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Document 52019AE4762
Opinion of the European Economic and Social Committee on Sustainable funding for lifelong learning and development of skills, in the context of a shortage of skilled labour (exploratory opinion requested by the Croatian Presidency)
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Nachhaltige Finanzierung des lebenslangen Lernens und der Kompetenzentwicklung vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels“ (Sondierungsstellungnahme auf Ersuchen des kroatischen Ratsvorsitzes)
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Nachhaltige Finanzierung des lebenslangen Lernens und der Kompetenzentwicklung vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels“ (Sondierungsstellungnahme auf Ersuchen des kroatischen Ratsvorsitzes)
EESC 2019/04762
ABl. C 232 vom 14.7.2020, p. 8–17
(BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)
14.7.2020 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 232/8 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Nachhaltige Finanzierung des lebenslangen Lernens und der Kompetenzentwicklung vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels“
(Sondierungsstellungnahme auf Ersuchen des kroatischen Ratsvorsitzes)
(2020/C 232/02)
Berichterstatterin: |
Tatjana BABRAUSKIENĖ |
Mitberichterstatter: |
Pavel TRANTINA |
Ersuchen des kroatischen Ratsvorsitzes |
Schreiben, 10.9.2019 |
Rechtsgrundlage |
Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union |
Beschluss des Präsidiums |
24.9.2019 |
Zuständige Fachgruppe |
Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft |
Annahme in der Fachgruppe |
3.3.2020 |
Verabschiedung im Plenum |
7.5.2020 |
Plenartagung Nr. |
551 — Remote-Plenartagung |
Ergebnis der Abstimmung (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen) |
254/1/6 |
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1. |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Schwerpunkt des Mandatsschreibens an Kommissar Nicolas Schmit (1), der aufgefordert wird, die Kompetenzagenda umzusetzen und zu aktualisieren und dabei den Schwerpunkt auf die Ermittlung und den Ausgleich von Qualifikationsmängeln sowie die Unterstützung von Umschulungsmaßnahmen als Teil eines fairen Wandels zu legen sowie der Idee individueller Lernkonten nachzugehen, die es (beschäftigten und arbeitslosen) Personen im erwerbsfähigen Alter ermöglichen, Fortbildungsansprüche aufzubauen und diese für qualitätsgesicherte Bildungsmaßnahmen zu nutzen. |
1.2. |
Der EWSA unterstützt die Schlussfolgerungen des Rates vom 8. November 2019 zur Schlüsselrolle, die den Strategien für lebenslanges Lernen dabei zukommt, die Gesellschaften zur Bewältigung des technologischen und ökologischen Wandels zu befähigen, um inklusives und nachhaltiges Wachstum zu fördern (2), in denen die Kommission ersucht wird, „Effizienz, Reichweite und Zielgruppen der derzeitigen Strategien für lebenslanges Lernen zu adaptieren, um den Lernbedürfnissen, die aus den Veränderungen in Gesellschaft und Arbeitswelt resultieren, besser gerecht zu werden, unter anderem durch Weiterentwicklung des europäischen Bildungsraums (3)“. |
1.3. |
Der EWSA würdigt, dass eine der Prioritäten des kroatischen EU-Ratsvorsitzes (4) Investitionen in Forschung und Innovation, einen besseren Zugang zu hochwertigem und lebenslangem Lernen und die Entwicklung neuer Kompetenzen umfasst, die an die Arbeitsplätze der Zukunft angepasst sind. |
1.4. |
Der EWSA begrüßt, dass die Europäische Kommission die EU-Mitgliedstaaten in ihrer Mitteilung Ein starkes soziales Europa für einen gerechten Übergang (5), in der Kompetenzen als Schlüssel für die Zukunft bezeichnet werden, auffordert, eine inklusive und hochwertige allgemeine und berufliche Bildung ab der frühen Kindheit zu gewährleisten und die Menschen in ihrer kontinuierlichen Entwicklung während ihres gesamten Berufslebens zu unterstützen. |
1.5. |
Der EWSA ruft die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten zu wirksamen Maßnahmen zur Umsetzung des ersten und des vierten Grundsatzes der europäischen Säule sozialer Rechte auf, die ein Recht auf lebenslanges Lernen am Arbeitsplatz und auch außerbetrieblich von hoher Qualität und in inklusiver Form für alle in Europa vorsehen. Die Umsetzung dieser Grundsätze muss in Absprache mit den Sozialpartnern und der Zivilgesellschaft nachhaltig mit öffentlichen Mitteln unterstützt werden. |
1.6. |
Der EWSA plädiert dafür, den Schwerpunkt insbesondere auf den Zugang der schwächsten sozialen Gruppen zu Möglichkeiten des lebenslangen Lernens zu legen. Arbeitnehmer aller Kompetenz- bzw. Qualifikationsniveaus und in Unternehmen und Organisationen aller Größen sollten unabhängig vom geografischen Gebiet wirksam unterstützt werden, wobei eine nachhaltige Finanzierung durch öffentliche Stellen, Unternehmen und Gewerkschaften, beispielsweise durch individuelle Ausbildungskonten oder andere Programme und Instrumente entsprechend den nationalen Gepflogenheiten, sichergestellt werden sollte. |
1.7. |
Der EWSA schlägt vor, dass die Europäische Kommission bei der Festlegung von Indikatoren und Benchmarks für lebenslanges Lernen, insbesondere für die Teilnahme von Erwachsenen, einschließlich Arbeitnehmern, an der allgemeinen und beruflichen Bildung innerhalb der einschlägigen politischen Rahmenbedingungen und des künftigen strategischen Rahmens ET 2030 höhere Ziele steckt. Die Kommission sollte dafür sorgen, dass die EU-Finanzinstrumente wie Erasmus+, der Europäische Sozialfonds (ESF), InvestEU, der Investitionsplan für ein zukunftsfähiges Europa, der Fonds für einen gerechten Übergang und andere einschlägige EU-Fonds die Verwirklichung dieser Benchmarks effektiv unterstützen und dabei zusammenwirken. |
1.8. |
