EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 26.1.2018
COM(2018) 49 final
BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT
über die Umsetzung durch die Mitgliedstaaten von Artikel 118a der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2011/62/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 geänderten Fassung
1.Einführung und Rechtsrahmen
Die Fälschung von Arzneimitteln stellt eine erhebliche Bedrohung der öffentlichen Gesundheit dar. Eine Vielzahl unterschiedlicher Arzneimittel ist von Fälschungen betroffen, darunter Medikamente zur Behandlung von Krebs, sexuellen Funktionsstörungen und Hepatitis C. Dass gefälschte Arzneimittel in die legale Lieferkette eindringen, ist nicht nur theoretisch möglich, sondern ganz real der Fall, wie sich im Jahr 2014 an der Entdeckung gefälschter Phiolen des Krebsmedikaments Herceptin (Trastuzumab) auf mehreren Märkten der EU gezeigt hat.
Im Jahr 2011 haben das Europäische Parlament und der Rat die Richtlinie 2011/62/EU
(Fälschungsschutzrichtlinie) zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG
angenommen, um der wachsenden Besorgnis über gefälschte Arzneimittel in der legalen Lieferkette zu begegnen.
Mit der Fälschungsschutzrichtlinie werden ab Februar 2019 zwingend erforderliche Sicherheitsmerkmale für verschreibungspflichtige Arzneimittel eingeführt (sofern sie nicht ausdrücklich ausgenommen sind), gute Vertriebspraktiken gefördert, die Anforderungen an Großhändler und an Wirkstoffhersteller erhöht sowie die Regeln für die Einfuhr, Kontrolle und Prüfung von Wirkstoffen verschärft. Außerdem wird ein EU-weites Logo geschaffen, das legale Online-Händler von Arzneimitteln erkennbar macht (anwendbar seit 1. Juli 2015).
Zur Gewährleistung der wirksamen Durchsetzung dieser Bestimmungen müssen Mitgliedstaaten nach Artikel 118a der Richtlinie 2001/83/EG „für den Fall des Verstoßes gegen die nach Maßgabe dieser Richtlinie erlassenen nationalen Vorschriften Regelungen über Sanktionen fest[legen] und [...] alle erforderlichen Vorkehrungen [treffen], um sicherzustellen, dass diese Sanktionen angewandt werden. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.“ Derartige Regelungen müssen unter anderem Folgendes betreffen:
·„Herstellung, Vertrieb, Vermittlung, Einfuhr und Ausfuhr gefälschter Arzneimittel, sowie den Verkauf gefälschter Arzneimittel im Wege des Fernabsatzes an die Öffentlichkeit über Dienste der Informationsgesellschaft;
·Verstöße gegen die in dieser Richtlinie festgelegten Bestimmungen über die Herstellung, den Vertrieb, die Einfuhr und die Ausfuhr von Wirkstoffen;
·Verstöße gegen die in dieser Richtlinie festgelegten Bestimmungen über die Verwendung von Arzneiträgerstoffen.
Gegebenenfalls ist bei den Sanktionen zu berücksichtigen, welche Gefahr für die öffentliche Gesundheit von der jeweiligen Arzneimittelfälschung ausgeht.“
Mitgliedstaaten hatten die Kommission bis zum 2. Januar 2013 über die von ihnen ergriffenen Maßnahmen zu informieren. Außerdem muss die Kommission nach Artikel 118a dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht übermitteln, „der eine Übersicht über die Umsetzungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten in Bezug auf [den] Artikel und eine Beurteilung der Wirksamkeit dieser Maßnahmen enthält“.
Der vorliegende Bericht bietet einen Überblick über die Umsetzungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten und enthält eine qualitative Beurteilung der Wirksamkeit dieser Maßnahmen. Bei ihrer Beurteilung konnte sich die Kommission auf die Studie TRANSPOSE eines externen Auftragnehmers stützen. Die Studie stellt die Umsetzungsmaßnahmen in einem Überblick dar, der auf Informationen der Mitgliedstaaten nach Artikel 118a und von Rechtsexperten der 28 Mitgliedstaaten beruht. Eine qualitative Beurteilung der derzeit im Zusammenhang mit gefälschten Arzneimitteln, Wirkstoffen und Arzneiträgerstoffen anwendbaren Sanktionen ergänzt diesen Überblick. Über die Expertengruppe für den delegierten Rechtsakt über Sicherheitsmerkmale für Humanarzneimittel „Expert Group on the delegated act on safety features for medicinal products for human use“] holte die Kommission außerdem weitere Informationen über anwendbare Sanktionen von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ein.
