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Document 52020DP0161

Beschluss des Europäischen Parlaments vom 18. Juni 2020 über die Einsetzung eines Sonderausschusses zu Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation, seinen Zuständigkeiten, seiner zahlenmäßigen Zusammensetzung und seiner Mandatszeit (2020/2683(RSO))

ABl. C 362 vom 8.9.2021, p. 186–188 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

8.9.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 362/186


P9_TA(2020)0161

Einsetzung eines Sonderausschusses zu Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation, seine Zuständigkeiten, seine zahlenmäßige Zusammensetzung und seine Mandatszeit

Beschluss des Europäischen Parlaments vom 18. Juni 2020 über die Einsetzung eines Sonderausschusses zu Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation, seinen Zuständigkeiten, seiner zahlenmäßigen Zusammensetzung und seiner Mandatszeit (2020/2683(RSO))

(2021/C 362/41)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Vorschlag der Konferenz der Präsidenten,

gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union (EUV),

unter Hinweis auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),

unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere die Artikel 7, 8, 11, 12, 39, 40, 47 und 52,

unter Hinweis auf die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, insbesondere auf die Artikel 8, 9, 10, 11, 13, 16 und 17, sowie auf das dazugehörige Protokoll, insbesondere Artikel 3,

gestützt auf Artikel 207 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass der mit diesem Beschluss eingesetzte Sonderausschuss als Ergebnis einen gemeinsamen, ganzheitlichen und langfristigen Ansatz für den Umgang mit Beweisen für eine Einflussnahme aus dem Ausland auf die demokratischen Institutionen und Prozesse der EU und ihrer Mitgliedstaaten bieten sollte, und zwar nicht nur im Vorfeld aller wichtigen nationalen und europäischen Wahlen, sondern dauerhaft in der gesamten EU in Bezug auf eine Vielzahl von Formen der Einmischung, einschließlich Desinformationskampagnen in traditionellen und sozialen Medien zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung, Cyberangriffen auf wichtige Infrastrukturen, direkter und indirekter finanzieller Unterstützung sowie im Zusammenhang mit der Ausübung wirtschaftlichen Drucks auf politische Akteure und der Unterwanderung der Zivilgesellschaft;

B.

in der Erwägung, dass alle gemeldeten Vorfälle betreffend Einflussnahme aus dem Ausland auf demokratische Prozesse und Institutionen ein systematisches Muster darstellen, das sich in den letzten Jahren wiederholt hat;

C.

in der Erwägung, dass Versuche staatlicher Akteure aus Drittstaaten und nichtstaatlicher Akteure, mittels böswilliger Eingriffe Einfluss auf die Funktionsweise der Demokratie in der EU und in ihren Mitgliedstaaten zu nehmen sowie Druck auf die in Artikel 2 EUV verankerten Werte auszuüben, Teil einer allgemeinen Tendenz sind, die in Demokratien weltweit zu beobachten ist;

D.

in der Erwägung, dass Einflussnahme aus dem Ausland in Verbindung mit wirtschaftlichem und militärischem Druck benutzt werden, um der europäischen Einheit Schaden zuzufügen;

1.

beschließt, einen Sonderausschuss zu Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation, einzurichten, der mit folgenden Zuständigkeiten betraut wird:

a)

Durchführung einer gründlichen Analyse der Untersuchungen, um nachzuweisen, dass wesentliche Wahlvorschriften verletzt oder umgangen wurden, insbesondere die geltenden Bestimmungen über die Transparenz der Wahlkampffinanzierung, wobei Anschuldigungen über politisch motivierte Ausgaben durch verschiedene legale und illegale Formen von Briefkastenfirmen und vorgeschobenen Geldgebern aus Drittländern erhoben wurden;

b)

Ermittlung von Bereichen, in denen legislative und nicht-legislative Maßnahmen erforderlich sind, die zu Eingriffen seitens der Plattformen der sozialen Medien führen könnten, welche darauf abzielen, von Bots verbreitete Inhalte zu kennzeichnen, Algorithmen zu überprüfen, um sie so transparent wie möglich zu machen in Bezug auf die Kriterien, die dazu führen, dass sie Inhalte anzeigen, priorisieren, teilen, herabstufen und entfernen, und die Konten von Personen zu schließen, die sich an koordiniertem, nicht authentischem Online-Verhalten oder illegalen Aktivitäten mit dem Ziel beteiligen, demokratische Prozesse zu untergraben oder zu Hassreden anzustiften, wobei die freie Meinungsäußerung nicht beeinträchtigt werden darf;

c)

Leistung eines Beitrags zu der laufenden Debatte darüber, wie die Verantwortung für die Bekämpfung von Einmischung des Auslands in alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich der Desinformation, verbessert werden kann, und zwar nicht nur durch Behörden, sondern auch in Zusammenarbeit mit Technologie- und Social-Media-Unternehmen und dem Privatsektor insgesamt, um das Bewusstsein für die Rolle, Pflicht und Verantwortung dieser Akteure bei der Bekämpfung von Einmischung aus dem Ausland zu schärfen, ohne die Meinungsfreiheit zu untergraben;

d)

Bewertung nationaler Maßnahmen, mit denen die Quellen der politischen Finanzierung streng eingeschränkt werden können, da ausländische Akteure legale und illegale Wege gefunden haben, um nationale Rechtsvorschriften zu umgehen, und ihren Verbündeten versteckte Unterstützung angeboten haben, indem sie Darlehen mit ausländischen Banken aufgenommen und Sachgüter von Wert bereitgestellt haben, über Kauf- und Geschäftsvereinbarungen, Briefkastenfirmen, gemeinnützige Organisationen, vorgeschobene Spender, neue Technologien, die Anonymität bieten, Online-Werbung, extremistische Online-Medien und über die Erleichterung von Finanzaktivitäten; Ermittlung möglicher Bereiche, in denen Maßnahmen in Bezug auf die Finanzierung politischer Parteien und politischer Kampagnen erforderlich wären;

e)