Darüber hinaus fordert der EWSA die EU-Organe auf, sich auf einen einheitlichen, integrativen Rahmen für Schlüsselkompetenzen zu einigen, der über die Schulbildung hinausgeht, und so der Notwendigkeit der Erwachsenenbildung und des Erwerbs von Lebenskompetenzen Rechnung zu tragen. Schwerpunkt dieses Rahmens müssen insbesondere die Lernkompetenz und die Fähigkeiten für eine demokratische Bürgerschaft sein, die für die Unterstützung von Erwachsenen bei der Übernahme einer aktiven Rolle in der Gesellschaft unerlässlich sind. Der EWSA fordert auch erhöhte Investitionen in nichtformale und informelle Lernumgebungen‚ die für den Erwerb dieser Kompetenzen von besonderer Bedeutung sind. |
1.9. |
Der EWSA hält es im Rahmen des Europäischen Semesters für notwendig, dass die Forderung der Europäischen Kommission nach nachhaltigen Investitionen in die allgemeine und berufliche Bildung einerseits und die Forderung nach Optimierungsmaßnahmen, die mitunter einer solchen Investition abträglich sind, andererseits in Einklang gebracht werden. Die öffentlichen Investitionen in die lebenslange Bildung und insbesondere in die Erwachsenenbildung müssen in allen Mitgliedstaaten aufgestockt werden. |
1.10. |
Der EWSA bekräftigt seine Forderung nach einem stärkeren Fokus etwa auf Sozialinvestitionen in die allgemeine und berufliche Bildung und das lebenslange Lernen. Der EWSA schlägt vor, zu prüfen, ob die „goldene Regel“, d. h. die Ausnahme von Zukunftsinvestitionen der öffentlichen Hand bei der Berechnung der Nettodefizite der öffentlichen Haushalte gemäß den Haushaltsvorschriften der Europäischen Währungsunion‚ auch auf soziale Investitionen angewandt werden könnte, die aus den EU-Strukturfonds gefördert werden. |
1.11. |
Der EWSA fordert die künftigen EU-Ratsvorsitze und die Europäische Kommission auf, die Zusammenarbeit zwischen den Entscheidungsträgern auf höchster Ebene im Anschluss an die gemeinsame Tagung des Rates der Finanz- und Bildungsminister der EU weiter zu verbessern und zu erörtern, wie eine nachhaltige öffentliche Finanzierung der allgemeinen und beruflichen Bildung, insbesondere der Erwachsenenbildung, sichergestellt werden kann. Außerdem muss mit den für Beschäftigung und Soziales zuständigen Ministern zusammengearbeitet werden. Eine solche Kooperation sollte auch auf nationaler Ebene stattfinden. |
1.12. |
Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass Arbeitnehmer und Arbeitslose, die Schwierigkeiten beim Zugang zu hochwertiger und inklusiver Erwachsenenbildung und -ausbildung haben, wirksam unterstützt werden‚ indem unter Berücksichtigung der geschlechtsspezifischen Dimension gezielt Mittel für Bedürftige wie Arbeitslose, atypische Arbeitnehmer, Geringqualifizierte, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen und Angehörige sozioökonomisch benachteiligter Gruppen bereitgestellt werden. |
1.13. |
Der EWSA regt an, im Einklang mit der beschäftigungspolitischen Leitlinie 6: Verbesserung des Arbeitskräfteangebots und der Qualifikationen, in der die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung der Übertragung von Fortbildungsansprüchen bei beruflichen Übergängen aufgefordert werden, Maßnahmen wie die Festsetzung von Referenzindikatoren für öffentliche und private Investitionen in die allgemeine und berufliche Bildung sowie den Zugang der Arbeitnehmer zu bezahltem Bildungsurlaub zu erwägen (6). Dies sollte es allen ermöglichen, die Erfordernisse des Arbeitsmarktes zu antizipieren und sich besser daran anzupassen. |
1.14. |
Nach Ansicht des EWSA sollten die Mitgliedstaaten den öffentlichen Sektor sowie gemeinnützige Bildungsanbieter und zivilgesellschaftliche Organisationen dabei unterstützen, die Finanzmittel für ein hochwertiges inklusives und leichter zugängliches lebenslanges Lernen zu sichern. Durch Qualitätssicherungsmechanismen, die beispielsweise durch EQAVET und andere Instrumente unterstützt werden, sollte ein hochwertiges Angebot an allgemeiner und beruflicher Bildung gewährleistet werden |
1.15. |
Der EWSA schlägt vor, dass zur Gewährleistung wirksamer Investitionen in die innerbetriebliche Weiterbildung und Umschulung von Arbeitnehmern weitere Daten über Investitionen von Unternehmen sowie über die finanzielle Unterstützung durch die Regierungen erhoben werden. Die Beiträge von Arbeitnehmern, Gewerkschaften und sonstigen Interessenträgern sollten angemessen analysiert werden und in die politischen Diskussionen einfließen, wobei der Schwerpunkt auf Investitionen in unterschiedliche Qualifikationen gelegt werden sollte. |
1.16. |
Der EWSA ist der Ansicht, dass Investitionen zur Verwirklichung politischer Ziele durch die demokratische Steuerung der Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen des lebenslangen Lernens, einschließlich eines wirksamen sozialen Dialogs und der Konsultation der organisierten Zivilgesellschaft‚ mehr Wirkung zeigen. |
1.17. |
Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten auf, die Möglichkeiten der verfügbaren EU-Mittel bestmöglich zu nutzen, die auch durch nationale Mittel unterstützt werden sollten. Im anstehenden MFR muss auf jeden Fall der Einschränkung der haushaltstechnischen Möglichkeiten für lebenslanges Lernen auf Ebene der Mitgliedstaaten und der EU entgegengewirkt werden. Die Programme selbst sollten integrativer, einfacher und für kleinere Begünstigte und kleinere Projekte leichter durchführbar sein. |
1.18. |
Der EWSA weist darauf hin, dass die Wirksamkeit der finanziellen und nichtfinanziellen Unterstützungsmaßnahmen im Hinblick auf die spezifische Gruppe der Erwachsenen und die Effizienz der Ressourcennutzung regelmäßig überprüft werden muss. Es müssen solide Vorkehrungen für die Überwachung und Bewertung getroffen werden. Die Ergebnisse der Bewertungen sollten in die Politikgestaltung im Bereich des lebenslangen Lernens einfließen, die dann entsprechend aktualisiert werden sollte. |
1.19. |
Nach Auffassung des EWSA sind Finanzierungsmechanismen erforderlich, die nationale Ressourcen mobilisieren und eine angemessene Kostenteilung zwischen öffentlichen Stellen und privaten Einrichtungen ebenso wie Einzelpersonen und anderen einschlägigen Akteuren (z. B. Sozialpartnern, Bildungsträgern, NRO) vorsehen. |
1.20. |
