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Document 52017IR6209

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Kosten und Risiken einer fehlenden Kohäsionspolitik: Der strategische Wert der Kohäsionspolitik für die Verwirklichung der Ziele des Vertrags und die Bewältigung der neuen Herausforderungen für die Regionen in Europa

COR 2017/06209

ABl. C 247 vom 13.7.2018, p. 16–21 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

13.7.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 247/16


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Kosten und Risiken einer fehlenden Kohäsionspolitik: Der strategische Wert der Kohäsionspolitik für die Verwirklichung der Ziele des Vertrags und die Bewältigung der neuen Herausforderungen für die Regionen in Europa

(2018/C 247/04)

Berichterstatter:

Mieczysław Struk (PL/EVP), Marschall der Woiwodschaft Pomorskie (Pommern)

Referenzdokumente:

Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Meine Region, mein Europa, unsere Zukunft: Siebter Bericht über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt

COM(2017) 583 final

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Allgemeine Bemerkungen

1.

begrüßt die Veröffentlichung des 7. Kohäsionsberichts, der eine wichtige Grundlage für die Debatte über die neue Kohäsionspolitik nach 2020 bildet; betont in diesem Zusammenhang, dass die Kohäsionspolitik im Zeitraum 2014-2020 unter anderem dazu beitragen soll, dass mehr als 7,4 Mio. Arbeitsplätze geschaffen werden, fast 9 Mio. Menschen eine bessere Qualifikation erwerben und etwa 15 Mio. Haushalte einen Breitband-Internetanschluss erhalten, dass sie aber auch darauf ausgerichtet ist, 1,1 Mio. KMU zu fördern und 16 Mrd. EUR in die digitale Wirtschaft zu investieren; verweist daher auf die kaum abschätzbaren Kosten einer fehlenden Kohäsionspolitik, ist doch die territoriale Konvergenz Europas für Europa und seine Bürger, für seine Wirtschaft sowie für seine Städte und Regionen wichtiger als je zuvor;

2.

begrüßt, dass das Europäische Parlament regelmäßig einen Überblick über die Kosten des Nicht-Europas erarbeitet, aus dem hervorgeht, dass das Fehlen gemeinsamer Maßnahmen auf europäischer Ebene auf einigen Gebieten eine deutlich geringere Effizienz der Wirtschaft sowie eine begrenzte Verfügbarkeit wichtiger öffentlicher Güter zur Folge hat;

3.

bedauert, dass in den Analysen und Beschlussfassungsprozessen des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission die Frage der Kosten einer fehlenden Kohäsionspolitik bislang nicht berücksichtigt worden ist;

4.

dankt dem bulgarischen Ratsvorsitz für sein Ersuchen an den AdR, eine Stellungnahme zum Thema „Kosten und Risiken einer fehlenden Kohäsionspolitik“ zu erarbeiten, was dem AdR die ausgezeichnete Möglichkeit bietet, umfassendere Überlegungen zur strategischen Rolle der Kohäsionspolitik anzustellen;

5.

erinnert daran, dass die Stärkung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts laut Artikel 174 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union eines der Hauptziele der EU ist; betont daher, dass die Kohäsionspolitik auch weiterhin ihre Aufgabe erfüllen und die Unterstützung für die rückständigsten und von großen Problemen betroffenen Gebiete mit einem Förderangebot an alle Regionen verknüpfen muss. Ziel ist es dabei, die jeweiligen Herausforderungen und das Potenzial der einzelnen Regionen zu berücksichtigen und eine harmonische Entwicklung der EU insgesamt zu gewährleisten, damit den Menschen vor Ort klar vor Augen geführt wird, dass die EU-Finanzierung einen zusätzlichen Nutzen bietet; erinnert in diesem Zusammenhang an die in Artikel 349 AEUV aufgeführten besonderen Merkmale der Regionen;

6.

