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Document 52018AE2791

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses yum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates mit gemeinsamen Bestimmungen für den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds Plus, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit Haushaltsvorschriften für diese Fonds und für den Asyl- und Migrationsfonds, den Fonds für die innere Sicherheit und das Instrument für Grenzmanagement und Visa (COM(2018) 375 final — 2018/0196 (COD))

EESC 2018/02791

ABl. C 62 vom 15.2.2019, p. 83–89 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

15.2.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 62/83


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses yum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates mit gemeinsamen Bestimmungen für den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds Plus, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit Haushaltsvorschriften für diese Fonds und für den Asyl- und Migrationsfonds, den Fonds für die innere Sicherheit und das Instrument für Grenzmanagement und Visa

(COM(2018) 375 final — 2018/0196 (COD))

(2019/C 62/13)

Berichterstatter:

Stefano MALLIA

Befassung

Europäisches Parlament, 11.6.2018

Europäischer Rat, 19.6.2018

Rechtsgrundlage

Artikel 177, 304 und 322 Absatz 1 AEUV

 

 

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

Annahme in der Fachgruppe

3.10.2018

Verabschiedung auf der Plenartagung

17.10.2018

Plenartagung Nr.

538

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

111/0/2

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Die Kohäsionspolitik ist einer der am besten greifbaren Politikbereiche der EU, der sich unmittelbar auf das tägliche Leben der EU-Bürger auswirkt. Vor diesem Hintergrund lehnt der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) den Vorschlag der Kommission, den EU-Haushalt um real 10 % zu kürzen, entschieden ab. Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten auf, nach Lösungen zu suchen, damit dieser Haushalt auf demselben Niveau gehalten werden kann wie im Programmplanungszeitraum 2014-2020 (in Preisen des Jahres 2020).

1.2.

Der EWSA ist der Ansicht, dass eine klare politische Strategie im Einklang mit den globalen Verpflichtungen der EU erforderlich ist. Der EWSA fordert die Kommission nachdrücklich auf, die Strategie Europa 2020 zu erneuern und die Prioritäten der neuen Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen (Dachverordnung) mit dieser neuen Strategie abzustimmen. Der EWSA empfiehlt der Kommission darüber hinaus, dafür Sorge zu tragen, dass die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung wirksam in die kohäsionspolitischen Verordnungen integriert werden, indem sie bereichsübergreifend in alle Prioritäten der Fonds eingebunden werden.

1.3.

Nach Auffassung des EWSA würden die durch die Dachverordnung geschaffenen wirtschaftlichen Gegebenheiten (makroökonomische Konditionalität, verminderte Kofinanzierung usw.) zu übermäßig starren Rahmenbedingungen führen, und sie könnten darüber hinaus das Investitionsklima beeinträchtigen. Der EWSA:

spricht sich daher gegen die makroökonomische Konditionalität aus, da sie Regionen und Bürgern zum Nachteil gereicht, die nicht für makroökonomische Entscheidungen auf nationaler oder europäischer Ebene verantwortlich gemacht werden können;

fordert die Kommission auf, die Regel für die Aufhebung der Mittelbindung bei N+3 zu belassen;

ersucht die Kommission, eine Anhebung der Kofinanzierungssätze in Betracht zu ziehen.

1.4.

Der EWSA schätzt die Bemühungen um Vereinfachung, Flexibilität und Wirksamkeit — sie weisen in die richtige Richtung. Bedauerlicherweise ist das neue Regelwerk aber nicht einheitlich.

1.5.

Der EWSA hält die Regelungen bezüglich der thematischen Konzentration für zu streng. Er schlägt vor, dass eines der politischen Ziele von den Mitgliedstaaten ausgewählt werden sollte. In diesem Zusammenhang empfiehlt der EWSA den Mitgliedstaaten, das politische Ziel 5 ins Auge zu fassen, da dieses Ziel am besten eine maßgeschneiderte Lösung für ihre spezifischen Herausforderungen gewährleisten kann.

1.6.

Der EWSA empfiehlt der Kommission, die erforderlichen Instrumente zu entwickeln, die es Gebieten mit strukturellen und dauerhaften Nachteilen (Inseln, Gebirgsregionen usw. (1)) ermöglichen, ihre spezifischen und komplexen Herausforderungen wirksam zu meistern. Diese Aufgabe darf nicht allein den nationalen Behörden überlassen werden. Der EWSA empfiehlt darüber hinaus, dass die in diesen Bereichen durchgeführten Projekte durch höhere Kofinanzierungssätze gefördert werden.

