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Document 52019AE4461

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Bericht über die Wettbewerbspolitik 2018 (COM(2019) 339 final)

EESC 2019/04461

ABl. C 97 vom 24.3.2020, p. 62–68 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

24.3.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 97/62


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Bericht über die Wettbewerbspolitik 2018

(COM(2019) 339 final)

(2020/C 97/08)

Berichterstatter:

Gerardo LARGHI

Befassung

Europäische Kommission, 15.10.2019

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Annahme in der Fachgruppe

19.11.2019

Verabschiedung auf der Plenartagung

11.12.2019

Plenartagung Nr.

548

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

197/0/1

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Bericht der Europäischen Kommission über die Wettbewerbspolitik 2018, in dem ein Konzept entwickelt wird, das auf die Stärkung des Binnenmarkts, die wirtschaftliche Entwicklung sowie sozialpolitische Ziele ausgerichtet ist.

1.2.

Der EWSA betrachtet, wie bereits mehrfach hervorgehoben wurde, eine wirksame und prinzipientreue Wettbewerbspolitik als eine der Säulen der Europäischen Union und als unverzichtbares Instrument für die Schaffung eines Binnenmarktes im Sinne des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, der Ziele der nachhaltigen Entwicklung, des Aufbaus einer sozialen Marktwirtschaft und der Ziele der Säule sozialer Rechte. (1)

1.3.

Der EWSA und die Europäische Union müssen zu diesem Thema in einem ständigen Dialog mit den anderen Institutionen, der Zivilgesellschaft und insbesondere den Verbraucherverbänden stehen.

1.4.

Daher fordert der EWSA bei der Gewährung von Beihilfen ein Höchstmaß an Transparenz, was die Weitergabe der Kosten an die Verbraucher angeht, und dass die Verbraucher in den Rechnungen klar über diese Kosten informiert werden. (2) Der EWSA begrüßt das Bestreben der Kommission, gegen vertikale und horizontale Wettbewerbsbeschränkungen vorzugehen, was insbesondere für den Bereich des elektronischen Handels gilt, in dem die Auswirkungen wettbewerbswidrigen Verhaltens zu spüren sind.

1.5.

Besondere Aufmerksamkeit ist der künstlichen Intelligenz (KI) in Bezug auf Diskriminierungspraktiken zu widmen. Die EU-Rechtsvorschriften müssen angepasst werden, um Diskriminierung durch die Erstellung von Verbraucherprofilen mit Hilfe der KI zu verbieten.

1.6.

Die Massendaten (Big Data) lassen sich gegen die Verbraucher und ganz klar zu ihrem Nachteil einsetzen, da durch die Profilerstellung ihre Möglichkeiten der freien Wahl eingeschränkt werden.

1.7.

Der EWSA plädiert dafür, die Wettbewerbsbehörden mit den erforderlichen Fachkenntnissen, Kompetenzen und Ressourcen auszustatten, damit sie spezifische Rechtsvorschriften anwenden und die schwerwiegenden Wettbewerbsprobleme lösen können, die den Verbrauchern schaden.

1.8.

In Bezug auf staatliche Beihilfen begrüßt der EWSA, dass die Behörden durch die Modernisierung der Kontrollen in die Lage versetzt wurden, sich auf die wichtigsten und relevantesten Dossiers zu konzentrieren, wozu auch die Beihilfentransparenzdatenbank (Transparency Award Module) beiträgt.

1.9.

Der EWSA betont das Erfordernis der Kohärenz zwischen der Umweltpolitik und den Maßnahmen gegen staatliche Beihilfen. Insbesondere nimmt er die laufende Überarbeitung der Leitlinien zum Umweltschutz und zur Energie zur Kenntnis.

1.10.

Der EWSA begrüßt, dass die Leitlinien der Kommission für staatliche Beihilfen den freien Wettbewerb auf dem europäischen Energiemarkt durch technologieneutrale Ausschreibungen gewährleisten sollen. Solche Ausschreibungen sind für das Aufkommen unterschiedlicher Technologien für erneuerbare Energien und für einen belastbaren und wettbewerbsorientierten europäischen Energiemarkt, der die Versorgungssicherheit garantiert, von grundlegender Bedeutung. Der EWSA fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, statt eines Ansatzes, der sich auf kurzfristige Korrekturmaßnahmen stützt, die weder Wachstum noch die konkrete und nachhaltige Schaffung von Arbeitsplätzen ermöglichen, eine umfassende und langfristige Strategie zu verfolgen. In diesem Zusammenhang wäre es hilfreich, wenn die Kommission eine vergleichende Studie zu den jüngst in den USA, in China und in Korea angenommenen Plänen zur Unterstützung des verarbeitenden Gewerbes erstellen würde (3).