betont, dass die Kohäsionspolitik die wichtigste Investitionspolitik der EU ist, mit der die vorgenannten Ziele des Vertrags umgesetzt werden sollen, die aber auch imstande ist, Innovation zu stimulieren, die Auswirkungen des Klimawandels und den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu bewältigen sowie asymmetrische wirtschaftliche Schocks abzufedern, indem die öffentlichen wachstumsfördernden Investitionen in den Regionen gesichert werden und ein Beitrag zur Reduzierung der Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit sowie zur Förderung der sozialen Inklusion geleistet wird; unterstreicht daher erneut seine nachdrückliche Unterstützung für die Kohäsionsallianz (#CohesionAlliance) (1);

7.

weist darauf hin, dass die Kohäsionspolitik einen der besten Leistungsrahmen unter den EU-Politikbereichen hat und gleichzeitig der am genauesten überwachte und evaluierte EU-Politikbereich ist, der in den letzten zehn Jahren seine Wirksamkeit immer weiter verbessern konnte;

Wirtschaftlicher Zusammenhalt

8.

begrüßt die im 7. Kohäsionsbericht getroffene Feststellung, dass sich die Wirtschaft der EU von der Krise erholt und die regionalen Ungleichheiten sich langsam wieder verringern. Nichtsdestoweniger haben zahlreiche Regionen noch nicht das Pro-Kopf-BIP und den Beschäftigungsstand der Zeit vor der Krise erreicht, waren aber zudem mit einem erheblichen Rückstau bei den öffentlichen Investitionen konfrontiert, sodass die Folgen der Wirtschaftskrise noch nicht überwunden sind;

9.

begrüßt, dass auf die Daten verwiesen wird, die zeigen, dass die Regionen mit geringerem Entwicklungsstand von 2000 bis 2015 zum EU-Durchschnitt aufschließen konnten, was insbesondere auf die meisten Regionen der EU-13 zutrifft; weist jedoch mit Besorgnis darauf hin, dass sich die Lage in einer Reihe von hauptsächlich südeuropäischen Regionen nicht verbessert hat und sogar noch schlechter ist als vor der Krise;

10.

betont, dass Regionen, deren BIP bereits deutlich über dem EU-Durchschnitt liegt, sowie viele großstädtische Ballungsgebiete als stärkste Motoren der regionalen Wettbewerbsfähigkeit ein deutlich höheres Wirtschaftswachstum verzeichneten, während Regionen, deren Pro-Kopf-BIP in etwa dem EU-Durchschnitt entspricht, in einer „Falle der mittleren Einkommen“ mit Wachstumsraten festzusitzen scheinen, die deutlich unter dem EU-Durchschnitt liegen;

11.

zeigt sich besorgt über die großen Unterschiede im Bereich der Innovationskraft, die nach wie vor in den am stärksten entwickelten Regionen im Nordwesten Europas konzentriert ist, wobei sich diese Tendenz noch zu verstärken scheint und führende Regionen ihre Leistung weiter steigern können, während Regionen in Randlage, jene mit Entwicklungsrückständen und Übergangsregionen immer noch schlechtere Ergebnisse erzielen. Dies macht deutlich, wie wichtig ein von unten nach oben gerichteter territorialer Ansatz, der durch die Strategien für eine intelligente Spezialisierung verkörpert wird, für den Ausbau der Innovationskapazitäten der Regionen ist;

Sozialer Zusammenhalt

12.

begrüßt, dass sich die Beschäftigungslage in der EU im Zuge der wirtschaftlichen Erholung bessert. Nichtsdestoweniger bestehen noch immer erhebliche regionale Unterschiede bei den Arbeitslosenquoten, die in einigen südeuropäischen Mitgliedstaaten über 20 Prozent betragen;

13.

zeigt sich besorgt über die Jugendarbeitslosigkeit, die nach wie vor ein dringliches Problem ist, da sie weiter über dem Niveau der Zeit vor der Krise liegt und mehr als doppelt so hoch wie die allgemeine Arbeitslosenrate ist. Besonders besorgniserregend ist die Lage in weniger entwickelten Regionen und Übergangsregionen;

