 2020 türkische Kriegsschiffe einem französischen Marineschiff äußerst feindselig begegneten, als dieses im Rahmen der NATO-Mission „Sea Guardian“ darum ersuchte, ein türkisches Schiff zu inspizieren, das im Verdacht stand, gegen das Waffenembargo der Vereinten Nationen gegen Libyen zu verstoßen; in der Erwägung, dass Griechenland seit Januar 2020 über 600 Verletzungen seines Luftraums durch die türkische Luftwaffe aufgezeichnet hat; in der Erwägung, dass diese Aktivitäten der Türkei mit zunehmend feindseliger Rhetorik gegen Griechenland und Zypern, andere EU-Mitgliedstaaten und die EU selbst einhergehen;

G.

in der Erwägung, dass sich die Sondierungsgespräche zwischen Griechenland und der Türkei seit März 2016 in einer Sackgasse befinden; in der Erwägung, dass sowohl der griechische als auch der türkische Präsident nach ihrem Treffen vom September 2019 in der Generalversammlung der Vereinten Nationen und im Dezember einen positiven Impuls mit Blick auf die bilateralen Beziehungen gesetzt haben, um den politischen Dialog wieder aufzunehmen, wonach sich hohe Beamte im Januar 2020 in Ankara trafen und im Februar 2020 in Athen vertrauensbildende Maßnahmen erörtert wurden;

H.

in der Erwägung, dass die Regierungen Zyperns, Ägyptens, Griechenlands, Israels, Italiens und Jordaniens sowie die Palästinensische Behörde im Januar 2019 das Gasforum Östliches Mittelmeer gegründet haben, ein multinationales Gremium, dessen Aufgabe es ist, einen regionalen Erdgasmarkt und einen Mechanismus für die Ressourcenentwicklung zu entwickeln; in der Erwägung, dass dies vom türkischen Außenministerium kritisiert wurde, welches behauptet, dass damit beabsichtigt werde, Ankara von der regionalen Zusammenarbeit und Koordinierung auf dem Gasmarkt auszuschließen;

I.

in der Erwägung, dass die Türkei und die libysche Regierung der Nationalen Einheit im November 2019 eine Vereinbarung unterzeichnet haben, in der eine neue Seegrenze zwischen den beiden Ländern festgelegt wurde, obwohl sie keine angrenzenden oder gegenüberliegenden Küsten besitzen; in der Erwägung, dass die Vereinbarung zwischen der Türkei und Libyen über die Abgrenzung der seerechtlichen Zuständigkeitsgebiete im Mittelmeer die Hoheitsrechte dritter Staaten verletzt, nicht mit dem Seerecht vereinbar ist und keine Rechtswirkung für dritte Staaten entfalten kann; in der Erwägung, dass diese Vereinbarung bei ihrer Umsetzung eine tatsächliche Trennlinie zwischen dem östlichen und dem westlichen Teil des Mittelmeers und zur Folge haben und folglich die maritime Sicherheit in Gefahr bringen würde;

J.

in der Erwägung, dass die Türkei am 20. April 2020 das Bohrschiff Yavuz in Begleitung eines türkischen Marineschiffs in die zyprische AWZ entsandte; in der Erwägung, dass die Türkei am 30. Juli 2020 das Forschungsschiff für Seismologie Barbaros, begleitet von einem türkischen Kriegsschiff und einem zweiten Schiff zur Unterstützung, in die AWZ Zyperns entsandte; in der Erwägung, dass die Türkei am 10. August 2020 das Forschungsschiff Oruç Reis in Begleitung von 17 Marineschiffen in griechische Gewässer entsandte, um das Meeresgebiet für mögliche Erdöl- und Erdgasbohrungen in einem Gebiet zu kartieren, in dem die Türkei ebenfalls Hoheitsbefugnisse beansprucht; in der Erwägung, dass Griechenland als Reaktion darauf seine eigenen Kriegsschiffe entsandte, um die türkischen Schiffe zu verfolgen, von denen eines mit einem griechischen Schiff kollidierte; in der Erwägung, dass die Türkei am 31. August 2020 ihre Exploration im östlichen Mittelmeer durch das Forschungsschiff Oruç Reis bis zum 12. September 2020 verlängert hat; in der Erwägung, dass der türkische maritime Sicherheits- und Wetterdienst (NAVTEX) ein Gebiet betrifft, das sich auf dem griechischen Festlandsockel befindet; in der Erwägung, dass diese Aktivitäten der türkischen Seite zu einer erheblichen Verschlechterung der Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei geführt haben;

K.