2.Überblick über die Umsetzung von Artikel 118a in den Mitgliedstaaten
Zur Umsetzung von Artikel 118a haben 26 Mitgliedstaaten (AT, BE, BG, CY, CZ, DE, DK, EE, EL, ES, FR, HR, IE, IT, LT, LU, LV, MT, NL, PL, PT, RO, SE, SI, SK, UK) Gesetzesänderungen in Bezug auf Sanktionen für die Fälschung von Arzneimitteln, Wirkstoffen und Arzneiträgerstoffen eingeführt. Ungarn hat aufgrund des Medicrime-Übereinkommens des Europarats Änderungen an seinem Strafgesetzbuch vorgenommen. Finnland hat keine Gesetzesänderungen vorgenommen, da Sanktionen bereits vor dem Inkrafttreten von Artikel 118a gesetzlich verankert waren.
Körperverletzung oder Personenschäden fallen in allen Mitgliedstaaten unter das allgemeine Strafrecht. Es gibt in den Mitgliedstaaten auch allgemeine administrative Sanktionen für gesetzwidriges Verhalten betreffend Arzneimittel. Diese Sanktionen werden durch spezifische Strafen für Fälschungen von Arzneimitteln, Wirkstoffen und Arzneiträgerstoffen gemäß Artikel 118a ergänzt.
Die derzeitigen Strafen für Fälschungen von Arzneimitteln, Wirkstoffen und Arzneiträgerstoffen sind Freiheitsentzug (strafrechtliche Sanktionen), Bußgelder (straf- oder zivilrechtliche Sanktionen) und/oder administrative Sanktionen (z. B. der Entzug von Lizenzen oder die Beschlagnahme/das Entfernen gesetzwidriger Produkte vom Markt).
Fälschung von Arzneimitteln
In allen Mitgliedstaaten gelten zumindest einige mit der Fälschung medizinischer Produkte verbundene Aktivitäten als Straftaten. In 21 Mitgliedstaaten (AT, BE, CY, CZ, DE, DK, EE, EL, ES, FR, HR, HU, IE, IT, LU, MT, NL, PT, SI, SK, UK) werden Herstellung, Vertrieb, Vermittlung, Einfuhr, Ausfuhr gefälschter Arzneimittel sowie deren Verkauf im Wege des Fernabsatzes strafrechtlich sanktioniert.
In den restlichen sieben Mitgliedstaaten sind einige Aktivitäten zwar nicht mit strafrechtlichen Sanktionen, aber mit zivilrechtlichen Strafen (z. B. Bußgeldern) belegt. In Bulgarien gelten strafrechtliche Sanktionen nur für die Ein- oder Ausfuhr gefälschter Arzneimittel, während die übrigen Aktivitäten zivilrechtlich sanktioniert werden. In Finnland gibt es keine bestimmten Sanktionen für Vermittlung oder Export, doch unterliegen diese Aktivitäten Bestimmungen allgemeinerer Art. In Lettland gibt es strafrechtliche Sanktionen für Herstellung, Vertrieb und Vermittlung und zivilrechtliche Sanktionen für Ein- und Ausfuhr. In Rumänien gibt es für Ein- und Ausfuhr keine strafrechtlichen, aber zivilrechtliche Sanktionen. In Polen und Schweden ist die Ausfuhr nicht strafrechtlich erfasst, doch es gelten in diesem Fall zivilrechtliche Strafen. In Litauen wird die Einfuhr mit zivilrechtlichen Strafen geahndet.
Abbildung 1:
Freiheitsstrafen für die Fälschung von Arzneimitteln
Das Höchstmaß der Freiheitsstrafen liegt zwischen einem Jahr und 15 Jahren (Abb. 1).