14.

weist auf die Lage von Menschen hin, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind, wobei dieses Risiko trotz einiger positiver Entwicklungen nach wie vor unakzeptabel groß ist;

15.

betont, dass sich viele Gebiete, vor allem die Regionen und ländlichen Gebiete der EU-13, einem signifikanten Bevölkerungsschwund gegenübersehen, der sowohl auf den natürlichen Wandel als auch auf Abwanderung zurückzuführen ist, während andere Regionen einen starken Zuwachs der Gesamtbevölkerung verzeichnen. Auch die hohe Zahl an Migranten und Flüchtlingen, die seit 2015 in der EU ankommen, wirkt sich signifikant auf die Demographie und den sozialen Zusammenhalt in bestimmten Mitgliedstaaten, Regionen und Städten aus;

Territorialer Zusammenhalt

16.

hebt die Bedeutung der ökologischen Dimension für die nachhaltige Entwicklung der Städte und Regionen Europas sowie für die Gesundheit und das Wohlbefinden seiner Bürgerinnen und Bürger hervor. Die steigende Zahl an Umweltbelangen, insbesondere der Klimawandel und die dadurch bedingte Zunahme der Häufigkeit und Intensität von Naturkatastrophen, die Ausweitung von menschlichen Siedlungen, bebauten Flächen und Industrieaktivitäten, der Rückgang der Artenvielfalt und die Zersplitterung von Lebensräumen sowie weitere Umweltbelastungen wie Luft- und Wasserverschmutzung, wirken sich potenziell negativ auf die Volkswirtschaften und Gesellschaften der EU aus; bringt seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass die wichtigsten Umweltziele trotz der erzielten Fortschritte bei der Verringerung der Umweltbelastungen insbesondere in den mittel- und osteuropäischen Mitgliedstaaten noch nicht erreicht wurden;

17.

begrüßt die erheblichen Fortschritte, die bei der Eindämmung des Energieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen erzielt wurden, weist jedoch auch darauf hin, dass diese teilweise auf den Rückgang der Wirtschaftstätigkeit während der Krise zurückzuführen sind, weshalb zusätzliche Bemühungen erforderlich sind, um den Übergang hin zu sauberen Energieträgern einschließlich erneuerbarer Energien und zu einer energieeffizienteren Wirtschaft mit einem emissionsarmen Verkehr zu bewerkstelligen;

18.

weist auf die territoriale Dimension des Klimawandels und klimabedingter Naturkatastrophen hin, die sich nicht auf alle Regionen gleich auswirken werden; betont daher die Bedeutung, die einer eingehenden Beurteilung von Schwachstellen, den Anpassungsmaßnahmen für die Städte und Regionen Europas und der Schaffung grüner Infrastruktur zukommt;

19.

hebt hervor, dass das EU-Verkehrsnetz und insbesondere das Schienennetz vor allem in den Regionen der EU-13 sehr zu wünschen übrig lässt; betont in diesem Zusammenhang, dass die Vollendung von TEN-V, insbesondere die Verknüpfung der Hauptknotenpunkte des TEN-V-Kernnetzes (Core Network), und die Integration in die nationalen und regionalen Verkehrssysteme nicht nur notwendig sind, um Verkehrsengpässe zu beseitigen, Reisezeiten zu verkürzen und die negativen Auswirkungen der Randlage einzelner Regionen abzufedern, sondern vor allem, um die Wirtschaftsentwicklung der EU insgesamt zu stimulieren, indem für einen effizienteren Binnenmarkt gesorgt wird; weist aus diesen Gründen darauf hin, dass die Digitalisierung eine der größten Herausforderungen ist, mit denen alle Regionen der EU konfrontiert sind, und dass es ausgesprochen wichtig ist, verstärkt in die Breitbandinfrastruktur und in digitale Kompetenzen zu investieren;

20.

