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Document 52019IR4764

    Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Die Umsetzung von Freihandelsabkommen aus regionaler und lokaler Sicht

    COR 2019/04764

    ABl. C 324 vom 1.10.2020, p. 21–27 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    1.10.2020   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 324/21


    Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Die Umsetzung von Freihandelsabkommen aus regionaler und lokaler Sicht

    (2020/C 324/04)

    Berichterstatter:

    Michael MURPHY (IE/EVP), Mitglied des Grafschaftsrats von Tipperary

    Referenzdokument:

    Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die Umsetzung von Freihandelsabkommen: 1. Januar 2018 — 31. Dezember 2018

    COM(2019) 455 final

    POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

    DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

    Allgemeine Bemerkungen

    1.

    begrüßt den jährlichen Bericht der Kommission über die Umsetzung von Freihandelsabkommen; betrachtet ihn nicht nur als einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu mehr Transparenz, sondern auch als ein wirksames Instrument, um der Öffentlichkeit sachliche Hintergrundinformationen über die von der EU ausgehandelten Handelsabkommen zu bieten;

    2.

    betont das große Potenzial, das die EU-Handelspolitik für die Umsetzung der EU-Zielsetzungen insbesondere im Hinblick auf nachhaltiges Wachstum, die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele, Beschäftigung, Arbeitsplatzschaffung und Investitionen in der EU bietet; ist sich jedoch gleichzeitig dessen bewusst, dass die COVID-19-Krise für die europäische und die globale Wirtschaft ein großer Schock ist und die Möglichkeiten europäischer KMU im Welthandel verzerren wird. Einer kürzlich von der GD TRADE durchgeführten Erhebung zufolge wird 2020 ein Rückgang des Welthandels um 10 % bis 16 % erwartet. Für die EU-27 wird bei den Ausfuhren aus der EU-27 mit einem Rückgang zwischen 9 % und 15 %, d. h. um 282 bis 470 Mrd. EUR gerechnet (1);

    3.

    erinnert daran, dass 36 Mio. Arbeitsplätze in der EU vom Export in Drittländer abhängen und alleine 13,7 Mio. dieser Arbeitsplätze von Frauen besetzt sind. Von 2000 bis 2017 haben in der EU die vom Export auf den Weltmarkt abhängigen Arbeitsplätze um 66 % zugelegt, was 14,3 Mio. zusätzlichen Arbeitsplätzen entspricht. Der Anteil der Beschäftigung in der EU, der von Waren- und Dienstleistungsexporten auf den Weltmarkt abhängt, an der Gesamtbeschäftigung ist von 10,1 % (2000) auf 15,3 % (2017) gestiegen (2); stellt mit Besorgnis fest, dass aufgrund der COVID-19-Pandemie nach Schätzungen der IAO im Jahr 2020 allein in Europa 12 Millionen Arbeitsplätze verloren gehen werden;

    4.

    betont, wie wichtig ein freier, auf Regeln beruhender internationaler Handel ist, der allen Handelspartnern zugutekommt; fordert die Kommission auf, die Handelsinteressen der EU weiterhin zu verteidigen und den zunehmenden Protektionismus zu bekämpfen;

    5.

    stellt fest, dass die Auswirkungen von Freihandelsabkommen sich in der EU auf regionaler Ebene ausdrücken. Der AdR fordert daher, dass die Kommission ihn systematisch unterrichtet und die möglichen Auswirkungen des Handels auf die lokale und regionale Ebene in den Verhandlungen frühzeitig berücksichtigt;

    6.

    ist der Ansicht, dass Freihandelsabkommen so zu gestalten sind, dass sie auch den KMU entsprechen, während umgekehrt die KMU dabei zu unterstützen sind, Nutzen aus Freihandelsabkommen zu ziehen; unterstreicht diesbezüglich die Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften dabei, die Freihandelsabkommen den KMU vor Ort zu vermitteln;

    7.

    betont, dass alle Regierungs- und Verwaltungsebenen gemeinsam dafür verantwortlich sind, dass die Vorteile der Globalisierung gerecht verteilt und die negativen Auswirkungen abgemildert werden;