Der EWSA fordert die Berücksichtigung einer stärkeren Differenziertheit von Lernumgebungen in Strategien für allgemeine und berufliche Bildung und lebenslanges Lernen, ausgehend von der Prämisse der Förderung des individuellen und einzigartigen Potenzials der Lernenden. Dies bedeutet, dass der Wert von Lernumgebungen jenseits der formalen Bildung als dynamischer Zentren der Kompetenzentwicklung gewürdigt werden muss, auch durch nachhaltige Investitionen. Im Gegenzug können deren Erkenntnisse, wie man durch stärker inklusive und innovative Ansätze den Bedürfnissen der Lernenden besser gerecht werden kann, auch in der formalen Bildung genutzt werden. |
1.21. |
Der EWSA fordert sämtliche Entscheidungsträger der EU und in den Mitgliedstaaten auf, die folgenden Herausforderungen für die Rahmenbedingungen des lebenslangen Lernens anzugehen und Lösungen für diese Fragen entsprechend ihren Zuständigkeiten finanziell zu unterstützen, damit lebenslanges Lernen erfolgreich sein kann: |
1.21.1. |
langfristige Strategien zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen Anbietern formalen, nichtformalen und informellen Lernens aus einer lernerorientierten Perspektive zu konzipieren und umzusetzen; |
1.21.2. |
sicherzustellen, dass Lernende ihre Lernpfade selbst aktiv gestalten können, indem sie diese in erster Linie auf ihre Bedürfnisse ausrichten; |
1.21.3. |
Lernende aller Altersgruppen und mit unterschiedlichem Hintergrund beim Zugang zu verschiedenen Lernformen, bei deren Kombination und beim Wechsel zwischen diesen entsprechend ihren persönlichen Bedürfnissen und Fähigkeiten zu unterstützen; |
1.21.4. |
die Validierung nichtformalen und informellen Lernens (wie in der Empfehlung des Rates zur Validierung festgelegt (7)) als dringende Priorität zu behandeln; |
1.21.5. |
das Angebot an Möglichkeiten des lebenslangen Lernens auf lokaler Ebene durch Nutzung bestehender gemeinschaftlicher und bildungspolitischer Infrastrukturen zu verbessern. |
2. Allgemeiner Hintergrund
2.1. |
Gemäß der Definition des Rates (8) reicht lebenslanges Lernen von der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung bis zum Rentenalter und umfasst das gesamte Spektrum des formalen, nichtformalen und informellen Lernens, das dazu dient, Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen im Hinblick auf persönliche, staatsbürgerliche, soziale und/oder beschäftigungsbezogene Ziele zu verbessern. Beim lebenslangen Lernen steht das Individuum im Mittelpunkt des Lernens, und es werden alle Menschen in die Lage versetzt, einschlägiges Wissen zu erwerben, um als aktive Bürger an der Wissensgesellschaft und dem Arbeitsmarkt teilzunehmen, wodurch die Freizügigkeit für die europäischen Bürgerinnen und Bürger erleichtert wird. In dieser Stellungnahme liegt der Schwerpunkt auf einer nachhaltigen Finanzierung des lebenslangen Lernens und der Kompetenzentwicklung vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels. |
2.2. |
Gelernt wird überall und ständig, aktiv und passiv, in einem formalen, informellen und nichtformalen Rahmen. Daher muss eine stärkere Differenziertheit von Lernumgebungen in Strategien für allgemeine und berufliche Bildung und lebenslanges Lernen ausgehend von der Prämisse der Förderung des individuellen und einzigartigen Potenzials der Lernenden berücksichtigt werden. Sowohl das Lernen in allen Lebensbereichen als auch das lebenslange Lernen sollten daher nachhaltig mit öffentlichen Mitteln unterstützt werden, und ein besonderer Schwerpunkt sollte auf älteren Menschen liegen, indem auf ihre Art des Lernens zugeschnittene Mittel bereitgestellt werden. Der EWSA betont erneut (9)‚ dass die finanzielle Förderung auf europäischer und nationaler Ebene u. a. auf eine inklusive und hochwertige allgemeine und berufliche Bildung ausgerichtet sein muss, die für alle zugänglich und erschwinglich und auf derzeitige und künftige Arbeitsmarkterfordernisse ausgerichtet ist. Der finanzielle Nutzen der Erwachsenenbildung kann also ebenso hoch bewertet werden wie der der allgemeinen und beruflichen Erstausbildung und sogar der Hochschulbildung (10). |
2.3. |
Globale Tendenzen wie wirtschaftliche, technische, ökologische, soziale und industrielle Veränderungen im Zuge der digitalen Revolution haben enorme Auswirkungen auf Wirtschaft, Innovation, Wissenschaft und Bildung bis hin zu Gesundheit, Nachhaltigkeit und Formen des Regierens und führen zu radikalen Umwälzungen der Arbeitswelt und des Kompetenzprofils vieler Berufe. Das Tempo des Wandels erfordert die lebenslange kontinuierliche Qualifizierung, Umschulung und Weiterbildung aller Bürgerinnen und Bürger, wobei der Schwerpunkt insbesondere auf die wirksame Unterstützung von Beschäftigten und Arbeitslosen gelegt und gleichzeitig eine nachhaltige Finanzierung durch öffentliche Stellen, Unternehmen, individuelle Ausbildungskonten und andere Instrumente sichergestellt werden sollte. |
2.4. |
Zugleich lässt sich der künftige Qualifikationsbedarf aufgrund dieser grundlegenden Veränderungen sehr schlecht vorhersagen. Das Qualifikationsangebot entwickelt sich ebenfalls, seine Anpassung an den sich abzeichnenden Qualifikationsbedarf braucht jedoch Zeit. Auch wenn die Arbeitgeber die Bedeutung der MINT-Fächer, der digitalen Kompetenzen sowie der beruflichen Aus- und Weiterbildung betonen, ist nunmehr auch ein Wandel hin zu weichen/Querschnittskompetenzen zu beobachten (11), mit denen die Menschen sich an das Arbeitsumfeld und unterschiedliche Lebenssituationen anpassen können (12). Diese Qualifikationen werden in der Regel in Organisationen entwickelt, die nichtformale Bildung anbieten (Jugendorganisationen usw.), und eine nachhaltige finanzielle Unterstützung dieser Anbieter ist von entscheidender Bedeutung. |
2.5. |
Darüber hinaus ist es wichtig, jetzt in die strategische Entwicklung neuer Ausbildungsprogramme zu investieren. Sie sind wichtige Instrumente, um auf Qualifikationserfordernisse und -lücken zu reagieren, und es kann einige Zeit dauern, bis Investitionen in diese Instrumente Ergebnisse zeitigen, insbesondere bei Programmen auf höherer Ebene und mit längerer Laufzeit. Um das System der allgemeinen und beruflichen Bildung rechtzeitig anpassen zu können, ist die systematische Antizipation des Qualifikationsbedarfs von entscheidender Bedeutung‚ um strategisch reagieren und ein Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage vermeiden zu können (13). |