weist darauf hin, dass knapp ein Drittel der Unionsbürgerinnen und -bürger in Grenzregionen leben und arbeiten, deren Wirtschaftsleistung im Allgemeinen jener anderer Regionen hinterherhinkt. Trotz der in den letzten Jahrzehnten erzielten großen Fortschritte behindern Grenzen nach wie vor den freien Verkehr von Waren, Personen, Kapital und Ideen. Aus diesem Grund können die Vorteile der Integration nicht vollständig ausgeschöpft werden; Die Beseitigung von grenzbedingten Hindernissen brächte den Grenzregionen beträchtliche Vorteile in Bezug auf das BIP und würde darüber hinaus zu einer erheblichen Reduzierung der durch Grenzen verursachten Kosten führen;

Herausforderungen für die Städte und Regionen

21.

weist darauf hin, dass der demografische Wandel eine der größten Herausforderungen für die EU darstellt und weitreichende wirtschaftliche, soziale und ökologische Auswirkungen hat. Die Folgen sind u. a. eine alternde Bevölkerung, ein Rückgang der Zahl junger Menschen, eine niedrige Geburtenrate, ein Rückgang der Erwerbsbevölkerung und die Abwanderung hoch qualifizierter Arbeitskräfte. Aus diesem Grund hängt das Bevölkerungswachstum in hohem Maße von der Migration ab, wobei in den einzelnen Regionen der EU diesbezüglich jedoch große Unterschiede bestehen. Diese Ungleichgewichte haben sowohl in den Gebieten — meist Übergangsregionen — mit Bevölkerungsrückgang und -alterung, die häufig eine Verlagerung hin zu nicht handelbaren lokalen Dienstleistungen sowie eine dadurch bedingte Verringerung ihres Ausfuhr-, Wachstums- und Innovationspotenzials verzeichnen, als auch in den großen städtischen Zuwanderungsgebieten signifikante sozioökonomische Folgen; weist darauf hin, dass die Kohäsionspolitik einen stärkeren Beitrag zur Bewältigung sozialer Probleme wie Bevölkerungsalterung, Krankheiten aufgrund von Lebensführung und Arbeitslosigkeit, insbesondere bei jungen Menschen und solchen, die weder einen Arbeitsplatz haben noch eine schulische oder berufliche Ausbildung absolvieren (NEET), sowie Integration von Migranten und Flüchtlingen, Armut und soziale Ausgrenzung leisten sollte;

22.

betont, dass es in ganz Europa in Zukunft wahrscheinlich häufiger zu extremen Wetterereignissen kommen wird und deren Intensität noch zunehmen könnte. Bei den Auswirkungen des Klimawandels bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen, aber das erhöhte Katastrophenrisiko lässt vor allem in dicht besiedelten Gebieten die potenziellen Verluste nach oben schießen;

23.

betont die Bedeutung der grenzübergreifenden, transnationalen und interregionalen Kooperation für die Stärkung des territorialen Zusammenhalts, die Förderung der Solidarität zwischen den EU-Regionen und die Erzielung eines umfangreichen Mehrwerts für die Ziele der EU;

24.

betont, dass sich die Regionen und Städte nie dagewesenen Herausforderungen gegenübersehen, die vom globalen Wettbewerb über den digitalen Wandel, das Aufkommen bahnbrechender Technologien, den demografischen Wandel und die Migration sowie das Risiko von Armut und sozialer Ausgrenzung bis hin zu Energiesicherheit, Klimawandel und dem Verlust der Artenvielfalt reichen. All diese Herausforderungen wirken sich massiv auf der territorialen Ebene aus, wobei sich die Vorteile und die Kosten ungleich auf die einzelnen Regionen und Kommunen in Europa verteilen. Dies wird durch den 7. Kohäsionsbericht bestätigt, aus dem hervorgeht, dass sogenannte „Regionenklubs“ nach wirtschaftlicher Entwicklung im Entstehen begriffen sind. Die Gefahr, dass sich diese Probleme wechselseitig verstärken und dass sie negative Folgen für die wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Gegebenheiten in Europa haben, ist ausgesprochen groß und kann erheblich zu einer Vertiefung der bestehenden Ungleichheiten beitragen, wodurch das im Vertrag verankerte Ziel, den Zusammenhalt in der EU zu stärken, vollständig infrage gestellt würde;