    8.

    bedauert, dass immer mehr Maßnahmen ergriffen werden, die nicht mit den WTO-Regeln konform sind, und dass von neuen nichttarifären, diskriminierenden Regelungen die Gefahr der gegenseitigen normativen Überfrachtung ausgeht, sodass sie sich allmählich zur neuen Normalität im Welthandel entwickeln; meint, dass bestehende EU-Förderprogramme und deren Kontrolle im Einklang mit den EU-Wettbewerbsvorschriften neu bewertet werden sollten, um von Handelskriegen betroffene Regionen durch Entlastung zu unterstützen;

    9.

    begrüßt, dass die Kommission am 22. Dezember 2017 eine Expertengruppe für Handelsabkommen eingerichtet hat, die die Transparenz und Inklusion in der EU-Handelspolitik steigern soll; beklagt jedoch, dass keiner der 28 Experten dieser Gruppe (3) eine lokale oder regionale Gebietskörperschaft oder einen ihrer Verbände vertritt; fordert die Kommission auf, die Expertengruppe in ihrer derzeitigen Form sowie den Beobachterstatus des AdR beizubehalten oder den AdR bei einer Änderung der allgemeinen Struktur der Expertengruppe als Mitglied einzuladen;

    10.

    begrüßt, dass der EU-Handel zu 29-31 % präferenziellen Handelsabkommen unterliegt;

    COVID-19-bezogene Empfehlungen

    11.

    begrüßt die Ankündigung der Kommission, ein Verfahren zur Überprüfung der Handelspolitik einzuleiten, das bis Ende des Jahres in eine neue Strategie münden soll; fordert die Kommission jedoch auf, dafür zu sorgen, dass bei dieser Überprüfung der Frage der Umsetzung von Freihandelsabkommen in den Regionen und Städten der Mitgliedstaaten die gebührende Sorgfalt und Aufmerksamkeit zukommt;

    12.

    Die COVID-19-Pandemie hat deutlich gemacht, dass die Volkswirtschaften der Welt eng miteinander verflochten sind und dass in Krisenzeiten kein Land in der Lage ist, seinen Bedarf alleine zu decken. Daher fordert der AdR die Europäische Kommission auf, ihre Arbeit an der Reform der WTO fortzusetzen, damit ein faires, offenes und regelbasiertes Welthandelssystem sichergestellt ist; stellt in diesem Zusammenhang fest, dass die EU in Fällen, in denen der globale Wettbewerb verzerrt wird, ihre handelspolitischen Schutzinstrumente in vollem Umfang einsetzen und neue Instrumente entwickeln muss, um gegen marktverzerrende Praktiken von Drittländern vorzugehen;

    13.

    fordert die Europäische Kommission nachdrücklich auf, ihre Arbeit zur Bekämpfung der durch Subventionen aus Drittstaaten verursachten Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt fortzusetzen; erwartet in diesem Zusammenhang die Veröffentlichung des Weißbuchs der Kommission über ein Instrument für Subventionen aus Drittstaaten. Diesbezüglich sind Fortschritte für die Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen für EU-Unternehmen in Bereichen wie dem öffentlichen Auftragswesen besonders wichtig;

    14.

    stellt fest, dass es letztendlich die Regionen und ihre Regierungen sind, die die Krise an vorderster Front bekämpfen und ihre gesundheitlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen bewältigen müssen; ist daher der Ansicht, dass die EU strategische Vorräte an lebenswichtigen Produkten anlegen muss, um die Regionen auf künftige Pandemien vorzubereiten. begrüßt in diesem Zusammenhang das Kommissionskonzept der „offenen strategischen Autonomie“, mit dem die weltweiten Lieferketten diversifiziert und ein Teil der Herstellung unentbehrlicher Produkte zurückverlagert werden sollen;

    15.

    begrüßt den neuen MFR-Vorschlag vom 27. Mai, einschließlich der neuen Initiative REACT-EU und der vorübergehenden Aufstockung im Rahmen des Instruments „Next Generation EU“; begrüßt in diesem Zusammenhang die zusätzlichen Mittel für die Kohäsionspolitik, die zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise eingesetzt werden können, u. a. durch die Bereitstellung von Investitionen und Liquidität für die betroffenen KMU vor Ort, insbesondere in den am stärksten betroffenen Branchen, was die Rettung vieler Unternehmen und Arbeitsplätze sicherstellt;