1.11.

Um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten, fordert der EWSA, dass Unternehmen aus Drittstaaten im Wettbewerb die gleichen Sozial- und Umweltnormen einhalten.

1.12.

Im Hinblick auf die Schaffung eines freien sozialen Marktes unterstreicht der EWSA die Bedeutung einer Wettbewerbspolitik, die die Realisierung der sozialen und wirtschaftlichen Ziele von Arbeitnehmern und Verbrauchern mit der Aufrechterhaltung einer wettbewerbsfähigen und effektiven Produktionsstruktur in Einklang bringt.

1.13.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Binnenmarktbestimmungen in Bezug auf die Freizügigkeit (insbesondere von Personen, aber auch von Dienstleistungen, Waren und Kapital) die Grundpfeiler des EU-Rechts sind und dass die Entsendung von Arbeitnehmern und der freie Dienstleistungsverkehr garantiert werden müssen, um jede Form von Sozialdumping zu vermeiden.

1.14.

Der EWSA zeigt sich überrascht, dass in diesem Bericht nicht mehr auf den offensichtlichen Stillstand bei den Verhandlungen zwischen Rat und EP über Sammelklagen im Zusammenhang mit dem Vorschlag zur Neugestaltung der Rahmenbedingungen für die Verbraucher eingegangen wird, obgleich Sammelklagen doch eine zentrale Ergänzung des Systems wären, mit dem durch Kartellverstöße geschädigte Verbraucher wirksam Schadenersatz erlangen können.

2.   Wesentlicher Inhalt des Berichts über die Wettbewerbspolitik 2018

2.1.

Der Bericht von 2018 behandelt Themen wie die digitale Wirtschaft, Finanzdienstleistungen, Energie und Umwelt, Landwirtschaft und Lebensmittel, Verkehr und verarbeitendes Gewerbe sowie Fragen wie die dezentrale Anwendung der kartellrechtlichen Befugnisse in den Mitgliedstaaten und umfassende internationale Zusammenarbeit.

2.2.

Die tägliche Durchsetzungspraxis der Kommission basiert auf den Grundsätzen der Nichtdiskriminierung, der Verfahrensgerechtigkeit, der Transparenz, der Vorhersehbarkeit, des kontradiktorischen Verfahrens und des Schutzes der Vertraulichkeit. Der „Schutz des Wohls der Verbraucher“ ist ein ausdrückliches Ziel der wettbewerbsrechtlichen Maßnahmen der Europäischen Kommission.

2.3.

Das digitale Zeitalter stellt das Wettbewerbsrecht vor neue Herausforderungen wie etwa die Nutzung von Massendaten, die Algorithmen und die KI.

2.4.

Die Europäische Kommission hat mit dem Ziel, „die Verfahren in Wettbewerbsfällen zu straffen“, aktualisierte Erläuterungen für Unternehmen zum Thema Betriebsgeheimnisse und andere vertrauliche Informationen während eines Kartellverfahrens veröffentlicht. Darin wurde auch die Nutzung von Vertraulichkeitskreisen behandelt.

2.5.

Die Belohnung von Unternehmen, die in Kartellverfahren kooperieren, hat sich für die Kommission als wirksames Instrument erwiesen, um die Untersuchungen zu beschleunigen und damit die Relevanz und Wirkung ihrer Entscheidungen zu verbessern.

2.6.

Die Richtlinie (EU) 2019/1 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) („ECN+-Richtlinie“) versetzt die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten in die Lage, die Wettbewerbsregeln der EU wirksamer anzuwenden.

2.7.

Die Modernisierung der Beihilfevorschriften hat die Durchführung von Maßnahmen zur Förderung von Investitionen, Wirtschaftswachstum und Schaffung von Arbeitsplätzen durch die Mitgliedstaaten erleichtert. Die rasche Umsetzung der Beihilfemaßnahmen in den Mitgliedstaaten hat sich spürbar in Form einer Verringerung des Verwaltungsaufwands für weniger wettbewerbsschädliche Beihilfen ausgewirkt.