25.

betont in diesem Zusammenhang, dass im Rahmen der Kohäsionspolitik auch weiterhin in alle Regionen der EU investiert werden muss, da die Anpassung an die vorgenannten Schocks langfristige, ortsbezogene und auf das jeweilige Gebiet zugeschnittene Strategien erfordert, mit denen die wirtschaftliche, die soziale und die territoriale Dimension miteinander verknüpft und durch die die Synergien zwischen den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds sowie mit anderen EU-Instrumenten genutzt werden können; spricht sich daher erneut vehement dagegen aus, die soziale Dimension und den Europäischen Sozialfonds getrennt von der Kohäsionspolitik zu betrachten, da dies negative Folgen haben kann; bekräftigt gleichzeitig seinen Standpunkt, dass der ESF eine gewichtigere Rolle bei der Förderung des sozialen Zusammenhalts in den Städten und Regionen spielen sollte und dass die Rolle der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften bei der Planung und Verwaltung des ESF gestärkt werden muss;

26.

weist darauf hin, dass es mit Blick auf Artikel 174 AEUV von entscheidender Bedeutung ist, die territorialen Auswirkungen öffentlicher Interventionen zu berücksichtigen, und betont daher erneut die Bedeutung, die den territorialen Folgenabschätzungen bei der Ausarbeitung aller öffentlichen Strategien der EU zur Maximierung ihrer Effizienz zukommt;

Rolle der Kohäsionspolitik

27.

hebt hervor, dass die Kohäsionspolitik im Mittelpunkt der Debatte darüber stehen sollte, wie das Potenzial aller Gebiete der EU genutzt werden kann, um das Wirtschaftswachstum zu stärken, und wie gewährleistet werden kann, dass die Vorteile der europäischen Integration im Sinne der Inklusion allen Unionsbürgerinnen und -bürgern zugutekommen und die Chancen, die der globale Wandel mit sich bringt, in der gesamten EU genutzt werden können; bekräftigt daher seine Unterstützung einer starken und verbesserten Kohäsionspolitik für alle Regionen im Zeitraum nach 2020 und betont, dass die Kohäsionspolitik, wie er es in seiner Stellungnahme „Die Zukunft der Kohäsionspolitik nach 2020“ (2) dargelegt hat, auch künftig eine wichtige Rolle in der EU spielen sollte;

28.

erinnert daran, dass die Kohäsionspolitik, gestützt durch regionale Maßnahmen der Mitgliedstaaten, für gleiche Wettbewerbsbedingungen sorgen soll, damit sämtliche Vorteile des Binnenmarkts, der neben der territorialen Widerstandskraft einer der Schlüsselfaktoren für die Wettbewerbsfähigkeit der EU auf dem Weltmarkt ist, allen in der EU zugutekommen; betont gleichzeitig, dass der Binnenmarkt zwar erfolgreich zur Stärkung des Zusammenhalts in Europa beigetragen hat, die Vorteile jedoch ungleich verteilt sind und nicht automatisch auch benachteiligten Regionen (einschließlich der Gebiete, die aufgrund ihrer geografischen Lage spezifischen Herausforderungen gegenüberstehen) und Gesellschaftsgruppen zugutekommen. Es besteht daher nach wie vor die Gefahr einer zunehmenden wirtschaftlichen und sozialen Abkoppelung zwischen den EU-Wachstumsmotoren und den anderen Regionen;

29.