    16.

    begrüßt vor dem Hintergrund der COVID-19-Krise die Vereinfachung der Anwendung einer Reihe von EU-Finanzierungsprogrammen, u. a. InvestEU; fordert die Europäische Kommission jedoch nachdrücklich dazu auf, das System eines verbesserten Zugangs zu Finanzmitteln im Rahmen mehrerer Programme über die Pandemie hinaus fortzuführen, damit europäische KMU Digitalisierungs- und Dekarbonisierungstechniken gewinnbringend zur Schaffung von nachhaltigem Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätzen nutzen können;

    Optimale Nutzung von Handelsabkommen — regionale und wirtschaftliche Perspektiven

    17.

    teilt nachdrücklich die Auffassung der Kommission, dass EU-Unternehmen nur dann von EU-Handelsabkommen profitieren können, wenn sie wissen, was diese Abkommen beinhalten und wie sie in der Praxis funktionieren; betont, dass regionale Vertreter in die Bemühungen um eine verbesserte Umsetzung der Freihandelsabkommen einbezogen werden müssen; unterstreicht, wie wichtig es ist, Handlungspläne für die Umsetzung von Freihandelsabkommen zu erarbeiten, die auf die einzelnen Mitgliedstaaten, ihre Regionen und die regionale Wirtschaft zugeschnitten sind;

    18.

    bemängelt, dass die Ursprungsregeln und die Verwaltungsformulare, welche die Handelspartner der EU verlangen, damit EU-Unternehmen Präferenzen gewährt werden können, zu kompliziert sind. Kritisch zu sehen ist auch der Aufwand für die europäischen KMU beim Nachweis des präferenziellen Ursprungs. Er erscheint insofern unverhältnismäßig, als die KMU nicht über die gleichen Ressourcen verfügen wie Großunternehmen;

    19.

    bekräftigt seinen seit Langem vertretenen Standpunkt, dass künftige Handelsabkommen der EU die Regierungen aller Ebenen nicht daran hindern dürfen, öffentliche Dienstleistungen zu erbringen, zu fördern oder zu regulieren. Sie dürfen auch kein Hinderungsgrund für die Ausweitung des öffentlichen Dienstleistungsangebots sein;

    20.

    weist darauf hin, dass das Gros der Ausfuhren von KMU in erster Linie für den Binnenmarkt bestimmt ist (4). Nur etwa die Hälfte der KMU vertreibt ihre Waren außerhalb der EU-28 (5). Die Ausfuhrtätigkeit der KMU weist zudem eine hohe Konzentration auf: mehr als zwei Drittel der Gesamtausfuhren der KMU in der EU stammen aus sechs Mitgliedstaaten (6);

    21.

    betont, dass laut einer kürzlich von AdR und Eurochambres durchgeführten Umfrage eine wirksame Umsetzung des Handels Folgendes erfordert (7):

    a)

    Behebung des Informationsdefizits rund um die Freihandelsabkommen der EU. Es sollten praktische Informationen darüber bereitgestellt werden, wie die KMU bestimmte Freihandelsabkommen in der Praxis nutzen können. Außerdem sollte es Informationsmaßnahmen mit der Wirtschaft auf regionaler und lokaler Ebene geben (Schulungen, Seminare, Workshops, Roadshows usw.);

    b)

    Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit vorhandener kostenloser Instrumente zur Unterstützung von Unternehmen und KMU und Sensibilisierung der Öffentlichkeit für ihre Existenz;

    c)

    Beseitigung der Umständlichkeit und der mangelnden Kohärenz der Ursprungsregeln und Zollverfahren;

    d)

    rasche Einführung eines kostenlosen Online-Rechners für Ursprungsregeln als zusätzliche-Erstunterstützung für KMU in der EU, um die Komplexität dieser Vorschriften in den EU-Handelsabkommen zu bewältigen;