Vorlage eines Vorschlags für ein koordiniertes Vorgehen auf EU-Ebene zur Bewältigung hybrider Bedrohungen, darunter Cyberangriffe auf militärische und nichtmilitärische Ziele, Hack-and-Leak-Vorgänge (Eindringen in fremde Systeme und Abgreifen unter Ausnützung von Sicherheitslücken), die sich an Gesetzgeber, Beamte, Journalisten, politische Parteien und Kandidaten richten, sowie Cyberspionage zum Zwecke des Diebstahls geistigen Eigentums von Unternehmen und des Diebstahls sensibler Bürgerdaten, da diese Bedrohungen weder von nationalen Behörden allein bewältigt werden können, noch durch eine reine Selbstregulierung des Privatsektors, sondern einen koordinierten Ansatz unter Beteiligung mehrerer Akteure erfordern; Bewertung des Sicherheitsaspekts dieser Bedrohungen, die schwerwiegende politische, wirtschaftliche und soziale Auswirkungen auf die europäischen Bürger haben können;

f)

Prüfung der Abhängigkeit der EU von ausländischen Technologien in der Lieferkette für kritische Infrastrukturen, einschließlich der Internet-Infrastruktur, darunter Hardware, Software, Anwendungen und Dienstleistungen, sowie von Maßnahmen, die erforderlich sind, um die Fähigkeit zu erhöhen, strategischen Kommunikationen von feindlichen Dritten entgegenzuwirken und Informationen und bewährte Verfahren in diesem Bereich auszutauschen; Unterstützung und Förderung der Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten beim Austausch von Informationen, Wissen und bewährten Verfahren, um Bedrohungen zu bekämpfen und bestehende Mängel zu beheben;

g)

Ermittlung‚ Bewertung und Unterbreitung von Vorschlägen, wie gegen Verstöße gegen die Sicherheitsbestimmungen innerhalb der EU-Organe vorgegangen werden kann;

h)

Maßnahmen gegen Informationskampagnen und strategische Kommunikation böswilliger Drittländer, auch wenn dies über einheimische europäische Akteure und Organisationen erfolgt, die den Zielen der Europäischen Union abträglich sind und geschaffen werden, um die europäische öffentliche Meinung zu beeinflussen, um die Erreichung eines gemeinsamen Standpunkts der EU, auch zu GASP- und GSVP-Fragen, zu erschweren;

i)

Inanspruchnahme aller einschlägigen Dienststellen und Institutionen auf Ebene der EU und ihrer Mitgliedstaaten, soweit er dies zur Erfüllung ihres Mandats für sachdienlich und wirksam erachtet;

2.

betont, dass die Empfehlung des Sonderausschusses von den zuständigen ständigen Ausschüssen bei ihrer Arbeit berücksichtigt wird;

3.

beschließt, dass die Befugnisse, die Personalausstattung und die Ressourcen der ständigen Ausschüsse des Parlaments, die für Fragen des Erlasses, der Überwachung und der Umsetzung von Rechtsvorschriften der Union im Zusammenhang mit dem Zuständigkeitsbereich des Sonderausschusses zuständig sind, von der Einrichtung des Sonderausschusses unberührt bleiben und es nicht zu Überschneidungen kommt und diese daher unverändert bleiben;

4.

beschließt, dass die Sitzungen immer dann, wenn sich der Sonderausschuss mit der Anhörung von vertraulichen Beweisen oder von Zeugenaussagen, die personenbezogene Daten umfassen, oder mit einem Meinungsaustausch mit Behörden oder Einrichtungen zu als vertraulich eingestuften Informationen, wozu auch wissenschaftliche Studien oder Teile davon zählen, die gemäß Artikel 63 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates (1) als vertraulich gelten, oder mit entsprechenden Anhörungen befasst, unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden; beschließt außerdem, dass Zeugen und Sachverständige das Recht haben, unter Ausschluss der Öffentlichkeit auszusagen;

5.

beschließt, dass die Liste der Personen, die zu öffentlichen Sitzungen eingeladen werden, die Liste der Personen, die diesen Sitzungen beiwohnen, sowie die Protokolle dieser Sitzungen öffentlich zugänglich gemacht werden;

6.

beschließt, dass bei dem Sonderausschuss eingegangene als vertraulich eingestufte Dokumente im Rahmen des Verfahrens gemäß Artikel 221 seiner Geschäftsordnung geprüft werden; beschließt außerdem, dass derartige Informationen ausschließlich genutzt werden, um den Abschlussbericht des Sonderausschusses zu erstellen;

7.

legt die Zahl der Mitglieder des Sonderausschusses auf 33 fest;

8.

beschließt, dass die Dauer des Mandats des Sonderausschusses zwölf Monate beträgt und dass die Dauer des Mandats des Ausschusses mit seiner konstituierenden Sitzung beginnt;

9.

beschließt, dass der Sonderausschuss dem Parlament einen Halbzeitbericht vorlegen kann und dass er dem Parlament einen Abschlussbericht vorlegt, der — unbeschadet der Zuständigkeiten der ständigen Ausschüsse gemäß Anlage VI seiner Geschäftsordnung — Tatsachenfeststellungen und Empfehlungen für zu ergreifende Maßnahmen und Initiativen enthält.

(1)  Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (ABl. L 309 vom 24.11.2009, S. 1).


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