betont in diesem Zusammenhang, dass der Kohäsionspolitik nach wie vor eine extrem wichtige Aufgabe zukommt, da sie dafür sorgt, dass die Vorteile der europäischen Integration allen Unionsbürgerinnen und -bürgern und insbesondere auch jenen aus weniger entwickelten Regionen zugutekommen. Die kohäsionspolitischen Instrumente erlauben es Regionen mit Entwicklungsrückständen, das ihnen innewohnende Potenzial freizusetzen und zu nutzen, und die stärkeren Regionen sind damit besser für die Bewältigung der globalen Herausforderungen gerüstet. In diesem Sinne ist die Kohäsionspolitik, die Chancengleichheit und eine höhere Lebensqualität für die Menschen in allen Regionen der EU bietet, das greifbarste Zeichen europäischer Solidarität; betont daher, dass die künftige Kohäsionspolitik nicht als Geschenk gesehen werden darf, sondern als unverzichtbare Säule des Binnenmarkts, die Länder und Regionen mit unterschiedlichem Entwicklungstand untereinander verbindet;

30.

hebt hervor, dass die Kohäsionspolitik der wichtigste europäische Politikbereich zur Bekämpfung territorialer Ungleichgewichte und zur Verringerung der Entwicklungsunterschiede ist, die sich aus den unterschiedlichen Herausforderungen ergeben. Mit einem komplexen, sektorübergreifenden Ansatz zur Unterstützung von Innovation, KMU, einer kohlenstoffarmen Wirtschaft, der Verkehrsinfrastruktur, der Wiederbelebung der Städte, des industriellen Wandels, der Diversifizierung in den ländlichen Gebieten, aber auch von Bildung und Qualifikationen, Beschäftigung, Kultur, sozialer Infrastruktur und sozialer Inklusion sowie vieler anderer Bereiche mehr hat sie einen wesentlichen Beitrag zum positiven wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Wandel in der EU geleistet; bekräftigt in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit, für stärkere Synergien und eine bessere Abstimmung zwischen der Kohäsionspolitik und den sektorspezifischen Maßnahmen und Programmen der EU zu sorgen;

31.

hebt hervor, dass es angesichts der zahlreichen Herausforderungen und ihren schwerwiegenden territorialen Implikationen mehr denn je einer starken und wirksamen Kohäsionspolitik für alle EU-Regionen bedarf, um eine starke und wirksame Europäische Union zu gewährleisten; bekräftigt, dass die Kohäsionspolitik in der Lage ist, eine flexible und auf die Gegebenheiten vor Ort zugeschnittene Antwort auf aktuelle und zukünftige Herausforderungen zu geben, was insbesondere für akute Krisensituationen im Zusammenhang mit der Globalisierung gilt; betont gleichzeitig, dass das übergeordnete Ziel eines in ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht robusten Europas und eines stärkeren territorialen Zusammenhalts nur dann erreicht werden kann, wenn sowohl die städtischen als auch die ländlichen Gebiete als sich wechselseitig ergänzende funktionale Räume durch eine gezielte Unterstützung in angemessener Höhe gestärkt werden;

32.

weist darauf hin, dass die kohäsionspolitischen Instrumente in Zukunft verbessert werden sollten, um einfacher und umfassender auf neue Herausforderungen reagieren zu können. Übermäßige Komplexität ist dabei zu vermeiden, da es kaum möglich ist, gleichzeitig für wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhang zu sorgen und Konjunkturzyklen abzufedern, die Haushaltsdisziplin sicherzustellen und der politischen Erosion entgegenzuwirken; bekräftigt in diesem Zusammenhang seine Unterstützung für einen differenzierten Ansatz, um das Verwaltungs- und Kontrollsystem im Rahmen der Kohäsionspolitik zu vereinfachen und zu stärken;

33.