    22.

    ist der Ansicht, dass mehr getan werden muss, um über die Funktionsweise des internationalen Handels insbesondere in den Mitgliedstaaten und ihren lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu informieren, denn diese spielen hierbei eine Schlüsselrolle, weil sie die KMU vor Ort kennen und ihnen nahe sind; sieht daher ein Potenzial für eine systematische Zusammenarbeit von AdR und Europäischer Kommission, einschlägige Informationen zu verbreiten und relevante interaktive Instrumente wie einen auf KMU zugeschnittenen Rechner für Ursprungsregeln zu entwickeln;

    23.

    begrüßt die fortgeschrittenen Arbeiten der Kommission an dem Online-Portal, das zwei Datenbanken, die Marktzugangsdatenbank und den Handels-Helpdesk zusammenführen wird;

    24.

    begrüßt ferner die vorhandenen Instrumente der Europäischen Kommission, um die KMU in der EU bei ihren Internationalisierungsbemühungen zu fördern und zu unterstützen, damit sie weltweit wettbewerbsfähiger werden, und betont, dass sichergestellt werden muss, dass diese Instrumente nach einem Bottom-up-Ansatz eingesetzt werden;

    25.

    nimmt besorgt zur Kenntnis, dass mit einigen Handelspartnern noch offene Fragen bestehen, auf die die Kommission in ihrem Bericht hinweist. Vor allem geht es darum, dass EU-Produkte nach wie vor auf Hindernisse beim Zugang zu einer Reihe von Märkten in Partnerländern stoßen; Der gegenseitigen unbürokratischen Anerkennung von technischen Standards sollte eine hohe Priorität eingeräumt werden;

    Globales wirtschaftliches Engagement darf nicht zu Ungleichheit zwischen den Regionen der EU führen

    26.

    vertritt die Auffassung, dass Freihandelsabkommen zwar dem allgemeinen Wirtschaftswachstum zugutekommen, aber einige Wirtschaftssektoren sowie deren Standortregionen wahrscheinlich negative Auswirkungen erleiden werden;

    27.

    teilt die Auffassung der Kommission, dass die Handelsabkommen der EU ein großes Potenzial für die Agrarausfuhren der EU bieten; findet es allerdings beunruhigend, dass im Entwurf des Zwischenberichts über die Nachhaltigkeitsprüfung für das Handelsabkommen mit dem Mercosur davon ausgegangen wird, dass die Landwirtschaft und die ländlichen Gebiete in der EU voraussichtlich die Leidtragenden sein werden, weshalb das Abkommen auch von einigen Mitgliedstaaten in der derzeitigen Form abgelehnt wird; besteht ferner darauf‚ dass das Mercosur-Abkommen hinsichtlich des Ziels der Verringerung der Treibhausgasemissionen bewertet wird. Dabei sollte die Ratifizierung der EU-Mercosur-Abkommens davon abhängig gemacht werden, dass Maßnahmen ergriffen werden, mit denen das derzeitige Rekordniveau der Entwaldung im Amazonasgebiet Brasiliens rückgängig gemacht wird;

    28.

    unterstreicht, dass in der vom AdR in Zusammenarbeit mit Eurochambres durchgeführten Umfrage über die Umsetzung von Freihandelsabkommen auch ein erhöhter Wettbewerbsdruck durch ausländische Unternehmen als bedeutendes Problem für die Regionen beim Inkrafttreten von Handelsabkommen der EU ausgemacht wurde (8);

    29.

    betont‚ dass in einer Studie (9) des Wissenschaftlichen Dienstes des Europäischen Parlaments, in der die Handelsströme einiger Mitgliedstaaten ausgewertet wurden, festgestellt werden konnte, dass die Exportleistung der Regionen positiv und stark mit dem BIP korreliert und der Handel in jedem untersuchten Mitgliedstaat auf einige wenige Regionen konzentriert ist;

    30.