2.6. |
Anlässlich der aktuellen weltweit herrschenden Covid-19-Pandemie hat sich gezeigt, dass das Lernen, wenn nötig, rasch an sich verändernde Umstände angepasst werden kann. Die Lernenden entwickeln zahlreiche neue Ansätze, etwa eigenverantwortliches Lernen oder projektbezogenes Lernen, zeigen mehr Neugier und verbessern ihre IT-Kenntnisse, um online zu lernen. Eingesetzt werden kostenlos nutzbare digitale Plattformen. Grundlegende Querschnittskompetenzen helfen sowohl den Lernenden als auch den Lehrkräften, sich an die Veränderungen anzupassen. Wenn die Ausnahmesituation vorüber ist, sollte die Gesellschaft Lehren aus ihren Erfahrungen ziehen und diese Ansätze und Kompetenzen weiterentwickeln und ausreichend in sie investieren, damit jeder Lernende unabhängig von seiner sozialen Situation in die Lage versetzt wird, teilzunehmen und zu profitieren. |
3. Politischer Hintergrund
3.1. |
In der Mitteilung der Kommission „Ein starkes soziales Europa für einen gerechten Übergang“ (14) wird hervorgehoben, dass Kompetenzen der Schlüssel für die Zukunft sind. Kompetenzen ermöglichen es den Menschen, die Vorteile eines sich rasch wandelnden Arbeitsplatzes zu nutzen. Die Hälfte der derzeitigen Arbeitskräfte wird ihre Kompetenzen in den nächsten fünf Jahren auf den neuesten Stand bringen müssen, und die Digitalisierung sowie die umweltpolitische Wende werden wiederum neue Kompetenzen erfordern. Die berufliche Aus- und Weiterbildung kann zusammen mit der Lehrlingsausbildung die Beschäftigungsfähigkeit junger Menschen und Erwachsener gleichermaßen fördern und den sich wandelnden Bedürfnissen der Unternehmen gerecht werden. |
3.2. |
Der EWSA weist darauf hin, dass das Recht auf Bildung in der Verfassung der Unesco (1945) als „Recht aller auf ungeschmälerte und gleiche Bildungsmöglichkeiten“ verankert ist und dass das lebenslange Lernen im Zusammenhang mit den UN-Nachhaltigkeitszielen immer mehr an Bedeutung gewinnt und in Ziel 4 zur Bildung einen prominenten Platz einnimmt. Das Ziel 4 zur Bildung ist nicht nur als Weg zur Kompetenzentwicklung und zur Ankurbelung der Wirtschaft zu sehen, sondern soll auch die kulturelle Vielfalt und den Frieden fördern. Die Nachhaltigkeitsziele, in denen die Rolle des lebenslangen Lernens definiert wird, enthalten jedoch keine Benchmarks für die Finanzierung (15). |
3.3. |
Der EWSA betont, dass der erste und der vierte Grundsatz der europäischen Säule sozialer Rechte umgesetzt werden müssen, die ein Recht auf allgemeine und berufliche Bildung und lebenslanges Lernen von hoher Qualität und in inklusiver Form für alle in Europa vorsehen. Die Umsetzung dieser Grundsätze muss in Absprache mit den Sozialpartnern und der organisierten Zivilgesellschaft nachhaltig mit öffentlichen Mitteln unterstützt werden. Dieses Recht muss verwirklicht werden, damit alle Erwachsenen an ihrem Arbeitsplatz und auch außerbetrieblich gleichen Zugang zu hochwertiger und inklusiver allgemeiner und beruflicher Bildung haben. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten unabhängig von ihrem Qualifikationsniveau sowie der Größe und dem Standort des Betriebs wirksame Unterstützung erhalten. |
3.4. |
Der EWSA betont, dass für die Umsetzung der Rechte und Grundsätze der europäischen Säule sozialer Rechte, einschließlich des Rechts auf allgemeine und berufliche Bildung und lebenslanges Lernen von hoher Qualität und in inklusiver Form auf nationaler Ebene, angemessene öffentliche Investitionen erforderlich sind (16). Öffentliche Mittel unterliegen mitunter jedoch nach wie vor den strengen Haushaltszwängen des Binnenmarkts und den Haushaltsregeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Es fällt den Staaten immer noch schwer, die öffentlichen Mittel aufzubringen, die für die Beseitigung sozialer Ungleichheiten erforderlich wären. Der Konflikt zwischen verbindlichen Haushaltsregeln und einem Paket von Rechten und Grundsätzen, für deren Durchsetzung die Mittel fehlen, ist immer noch ungelöst. |
3.5. |
In dem Bericht der Globalen Kommission zur Zukunft der Arbeit der IAO „Work for a Brighter Future“ (17) (Arbeit für eine bessere Zukunft) wird darauf hingewiesen, dass die Schaffung wirksamer Möglichkeiten des lebenslangen Lernens für alle eine gemeinsame Verantwortung ist und das aktive Engagement und die Unterstützung von Regierungen, Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie Bildungseinrichtungen erfordert. Die Regierungen müssen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern die Strategien zur Kompetenzentwicklung, die Arbeitsvermittlungen und die Ausbildungssysteme erweitern und neu strukturieren, um den Arbeitnehmern die zum Lernen erforderliche Zeit und finanzielle Unterstützung zu gewähren. In dem Bericht wird die Einführung eines Systems von Lernansprüchen durch ein umgestaltetes System der „Beschäftigungsversicherung“ oder eines „Sozialfonds“ sowie die Einführung „individueller Lernkonten“ vorgeschlagen, die Arbeitnehmern bezahlten Bildungsurlaub ermöglichen. |
3.6. |
Der EWSA begrüßt die wichtige Initiative des finnischen Ratsvorsitzes, der die erste gemeinsame Ratstagung der Finanz- und Bildungsminister der EU organisiert hat, um die Bedeutung der öffentlichen Finanzierung für die allgemeine und berufliche Bildung zu erörtern. Der Ausschuss fordert die künftigen EU-Ratsvorsitze und die Europäische Kommission auf, diese Initiative weiterzuverfolgen, um die Zusammenarbeit zwischen den Entscheidungsträgern auf höchster Ebene zu verbessern. Außerdem muss mit den für Beschäftigung und Soziales zuständigen Ministern zusammengearbeitet werden. Der EWSA spricht sich dafür aus, dass diese Art der Kooperation dann auch auf nationaler Ebene umgesetzt wird. |
3.7. |