weist auf die Notwendigkeit hin, die Bedeutung der europäischen territorialen Zusammenarbeit für den Abbau der Hindernisse für die grenzübergreifende Zusammenarbeit und deren Förderung zu stärken, um konkrete Ergebnisse für die Bürger zu erzielen; fordert in diesem Zusammenhang, dass die künftigen Programme für die europäische territoriale Zusammenarbeit (ETZ) flexibel genug gestaltet werden, um den spezifischen Bedürfnissen der verschiedenen Grenzregionen Rechnung zu tragen, was auch die Möglichkeit für People-to-People-Projekte und kleinere Projekte mit einschließt. Der AdR hält es ferner für erforderlich, das Kriterium der Höchstentfernung von 150 km für die Zusammenarbeit in maritimen Angelegenheiten abzuschaffen und einen verhältnismäßigeren Ansatz bezüglich der im Rahmen der ETZ-Programme (3) geltenden Anforderungen für staatliche Beihilfen, Prüfung und Kontrolle zu wählen. Der AdR weist zudem darauf hin, dass es immer wichtiger wird, umfassender auf makroregionale Strategien zurückzugreifen, die durch die Kohäsionspolitik und andere politische Maßnahmen der EU unterstützt werden sollten;

34.

ruft das Europäische Parlament und die Kommission auf, eine Methode zur Berechnung der Kosten einer fehlenden Kohäsionspolitik zu entwickeln, um zusätzliche quantifizierbare Belege für den europäischen Mehrwert der Kohäsionspolitik zu liefern;

Wertefundament der Kohäsionspolitik

35.

betont, dass die Umsetzung der Kohäsionspolitik viele positive Ausstrahlungseffekte hat und in vielen Regionen zu einer besseren Regierungsführung und besseren Institutionen beiträgt. Sie ist nicht nur eine der wichtigsten Voraussetzungen für Wirtschaftswachstum, sondern auch eine solide Grundlage für umfassendes gesellschaftliches Wohlergehen, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger und die politische Legitimität der EU; weist darauf hin, dass die Kohäsionspolitik auch in Zukunft dafür sorgen muss, dass sich in den Regionen eine neue Verwaltungskultur durchsetzt, indem sie einerseits die Multi-Level-Governance, das Partnerschaftsprinzip, die mittelfristige regionale Wirtschaftsplanung, die mehrjährige Programmplanung und -finanzierung sowie integrierte ortsbezogene Ansätze und Instrumente stärkt und, andererseits, eine transparente und faktengestützte Entscheidungsfindung, Ex-ante-Konditionalitäten, Ergebnisorientierung, thematische Konzentration, anreizbasierte Systeme, zeitgemäße Managementverfahren sowie Kommunikationsmaßnahmen unterstützt, die den Bürgerinnen und Bürgern die unmittelbaren Auswirkungen der kohäsionspolitischen Maßnahmen vor Augen führen;

36.

betont, dass die Kohäsionspolitik die wirksamste EU-Maßnahme zur Überwindung der „Silopolitik“ ist. Sie hat das Potenzial, den strukturellen Wandel in der EU maßgeblich voranzubringen, indem sie durch integrierte, ortsbezogene und intelligente Spezialisierungsstrategien, die auf der Grundlage von den komparativen Vorteilen, Entwicklungschancen und Herausforderungen eines bestimmten Gebiets und entsprechend den Vorstellungen der örtlichen Bevölkerung, Unternehmen und Verwaltungsbehörden maßgeschneiderte Lösungen liefern, Querverbindungen zwischen den einzelnen sektorspezifischen Maßnahmen schafft;

37.

weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Kohäsionspolitik viel wirksamer sein könnte, wenn die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung jener Strukturreformen und Ex-ante-Konditionalitäten, die ein besseres Umfeld für die Umsetzung der Kohäsionspolitik einschließlich einer Stärkung der institutionellen Kapazitäten gewährleisten, mit Entschlossenheit vorgingen; weist außerdem darauf hin, dass es im Hinblick auf eine — auch in finanzieller Hinsicht — engere Verknüpfung zwischen Strukturreformen und Kohäsionspolitik notwendig wäre, durch einen Verhaltenskodex für das Europäische Semester für eine aktivere Einbindung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu sorgen und so die Effizienz und Eigenverantwortung im Zuge dieses Prozesses zu erhöhen. Auch ist es unverzichtbar, dass alle Strukturreformen zuvor auf ihren europäischen Mehrwert hin untersucht werden und bestätigt wird, dass sie unmittelbar auf die vertraglich verankerten Ziele der Union ausgerichtet sind (4);