    macht erneut auf die territoriale Ungleichheit der Auswirkungen der Globalisierung aufmerksam, was im Reflexionspapier der Kommission „Die Globalisierung meistern“ und dem Reflexionspapier „Die Zukunft der EU-Finanzen“ anerkannt wurde. Darin wurde auch der Umstand beleuchtet, dass die Vorteile der Globalisierung zwar breit verteilt werden, die Kosten jedoch häufig lokal zu tragen sind;

    31.

    betont, dass die Beseitigung der geschilderten Ungleichheiten eine EU-weite Antwort erfordert, um sicherzustellen, dass weder Menschen noch Regionen zurückgelassen werden;

    32.

    ist der festen Überzeugung, dass territoriale Folgenabschätzungen wirkungsvolle Instrumente sein können, um die möglichen asymmetrischen Auswirkungen von Handelsabkommen auf die europäischen Regionen frühzeitig zu ermitteln und zu quantifizieren, sodass die betroffenen Gebiete die richtigen politischen Maßnahmen ergreifen können, um die Auswirkungen zu bewältigen; hält dies für ein entscheidendes Element bei der Formulierung einer soliden, transparenten und faktengestützten Handelspolitik;

    33.

    betont insbesondere die Bedeutung der Kohäsionspolitik für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der EU-Regionen durch gezielte Investitionen, die den Bedürfnissen eines bestimmten Gebiets in Schlüsselsektoren wie Netzinfrastrukturen, Forschung und Innovation, KMU, IT-Dienste, Umwelt- und Klimaschutz, hochwertige Beschäftigung und soziale Inklusion angepasst sind;

    34.

    weist darauf hin, dass es angesichts der starken Belege für regionale Muster im internationalen Handel unerlässlich ist, bei einer weiteren Liberalisierung des Handels durch die EU vor jeder bedeutenden Initiative dieser Art eine vorausgehende Folgenabschätzung durchzuführen. Dabei sind die möglichen Auswirkungen auf nationaler und insbesondere subnationaler Ebene zu konzentrieren;

    35.

    begrüßt, dass die Kommission in ihrem Europäischen Aufbauplan vom Mai 2020 vorgeschlagen hat, ihre Notfallinstrumente einschließlich des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF) zu stärken und flexibler zu gestalten, damit die Ressourcen bei Bedarf rasch und in großem Umfang eingesetzt werden können; erwartet, dass die Kommission ihren Vorschlag rasch konkretisiert, und bekräftigt vor diesem Hintergrund (10), dass der vorherige EGF-Vorschlag für den Förderzeitraum 2021-2027 relativ hohe Schwellenwerte für die Förderfähigkeit (mindestens 250 Entlassungen) (11) und eine geringe Mittelausstattung von ca. 225 Mio. EUR pro Jahr vorsah;

    Handelspolitik als Schlüsselinstrument zur Stärkung der Nachhaltigkeit

    36.

    ist der festen Überzeugung, dass die Handelspolitik bei der Gewährleistung positiver Effekte der Globalisierung auf wirtschaftlicher, sozialer, territorialer und ökologischer Ebene für die Bürger und die Unternehmen in Europa und anderswo eine wichtige Rolle spielen muss;

    37.

    weist auf die Eurobarometer-Sonderumfrage (12) von 2019 hin. Aus ihr geht hervor, dass der Anteil der Befragten, die sich um die negativen Umweltfolgen des internationalen Handels sorgen, gestiegen ist. In derselben Umfrage wurde festgestellt, dass immer mehr Befragte glauben, dass sie nicht vom internationalen Handel profitieren können, weil dieser der Umwelt schadet;

    38.

    weist darauf hin, dass der Grüne Deal die Handelspolitik mit der Wirtschafts-, Regulierungs- und Wettbewerbspolitik in einer umfassenden Anstrengung zusammenführen soll, um die Umwelt zu schützen und hohe Umweltziele für die Industrie insgesamt festzulegen;

    39.

    ist der Ansicht, dass ein Mechanismus zur Bekämpfung der Verlagerung von CO2-Emissionen genutzt werden könnte, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen; stellt fest, dass mit der Maßnahme ein Gleichgewicht zwischen Umwelt-, Handels- und Fairnessbelangen geschaffen werden muss, um Vergeltungsmaßnahmen gegen Ausfuhren aus EU-Ländern zu vermeiden, die der europäischen Industrie schaden könnten;