Der EWSA begrüßt den Schwerpunkt des Mandatsschreibens an Kommissar Nicolas Schmit (18) der aufgefordert wird, die Kompetenzagenda umzusetzen und zu aktualisieren, Qualifikationsmängel zu ermitteln und auszugleichen und die Umschulung als Teil eines fairen Wandels zu fördern. Die Prüfung des Vorschlags individueller Lernkonten ist eine Möglichkeit für Menschen im erwerbsfähigen Alter, Ausbildungsansprüche zu erwerben und diese für eine hochwertige Fortbildung zu nutzen. Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten auf, bei der Zuweisung der verfügbaren öffentlichen Mittel für die Arbeitnehmer mit den Sozialpartnern zusammenzuarbeiten und gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. |
3.8. |
Der EWSA nimmt erfreut zur Kenntnis, dass die Kommission in den Schlussfolgerungen des Rates vom 8. November 2019 zur „Schlüsselrolle, die den Strategien für lebenslanges Lernen dabei zukommt, die Gesellschaften zur Bewältigung des technologischen und ökologischen Wandels zu befähigen, um inklusives und nachhaltiges Wachstum zu fördern“ (19) ersucht wird, „Effizienz, Reichweite und Zielgruppen der derzeitigen Strategien für lebenslanges Lernen zu adaptieren, um den Lernbedürfnissen, die aus den Veränderungen in Gesellschaft und Arbeitswelt resultieren, besser gerecht zu werden, unter anderem durch Weiterentwicklung des europäischen Bildungsraums (20), durch Berücksichtigung des lebenslangen Lernens im künftigen strategischen Rahmen für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung und durch Nutzung der Möglichkeiten, die das Programm Erasmus+, der Europäische Sozialfonds und andere einschlägige Instrumente der Union bieten“. |
4. Aktueller Stand
4.1. |
Zwar fehlen Daten über die Gesamtinvestitionen in lebenslanges Lernen, doch zeigen Berechnungen (21)‚ dass nur etwa 0,1 bis 0,2 % des BIP für öffentliche Ausgaben in die Erwachsenenbildung aufgewandt werden. Die Gesamtausgaben für die Erwachsenenbildung‚ einschließlich weiterer Finanzierungsquellen wie Finanzierung durch die Arbeitgeber oder Teilnahmegebühren der Lernenden schwanken zwischen 1,1 und weniger als 0,6 % des BIP. Zugleich besitzen den jüngsten Cedefop-Schätzungen zufolge in der EU-28+ 128 Mio. Erwachsene ein Weiterqualifizierungs- und Umschulungspotenzial, was 46 % der erwachsenen Bevölkerung dieses Gebiets entspricht (22). Nur 11,1 % der Erwachsenen nehmen an der Erwachsenenbildung teil, obwohl die Europäische Union beschlossen hat, bis 2020 einen Anteil von 15 % zu erreichen. Dieses Ziel hat sie also nicht umgesetzt. |
4.2. |
In den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Lissabon (23) wurden klare Ziele für alle Beteiligten aufgestellt, die jährlichen Pro-Kopf-Investitionen in Humanressourcen anzuheben, und die Mitgliedstaaten werden in den beschäftigungspolitischen Leitlinien (13, 14 und 16) (24) aufgefordert, entsprechende Zielvorgaben festzulegen. Der EWSA begrüßt, dass in den Länderberichten 2019 der Europäischen Kommission (25) im Rahmen des Europäischen Semesters höhere Investitionen in die allgemeine und berufliche Bildung in 16 Ländern (26) und in Kompetenzen in 24 Ländern (27) gefordert werden, um ein Jahrzehnt der Haushaltskürzungen und der Unterfinanzierung der Bildungssysteme wettzumachen, denn die negativen Auswirkungen auf die Qualität der Bildung, die Lehrkräfte und die Infrastruktur sind an vielen Stellen spürbar (28). |
4.3. |
Der EWSA weist auf ein eklatantes Missverhältnis zwischen der Forderung der Europäischen Kommission nach nachhaltigen Investitionen in wachstumsfördernde Bereiche (darunter alle Bildungsbereiche) einerseits und der Forderung nach Optimierungsmaßnahmen (die diesen schaden) andererseits hin. In einer Mitteilung der Kommission zu den wichtigsten Erkenntnissen aus den Länderberichten (29) des Europäischen Semesters 2019 werden günstige wirtschaftliche Aussichten mit einer Besserung der öffentlichen Finanzlage in allen Mitgliedstaaten festgestellt. Dennoch wird in der Mitteilung auch vor weltweiter Unsicherheit gewarnt, und die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, die Produktivität weiterhin zu steigern, die Widerstandsfähigkeit ihrer Volkswirtschaften zu verbessern und dafür zu sorgen, dass das Wirtschaftswachstum allen Bürgern zugutekommt. |
5. Allgemeine Bemerkungen
5.1. |
Die Mitgliedstaaten müssen Bildungsmöglichkeiten für alle — Arbeitslose ebenso wie abhängig Beschäftigte, Frauen wie Männer — bereitstellen. Zu diesem Zweck sollten in der beschäftigungspolitischen Leitlinie 6: Verbesserung des Arbeitskräfteangebots und der Qualifikationen Maßnahmen wie die Festsetzung von Referenzindikatoren für öffentliche und private Investitionen in der Berufsbildung sowie Regelungen über bezahlten Bildungsurlaub für Arbeitnehmer vorgesehen sein (30). In diesem Zusammenhang hat der EWSA bereits darauf hingewiesen, dass während der Fortbildung angemessene Lebensbedingungen gewährleistet werden müssen. Es sollten Maßnahmen der EU erwogen und geprüft werden, damit die in einigen EU-Mitgliedstaaten verwendeten bewährten Instrumente wie Zuschüsse, Darlehen, Tarifverträge über bezahlten Bildungsurlaub oder sonstige Bestimmungen auch in den anderen Mitgliedstaaten übliche Praxis werden (31). |
5.2. |
Die Sozialpartner und die Organisationen der Zivilgesellschaft müssen auch entscheidenden Einfluss auf die Steuerung des Systems der allgemeinen und beruflichen Bildung nehmen, einschließlich der Antizipation und Vermittlung von Kompetenzen, und die gemeinsame Verantwortung der Sozialpartner auf Unternehmensebene ist von wesentlicher Bedeutung sowohl für Investitionen in die zukunftsorientierte Aus- und Weiterbildung ihrer Beschäftigten als auch für die Übernahme der notwendigen Umschulungskosten entlassener Arbeitnehmer. Am stärksten betroffen sind dabei die älteren unter ihnen. |
5.3. |