2.8.

Das Vergleichsverfahren der Kommission ermöglichte die raschere Aufdeckung von Kartellen und damit die Freisetzung von Ressourcen für andere Untersuchungen und die Senkung der Kosten der Untersuchungen selbst. Außerdem profitieren auch die Unternehmen von schnelleren Entscheidungen.

2.9.

Im Bericht für 2018 werden die im Berichtsjahr (und in den Jahren davor) in Bezug auf Kartelle im Automobilsektor erlassenen Beschlüsse und die Einleitung einer eingehenden Prüfung möglicher Absprachen zwischen Automobilherstellern über die technische Entwicklung von Emissionsminderungssystemen für Pkw hervorgehoben.

2.10.   Digitale Wirtschaft

2.10.1.

Die Wettbewerbspolitik ist eine wesentliche Voraussetzung für die Schaffung eines funktionierenden digitalen Binnenmarkts. In diesem Sinne muss verhindert werden, dass die Internetriesen ihre Marktmacht dazu zu nutzen, die Konkurrenz und folglich die Innovation in den digitalen Märkten zu schwächen.

2.10.2.

Die vertikale Preisbindung auf e-Commerce-Plattformen ist eine der am weitesten verbreiteten Beschränkungen der digitalen Wirtschaft. Es ist ein vermehrter Rückgriff auf Preisbildungsalgorithmen zu diesem Zweck zu verzeichnen.

2.11.

Die staatlichen Beihilfen im Bereich der grünen Wirtschaft unterstützen die Investitionen, die zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit erforderlich sind, und tragen zugleich zur Dekarbonisierung des Energiesystems Europas bei.

2.12.   Energiesektor

2.12.1.

Die 2018 erteilten Genehmigungen von staatlichen Beihilfen im Bereich erneuerbarer Energien haben die Mitgliedstaaten dazu veranlasst, nachhaltige Energieträger zu fördern und die Kosten für die Verbraucher im gesamten Stromnetz zu senken.

2.12.2.

Die Kommission hat die Auffassung vertreten, dass die staatlichen Beihilfemaßnahmen dazu beitragen werden, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, ohne zu höheren Strompreisen für die Verbraucher zu führen oder grenzüberschreitende Stromflüsse in der EU zu behindern.

2.12.3.

Die EU muss im Hinblick auf die Diversifizierung der Gasversorgung den Anteil der erneuerbaren Energien an ihrem Energiemix erhöhen und dafür sorgen, dass auf EU- und nationaler Ebene zielgerichtete Energiegesetze erlassen werden.

2.13.   Wettbewerb im Binnenmarkt

2.13.1.

Die Europäische Kommission hat die Übernahme von Alstom durch Siemens untersagt. Sie hat den Zusammenschluss von Bayer und Monsanto im Agrar- und Lebensmittelsektor unter der Bedingung genehmigt, dass einige Geschäftsbereiche veräußert werden. Im Hinblick auf den Stahlmarkt wurde die Übernahme von ILVA durch ArcelorMittal unter der Bedingung genehmigt, dass einige Veräußerungen vorgenommen werden. Die vorgesehene Übernahme von Alstom durch Siemens wurde untersagt, weil sie dem Wettbewerb geschadet hätte.

2.14.   Finanzsektor

2.14.1.

Die allgemeine Stabilisierung des Finanzsektors hat zu weniger Interventionen aus dem öffentlichen Haushalt in Beihilfefällen in diesem Sektor geführt. Allerdings wurden die notleidenden Kredite in einigen Mitgliedstaaten noch nicht völlig abgebaut.

2.15.   Gleiche Bedingungen im Steuerbereich

2.15.1.

Für einen leistungsbasierten Wettbewerb müssen gleiche Bedingungen für die Unternehmen geschaffen werden. Die Mitgliedstaaten dürfen multinationalen Unternehmen keine Steuervorteile anbieten, die KMU benachteiligen.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Im Bericht von 2018 wird ein Konzept entwickelt, das auf die Stärkung des Binnenmarkts, der wirtschaftlichen Entwicklung und der sozialpolitischen Ziele ausgerichtet ist.

3.2.