1.7.

Der EWSA empfiehlt, Ad-hoc-Lösungen zu suchen, um die Lage der Länder oder Regionen zu verbessern, die im Programmzeitraum 2007-2013 als Konvergenzregionen eingestuft und im Zeitraum von 2014-2020 mit einem Kofinanzierungssatz von 80 % gefördert wurden, die nun aber als Übergangsregionen gelten werden und daher im Zeitraum 2021-2027 mit einem Kofinanzierungssatz von nur 55 % rechnen können.

1.8.

Der EWSA ist der Überzeugung, dass die Kommission Synergien weiter fördern sollte, indem sie Möglichkeiten auslotet, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums wieder in das Regelwerk einzugliedern, und zudem die Verbindungen zum Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) stärkt. Der EWSA plädiert auch für stärkere Verbindungen mit und zwischen den übrigen Finanzierungsprogrammen und -instrumenten (Horizont 2020, InvestEU usw.).

1.8.1.

Diese Verbindungen sollten sich auch in der Programmplanung der Fonds niederschlagen. Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten auf, fondsübergreifende Programme auszuarbeiten und durchzuführen, mit denen die Herausforderungen im Rahmen eines integrierten Ansatzes angegangen werden. Der EWSA ist der Auffassung, dass die Integration auch in der territorialen Zusammenarbeit ihren Ausdruck finden sollte; grundlegend sind angemessene Beziehungen u. a. zwischen ländlichen und städtischen sowie stadtnahen und städtischen Gebieten, also ein ortsbezogener Ansatz.

1.9.

Eine Regierungsführung auf mehreren Ebenen und mit mehreren Akteuren unter Einbeziehung der Wirtschafts- und Sozialpartner in den Beschlussfassungs- und Durchführungsprozess ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Erfolg der Kohäsionspolitik. Im Hinblick auf den Verhaltenskodex nimmt der EWSA die Unzufriedenheit der europäischen Sozialpartner zur Kenntnis und fordert, den Kodex im direkten Austausch mit den Sozialpartnern zu überarbeiten und zu aktualisieren. Ferner fordert der EWSA, dass der Verhaltenskodex verbindlich gemacht wird.

1.10.

Der EWSA lehnt es ab, die Grundsätze der Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen, der Nichtdiskriminierung, der Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen sowie der nachhaltigen Entwicklung aus dem neuen Vorschlag der Dachverordnung zu streichen. Er empfiehlt daher mit Nachdruck, Artikel 7 der aktuellen Dachverordnung 2014-2020 in die vorgeschlagene neue Dachverordnung zu übernehmen und diesen Grundsatz direkt in den Hauptteil der vorgeschlagenen Verordnung über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und den Kohäsionsfonds aufzunehmen. Darüber hinaus schlägt der EWSA nachdrücklich vor, die Barrierefreiheit für Personen mit Behinderungen in Artikel 67 (Auswahl der Vorhaben) der vorgeschlagenen Dachverordnung aufzunehmen.

1.11.

Der EWSA ist der Ansicht, dass insgesamt eine wirksamere Kommunikationsstrategie unerlässlich ist. Allzu häufig wissen die Bürger bei der Durchführung von EU-finanzierten Projekten nur wenig oder gar nichts über die Beteiligung der EU. Daher fordert der EWSA die Kommission auf, eine wirksame Informationsstrategie für die Bürger und die verschiedenen Arten von Begünstigten einzurichten.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1.

Der EWSA bedauert zutiefst, dass der Haushalt für die Kohäsionspolitik real um 10 % gekürzt wurde. Er lehnt die vorgeschlagenen Kürzungen des EU-Haushalts entschieden ab und schlägt vor, dass die Mitgliedstaaten nach Lösungen suchen, um den Haushalt auf demselben Niveau zu halten (in Preisen des Jahres 2020).

2.2.

Die Kohäsionspolitik zählt zu den wichtigsten Elementen, um den Bürgern die Vision der europäischen Integration näher zu bringen. Sie hat einen deutlichen Mehrwert, da sie der Schaffung von Arbeitsplätzen, nachhaltigem Wachstum und moderner Infrastruktur, der Überwindung struktureller Hemmnisse, der Förderung des Humankapitals und der Verbesserung der Lebensqualität der Bevölkerung dient. Aus diesem Grund begrüßt der EWSA nachdrücklich die Tatsache, dass alle Regionen förderfähig sind.