Die Diskussionen über einen EU-Vorschlag für individuelle Lernkonten befinden sich in einem sehr frühen Stadium, doch gibt es eine Reihe von Überlegungen, die weiter ausgearbeitet werden sollten, wenn ein solcher Vorschlag eingeführt werden soll, z. B. ob die Fortbildung der Arbeitnehmer gesetzlich und/oder tarifvertraglich festgelegt werden soll, sodass Arbeitgeber und Arbeitnehmer Inhalt, Ort und Zeit/Dauer der Ausbildung selbst gestalten können. Dies liegt daher in der nationalen Zuständigkeit, und Empfehlungen an die Mitgliedstaaten, wie individuelle Lernkonten finanziert werden sollten und wer die finanzielle Unterstützung erhalten sollte (Unternehmen, Bildungseinrichtungen, öffentliche Arbeitsverwaltungen oder Arbeitnehmer), müssen im Rahmen des sozialen Dialogs unter Beachtung von Tarifverträgen und nationalen Rechtsvorschriften festgelegt werden. Es ist wichtig, dass bei diesen Überlegungen der Vielfalt der nationalen Systeme und Ansätze Rechnung getragen wird und dass die Sozialpartner dabei ein entscheidendes Wort mitzureden haben. |
5.4. |
Der EWSA bekräftigt seine Forderung nach einem stärkeren Fokus etwa auf Sozialinvestitionen in die allgemeine und berufliche Bildung und das lebenslange Lernen. Er hat bereits die Prüfung des Grundsatzes der sogenannten goldenen Finanzierungsregel („golden rule“) gefordert, Zukunftsinvestitionen der öffentlichen Hand bei der Berechnung der Nettodefizite der öffentlichen Haushalte gemäß den Haushaltsvorschriften der Europäischen WWU auszunehmen (32). Der EWSA regt eine Diskussion darüber an, ob die goldene Finanzierungsregel auch auf Sozialinvestitionen Anwendung finden könnte, die aus EU-Strukturfondsmitteln gefördert wurden (33). |
5.5. |
Die Kombination von flexiblen, angepassten Lernangeboten mit individueller Unterstützung, beginnend mit lebenslanger Berufsberatung, trägt auch dazu bei, Nichterwerbstätige und Langzeitarbeitslose in Arbeit zu bringen, was der Gesellschaft und der Wirtschaft nützt und langfristig die Sozialausgaben senkt. Durch die optimale Kombination von Komponenten und Merkmalen des Konzepts können die Voraussetzungen für die nachhaltige Konsolidierung, Entwicklung und Umsetzung der Ratsempfehlung zu Weiterbildungspfaden (34) geschaffen werden, auch wenn sich die Zielgruppen und der Qualifikationsbedarf im Laufe der Zeit ändern und Regierungen wechseln. Das Ausbildungsangebot muss so gestaltet sein, dass die Mobilität zwischen und innerhalb von Branchen unterstützt und gefördert wird. Die Sicherung dieser Übergänge kommt der Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmer und der Fähigkeit der Arbeitgeber zugute, neue Arbeitskräfte zu gewinnen. |
5.6. |
Nach Ansicht des EWSA sollten die Mitgliedstaaten den öffentlichen Sektor sowie gemeinnützige Bildungsanbieter und Organisationen der Zivilgesellschaft dabei unterstützen, die Finanzmittel für hochwertige, lebenslange Lernmöglichkeiten zu sichern, die leichter zugänglich sein müssen. Die hohe Qualität des Fortbildungsangebots sollte durch eine Qualitätssicherung gewährleistet werden. |
5.7. |
Eine Aufstockung der Investitionen in die Erwachsenenbildung und in die betriebliche Weiterbildung steht in engem Zusammenhang mit dem entsprechenden Beitrag der Forschung zur Konzeption, Reform und Umsetzung der Maßnahmen und Systeme des lebenslangen Lernens. Für wirksame Investitionen in die innerbetriebliche Weiterbildung und Umschulung von Arbeitnehmern sind zusätzliche Daten über Investitionen von Unternehmen und die finanzielle Unterstützung durch die Regierungen erforderlich. Die Beiträge von Arbeitnehmern, Gewerkschaften und sonstigen Interessenträgern sollten angemessen analysiert werden und in die politischen Diskussionen einfließen. Hierbei sollte der Schwerpunkt auf Investitionen in die Entwicklung unterschiedlicher Kompetenzen (berufliche, unternehmensbezogene, Schlüsselkompetenzen, Grundfertigkeiten usw.) für Arbeitnehmer mit unterschiedlichem Qualifikationsniveau, sowohl Frauen als auch Männer, inner- und außerbetriebliche Schulungen, Bereitstellung durch andere Anbieter usw. liegen. |
5.8. |
Aufgrund ihres breiten Spektrums und der großen Zahl unterschiedlicher Anbieter fehlt es der Erwachsenenbildung an Koordinierung sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. Ein integrierter Ansatz, der mehrere Politikbereiche und Interessenträger miteinander verbindet, mit besonderem Schwerpunkt auf der demokratischen Governance bei der Entwicklung und Umsetzung der Politik für lebenslanges Lernen, einschließlich eines wirksamen sozialen Dialogs mit den Sozialpartnern und der Konsultation der Zivilgesellschaft, kann die Wirksamkeit von Investitionen verbessern und damit die Chancen erhöhen, dass die äußerst vielfältigen potenziellen Zielgruppen erreicht werden und den Bedürfnissen benachteiligter Personen Rechnung getragen wird. |
5.9. |
Der EWSA fordert sämtliche Entscheidungsträger der EU und in den Mitgliedstaaten auf, die folgenden Herausforderungen für die Rahmenbedingungen des lebenslangen Lernens anzugehen und die Lösungen für diese Fragen entsprechend ihren Zuständigkeiten finanziell zu unterstützen, damit lebenslanges Lernen erfolgreich umgesetzt werden kann: |
5.9.1. |
langfristige Strategien zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen formalen, nichtformalen und informellen Lernanbietern zu konzipieren und umzusetzen, um den Lern- und Fortbildungsbedarf der Lernenden zu unterstützen; solche Strategien sollten, damit sie nachhaltig sind, gemeinsam mit ihren repräsentativen Verbänden auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene konzipiert werden und die Unterstützung dieser Verbände umfassen; |
5.9.2. |
sicherzustellen, dass die Lernenden ihre Lernpfade selbst aktiv gestalten können, indem sie diese in erster Linie auf ihre Bedürfnisse ausrichten, und sie so in die Lage zu versetzen, Wissen und Innovation aktiv zu schöpfen statt nur zu konsumieren; |
5.9.3. |
Lernende aller Altersgruppen und mit unterschiedlichem Hintergrund beim Zugang zu verschiedenen Lernformen, bei deren Kombination und beim Wechsel zwischen diesen durch flexiblere Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung und die Bereitstellung hochwertiger lebenslanger Beratung entsprechend ihren persönlichen Bedürfnissen und Fähigkeiten zu unterstützen; |