Um die Konnektivitätsziele zu erreichen, werden für die digitale Wirtschaft in den nächsten zehn Jahren umfangreiche Investitionen in Höhe von rund 500 Mrd. EUR erforderlich sein. Eine solide Wettbewerbspolitik ist vor allem in ländlichen und weniger besiedelten Gebieten von entscheidender Bedeutung.

3.3.

Das digitale Zeitalter stellt das Wettbewerbsrecht vor neue Herausforderungen wie etwa die Nutzung von Massendaten, Algorithmen und KI. Daher muss Sorge dafür getragen werden, dass die Technologieriesen nicht ihre Marktmacht nutzen, um ihre Wettbewerber zu schwächen. Die Wettbewerbsbehörden sollten über die erforderlichen Fachkenntnisse, Kompetenzen und Ressourcen verfügen, damit sie spezifische Rechtsvorschriften anwenden und rechtzeitig die schwerwiegenden Wettbewerbsprobleme lösen können, die den Verbrauchern schaden.

3.4.

Bei der Anwendung sollten auch proaktiv Instrumente für die Erhebung von Informationen und branchenspezifische Untersuchungen eingesetzt werden.

3.5.

In Fällen, in denen der Wettbewerb und die Verbraucher eindeutig geschädigt werden, gilt es, Verzögerungen bei der Anwendung der Vorschriften durch eine proaktive Nutzung des Wettbewerbsinstrumentariums (z. B. einstweiliger Maßnahmen) zu vermeiden.

3.6.

Bei Fusionen in der digitalen Wirtschaft muss die Beweislast unbedingt auf die Unternehmen übertragen werden, sodass sie nachweisen können, dass ihre Vereinbarungen nicht wettbewerbswidrig sind.

3.7.

Es sollte gründlicher geprüft werden, ob die Anbieter den Marktzugang blockieren können und dadurch in der Lage sind, die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher und den Informationsfluss einzuschränken und so das Nutzerverhalten zu manipulieren.

3.8.

Im Interesse einer Sensibilisierung für die durch bestimmte Praktiken entstehenden Wettbewerbsprobleme wäre es wichtig, den Unternehmen Leitlinien an die Hand zu geben und sie so bei der Einhaltung der Rechtsvorschriften zu unterstützen.

3.9.

Die KI hat inzwischen Auswirkungen auf die Preispolitik und die Preisüberwachung mit nicht ungefährlichen Konsequenzen. Die Algorithmen ermöglichen es den Onlinehandel-Plattformen, die freie Bepreisung durch die Einzelhändler und den Wettbewerb im Handel (mit unlauteren Praktiken, die kaum Fortbestand haben dürften) zu kontrollieren und einzuschränken.

3.10.

Das gleiche gilt für den Tourismussektor, in dem die Vertriebsplattformen für Tourismusprodukte ihre marktbeherrschende Stellung missbrauchen. Es gibt vier große Vertriebsnetze, die enormen Druck auf Hotels, kleine Anbieter und KMU ausüben.

3.11.

Besondere Aufmerksamkeit ist der KI in Bezug auf Diskriminierungspraktiken zu widmen. Die EU-Rechtsvorschriften müssen angepasst werden, um Diskriminierung durch die Erstellung von Profilen mit Hilfe der KI zu verbieten.

3.12.

Der EWSA begrüßt die Entscheidung der Kommission, Unternehmen, die Algorithmen nutzen, als allein für die davon abhängenden Aktionen verantwortlich zu betrachten. Die Massendaten (Big Data) lassen sich gegen die Verbraucher und ganz klar zu ihrem Nachteil einsetzen, da das extreme Profiling ihre Wahlmöglichkeiten einschränkt.

3.13.

Aus der Sicht des EWSA ist das Thema der Auswirkungen der Massendaten auf den Wettbewerb von großer Bedeutung und wird stetig an Bedeutung zunehmen. Ein übermäßiger Interventionismus könnte allerdings die Innovationsanreize reduzieren (d. h. bessere Dienstleistungen und niedrigere Preise, die von Innovationen im Bereich des Produktvertriebs und der Einkaufsplattformen abhängen könnten).

3.14.

Über mehr Megadaten (Big Data) als die Konkurrenz zu verfügen, kann es den großen Unternehmen ermöglichen, den Markt zu beherrschen. Massenanalysetechniken (Datenhandel, Online-Marketing, Mustererkennung, Nachfrageschätzung, Preisoptimierung) lassen sich missbräuchlich einsetzen.

3.15.