2.2.1.

Die EU-Kohäsionspolitik muss ein integraler Bestandteil der europäischen Investitionsstrategie sein und dabei einen stark territorial ausgerichteten Ansatz verfolgen, der darauf abzielt, den einzelnen Regionen die erforderlichen Instrumente an die Hand zu geben, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Sie muss zu einem wirtschaftlichen und strukturellen Wandel führen und dadurch in jeder Region eine tragfähige Grundlage schaffen, die auf den jeweils eigenen Stärken beruht (2).

2.3.

Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass der neue Ansatz, der nach wie vor drei Kategorien umfasst (weniger entwickelte Regionen, Übergangsregionen, und stärker entwickelte Regionen), stärker auf die Bedürfnisse der einzelnen Regionen zugeschnitten ist. Während die Methode der Mittelzuweisung weiterhin überwiegend auf dem Pro-Kopf-BIP basiert, wurden neue Kriterien hinzugefügt (Jugendarbeitslosigkeit, niedriges Bildungsniveau, Klimawandel und die Aufnahme und Integration von Migranten). Nach Auffassung des EWSA wird dies der Realität vor Ort besser gerecht, wenngleich er — im Einklang mit der vom Ausschuss für Regulierungskontrolle geforderten Folgenabschätzung (3) — den Eindruck hat, dass dieser Ansatz weiter verfeinert werden könnte.

2.4.

Der EWSA ist zutiefst besorgt über den Vorschlag der Kommission, die Kofinanzierungssätze zu senken, und über die Auswirkungen einer solchen Maßnahme auf das Engagement der Begünstigten in weniger günstigen finanziellen Situationen. Die Aufnahme der Mehrwertsteuer als zuschussfähige Ausgabe ist zu begrüßen, wenngleich dies in einem gewissen Umfang bereits im laufenden Zeitraum möglich ist.

2.5.

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass es Situationen gibt, in denen Länder oder Regionen, die im Programmzeitraum 2007-2013 als Konvergenzregionen eingestuft und im Zeitraum von 2014-2020 mit einem Kofinanzierungssatz von 80 % gefördert wurden, inzwischen als Übergangsregionen gelten und daher im Zeitraum 2021-2027 mit einem Kofinanzierungssatz von nur 55 % rechnen können, was für die betroffenen Regionen einen drastischen Rückgang bedeutet. Der EWSA ist der Ansicht, dass solche Situationen spezifisch angegangen werden müssen. Außerdem ist zu beachten, dass die Begünstigten bei Projekten mit privater Finanzierung die Kofinanzierung nur für den öffentlichen Teil erhalten.

2.6.

Die Priorität der EU gegenüber den Regionen in äußerster Randlage muss darin bestehen, die Verbindungen dieser Regionen mit dem europäischen Kontinent und das Zugehörigkeitsgefühl der Bürger zum Projekt Europa zu stärken (4). Der EWSA begrüßt die Tatsache, dass die Regionen in äußerster Randlage weiterhin eine besondere Unterstützung der EU erhalten werden.

2.7.

Allerdings bedauert der EWSA, dass die Kohäsionspolitik immer noch keine umfassenden Lösungen für die Herausforderungen der spezifischen Gebiete zu bieten hat, die in Artikel 174 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (5) genannt sind. Studien zeigen, dass sich die zentralen Behörden nicht immer um die in Artikel 174 genannten spezifischen Regionen kümmern. Der EWSA ist daher der Ansicht, dass die Kommission dafür sorgen sollte, dass Mitgliedstaaten regionale und lokale Interessenträger einbeziehen, wenn sie auf die Bedürfnisse ihrer spezifischen Regionen eingehen, wobei der in den jeweiligen Gebieten geltende institutionelle und rechtliche Rahmen zu achten ist.

3.   Allgemeine Grundsätze

3.1.

Der EWSA lehnt es ab, die Grundsätze der Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen, der Nichtdiskriminierung, der Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen sowie der nachhaltigen Entwicklung aus dem neuen Vorschlag der Dachverordnung zu streichen. Im europäischen Besitzstand hat sich bei der Planung und Durchführung der Fonds (Artikel 7 der derzeitigen Dachverordnung und Artikel 16 der Dachverordnung 2007-2013) ein übergreifender Ansatz herausgebildet.