    40.

    unterstützt nachdrücklich den 15-Punkte-Aktionsplan der Kommission. Er ist wichtig, um die in allen modernen Handelsabkommen der EU enthaltenen Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung wirksamer zu machen; Dies lässt sich jedoch nur mit entsprechenden Klauseln umsetzen, die die Durchsetzbarkeit, Überprüfbarkeit und Sanktionsfähigkeit von Nachhaltigkeitsanforderungen ermöglichen;

    41.

    befürwortet in der Frage, welche (handelsbezogenen) Schritte bei Verstößen gegen eine Bestimmung des Kapitels über Handel und nachhaltige Entwicklung zu ergreifen sind, dass mit Blick auf Länder, die unlauteren Wettbewerb betreiben, indem sie bspw. die IAO-Kernnormen und die Nachhaltigkeitsstandards missachten, Bestimmungen vorgesehen werden, die Sanktionen ermöglichen;

    42.

    betont, dass die Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung in den Handelsabkommen der EU besser umgesetzt werden müssen. Dies kann mithilfe weicher Maßnahmen und der besseren Nutzung der diplomatischen Möglichkeiten geschehen, die der EU und ihren Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen;

    43.

    Fordert weiterhin, dass EU-Handelsvereinbarungen strikte Regelungen zu falsch bzw. missbräuchlich bestimmten Verrechnungspreisen und zur Steuerflucht börsennotierter Unternehmen beinhalten müssen.

    44.

    teilt die Auffassung, dass die Kapitel Handel und nachhaltige Entwicklung durch ihre Anwendung im Handel zu einer Verbesserung der Bedingungen z. B. in den Bereichen menschenwürdige Arbeit, Umweltschutz und Bekämpfung des Klimawandels beitragen und auf diese Weise helfen können, eine wirkungsvolle und dauerhafte politische Kursänderung in Drittländern einzuleiten (13); räumt zugleich ein, dass diese Fragen qua Definition durch demokratische Prozesse im Rahmen der Verfassungsordnung des jeweiligen Landes gelöst werden müssen;

    45.

    begrüßt den Beschluss der Kommission, einen Beauftragten für Handelsaufsicht zu ernennen, der die Umsetzung der in den Handelsabkommen der EU verankerten Klima-, Umwelt- und Arbeitsschutzbestimmungen genau überwacht, und ist zuversichtlich, dass der Beauftragte für Handelsaufsicht solide Kommunikationskanäle mit der Zivilgesellschaft und den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften einrichten wird; fordert die Europäische Kommission auf, sicherzustellen, dass diese Behörde ausreichende Ressourcen für die Verwirklichung der Ziele erhält;

    46.

    verweist in diesem Zusammenhang allerdings auf die Studie des AdR zur „demokratischen Dimension der Verhandlungen der EU über Handelsabkommen: Rolle und Verantwortung der Bürger und der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften“. Darin wird unterstrichen, dass die reine Verfügbarkeit von Informationen nicht ausreicht, um ein transparentes und partizipatives Verfahren zu gewährleisten. Vielmehr muss den Mechanismen auf nationaler und lokaler Ebene zur Gewährleistung des Zugangs zu diesen Informationen mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Vor allem die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften betonen, dass formelle Mechanismen des Dialogs mit den nationalen Ebenen im Bereich der Handelspolitik häufig fehlen, und dieser Mangel ist auf EU-Ebene noch deutlicher spürbar;

    47.

    ist zugleich der Ansicht, dass die EU-Handelspolitik die Entwicklungshilfebemühungen der EU in Drittländern nicht untergraben darf, und fordert einen ausgewogenen Ansatz für den Freihandel mit Blick auf fragilere Wirtschaftsgefüge; erinnert daran, dass der Handel sowohl frei als auch fair sein muss, und unterstreicht, dass inter- und intraregionale Wirtschaftsintegration helfen kann, die Armut zurückzudrängen; fordert eine bessere Verzahnung der internationalen Handels- und Entwicklungspolitik und nimmt zur Kenntnis, dass die EU von der internationalen Entwicklungshilfe zu einer Partnerschaft auf Augenhöhe übergeht;