Die Untersuchungen der Europäischen Kommission im Rahmen der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt haben gezeigt, dass Beschränkungen im Bereich der Wiederverkaufspreise im elektronischen Handel bei Weitem die häufigste Wettbewerbsbeschränkung darstellen. Im Jahr 2018 hat die Europäische Kommission eine Reihe von Beschlüssen erlassen, in denen Geldbußen gegen Unternehmen verhängt wurden, weil sie entgegen den Wettbewerbsvorschriften der EU Beschränkungen für die Online-Wiederverkaufspreise auferlegt hatten.

3.16.

Was das Thema Steuern angeht, begrüßt der EWSA die von der Kommission 2018 ergriffenen Maßnahmen. Zugleich ist es wichtig, dass auch in diesem Bereich ein fairer Wettbewerb zwischen den verschiedenen Ländern sichergestellt wird. Eine verstärkte Überwachung ist insbesondere im Hinblick auf die Frage der Steuervorbescheide sowie hinsichtlich der unlauteren Wettbewerbsvorteile erforderlich, die durch Vereinbarungen einiger Länder mit großen Marktteilnehmern erzielt werden. Diese Praktiken verzerren den freien Markt, schaden den KMU und führen überdies zu einem unlauteren Wettbewerb zwischen den Ländern.

3.17.

Was den Bereich der Energie angeht, stellt der EWSA fest, dass in einigen Ländern nach wie vor keine vollständige und allgemeine Transparenz der Stromrechnungen garantiert ist. Das Fehlen dieser Transparenz schränkt den Verbraucher in seiner Möglichkeit ein, eine bewusste Wahl zu treffen, und begünstigt den Status quo, der den großen Marktteilnehmern zum Vorteil gereicht.

3.18.

Landwirtschaft und Lebensmittel. In diesem Sektor scheint es wichtig, die Erzeugnisse mit einer europäischen Ursprungsbezeichnung im Agrar- und Lebensmittelbereich zu schützen. Die Bereiche Saatgut und Pflanzenschutzmittel sind von grundlegender Bedeutung für Landwirte und Verbraucher, doch bereiten auch sie Probleme, die über den Schutz der Verbraucher, die Lebensmittelsicherheit und die Gewährleistung der Einhaltung der Umwelt- und Klimaschutzvorschriften hinausgehen.

3.19.

Im Hinblick auf das Thema Verkehr wird der Kommission nahegelegt zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Kerosinsteuerbefreiung eine unrechtmäßige Beihilfe für die Fluggesellschaften gegenüber dem Eisenbahnverkehr darstellt.

3.20.

Um das Gleichgewicht zwischen Marktfreiheit und Unternehmenszusammenschlüssen zu gewährleisten, scheint es nicht auszureichen, sich auf den Wettbewerbsdruck durch andere große globale Akteure zu berufen, insbesondere dann nicht, wenn diese aus Ländern kommen, die dem Wettbewerb durch ausländische Unternehmen verschlossen sind. Diesbezüglich wird empfohlen, dass anstelle von Unternehmenszusammenschlüssen, die den Wettbewerb schwächen, zielgerichtete Maßnahmen ergriffen werden, um die Barrieren für den Zugang zu Drittmärken zu überwinden, umfassendere steuerliche Anreize für Forschung und Entwicklung geschaffen werden und Vereinbarungen zwischen europäischen Herstellern getroffen werden, um die Strategien für Ausfuhren und Auslandsinvestitionen zu koordinieren.

3.21.

In jedem Fall muss der Verbraucherschutz in einem ausgewogenen Verhältnis zur Unterstützung und Förderung innovativer Unternehmen und KMU stehen (mit Instrumenten, die den dynamischen Wettbewerb auf dem Markt nicht beeinträchtigen). Dadurch können am besten hochwertige Beschäftigung geschaffen und die dynamische Nachhaltigkeit des Produktionssystems erreicht werden.

3.22.

Im Hinblick auf den Arbeitsmarkt und den Schutz des Wettbewerbs vertritt der EWSA die Auffassung, dass zu den Bereichen, in denen der freie Wettbewerb zwischen den Unternehmen im aktuellen Markt durch Eingriffe gewährleistet werden muss, auch der Rechtsrahmen zählt, darunter die Wahrung der sozialen Grundrechte und die Achtung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und des freien Dienstleistungsverkehrs.

3.23.