In allen Mitgliedstaaten werden Arzneimittelfälschungen mit strafrechtlichen oder zivilrechtlichen Geldbußen geahndet (Tabelle 1). In acht Mitgliedstaaten (BE, FI, FR, IE, IT, LU, MT, UK) gibt es nur strafrechtliche Geldbußen. In sieben (AT, CZ, HU, LT, RO, SI, SK) gibt es nur zivilrechtliche Geldbußen. Die restlichen 13 Mitgliedstaaten (BG, CY, DE, DK, EE, EL, ES, HR, LV, NL, PL, PT, SE) haben sowohl strafrechtliche als auch zivilrechtliche Geldbußen. Der Höchstbetrag der Geldbuße ist unterschiedlich und reicht von 4300 EUR in Litauen bis zu 1 Mio. EUR in Spanien.
Tabelle 1:
Höchstbeträge von Geldbußen für Arzneimittelfälschungen (EUR)
* Bei Mitgliedstaaten, die nicht zur Eurozone gehören, wird ein ungefährer EUR-Wert angegeben.
AT
|
BE
|
BG
|
CY
|
CZ
|
DE
|
DK
|
EE
|
50 000
|
240 000
|
25 500
|
85 000
|
775 000
|
25 000
|
keine Angabe
|
32 000
|
EL
|
ES
|
FI
|
FR
|
HR
|
HU
|
IE
|
IT
|
200 000
|
1 000 000
|
keine Angabe
|
750 000
|
20 000
|
keine Angabe
|
300 000
|
15 600
|
LT
|
LU
|
LV
|
MT
|
NL
|
PL
|
PT
|
RO
|
4 300
|
20 000
|
14 000
|
116 469
|
450 000
|
keine Angabe
|
180 000
|
6 500
|
SE
|
SI
|
SK
|
UK
|
|
|
|
|
keine Angabe
|
120 000
|
25 000
|
unbegrenzt
|
|
|
|
|
In 24 Mitgliedstaaten (AT, BE, BG, CY, CZ, DE, DK, EE, EL, ES, FR, HR, HU, IE, LT, LV, NL, PL, PT, RO, SE, SI, SK, UK) gibt es spezifische administrative Sanktionen für die Fälschung von Arzneimitteln.
Verstöße, die Wirkstoffe betreffen
In 23 Mitgliedstaaten (AT, BE, BG, CZ, DE, DK, EE, EL, ES, FI, FR, HR, HU, IE, IT, LU, LV, MT, NL, PL, PT, SK, UK) werden Verstöße, die Wirkstoffe betreffen, als Straftaten eingestuft.
Abbildung 2:
Freiheitsstrafen für Verstöße, die Wirkstoffe betreffen
In 17 der oben genannten Mitgliedstaaten werden alle Verstöße, die die Herstellung, den Vertrieb sowie die Ein- und Ausfuhr von Wirkstoffen betreffen, strafrechtlich sanktioniert. In Bulgarien gelten strafrechtliche Sanktionen nur für Verstöße bei der Ein- oder Ausfuhr von Wirkstoffen, während die übrigen Aktivitäten zivilrechtlich sanktioniert werden. In Finnland, Polen und dem Vereinigten Königreich gibt es keine spezifischen Strafen für den Export von Wirkstoffen. In Lettland und Malta beziehen sich strafrechtliche Sanktionen nur auf die Herstellung und den Vertrieb von Wirkstoffen, wobei Verstöße bei der Ein- oder Ausfuhr von Wirkstoffen in Lettland jedoch zivilrechtlich geahndet werden. Das Höchstmaß der Freiheitsstrafen liegt zwischen einem Jahr und 15 Jahren (Abb. 2).
In 26 Mitgliedstaaten (BE, BG, CY, CZ, DE, DK, EE, EL, ES, FI, FR, HR, IE, IT, LT, LU, LV, MT, NL, PL, PT, RO, SE, SI, SK, UK) werden in Bezug auf Wirkstoffe strafrechtliche oder zivilrechtliche Geldbußen verhängt (Tabelle 2). In sieben Mitgliedstaaten (BE, FI, IE, LU, MT, PL, UK) gibt es nur strafrechtliche Geldbußen. In sieben anderen Mitgliedsstaaten (CY, CZ, LT, RO, SE, SI, SK) gibt es nur zivilrechtliche Geldbußen. Die restlichen 12 Mitgliedstaaten (BG, DE, DK, EE, EL, ES, FR, HR, IT, LV, NL, PT) haben sowohl strafrechtliche als auch zivilrechtliche Geldbußen. Die Höchstbeträge der Geldbußen für Verstöße, die Wirkstoffe betreffen, bewegen sich zwischen 1500 EUR in Litauen und 1 Mio. EUR in Spanien.