3.1.1.

Der EWSA empfiehlt daher mit Nachdruck, Artikel 7 der aktuellen Dachverordnung 2014-2020 in die vorgeschlagene neue Dachverordnung zu übernehmen und diesen Grundsatz direkt in den Hauptteil der vorgeschlagenen Verordnung über den EFRE und den Kohäsionsfonds aufzunehmen. Darüber hinaus schlägt der EWSA nachdrücklich vor, die Barrierefreiheit für Personen mit Behinderungen in Artikel 67 (Auswahl der Vorhaben) der vorgeschlagenen Dachverordnung aufzunehmen.

3.2.

Da die EU Vertragsstaat des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist, hält es der EWSA für angemessen, dass dieses Übereinkommen in der Rechtsgrundlage der vorgeschlagenen Dachverordnung verankert wird.

3.3.

Der EWSA ist der festen Überzeugung, dass eine echte Partnerschaft auf allen Ebenen mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern und den Interessenträgern der organisierten Zivilgesellschaft bei der Vorbereitung, Durchführung und Ex-post-Bewertung der Programme und Projekte im Rahmen der EU-Kohäsionspolitik zu deren Qualität und Wirksamkeit beiträgt. Der EWSA, der bereits früher die Ausarbeitung eines Verhaltenskodex gefordert hat, unterstützt nachdrücklich die Initiative der Kommission und begrüßt die von ihr vorgeschlagenen Empfehlungen (Artikel 6) (6). Er stellt fest, dass der Vorschlag der Kommission möglicherweise verfeinert werden muss, um den sektorspezifischen Herausforderungen (insbesondere den nationalen sicherheitsrelevanten Herausforderungen) im Rahmen der Migrations- und Sicherheitsprogramme gerecht zu werden.

3.4.

Der EWSA ist der festen Überzeugung, dass die enge Zusammenarbeit zwischen Verwaltungsbehörden und Wirtschafts- und Sozialpartnern auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene in Form eines Regierens auf mehreren Ebenen und mit mehreren Akteuren ein unverzichtbares Kriterium für den Erfolg der Kohäsionspolitik ist. Sie muss die Grundvoraussetzung für die Vergabe von Mitteln im Rahmen der Partnerschaftsvereinbarungen und EU-Fonds sein. Der EWSA begrüßt die neue verbindliche Formulierung und fordert den Gesetzgeber ausdrücklich auf, die Formulierung „bindet … ein“ beizubehalten.

3.5.

In Bezug auf den Verhaltenskodex hat der EWSA die Unzufriedenheit der europäischen Sozialpartner zur Kenntnis genommen und fordert, den Kodex im direkten Austausch mit den Sozialpartnern zu überarbeiten und zu aktualisieren. Er fordert ferner, dass der Verhaltenskodex verbindlich gemacht wird.

3.6.

Mit Blick auf die Stärkung von Kompetenzen sowie der Wirksamkeit der Partnerschaft fordert der EWSA die Einführung von Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau und zur technischen Unterstützung für die in Artikel 6 genannten Partner. Der EWSA wünscht auch die Einrichtung eines Mechanismus für jährliche Konsultationen mit den einschlägigen Partnern.

3.7.

Der EWSA teilt die Ansicht, dass jedes Mitglied der Überwachungsausschüsse eine Stimme hat. Um für ein ausgewogenes Gleichgewicht bei der Entscheidungsfindung zu sorgen, sind die Stimmen der Verwaltungsbehörden und der in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a bestimmten Behörden mit 50 % und die der unter Buchstaben b und c aufgeführten Wirtschafts- und Sozialpartner mit 50 % zu gewichten. Der EWSA stellt fest, dass dieser Vorschlag der Kommission möglicherweise noch verfeinert werden muss, um sensible Fragen, etwa die nationale Sicherheit betreffend, behandeln zu können.

4.   Vereinfachung

4.1.

Der EWSA hält es für äußerst wichtig, den unnötigen Verwaltungsaufwand für die Begünstigten erheblich zu verringern und gleichzeitig ein hohes Maß an Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit zu gewährleisten. Der EWSA würdigt und begrüßt die Tatsache, dass in dem Vorschlag der Kommission mehrere Fragen im Zusammenhang mit der Vereinfachung angesprochen werden.