Es geht darum, jeder Form von Sozialdumping (unfairer Wettbewerb in Bezug auf Löhne und Arbeitsbedingungen, der eine Abwärtsspirale bedingt) vorzubeugen, um die Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer, ganz gleich, wo sie arbeiten oder woher sie kommen, und die Nichtdiskriminierung der Arbeitnehmer und Unternehmen an dem Ort der Betriebsstätte zu garantieren.

3.24.

Der EWSA zeigt sich überrascht, dass die Kommission in diesem Bericht und in der dazugehörigen Arbeitsunterlage (SWD(2019) 297 final) im Gegensatz zu allen Wettbewerbsberichten der letzten Jahre erstmals in keiner Weise auf die fehlenden Fortschritte bei der Thematik Sammelklagen eingeht. Sammelklagen als Mittel, mit dem durch Kartellverstöße geschädigte Verbraucher wirksam Schadenersatz erlangen können, sind nicht in der Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (5) über Schadensersatzklagen wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen vorgesehen. Dies ist besonders verwunderlich angesichts der Stellungnahme des EWSA (6) zum Vorschlag der Kommission zur Neugestaltung der Rahmenbedingungen für die Verbraucher (7) und des Beschlusses des Rates, den Bereich Sammelklagen ganz aus der jüngst angenommenen Richtlinie auszuklammern (8), die der EWSA im Übrigen als eindeutig unzureichend einschätzt.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.

Im Hinblick auf die Digitalisierung stimmt der EWSA der Entscheidung der Europäischen Kommission zu, ihr Vorrang einzuräumen und den Schwerpunkt des den Wettbewerb betreffenden Programms für den Zeitraum 2021–2027 auf die Herausforderungen im Zusammenhang mit Massendaten, Algorithmen und KI zu legen. Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, Folgemaßnahmen zu dem Bericht „Wettbewerbspolitik für das digitale Zeitalter“ vom April 2019 insbesondere in Bezug auf Folgendes zu ergreifen:

4.1.1.

Umsetzung von Strategien, um jeder Beschränkung des Wettbewerbs und des freien Marktes durch digitale Plattformen auch im Handel und Tourismus zu begegnen;

4.1.2.

tatsächliche und vollständige Kenntnis und Übertragbarkeit der personenbezogenen Daten von jeder Plattform seitens des Nutzers/Verbrauchers;

4.1.3.

Maßnahmen gegen jede Form des Ausschlusses von Unternehmen durch bestimmte digitale Plattformen, die um ihre marktbeherrschende Stellung fürchten;

4.1.4.

Schutz des freien Marktes durch den Schutz kleiner Start-ups mit Marktpotenzial, die häufig von den großen Akteuren des digitalen Sektors, die in ihnen künftige gefährliche Konkurrenten sehen, geschluckt werden.

4.2.

Der EWSA vertritt die Auffassung, dass diejenigen, die digitalen Plattformen Aufgaben von allgemeinem Interesse übertragen haben, auch über die Rechtsinstrumente verfügen müssen, um Zugang zu den von diesen Plattformen verwendeten Algorithmen zu erhalten und sie zu kontrollieren.

4.3.

Der EWSA empfiehlt der Europäischen Kommission, die Maßnahmen zur Kontrolle der Anwendung der Freihandelsabkommen zu stärken und die Freiheit des Zugangs der europäischen Unternehmen zu den weltweiten Märkten zu schützen.

4.4.

In diesem Sinn muss auf den weltweiten öffentlichen Beschaffungsmärkten eine echte Gegenseitigkeit garantiert werden.

Brüssel, den 11. Dezember 2019

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Luca JAHIER


(1)  Artikel 7, 9, 11 und 12 AEUV.

(2)  Richtlinie (EU) 2019/944 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 2012/27/EU (ABl. L 158 vom 14.6.2019, S. 125).

(3)  ABl. C 197 vom 8.6.2018, S. 10.

(4)  Richtlinie (EU) 2019/1 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine wirksamere Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts (ABl. L 11 vom 14.1.2019, S. 3).

(5)  Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union (ABl. L 349 vom 5.12.2014, S. 1).

(6)  ABl. C 440 vom 6.12.2018, S. 66.

(7)  Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG, COM(2018) 184 final — 2018/0089 (COD).

(8)  Siehe Dokument PE-CONS 83/19 vom 18. Oktober 2019.


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