5.9.4. |
die Validierung nichtformalen und informellen Lernens (wie in der Empfehlung des Rates zur Validierung festgelegt (35)) als dringende Priorität zu behandeln (36), da sie die Sichtbarkeit aller Fähigkeiten, Kompetenzen und Kenntnisse erhöhen kann, die eine sinnvolle Teilhabe an der Gesellschaft und am Arbeitsmarkt, insbesondere für schutzbedürftige Gruppen, fördern können; |
5.9.5. |
das Angebot an Möglichkeiten des lebenslangen Lernens auf lokaler Ebene zu verbessern, indem die bestehenden gemeinschaftlichen und bildungspolitischen Infrastrukturen genutzt werden, um multifunktionale, allen offenstehende Lernräume zu schaffen; solche „Gemeinschaftszentren für lebenslanges Lernen“ gibt es in den Mitgliedstaaten bereits in unterschiedlicher Form, sollten aber zu einem allgemeinen Konzept für die Politikgestaltung werden. |
6. Besondere Bemerkungen zu europäischen und einzelstaatlichen Finanzierungsquellen und Maßnahmen für eine nachhaltige Finanzierung (37)
6.1. Zu den Finanzierungsquellen der EU
6.1.1. |
In ihrem Vorschlag für den Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 legte die Europäische Kommission mehrere Möglichkeiten zur Verbesserung der EU-Investitionsoffensive dar. So könnte etwa die Einrichtung eines Fensters für soziale Investitionen und Qualifikationen in den Rahmen „InvestEU“ aufgenommen werden. Dies zeugt von der Bereitschaft, Mittel für soziale Investitionen vorzusehen und die hierfür angemessenen Instrumente zu schaffen. |
6.1.2. |
Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeiten der EU-Fonds (wie ESF, Erasmus+, EFSI und anderer einschlägiger EU-Instrumente) ausschöpfen und die verfügbaren EU-Finanzmittel bestmöglich nutzen. Im anstehenden MFR muss auf jeden Fall der Einschränkung der haushaltstechnischen Möglichkeiten für lebenslanges Lernen auf Ebene der Mitgliedstaaten und der EU entgegengewirkt werden (38). Obwohl EU-Mittel eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Kompetenzen/lebenslangem Lernen spielen können, ist eine übermäßige Abhängigkeit von EU-Mitteln eventuell problematisch hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Finanzierung, da die EU-Mittel einzelnen Projekten zugewiesen werden und ihre Gewährung naturgemäß befristet ist. |
6.1.3. |
Für die Gewährleistung nachhaltiger nationaler Investitionen in lebenslanges Lernen und die Erwachsenenbildung spielt das Europäische Semester eine wesentliche Rolle, da in seinem Rahmen der notwendige Schwerpunkt auf die Finanzierung gelegt wird. Damit nationale/regionale Strategien für lebenslanges Lernen wirksam umgesetzt werden können, muss eine angemessene Finanzierung sichergestellt werden. Eine nachhaltigere und kontinuierlichere Finanzierung ist von entscheidender Bedeutung, um eine nachhaltige allgemeine und berufliche Erwachsenenbildung und die Innovations- und Entwicklungsfähigkeit der Anbieter von lebenslangem Lernen in diesem Bereich zu gewährleisten. |
6.2. Zu den Maßnahmen zur Unterstützung einer ordnungsgemäßen Mittelverteilung
6.2.1. |
Wichtig ist die Entwicklung einer Evaluierungskultur. Verschiedene Faktoren können hierzu beitragen, wie der politische Wille zu einer faktengestützten Politikgestaltung (und Rechenschaftspflicht), rechtliche Anforderungen für die Evaluierung, Evaluierungsanforderungen bei Gewährung von EU-Fördermitteln und die Schulung der Gutachter, um sicherzustellen, dass die Evaluierung während des gesamten Politikzyklus erfolgt. |
6.2.2. |
Die Wirksamkeit der finanziellen und nichtfinanziellen Unterstützungsmaßnahmen hinsichtlich der Erreichung der Zielgruppe der Erwachsenen und die Effizienz der Ressourcennutzung müssen regelmäßig überprüft werden. Es müssen solide Vorkehrungen für die Überwachung und Bewertung getroffen werden. Die Ergebnisse der Bewertungen sollten in die Politikgestaltung im Bereich des lebenslangen Lernens einfließen, die dann entsprechend aktualisiert werden sollte. Auf der Grundlage fundierter Erkenntnisse können Evaluierungen darauf hindeuten, dass bestehende Maßnahmen geändert (oder aufgehoben) und/oder neue Maßnahmen eingeführt werden müssen. So lassen sich auch wirksame Verfahren ermitteln, die durch eine zusätzliche oder dauerhaftere Finanzierung ausgeweitet werden könnten. Die Sozialpartner sollten in die Überwachung und Bewertung der Systeme eingebunden werden. |
6.2.3. |
Es sind Finanzierungsmechanismen erforderlich‚ die nationale Ressourcen mobilisieren und eine angemessene Kostenteilung zwischen öffentlichen Stellen, Arbeitgebern, Einzelpersonen und anderen einschlägigen Akteuren (z. B. Sozialpartnern, Ausbildungseinrichtungen, NRO) umfassen. Wie in der Cedefop-Datenbank zur Finanzierung der Erwachsenenbildung dargelegt (39), gibt es verschiedene Finanzierungsmechanismen, die auf Einzelpersonen und Unternehmen/Arbeitgeber ausgerichtet sind und die Beteiligung und private Investitionen in die allgemeine und berufliche Bildung erhöhen sollen. Diese Möglichkeiten müssen von den öffentlichen Stellen angemessen koordiniert werden, während bei branchenspezifischen Fortbildungsfonds hauptsächlich die Sozialpartner koordinieren. Zu den Finanzinstrumenten für Einzelpersonen gehören beispielsweise individuelle Lernkonten/Gutscheine, (kostengünstige) Darlehen und bezahlter Bildungsurlaub. Die finanzielle Unterstützung für Unternehmen könnte in Form von Fortbildungsfonds (auf der Grundlage von Unternehmensabgaben), Steueranreizen oder Zuschüssen (die aus allgemeinen Steuern finanziert werden) erfolgen. Diese Art der Kostenteilungsinstrumente bietet auch die Möglichkeit, die gemeinsame Verantwortung für die Entwicklung/Umsetzung von Strategien für lebenslanges Lernen und Investitionen in Kompetenzen sicherzustellen. |
6.2.4. |