    Abfederung der negativen Auswirkungen besonderer Entwicklungen auf bestimmte Sektoren und Regionen

    48.

    fordert die wichtigsten institutionellen Akteure auf, den bestehenden Handelsbeziehungen zwischen den Regionen der EU-27 und dem Vereinigten Königreich besondere Aufmerksamkeit zu schenken, denn sie werden mit darüber entscheiden, welche Auswirkungen der Austritt des Vereinigten Königreichs auf deren jeweilige Wirtschaft haben wird; es müssen geeignete Maßnahmen für Sektoren und Gebiete entwickelt werden, die besonders nachteilig betroffen sein könnten;

    49.

    begrüßt die Empfehlungen der Europäischen Kommission an den Rat vom 3. Februar 2020, Verhandlungen über eine neue Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich zu eröffnen; meint, dass die Europäische Kommission darauf achten muss, dass im ausgehandelten Abkommen die Interessen der EU geschützt werden;

    50.

    verweist auf das Positionspapier der spanischen Delegation im AdR (14) und bedauert die Entscheidung der Vereinigten Staaten von Amerika, zusätzliche Zölle in Höhe von 7,496 Mrd. USD auf europäische Erzeugnisse zu erheben. Diese Maßnahmen sind die Antwort auf die Beihilfen, die die EU und bestimmte EU-Mitgliedstaaten dem Flugzeughersteller Airbus gewähren. Diese Gegenmaßnahme dürfte Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse aus den EU-Mitgliedstaaten schwer treffen;

    51.

    unterstreicht, dass die US-amerikanischen Stahlzölle zu gravierenden Handelsumlenkungen von Stahlerzeugnissen aus Drittstaaten geführt haben, die verstärkt auf den europäischen Markt drängen. Die Safeguard-Maßnahmen der EU im Stahlsektor sollten mit Blick auf das eingetrübte konjunkturelle Umfeld der Stahlindustrie erneut auf ihre Wirksamkeit überprüft werden, um weiteren Schaden von den heimischen Stahlunternehmen abzuwenden. Eine Rücknahme bisheriger Erhöhungen der Zollkontingente sollte ausdrücklich Gegenstand dieser Prüfung sein;

    Gleiche Wettbewerbsbedingungen für EU-Unternehmen in einem regelbasierten Handelssystem

    52.

    weist darauf hin, dass Sanktionen der EU gegen Drittländer, die aus verschiedenen geopolitischen Erwägungen verhängt werden, jedoch keinen Bezug zum Handel aufweisen, Gegensanktionen auslösen, die einige Regionen mit etablierten Handelsbeziehungen zu diesen Drittländern unverhältnismäßig stark treffen; vertritt die Auffassung, dass ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Ausgleichsmaßnahmen und der Erhaltung des Wettbewerbs gewährleistet werden muss und laufende EU-Förderprogramme überprüft werden müssen, damit sie Regionen helfen können, die unter den negativen Auswirkungen der Handelskriege leiden;

    53.

    weist auf die in jüngster Zeit immer lauter werdenden Rufe nach einer selbstbewussteren Handelspolitik der EU hin, um europäische Technologien, Unternehmen und Märkte vor unfairen Handelspraktiken auswärtiger Akteure zu schützen; meint, dass die EU eine proaktivere Handelspolitik benötigt, die ihre Unternehmen durch geeignete Ausgleichsmaßnahmen, die mit den jüngsten Entwicklungen in den Wertschöpfungsketten Schritt halten, und durch einen verbindlichen Rechtsrahmen für Handelskonflikte schützen; begrüßt, dass die EU den Multilateralismus und verschiedene Ideen für eine Reform der WTO unterstützt und dass sich die Kommission proaktiv in der verfahrenen Situation in Sachen WTO-Berufungsgremium verhält, d. h. die Interimsvereinbarungen mit Kanada und Norwegen über Schiedsverfahren;

    54.