Tabelle 2:
Höchstbeträge von Geldbußen für Verstöße, die Wirkstoffe betreffen (EUR)
* Bei Mitgliedstaaten, die nicht zur Eurozone gehören, wird ein ungefährer EUR-Wert angegeben.
BE
|
BG
|
CY
|
CZ
|
DE
|
DK
|
EE
|
EL
|
240 000
|
10 000
|
42 000
|
775 000
|
25 000
|
keine Angabe
|
32 000
|
100 000
|
ES
|
FI
|
FR
|
HR
|
IE
|
IT
|
LT
|
LU
|
1 000 000
|
keine Angabe
|
375 000
|
20 000
|
300 000
|
100 000
|
1 500
|
10 000
|
LV
|
MT
|
NL
|
PL
|
PT
|
RO
|
SE
|
SI
|
14 000
|
11 647
|
450 000
|
keine Angabe
|
180 000
|
6 500
|
keine Angabe
|
120 000
|
SK
|
UK
|
|
|
|
|
|
|
35 000
|
unbegrenzt
|
|
|
|
|
|
|
In 21 Mitgliedstaaten (BG, CY, CZ, DE, DK, EE, ES, FR, HR, HU, IE, IT, LT, LV, NL, PL, PT, RO, SI, SK, UK) gibt es spezifische administrative Sanktionen für Verstöße, die Wirkstoffe betreffen.
Verstöße, die Arzneiträgerstoffe betreffen
In 14 Mitgliedstaaten (AT, BE, DK, EL, ES, FI, FR, HR, IE, LU, LV, NL, PL, PT) werden Verstöße, die Arzneiträgerstoffe betreffen, als Straftaten eingestuft.
Abbildung 3:
Freiheitsstrafen für Verstöße, die Arzneiträgerstoffe betreffen
In neun der oben genannten Mitgliedstaaten werden alle Verstöße, die die Herstellung, den Vertrieb sowie die Ein- und Ausfuhr von Arzneiträgerstoffen betreffen, strafrechtlich sanktioniert. In Finnland gibt es keine strafrechtlichen Sanktionen für Verstöße, die die Ausfuhr von Arzneiträgerstoffen betreffen. In Irland gibt es strafrechtliche Sanktionen nur für Verstöße, die die Herstellung von Arzneiträgerstoffen betreffen. In Lettland und Polen gelten strafrechtliche Sanktionen nur für Verstöße, die die Herstellung und den Vertrieb von Arzneiträgerstoffen betreffen; in Lettland werden jedoch zivilrechtliche Sanktionen für Verstöße bei der Ein- oder Ausfuhr von Arzneiträgerstoffen verhängt. In Luxemburg gibt es strafrechtliche Sanktionen für Verstöße bei der Herstellung und Einfuhr von Arzneiträgerstoffen. Das Höchstmaß der Freiheitsstrafen für Verstöße, die Arzneiträgerstoffe betreffen, liegt zwischen sechs Monaten und 15 Jahren (Abb. 3).
In 20 Mitgliedstaaten (BE, CY, CZ, DK, EL, ES, FI, FR, HR, IE, IT, LU, LV, NL, PL, PT, RO, SE, SI, SK) werden in Bezug auf Verstöße, die Arzneiträgerstoffe betreffen, auch strafrechtliche oder zivilrechtliche Geldbußen verhängt (Tabelle 3). In fünf Mitgliedstaaten (BE, FI, IE, LU, PL) gibt es für Verstöße, die Arzneiträgerstoffe betreffen, nur strafrechtliche Geldbußen. Sieben Mitgliedsstaaten (CY, CZ, IT, RO, SE, SI, SK) verhängen nur zivilrechtliche Geldbußen. Die restlichen acht Mitgliedstaaten (DK, EL, ES, FR, HR, LV, NL, PT) haben sowohl strafrechtliche als auch zivilrechtliche Geldbußen. Der Höchstbetrag der Geldbuße ist unterschiedlich und reicht von 2200 EUR in Rumänien bis zu 1 Mio. EUR in Spanien.