4.2.

Der EWSA schlägt die systematische Anwendung des Grundsatzes der Einmaligkeit nach den Regelungen für Kleinunternehmen in Europa (Small Business Act) vor, um sicherzustellen, dass Verwaltungs-, Überwachungs- und Kontrollformalitäten von Projektleitern nur einmal an die unmittelbar zuständige Verwaltungsbehörde übermittelt werden, die dafür verantwortlich ist, diese an die Verwaltungsbehörden auf nationaler und EU-Ebene weiterzuleiten.

4.3.

Der EWSA empfiehlt ferner die Einrichtung eines stark vereinfachten „De-minimis“-Kontroll-/Prüfsystems für sehr kleine Projekte: Wenn die unmittelbar zuständige Verwaltungsbehörde feststellt und erklärt, dass die erwarteten Ergebnisse erreicht wurden, sollten keine weiteren Kontrollen oder Prüfungen gefordert werden.

4.4.

Es ist eine Übertreibung, die Dachverordnung als eine einheitliche Regelung zu bezeichnen. Obwohl sie sich auf sieben Fonds erstreckt, ist angesichts der beträchtlichen Anzahl an „Ausnahmen von den Vorschriften“ ein Mangel an Kohärenz zu beklagen; häufig unterscheiden sich die Bestimmungen beispielsweise für den Europäischen Meeres- und Fischereifonds, den Asyl- und Migrationsfonds, den Fonds für die innere Sicherheit und das Instrument für Grenzmanagement und Visa. Im Einklang mit den Schlussfolgerungen der Hochrangigen Gruppe zur Vereinfachung ab 2020 (7) ist der EWSA der Ansicht, dass das Maßnahmenpaket einfacher gestaltet sein sollte und ein Mikromanagement der Fonds zu vermeiden ist.

4.5.

Der EWSA nimmt die Aufnahme der neuen Fonds zur Bereitstellung von Mitteln für die Bewältigung der Migrationskrise und der Sicherheitsangelegenheiten (8) im Rahmen der Dachverordnung zur Kenntnis, bedauert jedoch sehr, dass der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums nicht Teil des Regelwerks ist und dass es weniger Verbindungen zum ESF+ gibt als zu seinem Vorläufer. Der EWSA fordert die Kommission auf, diese Entscheidung zu überdenken.

4.6.

Der EWSA teilt die Ansicht, dass die Aussetzung von Mittelbindungen gegenüber der Aussetzung von Zahlungen vorrangig zu behandeln ist, um schwerwiegende Krisen zu vermeiden. Zahlungen dürfen nur ausgesetzt werden, wenn unmittelbare Maßnahmen erforderlich sind, sowie im Falle von erheblichen Verstößen.

5.   Flexibilität

5.1.

Um die Gründung und das Wachstum von Unternehmen zu erleichtern, muss die EU Reformen für ein investitionsfreundliches Umfeld unterstützen, in dem Unternehmen florieren, und die Rahmenbedingungen für das Unternehmertum verbessern. Der Kohäsionsfonds muss genutzt werden, um bessere Bedingungen für das Wachstum von Start-up-Unternehmen und jungen, innovativen KMU zu schaffen und die Nachfolge in Familienunternehmen zu erleichtern. In diesem Zusammenhang vertritt der EWSA die Ansicht, dass die Kohäsionspolitik für einen stabilen, aber dennoch flexiblen Rahmen (9) sorgen muss.

5.2.

In Bezug auf die obligatorischen Mittelübertragungen auf die Fazilität „Connecting Europe“ stellt der EWSA fest, dass der Gesamtbetrag der zu übertragenden Mittel trotz einer Kürzung der Gesamtfördermittel um 10 % unverändert beibehalten wurde. Daher wäre der Prozentsatz der übertragenen Gesamtfördermittel tatsächlich höher als im laufenden Programmplanungszeitraum. Der EWSA stimmt dem Gesamtkonzept zu, solange der Gesamthaushalt für die Kohäsionspolitik auf dem Niveau von 2014-2020 erhalten bleibt.

5.3.

Außerdem sind derzeit 100 % der auf die Fazilität „Connecting Europe“ übertragenen Mittel für jeden Mitgliedstaat zweckgebunden. Der Vorschlag für den neuen Zeitraum sieht vor, dass nur 70 % der Mittel für den jeweiligen Mitgliedstaat und die restlichen 30 % für Projekte nach Wahl der Kommission bereitgestellt werden. Der EWSA lehnt diesen Vorschlag entschieden ab.