in der Erwägung, dass das türkische Forschungsschiff für Seismologie, Oruç Reis, nach dem Ablauf der Gültigkeit der am 10. August 2020 herausgegebenen NAVTEX-Mitteilung für die Gewässer zwischen der Türkei, Zypern und Kreta am 13. September 2020 nach mehrfachen Verhandlungsbemühungen in Gewässer nahe der südlichen Provinz Antalya zurückgekehrt ist, was dazu beitragen könnte, die Spannungen zwischen Ankara und Athen abzubauen;

L.

in der Erwägung, dass im November 2019 ein Rahmen für restriktive Maßnahmen als Reaktion auf die rechtswidrigen Bohrtätigkeiten der Türkei im östlichen Mittelmeer geschaffen wurde, nachdem der Rat wiederholt seine Besorgnis zum Ausdruck gebracht und die Bohrtätigkeiten scharf verurteilt hatte, unter anderem in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 22. März 2018 und vom 20. Juni 2019; in der Erwägung, dass der Rat am 27. Februar 2020 zwei Manager der Turkish Petroleum Corporation (Türkiye Petrolleri Anonim Ortaklığı, TPAO) auf die Sanktionsliste der EU setzte und ein Reiseverbot verhängte sowie Vermögenswerte einfror, nachdem die Türkei rechtswidrige Bohrungen im östlichen Mittelmeer durchgeführt hatte; in der Erwägung, dass auf der informellen Tagung des Rates (Gymnich-Treffen) am 28. August 2020 weitere gezielte Sanktionen gegen die Türkei für den Fall gefordert wurden, dass das Land nicht dafür sorgt, dass die Spannungen in der Region deeskalieren; in der Erwägung, dass diese restriktiven Maßnahmen auf dem Sondergipfel des Europäischen Rates am 24./25. September 2020 erörtert werden sollen; in der Erwägung, dass die Staats- und Regierungschefs auf dem Gipfeltreffen der EU-Mittelmeeranrainerstaaten (Med7) am 10. September 2020 ihre uneingeschränkte Unterstützung und Solidarität mit Griechenland und ihr Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht haben, dass die Türkei nicht auf die wiederholten Forderungen der EU nach Beendigung ihrer unilateralen und rechtswidrigen Handlungen im östlichen Mittelmeer und in der Ägäis reagiert hat;

M.

in der Erwägung, dass der VP/HR Borrell, der gemeinsam mit dem deutschen Vorsitz des Rates der Europäischen Union intensiv in der Region tätig geworden ist, im Rahmen des Dialogs zwischen der Türkei, Griechenland und Zypern nach Lösungen gesucht hat; in der Erwägung, dass die Türkei von einseitigen Maßnahmen absehen muss, damit der Dialog vorangebracht werden kann; in der Erwägung, dass Vermittlungsversuche unter der Leitung des deutschen Ratsvorsitzes im Juli und August bedauerlicherweise gescheitert sind; in der Erwägung, dass Ägypten und Griechenland während der laufenden Verhandlungen am 6. August 2020 ein bilaterales Seeverkehrsabkommen geschlossen haben, in dem nach 15 Jahren Verhandlungen mit der Türkei und Zypern über dieses Thema eine ausschließliche Wirtschaftszone für Öl- und Gasbohrrechte festgelegt wurde;

N.

in der Erwägung, dass die NATO auch verschiedene Initiativen für einen Dialog zwischen Griechenland und der Türkei vorgeschlagen und Gespräche zwischen ihnen vermittelt hat; in der Erwägung, dass die Vertragsparteien gemäß Artikel 1 des NATO-Vertrags verpflichtet sind, alle internationalen Streitigkeiten, an denen sie beteiligt sind, mit friedlichen Mitteln beizulegen, ohne den Weltfrieden, die internationale Sicherheit und die internationale Gerechtigkeit zu gefährden, und in ihren internationalen Beziehungen von jeglicher Androhung oder Anwendung von Gewalt, die mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbar ist, abzusehen;

O.

in der Erwägung, dass die Staaten gemäß der Charta der Vereinten Nationen verpflichtet sind, alle internationalen Streitigkeiten, an denen sie beteiligt sind, mit friedlichen Mitteln beizulegen, ohne den Weltfrieden, die internationale Sicherheit und die internationale Gerechtigkeit zu gefährden, und in ihren internationalen Beziehungen von jeglicher Androhung oder Anwendung von Gewalt, die mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbar ist, abzusehen;

1.

ist äußerst besorgt über den anhaltenden Streit und die damit verbundene Gefahr einer weiteren militärischen Eskalation im östlichen Mittelmeerraum zwischen EU-Mitgliedstaaten und einem EU-Bewerberland; ist der festen Überzeugung, dass eine nachhaltige Konfliktlösung nur durch Dialog, Diplomatie und Verhandlungen im Geiste des guten Willens und im Einklang mit dem Völkerrecht erreicht werden kann;

2.