Tabelle 3:
Höchstbeträge von Geldbußen für Verstöße, die Arzneiträgerstoffe betreffen (EUR)
* Bei Mitgliedstaaten, die nicht zur Eurozone gehören, wird ein ungefährer EUR-Wert angegeben.
BE
|
CY
|
CZ
|
DK
|
EL
|
ES
|
FI
|
FR
|
240 000
|
42 000
|
775 000
|
keine Angabe
|
100 000
|
1 000 000
|
keine Angabe
|
375 000
|
HR
|
IE
|
IT
|
LU
|
LV
|
NL
|
PL
|
PT
|
20 000
|
300 000
|
18 000
|
10 000
|
14 000
|
450 000
|
keine Angabe
|
180 000
|
RO
|
SE
|
SI
|
SK
|
|
|
|
|
2 200
|
keine Angabe
|
120 000
|
25 000
|
|
|
|
|
In 15 Mitgliedstaaten (CZ, DK, EE, ES, FR, HR, HU, IT, LT, LV, PL, PT, RO, SI, SK) gibt es spezifische administrative Sanktionen für Verstöße, die Arzneiträgerstoffe betreffen.
Gesamtbetrachtung der Umsetzung
In allen 28 Mitgliedstaaten gibt es für die Fälschung von Arzneimitteln strafrechtliche Sanktionen in Form von Haftstrafen. Ein Mitgliedstaat (LV) bestraft Fälschungen, die zu Körperverletzungen oder Tod führen (Verletzungsverbrechen), und zwei Mitgliedstaaten (ES, PT) bestrafen Fälschungen, die ein Risiko oder eine Gefahr für die Gesundheit Einzelner oder der Öffentlichkeit darstellen (konkrete Gefährdung). In vier Mitgliedstaaten (EL, LT, RO, SI) stehen Fälschungen unter Strafe, die sich generell als gefährlich erweisen, d. h. bei denen das gefälschte Medikament nicht genügend Wirkstoffe oder gesundheitsschädliche Stoffe enthält (konkret-abstrakte Gefährdung). In den restlichen 21 Mitgliedstaaten sind Fälschungen strafbar, ohne dass nachgewiesen werden muss, dass das Produkt gesundheitsgefährdend ist (abstrakte Gefährdung). Verstöße im Zusammenhang mit Wirkstoffen werden in 23 Mitgliedstaaten strafrechtlich geahndet, Verstöße im Zusammenhang mit Arzneiträgerstoffen in 14 Mitgliedstaaten.
In Fällen, in denen die Fälschung von Arzneimitteln strafrechtlich geahndet wird, beträgt das Höchstmaß des Freiheitsentzugs in 20 Mitgliedstaaten mindestens drei Jahre (AT, BG, CY, DE, EE, ES, FR, HR, HU, IE, IT, LT, LU, LV, NL, PL, PT, RO, SI, SK). Eine Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren bedeutet, dass die Straftat der Europäischen Ermittlungsanordnung unterliegt.
Wie weiter oben erläutert werden in allen Mitgliedstaaten für die Fälschung von Arzneimitteln Geldbußen verhängt. In 26 Mitgliedstaaten gibt es Geldbußen bei Verstößen im Zusammenhang mit Wirkstoffen. In 20 Mitgliedstaaten gibt es Geldbußen bei Verstößen im Zusammenhang mit Arzneiträgerstoffen. Geldbußen können sowohl strafrechtlicher als auch zivilrechtlicher Art sein, wobei der Höchstbetrag je nach Mitgliedstaat unterschiedlich ist.
Alle Mitgliedstaaten außer Finnland, Luxemburg und Malta haben zusätzliche administrative Sanktionen für die Fälschung von Arzneimitteln, Wirkstoffen und/oder Arzneiträgerstoffen eingeführt.
3.Wirksamkeit
Da es kein umfassendes Datenmaterial über Vorfälle in den Mitgliedstaaten gibt und da es sich um Aktivitäten illegaler Natur handelt, ist es schwierig, die Wirksamkeit der spezifischen einzelstaatlichen Strafmaßnahmen zu messen. Viele der nationalen Rechtsexperten, die im Rahmen der Studie TRANSPOSE befragt wurden, konnten keine Schätzungen zur Wirksamkeit spezifischer Strafen in Bezug auf die Fälschung von Arzneimitteln, Wirkstoffen und Arzneiträgerstoffen abgeben.