5.4.

Der EWSA begrüßt die Tatsache, dass es keine spezifischen Regeln für Einnahmen generierende Investitionen mehr geben wird. Der EWSA stellt ferner fest, dass es keinen Prozess für „größere Projekte“ geben wird (stattdessen werden strategische Projekte vom Überwachungsausschuss verfolgt). Obwohl dies an sich eine begrüßenswerte Entwicklung ist, hat der EWSA Bedenken, wie die Gültigkeit größerer Projekte weiterhin gewährleistet werden kann.

5.5.

Der EWSA befürwortet auch die Möglichkeit, die Programmziele und -mittel an die sich ändernden Umstände anzupassen, was bewirken würde, dass im Falle einer Naturkatastrophe EU-Mittel unmittelbar mobilisiert werden könnten (10).

5.6.

Der EWSA teilt die Ansicht, dass Zuschüsse allein nicht ausreichen, um erhebliche Investitionslücken zu schließen. Finanzinstrumente, die eine Hebelwirkung haben und eine größere Marktnähe aufweisen, können eine wirksame Ergänzung darstellen. Der EWSA begrüßt daher, dass die Kombination von Zuschüssen und Finanzinstrumenten erleichtert wird und dass der neue Rahmen auch besondere Bestimmungen enthält, um mehr privates Kapital anzuziehen.

5.7.

Der EWSA unterstützt die Vereinfachung der technischen Hilfe für Mitgliedstaaten und weist darauf hin, dass die Partner gemäß Artikel 6 ebenfalls davon profitieren sollten.

6.   Wirksamkeit

6.1.

Der EWSA bedauert, dass die Kommission keinen partizipativen Prozess eingeleitet hat, der zu einer übergreifenden und integrierten Strategie für ein nachhaltiges Europa im Jahr 2030 und darüber hinaus führt. Es ist fraglich, welche Prioritäten die Kommission vorschlägt, um die Partnerschaftsvereinbarung und die operationellen Programme der Mitgliedstaaten anzugleichen.

6.2.

Der EWSA empfiehlt der Kommission, die Kohäsionspolitik mit der Agenda 2030 der Vereinten Nationen in Einklang zu bringen und ihre Ziele für eine nachhaltige Entwicklung in den Haupttext der Dachverordnung, die sich auf alle Fonds erstreckt, aufzunehmen.

6.3.

Der EWSA hat Bedenken bezüglich der neuen Regelung zur thematischen Konzentration. Er ist der Ansicht, dass die Konzentration von Mitteln auf zwei Prioritäten zu restriktiv ist. Der EWSA hat Bedenken bezüglich des einheitlichen Ansatzes, den die Kommission in dieser Hinsicht gewählt hat. Er ist der Auffassung, dass die thematische Konzentration ausreichend Spielraum bieten muss, damit die Finanzierungsprioritäten den unterschiedlichen Entwicklungsanforderungen auf nationaler und regionaler Ebene gerecht werden können.

6.4.

Der EWSA begrüßt die engere Verbindung zum Europäischen Semester durch die länderspezifischen Empfehlungen (11). Er spricht sich jedoch gegen die makroökonomische Konditionalität aus, da sie Regionen und Bürgern zum Nachteil gereicht, die nicht für makroökonomische Entscheidungen auf nationaler oder europäischer Ebene verantwortlich gemacht werden können (12). Der EWSA teilt die Ansicht, dass es auch wichtig ist, mit dem neuen, verbesserten Programm zur Unterstützung von Reformen umfassende Komplementarität und Koordinierung sicherzustellen.

6.5.

Der EWSA begrüßt die verstärkten Synergien zwischen bestimmten Programmen („Exzellenzsiegel-Ansatz“), da diese zu einem vereinfachten Zugang zu Finanzierungen führen können, doch in den meisten Fällen ist der Vorschlag nicht klar genug (z. B. bei der möglichen Kombination von Strukturfonds und Fonds für die Entwicklung des ländlichen Raums im Fall des Instruments der von der örtlichen Bevölkerung betriebenen lokalen Entwicklung).

6.6.