Der soziale Dialog und Tarifverträge, insbesondere auf Branchenebene, spielen eine wichtige Rolle bei der Steuerung der Ausbildungssysteme und bei der Schaffung von Ausbildungsmöglichkeiten sowie bei der Verbesserung der Relevanz und des Angebots der Weiterbildung der Arbeitnehmer. Dazu gehört, dass die Sozialpartner zusammenarbeiten, um den Übergang und Wechsel der beruflichen Laufbahn zwischen einzelnen Branchen zu fördern. In einigen Mitgliedstaaten wurden Fortbildungsfonds eingerichtet, die eine wichtige Rolle spielen können (40). |
6.2.5. |
Finanzierungsinstrumente könnten mehr Wirkung zeigen, wenn sie mit geeigneten nichtfinanziellen Unterstützungsmaßnahmen kombiniert werden. Die Instrumente müssen sorgfältig so konzipiert werden, dass sie gezielt auf die spezifischen/vorrangigen schutzbedürftigen Gruppen (z. B. Geringqualifizierte, ältere Arbeitslose, Beschäftigte von KMU) ausgerichtet sind. Bei der Gestaltung eines Finanzierungsinstruments ist es auch wichtig, dessen Komplementarität und Synergie mit anderen bestehenden Instrumenten zu berücksichtigen. |
6.2.5.1. |
Nichtfinanzielle Maßnahmen für Einzelpersonen umfassen auch die Maßnahmen, die im Allgemeinen im Rahmen von Berufsberatungs- oder lebensbegleitenden Beratungsdiensten und Validierungsmöglichkeiten angeboten werden. Diese Dienste sollten die Lernenden auch darüber informieren, welche finanzielle Unterstützung ihnen für die Erwachsenenbildung zur Verfügung steht und wie sie auf sie zugreifen können. |
6.2.5.2. |
Für Unternehmen kann nichtfinanzielle Unterstützung angeboten werden durch: Information und Beratung in Bezug auf Fördermöglichkeiten, administrative Unterstützung bei der Beantragung von Fördermitteln, Ermittlung des Schulungsbedarfs und Entwicklung von Schulungsplänen durch Beratungsdienste, Förderung von Partnerschaften oder Unternehmensnetzen (zwischen KMU oder einschließlich KMU), um Ressourcen zu bündeln und unzureichenden Ausbildungskapazitäten abzuhelfen. |
6.2.6. |
Der Verwaltungsaufwand für Antragsteller, Empfänger von Fördermitteln und die Stellen, die die Fonds verwalten, sollte so gering wie möglich gehalten werden, wobei eine angemessene Gestaltung/angemessene Ausrichtung und eine wirksame Überwachung des Finanzierungsinstruments sicherstellen sollten, dass Mitnahmeeffekte und/oder Substitutionseffekte vermieden werden. |
Brüssel, den 7. Mai 2020
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Luca JAHIER
(1) https://ec.europa.eu/commission/commissioners/sites/comm-cwt2019/files/commissioner_mission_letters/president-elect_von_der_leyens_mission_letter_to_nicolas_schmit_de.pdf.
(2) ABl. C 389 vom 18.11.2019, S. 12.
(3) Europäischer Bildungsraum.
(4) https://eu2020.hr/.
(5) COM(2020) 14 final.
(6) ABl. C 332 vom 8.10.2015, S. 68.
(7) Empfehlung des Rates vom 20. Dezember 2012 zur Validierung nichtformalen und informellen Lernens (ABl. C 398 vom 22.12.2012, S. 1) und ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 49.
(8) Schlussfolgerungen des Rates „Schlüsselrolle, die den Strategien für lebenslanges Lernen dabei zukommt, die Gesellschaften zur Bewältigung des technologischen und ökologischen Wandels zu befähigen, um inklusives und nachhaltiges Wachstum zu fördern“.
(9) ABl. C 62 vom 15.2.2019, S. 165.
(10) Bericht „European Agenda for Adult Learning“ (Europäische Agenda für die Erwachsenenbildung).
(11) So hat beispielsweise das Weltwirtschaftsforum einen Bericht (2015) veröffentlicht, in dem es um die dringende Frage der Qualifikationslücke im 21. Jahrhundert und entsprechende technikgestützte Lösungsmöglichkeiten geht. Zudem wird darin neben den üblicherweise genannten grundlegenden Lese- und Schreibfähigkeiten auf die Notwendigkeit von Kompetenzen (wie kritisches Denken und Zusammenarbeit) und Charaktereigenschaften (wie Neugier, Initiative und Führungsqualitäten) hingewiesen.
(12) Stellungnahme ABl. C 14 vom 15.1.2020, S. 46 und ABl. C 237 vom 6.7.2018, S. 8.
(13) Bericht des Weltwirtschaftsforums „New Vision for Education: Unlocking the Potential of Technology“ (Neue Vision für die Bildung: Freisetzung des Technologiepotenzials).
(14) COM(2020) 14 final.
(15) Hintergrundpapier des Europäischen Verbands für Erwachsenenbildung (EAEA) „Adult education and sustainability“ (Erwachsenenbildung und Nachhaltigkeit).
(16) ABl. C 262 vom 25.7.2018, S. 1.
(17) Bericht der Globalen Kommission zur Zukunft der Arbeit zum Thema „Work for a brighter future“ (Arbeit für eine bessere Zukunft).
(18) https://ec.europa.eu/commission/commissioners/sites/comm-cwt2019/files/commissioner_mission_letters/president-elect_von_der_leyens_mission_letter_to_nicolas_schmit_de.pdf.
(19) ABl. C 389 vom 18.11.2019, S. 12.
(20) Europäischer Bildungsraum.
(21) Bericht der Europäischen Kommission „Entwicklungen in der Erwachsenenbildung“.
(22) Cedefop.
(23) Tagung des Europäischen Rates in Brüssel vom 23./24. März 2000, Schlussfolgerungen des Vorsitzes.
(24) Beschäftigungspolitische Leitlinien.
(25) Länderberichte.
(26) für BG, HR, CZ, EE, FI, DE, GR, IE, IT, LV, LU, PL, RO, SK, ES und UK.
(27) für AT, BE, BG, HR, CY, CZ, EE, FI, FR, DE, GR, HU, IT, LV, LU, MT, NL, PL, RO, SK, SI, ES, SE und UK.
(28) für BG, EE, GR, IT, PT, RO und SE.
(29) COM(2019) 500 final.
(30) ABl. C 332 vom 8.10.2015, S. 68.
(31) ABl. C 237 vom 6.7.2018, S. 57, ABl. C 237 vom 6.7.2018, S. 8, ABl. C 14 vom 15.1.2020, S. 60.
(32) ABl. C 177 vom 18.5.2016, S. 35, ABl. C 268 vom 14.8.2015, S. 27.
(33) ABl. C 226 vom 16.7.2014, S. 21.
(34) Empfehlung des Rates vom 19. Dezember 2016 für Weiterbildungspfade: Neue Chancen für Erwachsene (ABl. C 484 vom 24.12.2016, S. 1).
(35) Empfehlung des Rates vom 20. Dezember 2012 zur Validierung nichtformalen und informellen Lernens (ABl. C 398 vom 22.12.2012, S. 1).
(36) ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 49.
(37) Siehe auch „Cedefop analytical framework for developing upskilling pathways for adults“.
(38) In seiner Stellungnahme (ABl. C 62 vom 15.2.2019, S. 194) forderte der EWSA eine Verdreifachung der Mittelausstattung des Programms Erasmus +.
(39) Cedefop Datenbank.
(40) Siehe Bericht der europäischen Sozialpartner „Promoting social partnership in employee training“ (Förderung der Sozialpartnerschaft in der Ausbildung von Arbeitnehmern).