Experten in zehn Mitgliedstaaten gaben Schätzungen zur Wirksamkeit der nationalen Strafen im Kampf gegen das Eindringen gefälschter Arzneimittel in die legale Lieferkette (d. h. Hersteller, Parallelimporteure, Großhändler und Apotheken) ab. Ihrer Einschätzung nach haben alle vorhandenen Strafen und Sanktionen (strafrechtlicher, zivilrechtlicher und administrativer Art) zumindest teilweise zu einer Verringerung der Präsenz gefälschter Arzneimittel in der legalen Lieferkette beigetragen. Insgesamt wurden administrative Sanktionen häufiger als wirksam eingestuft. Acht Experten gaben Schätzungen zum Ausmaß der Verringerung des Vorhandenseins gefälschter Arzneimittel in der legalen Lieferkette seit der Einführung der Richtlinie 2011/62/EU ab. Dabei gingen sechs Experten von einer Verringerung von mehr als 25 % aus, während zwei Experten schätzten, dass sich das Vorkommen um weniger als 5 % verringert hat.
Hinsichtlich der illegalen Lieferkette (z. B. der Kauf von Medikamenten über illegale Online-Apotheken) gaben Experten aus 12 Mitgliedstaaten Schätzungen zur Wirksamkeit der nationalen Strafen und Sanktionen ab. Dabei nahmen sechs Experten an, dass die strafrechtlichen Sanktionen zumindest teilweise zu einer Verringerung der Präsenz gefälschter Arzneimittel in der illegalen Lieferkette beigetragen haben. Zwei Experten erachteten zivilrechtliche Strafen als geringfügig wirksam, und drei Experten zufolge zeigten administrative Sanktionen zumindest teilweise eine Wirkung. Insgesamt wurden strafrechtliche Sanktionen häufiger als wirksam eingestuft. Vier Experten gaben an, dass das Vorkommen gefälschter Arzneimittel in der illegalen Lieferkette seit der Einführung der Richtlinie 2011/62/EU um mindestens 25 % reduziert wurde, während der Schätzung von sieben Experten zufolge die Verringerung weniger als 25 % betrug.
Generell wurde in der Studie darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten sowohl strafrechtliche als auch administrative Sanktionen einführen sollten, um die legale Lieferkette zu schützen und dem illegalen Verkauf gefälschter medizinischer Produkte entgegenzuwirken. Strafrechtliche Sanktionen sind wirkungsvoll und haben sowohl in der legalen als auch in der illegalen Lieferkette eine abschreckende Wirkung. Administrative Sanktionen eignen sich besonders dazu, Verstößen in der legalen Lieferkette (wo es zur Ausübung der Tätigkeit einer Lizenz bedarf) entgegenzuwirken, wohingegen sie gegenüber denen, die im illegalen Markt operieren, wenig ausrichten können, da diese ohnehin ohne Befugnis, d. h. illegal, tätig sind. Administrative Sanktionen lassen sich jedoch in der Regel leichter durchsetzen als strafrechtliche Sanktionen.
In Bezug auf strafrechtliche Mittel wurde in der Studie festgestellt, dass sich breiter gefasste Bestimmungen, die keinen Nachweis einer unmittelbaren Schädigung von Patienten erfordern, sondern generell medizinische Produkte erfassen, die gefährlich oder gefälscht sind, leichter durchsetzen lassen. So sind in vielen Mitgliedstaaten Fälschungen schlechthin strafbar, ohne dass nachgewiesen werden muss, dass das Produkt die Gesundheit von Patienten gefährdet.
Außerdem kann bei Freiheitsstrafen die Anwendung eines Höchstmaßes von mindestens drei Jahren den Austausch von Beweismitteln mittels einer europäischen Ermittlungsanordnung12 erleichtern, was bei Straftaten, die in mehreren Mitgliedstaaten begangen wurden, relevant sein kann. Die Zusammenarbeit ist ja ohnehin erforderlich, damit der Austausch von Beweismitteln bei Straftaten mit länderübergreifender Relevanz gewährleistet ist.