    stellt allerdings fest, dass sich nach vernünftigem Ermessen zwar kaum ein Land aus der Globalisierung auskoppeln kann, ohne dafür einen sehr hohen Preis zu zahlen, aber dennoch ein reales Risiko gegeben ist, dass das multilaterale Handelssystem zusammenbrechen könnte. Die EU sollte demnach über einen Plan B nachdenken;

    55.

    unterstützt nachdrücklich den Vorschlag der Kommission, die Durchsetzungsverordnung zu ändern, damit sie Gegenmaßnahmen in einer Situation einleiten kann, in der ein Partner die Streitigkeit nicht bis an den Punkt gelangen lässt, an dem eine solche Genehmigung erteilt werden könnte;

    56.

    teilt die Auffassung, dass die EU offensiver auf Gegenseitigkeit bestehen und gegen Protektionismus beim Zugang zu Beschaffungsmärkten in Drittländern vorgehen sollte;

    57.

    bedauert daher, dass in den interinstitutionellen Verhandlungen über den überarbeiteten Vorschlag für ein Instrument für das internationale Beschaffungswesen (15), den die Kommission 2016 vorgelegt hat, keine Fortschritte erzielt wurden.

    Brüssel, den 2. Juli 2020

    Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

    Apostolos TZITZIKOSTAS


    (1)  https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2020/may/tradoc_158764.pdf

    (2)  http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2018/november/tradoc_157516.pdf

    (3)  http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2017/december/tradoc_156487.pdf

    (4)  EPRS, CETA implementation: SMEs and regions in focus, eine Studie im Auftrag des AdR, 18. November 2019. Verfügbar unter:http://www.europarl.europa.eu/thinktank/en/document.html?reference=EPRS_IDA(2019)644179.

    (5)  Flash Eurobarometer 421, Internationalisation of Small and Medium-sized Enterprises, Oktober 2015.

    (6)  Belgien, Deutschland, Spanien, Italien, Niederlande und Vereinigtes Königreich.

    (7)  Umfrage von Eurochambres und AdR zum Thema „Umsetzung von Freihandelsabkommen — Herausforderungen und Chancen für Unternehmen und Regionen“, https://cor.europa.eu/en/events/Documents/ECON/Survey_Note_CoR-Eurochambres_Survey_15_November_2019.pdf.

    (8)  Vom Europäischen Ausschuss der Regionen und vom Dachverband der europäischen Industrie- und Handelskammern (EUROCHAMBRES) gemeinsam durchgeführte Erhebung zur Umsetzung von Handelsabkommen, August-Oktober 2019.

    (9)  EPRS, Wechselwirkungen zwischen Handel, Investitionen und Trends in der EU-Industrie: EU-Regionen und internationaler Handel, Studie im Auftrag des AdR, 27. Oktober 2017, verfügbar unter: http://www.europarl.europa.eu/thinktank/de/document.html?reference=EPRS_STU(2017)608695

    (10)  Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen zum Thema „Stärkung der territorialen Widerstandsfähigkeit: Regionen und Städte für die Globalisierung wappnen“ (ABl. C 54 vom 13.2.2018, S. 32).

    (11)  Insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass im äquivalenten US-amerikanischen Programm für strukturelle Anpassungshilfen (Trade Adjustment Assistance, TAA) nicht vorgesehen ist, dass eine bestimmte Mindestschwelle von Entlassungen erreicht sein muss.

    (12)  https://ec.europa.eu/commfrontoffice/publicopinion/index.cfm/survey/getsurveydetail/instruments/special/surveyky/2246

    https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_19_6294.

    (13)  Europäisches Parlament „Free trade or geo-economics?“ Trends in world trade, Fachabteilung Außenbeziehungen, Generaldirektion Externe Politikbereiche der Union, September 2019.

    (14)  Position der spanischen Delegation im Ausschuss der Regionen zu den Auswirkungen der Handelsstreitigkeiten und der neuen Zölle auf Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse bzw. die regionale und lokale Wirtschaft in der EU — https://cor.europa.eu/de/news/Pages/US-tariffs-on-EU-agri-food-products.aspx.

    (15)  https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2019/march/tradoc_157728.pdf


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