Im Hinblick auf die Regeln für die Aufhebung der Mittelbindung bedauert der EWSA, dass mit diesem Vorschlag die derzeitige Regel N+3 in eine N+2-Regel geändert wird, und fordert die Europäische Kommission auf, dies zu überdenken. Der EWSA hält es für angebracht, die Bedürfnisse der Länder zu prüfen, die bei der Durchführung der Programme größere Schwierigkeiten hatten, und spricht sich dafür aus, ihnen mehr anstatt weniger Flexibilität einzuräumen.

6.7.

Des Weiteren ist festzustellen, dass die Verwaltungskapazitäten insbesondere der kleineren Mitgliedstaaten und Regionen in den ersten Phasen des Zeitraums 2021-2027 erheblich unter Druck geraten könnten. In diesem Zusammenhang muss auch berücksichtigt werden, dass die Mitgliedstaaten, während sie noch damit befasst sind, den laufenden Programmplanungszeitraum zum Abschluss zu bringen, bereits unter Druck stehen, die letzten beiden Jahre des neuen Programmplanungszeitraums umzusetzen (aufgrund des 5 + 2 Ansatzes), wobei sie der N+2-Regel unterliegen und ihnen ein geringerer Vorfinanzierungsbetrag zur Verfügung steht.

6.8.

Da kleine und kleinste Unternehmen sowie die Organisationen der Zivilgesellschaft auf Schwierigkeiten stoßen können, wenn sie generell die Möglichkeiten der europäischen Fonds nutzen wollen, fordert der EWSA Unterstützung für Maßnahmen, die darauf abzielen, ihren Zugang zu Informationen zu verbessern, ihnen bessere Beratung und Betreuung zu bieten und ihre Interventionskapazitäten zu erhöhen.

7.   Programmierung und Durchführung

7.1.

Der EWSA begrüßt die Tatsache, dass es weniger politische Ziele gibt, die offenbar flexibler sind als ihre Vorläufer, bedauert jedoch ihre mangelnde Einbindung in einen weiter gefassten strategischen Kontext.

7.2.

Der EWSA begrüßt besonders das neue politische Ziel „Ein bürgernäheres Europa“. Er hofft, dass die Mitgliedstaaten ihre auf dieses Ziel ausgerichteten Programme in enger Zusammenarbeit mit den Bürgern, den Wirtschafts- und Sozialpartnern und den Organisationen der Zivilgesellschaft erarbeiten und umsetzen, wie es die Bezeichnung des Ziels und die Anforderungen von Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe g nahelegen.

7.3.

Der EWSA hat Bedenken, dass die Programmplanung zunächst nur für die ersten fünf Jahre aufgestellt werden soll. Er sieht die Vorteile dieses Ansatzes, befürchtet jedoch, dass er zu einem hohen Verwaltungsaufwand für die Behörden führen könnte, die ebenfalls Gefahr laufen, die Vorschriften über die Aufhebung von Mittelbindungen nicht einzuhalten.

7.4.

Die Vereinfachung der Programmplanungsdokumente (Partnerschaftsvereinbarung, operationelle Programme) ist zu begrüßen. Insbesondere befürwortet der EWSA die Vereinfachung der Partnerschaftsvereinbarung und ist der Ansicht, dass diese Vereinbarung ein hochrangiges strategisches Dokument sein sollte. Daher sind Anstrengungen zu unternehmen, um sicherzustellen, dass die Programme der Mitgliedstaaten mit den Prioritäten der EU in Einklang stehen und zusammenwirken. Der EWSA begrüßt auch die Vereinfachung der delegierten Rechtsakte. Zur Vermeidung der Gefahr einer Überregulierung durch die Verwaltungsbehörden fordert er die Kommission auf, die wirtschaftlichen und sozialen Akteure der EU an der Ausarbeitung der delegierten Rechtsakte zu beteiligen.

7.5.

Der EWSA hält es für wesentlich, dass einfache Lösungen vorgeschlagen werden, die die verschiedenen Initiativen in Bezug auf die Kohäsionspolitik (Strategien und Programme) der verschiedenen territorialen Ebenen horizontal (z. B. makroregionale Strategien mit transnationalen Programmen) und vertikal (zwischen den verschiedenen territorialen Ebenen) verbinden. Aus diesem Grund begrüßt der EWSA Artikel 17 und empfiehlt der Kommission, ihre Arbeit in dieser Richtung fortzusetzen.

7.6.