Die wirksame Durchsetzung bestehender Strafmaßnahmen ist für die Bekämpfung der Fälschung von Arzneimitteln, Wirkstoffen und Arzneiträgerstoffen von entscheidender Bedeutung. Es muss daher unbedingt sichergestellt werden, dass Strafverfolgungsbeamte gut ausgebildet sind und über angemessene Ressourcen verfügen, um Ermittlungen bei Straftaten im Bereich Arzneimittel und Pharmaka durchzuführen.
Die Arbeitsgruppe der Strafverfolgungsbeamten (die von dem Netzwerk der Leiter der Arzneimittelagenturen eingerichtet wurde) ist ein wichtiges Forum zur Gewährleistung der Kooperation und des Austausches bewährter Verfahren zwischen den Arzneimittelagenturen und Strafverfolgungsbehörden im Europäischen Wirtschaftsraum. Interpol setzt sich ebenfalls für eine Stärkung der internationalen Kooperation ein, bietet Ausbildungsmöglichkeiten an und fördert den Informationsaustausch zwischen Polizei, Zollbehörden, Arzneimittelbehörden, Wissenschaft und Industrie.
Mitgliedstaaten sollten die Durchsetzung überwachen, um sicherzustellen, dass Strafen und Sanktionen wirksam angewandt werden. So werden in Deutschland seit 2015 detailliertere kriminalstatistische Daten über Arzneimittelfälschungen und damit zusammenhängende Vergehen erhoben. Diese sollten in Zukunft eine bessere Einschätzung der Wirksamkeit der Strafen und Sanktionen ermöglichen.
4.Schlussfolgerung
Die Umsetzung von Artikel 188a der Richtlinie 2001/83/EG durch die Mitgliedstaaten ist zufriedenstellend. Zur weiteren Stärkung der vorhandenen Maßnahmen und zur Erhöhung der Wirksamkeit der Maßnahmen insgesamt könnten bestimmte Mitgliedstaaten die Einführung zusätzlicher strafrechtlicher oder administrativer Sanktionen in Bezug auf gefälschte Arzneimittel, Wirkstoffe oder Arzneiträgerstoffe in Betracht ziehen.
Die Mitgliedstaaten sollten dafür Sorge tragen, dass ein angemessenes Maß an Ressourcen und Personal zur Durchsetzung der vorhandenen Strafmaßnahmen bereitgestellt wird (z. B. durch Ausbildung neuer Strafverfolgungsbeamter). Eine verstärkte Überwachung und Datenerhebung könnte – insbesondere angesichts der Schwierigkeiten bei der Einholung genauer Schätzungen zum Ausmaß der Fälschungen auf dem EU-Markt – dazu beitragen, dass sich die Wirksamkeit spezifischer einzelstaatlicher Bestimmungen genauer abschätzen ließe.
Die Fälschung von Arzneimitteln stellt eine erhebliche Bedrohung der öffentlichen Gesundheit dar. Mit der Fälschungsschutzrichtlinie wurde eine Reihe von Maßnahmen eingeführt, die die legale Lieferkette von Arzneimitteln in der EU vor Fälschungen schützt. Dazu gehören zwingend erforderliche Sicherheitsmerkmale für verschreibungspflichtige Arzneimittel, erhöhte Anforderungen im Bereich der guten Vertriebspraxis (GDP), verschärfte Regeln für die Einfuhr von Wirkstoffen und ein EU-weites Logo für Online-Apotheken.
Die Kommission wird die Mitgliedstaaten weiterhin bei der Umsetzung der Fälschungsschutzrichtlinie unterstützen, insbesondere in Bezug auf das Authentifizierungssystem für Medikamente, das ab Februar 2019 in den Mitgliedstaaten anzuwenden ist. Mit diesem System soll sichergestellt werden, dass Medikamente in der legalen Lieferkette authentisch, sicher und qualitativ hochwertig sind. Das EU-Logo für Online-Apotheken soll dafür sorgen, dass Verbraucher nicht unwissentlich Arzneimittel von einem illegalen Lieferanten kaufen, und es soll Mitgliedstaaten bei ihren Durchsetzungsmaßnahmen unterstützen.
Nur auf der Grundlage einer fortlaufenden Kooperation, des Austausches bewährter Verfahren und einer wirksamen Überwachung der bestehenden Gesetze können Fälschungen von Arzneimitteln durch geeignete Strafen und Sanktionen erfolgreich unterbunden werden.