38.

weist darauf hin, dass die Kohäsionspolitik gezeigt hat, dass die Stärkung der regionalen und lokalen Akteure von entscheidender Bedeutung für die Umsetzung des Strukturwandels ist. Außerdem zeigen Forschungsergebnisse, dass das Potenzial, die landesweite Produktivität durch eine Verbesserung der Leistung der Regionen zu stärken, noch nicht vollständig ausgeschöpft wird; hebt daher hervor, dass die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften im Rahmen einer umfassenden Förderung komplexer und robuster Entwicklungsstrategien stärker in eine intelligente und starke Kohäsionspolitik eingebunden werden müssen. Auf diese Weise kann die EU dafür sorgen, dass die europäische Integration für die Bürgerinnen und Bürger greifbarer wird und so ihre Legitimation auf der lokalen und regionalen Ebene sicherstellen;

Die Kosten und Risiken einer fehlenden Kohäsionspolitik für die Europäische Union: Vorwarnung

39.

betont, dass es dringend notwendig ist, als Nachfolger für die Strategie Europa 2020 einen politischen Rahmen festzulegen, um die thematische Konzentration und die territoriale Reaktionsbereitschaft der Kohäsionspolitik nach 2020 aufrechtzuerhalten;

40.

weist darauf hin, dass eine Herabstufung oder finanzielle Fragmentierung der Kohäsionspolitik, beispielsweise durch deren Beschränkung auf bestimmte Kategorien von Regionen oder durch die Abtrennung des Europäischen Sozialfonds von der Kohäsionspolitik, erhebliche politische Risiken birgt und die Fähigkeit der EU infrage stellen würde, die im Vertrag verankerten Ziele einer Stärkung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts zu verwirklichen, weil dann in vielen Regionen die dafür erforderliche starke Unterstützung fehlen würde, was mit schwindenden Investitionen für grundlegende europäische Ziele einherginge;

41.

hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass eine fehlende Kohäsionspolitik in der Europäischen Union im schlimmsten Fall führen könnte zu:

a)

einer Vertiefung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten zwischen den Regionen und zu vermehrten Spannungen zwischen den Mitgliedstaaten;

b)

einem Zerfall des Binnenmarktes und einer ineffektiveren wirtschaftspolitischen Steuerung der EU;

c)

einer Nichtumsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte;

d)

erheblichen Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit der Migration;

e)

einem Vertrauensverlust in die politischen Institutionen der EU und in die Demokratie selbst, was sich wiederum in einem Erstarken populistischer und nationalistischer Strömungen niederschlagen würde und somit zu politischer Instabilität bis hin zum Zerfall der EU führen könnte;

42.

vertritt daher die Auffassung, dass die Überwindung der nach wie vor bestehenden wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Kluft in der EU die wichtigste langfristige Herausforderung für die Europäische Union als Ganzes darstellt;

43.

bekräftigt in diesem Zusammenhang, dass die Kohäsionspolitik auf europäischer Ebene nicht Ex-post-Konditionalitäten unterworfen werden darf, auf die die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften keinen Einfluss haben und die dazu führen können, dass die Gebietskörperschaften für eine von nationalen Regierungen verfolgte Politik herhalten sollen.

Brüssel, den 22. März 2018

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Karl-Heinz LAMBERTZ


(1)  www.cohesionalliance.eu.

(2)  ABl. C 306 vom 15.9.2017, S. 8.

(3)  AdR-Workshop zum Thema „Vereinfachung der europäischen territorialen Zusammenarbeit“ (https://cor.europa.eu/Documents/Migrated/Events/ETC-WORKSHOP-FINAL-REPORT.pdf).

(4)  Entschließung des AdR zum Thema „Änderung der Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen für die ESI-Fonds zur Unterstützung von Strukturreformen“ (COR-2017-06173-00-00-RES).


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