verurteilt das rechtswidrige Vorgehen der Türkei auf dem Festlandsockel/in der AWZ Griechenlands und Zyperns, die damit die Hoheitsrechte von EU-Mitgliedstaaten verletzt, und bekundet Griechenland und Zypern seine uneingeschränkte Solidarität; fordert die Türkei dringend auf, sich an der friedlichen Beilegung von Streitigkeiten zu beteiligen und von einseitigen und illegalen Maßnahmen oder Drohungen abzusehen, die sich negativ auf die gutnachbarschaftlichen Beziehungen auswirken könnten;

3.

begrüßt, dass die Türkei am 12. September 2020 beschlossen hat, ihr Forschungsschiff für Seismologie, Oruç Reis, abzuziehen und damit einen ersten Schritt zur Lockerung der Spannungen im östlichen Mittelmeer unternommen hat; verurteilt den Beschluss der Türkei vom 15. September 2020, eine neue NAVTEX-Mitteilung zur Verlängerung der Einsatzdauer des Bohrschiffs Yavuz bis zum 12. Oktober 2020 herauszugeben; fordert die Türkei nachdrücklich auf, Zurückhaltung zu üben, und weiterhin proaktiv zur Deeskalation der Lage beizutragen, unter anderem, indem sie die territoriale Integrität und Souveränität all ihrer Nachbarländer achtet, weitere illegale Explorations- und Bohrtätigkeiten im östlichen Mittelmeer umgehend einstellt, von Verletzungen des griechischen Luftraums sowie griechischer und zyprischer Hoheitsgewässer absieht und sich von nationalistischer kriegstreiberischer Rhetorik distanziert; lehnt Drohungen und Beleidigungen gegenüber den Mitgliedstaaten und der EU als inakzeptabel und unpassend für ein EU-Bewerberland ab;

4.

erklärt, dass eine Lösung auf diplomatischem Wege, durch Vermittlung und im Rahmen des Völkerrechts gefunden werden muss und unterstützt nachdrücklich die Wiederaufnahme des Dialogs zwischen den Parteien; fordert alle Beteiligten, insbesondere die Türkei, auf, sich dringend zu einer Deeskalation zu verpflichten, indem sie ihre militärische Präsenz in der Region aufgeben, um einen Dialog und eine wirksame Zusammenarbeit zu ermöglichen;

5.

fordert die Türkei als Bewerberland auf, das Seerecht und die Souveränität der EU-Mitgliedstaaten Griechenland und Zypern über ihre Hoheitsgewässer sowie alle ihre souveränen Rechte in ihren Meeresgebieten uneingeschränkt zu achten; fordert die türkische Regierung erneut auf, das SRÜ zu unterzeichnen und zu ratifizieren, und erinnert daran, dass — auch wenn die Türkei keine Vertragspartei ist — das Gewohnheitsrecht ausschließliche Wirtschaftszonen auch für unbewohnte Inseln vorsieht;

6.

bedauert, dass durch die zunehmende Eskalation der Spannungen die Aussichten auf die Wiederaufnahme direkter Gespräche über die umfassende Lösung der Zypernfrage untergraben werden, obwohl dies im Hinblick auf die Aussichten auf eine Abgrenzung der AWZ zwischen Zypern und der Türkei nach wie vor der wirksamste Weg ist; fordert alle betroffenen Parteien nachdrücklich auf, die Verhandlungen für eine gerechte, umfassende und tragfähige Lösung der Zypernfrage im Rahmen der Vereinten Nationen, wie dies in den einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates vorgesehen ist, im Einklang mit dem Völkerrecht und dem Besitzstand der EU sowie gestützt auf die Achtung der Grundsätze, auf denen die Union beruht, aktiv zu unterstützen;

7.

begrüßt die Einladung der Regierungen Zyperns und Griechenlands an die Türkei, nach Treu und Glauben über die Festlegung der Seegrenzen zwischen ihren jeweiligen Küsten zu verhandeln; fordert die Parteien nachdrücklich auf, die diesbezüglichen Streitigkeiten vor den Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag zu bringen oder ein internationales Schiedsverfahren in Anspruch zu nehmen, falls durch Vermittlung keine Einigung erzielt werden kann;

8.

begrüßt die Bemühungen der EU, insbesondere des Vizepräsidenten/Hohen Vertreters Borrell und des deutschen Ratsvorsitzes der Europäischen Union, sowie anderer internationaler Institutionen wie der NATO, im Wege des Dialogs und der Diplomatie zu einer Lösung beizutragen; fordert alle Seiten auf, ernsthaft zusammenzuarbeiten und die Abgrenzung der AWZ und des Festlandsockels in gutem Glauben und unter uneingeschränkter Achtung des Völkerrechts und des Grundsatzes guter Beziehungen zwischen den Nachbarn auszuhandeln; unterstützt den Vorschlag für eine multilaterale Konferenz über das östliche Mittelmeer unter Mitwirkung aller beteiligten Akteure, um eine Plattform für die Beilegung von Streitigkeiten im Wege des Dialogs zu bieten;