Mittlerweile lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten, und dieser Anteil wird bis 2050 voraussichtlich auf 70 % steigen (13). Daher begrüßt der EWSA die Aufstockung der EFRE-Mittel für eine integrierte nachhaltige Stadtentwicklung, bedauert jedoch die mangelnde Ausdehnung auf den ESF+.

7.7.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die territoriale Entwicklung auf der Grundlage von integrierten gebietsspezifischen Strategien der richtige Ansatz ist, weil es dadurch möglich ist, Potenziale und Bedürfnisse auf lokaler Ebene zu erkennen und in Partnerschaft mit allen lokalen Akteuren Maßnahmen einzuleiten, die auf die ermittelten spezifischen Bedürfnisse ausgerichtet sind. Der EWSA ist der Ansicht, dass dieser Ansatz von einer guten Regierungsführung zeugt und daher in hohem Maße gefördert und ausgebaut werden sollte. In diesem Zusammenhang begrüßt er, dass die Partner gemäß Artikel 6 in die Vorbereitung und Durchführung der territorialen Strategien einbezogen werden müssen.

7.8.

Ferner begrüßt der EWSA die neuen „sonstigen integrierten Instrumente“ gemäß Artikel 22 Buchstabe c, die es ermöglichen, maßgeschneiderte und vor Ort funktionierende Lösungen zu finden und zu nutzen, bedauert allerdings, dass ihr Einsatz auf das politische Ziel 5 begrenzt ist. Ein solches Instrument sollte für alle politischen Ziele zur Verfügung stehen. Da die Erläuterungen zu diesem neuen Instrument sehr vage formuliert sind, empfiehlt der EWSA, dass die Kommission diese weiter ausarbeitet, damit die Mitgliedstaaten ermutigt werden können, von dieser Möglichkeit in vollem Umfang Gebrauch zu machen.

7.9.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Zivilgesellschaft intensiv in das Governance-System der neuen Europäischen Stadtinitiative einbezogen werden und darin vertreten sein sollte, um die Realität besser widerzuspiegeln und um sicherzustellen, dass lokale Interessen in die Maßnahmen dieser Initiative einfließen. Der EWSA befürwortet nachdrücklich die europaweite Einrichtung eines solchen Governance-Systems unter Einbeziehung der einschlägigen Akteure der Zivilgesellschaft.

7.10.

Der EWSA ist der festen Überzeugung, dass die Wirkung, die durch die Mittel im Rahmen der Kohäsionspolitik erzielt wird, am deutlichsten von den Bürgern und den wirtschaftlichen und sozialen Akteuren wahrgenommen wird. Die geförderten Maßnahmen bilden eines der besten Bollwerke gegen Europaskepsis und europafeindliche Bewegungen. Daher müssen unmittelbare, leicht zugängliche und nach Maßgabe der beruflichen Tätigkeit der betroffenen Bürger gezielte Informationen zur Verfügung gestellt werden, zum Beispiel mit Leitlinien für bewährte Praktiken. Der EWSA fordert die Kommission auf, in Zusammenarbeit mit allen betroffenen Partnern einen strategischen Kommunikationsplan zu erarbeiten.

Brüssel, den 17. Oktober 2018

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Luca JAHIER


(1)  Artikel 174 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

(2)  https://www.businesseurope.eu/sites/buseur/files/media/position_papers/ecofin/2017-06-09_eu_cohesion_policy.pdf.

(3)  SEC(2018) 268.

(4)  ABl. C 161 vom 6.6.2013, S. 52.

(5)  ABl. C 209 vom 30.6.2017, S. 9.

(6)  ABl. C 44 vom 15.2.2013, S. 23.

(7)  http://ec.europa.eu/regional_policy/sources/newsroom/pdf/simplification_proposals.pdf.

(8)  ABl. C 75 vom 10.3.2017, S. 63.

(9)  ABl. C 81 vom 2.3.2018, S. 1.

(10)  ABl. C 173 vom 31.5.2017, S. 38.

(11)  https://www.eesc.europa.eu/sites/default/files/resources/docs/qe-02-17-362-en-n.pdf und https://www.eesc.europa.eu/sites/default/files/resources/docs/qe-01-14-110-en-c.pdf.

(12)  ABl. C 191 vom 29.6.2012, S. 30.

(13)  http://www.un.org/en/development/desa/news/population/world-urbanization-prospects-2014.html.


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