9.

fordert die Kommission und alle Mitgliedstaaten auf, einen umfassenderen und inklusiven Dialog mit der Türkei zu führen, mit dem Ziel, eine umfassende und strategische Sicherheitsarchitektur und die Zusammenarbeit im Energiebereich mit Blick auf den Mittelmeerraum in die Wege zu leiten; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, sich im Rahmen dieses Dialogs weiterhin nachdrücklich für die grundlegenden Werte und Prinzipien der Union, einschließlich der Achtung der Menschenrechte, der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und des Grundsatzes der Solidarität, einzusetzen;

10.

fordert dringend eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung für Bohrtätigkeiten unter Berücksichtigung der zahlreichen Risiken für die Umwelt, die Arbeitskräfte und die lokale Bevölkerung, die mit der Offshore-Gasexploration verbunden sind; fordert alle Beteiligten auf, in erneuerbare Energien und eine nachhaltige klimafreundliche Zukunft zu investieren, und fordert die EU auf, die Entwicklung eines solchen Grünen Deals für den Mittelmeerraum zu unterstützen, der Pläne für Investitionen in erneuerbare Energien in der gesamten Region umfassen würde, um Streitigkeiten über begrenzte fossile Ressourcen, die unser Klima und unsere Umwelt schädigen, zu verhindern;

11.

bringt seine tiefe Besorgnis über den derzeitigen Stand der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei zum Ausdruck, vor allem in Bezug auf die katastrophale Menschenrechtslage in der Türkei sowie die Aushöhlung der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit; unterstreicht die vergangenen und gegenwärtigen negativen Auswirkungen der einseitigen außenpolitischen Initiativen der Türkei in der gesamten Region und betont, dass die illegalen Explorations- und Bohrtätigkeiten der Türkei im östlichen Mittelmeer zu einer weiteren Verschlechterung der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei im Allgemeinen beitragen; fordert die Türkei und die EU-Mitgliedstaaten auf, gemeinsam die friedliche Beilegung des Konflikts und den politischen Dialog in Libyen zu unterstützen und sich an das vom UN-Sicherheitsrat verhängte Waffenembargo zu halten; bedauert die negativen Auswirkungen, die die derzeitige türkische Außenpolitik und andere Handlungen im Mittelmeerraum auf die Stabilität in der Region haben; bekräftigt seinen Standpunkt, den es in seiner Entschließung vom 24. Oktober 2019 zum türkischen Militäreinsatz im Nordosten Syriens und seinen Folgen (7) zum Ausdruck gebracht hat;

12.

fordert die entsprechenden Foren innerhalb der NATO und insbesondere die Hochrangige Task Force für die Kontrolle konventioneller Waffen auf, die Rüstungskontrolle im östlichen Mittelmeerraum dringend zu erörtern;

13.

bekräftigt, dass der parlamentarische Dialog zwischen der EU und der Türkei ein wichtiges Element des Dialogs und der Deeskalationsbemühungen ist; bedauert zutiefst die beständige Weigerung der Großen Nationalversammlung der Türkei, die bilateralen Tagungen des Gemischten Parlamentarischen Ausschusses EU-Türkei wiederaufzunehmen; fordert die unverzügliche Wiederaufnahme dieser Tagungen;

14.

besteht darauf, dass weitere Sanktionen nur durch Dialog, loyale Zusammenarbeit und konkrete Fortschritte vor Ort vermieden werden können; fordert den Rat auf, bereit zu sein, eine Liste weiterer restriktiver Maßnahmen zu erstellen, wenn bei der Zusammenarbeit mit der Türkei keine nennenswerten Fortschritte erzielt werden; schlägt vor, dass solche Maßnahmen sektorspezifisch und zielgerichtet sein sollten; vertritt entschieden die Auffassung, dass diese Sanktionen keine negativen Auswirkungen auf die türkische Bevölkerung, unsere Unterstützung für die unabhängige türkische Zivilgesellschaft oder auf die in der Türkei lebenden Flüchtlinge haben dürfen;

15.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission/Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, der Parlamentarischen Versammlung und dem Generalsekretär der NATO, dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Republik Türkei sowie den EU-Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1)  ABl. C 224 vom 27.6.2018, S. 93.

(2)  ABl. C 215 vom 19.6.2018, S. 199.

(3)  ABl. C 463 vom 21.12.2018, S. 56.

(4)  Angenommene Texte, P8_TA(2019)0200.

(5)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0017.

(6)  ABl. C 285 vom 5.8.2016, S. 11.

(7)  Angenommene Texte, P9_TA(2019)0049.


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