EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 16.11.2017
COM(2017) 665 final
BERICHT DER KOMMISSION
BERICHT ÜBER DIE ANWENDUNG DER RICHTLINIE 96/82/EG ZUR BEHERRSCHUNG DER GEFAHREN BEI SCHWEREN UNFÄLLEN MIT GEFÄHRLICHEN STOFFEN IN DEN MITGLIEDSTAATEN FÜR DEN ZEITRAUM 2012-2014
Bericht der Kommission
Bericht über die Anwendung der Richtlinie 96/82/EG zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen in den Mitgliedstaaten für den Zeitraum 2012-2014
Inhalt
1.
1.
Einleitung
2.
2.
Zusammenfassung der Berichte der Mitgliedstaaten
2.1.
2.1.
Zahl der Betriebe
2.2.
2.2.
Maßnahmen zur Risikovorsorge
2.2.1.
2.2.1.
Erstellung externer Notfallpläne (ENP)
2.2.2.
2.2.2.
Erprobung und Überprüfung der externen Notfallpläne
2.2.3.
2.2.3.
Unterrichtung der Öffentlichkeit
2.3.
2.3.
Inspektionen
3.
3.
eMARS-Statistiken über schwere Unfälle
4.
4.
Schlussfolgerungen und weiteres Vorgehen
1.Einleitung
Von schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen geht eine massive Bedrohung für Mensch und Umwelt aus. Zudem verursachen Unfälle dieser Art wirtschaftliche Verluste von erheblichem Umfang und stellen ein Hindernis für ein nachhaltiges Wachstum dar. In manchen Industriezweigen, die für eine moderne Industriegesellschaft von vitaler Bedeutung sind, lässt sich der Einsatz von Gefahrstoffen in großer Menge indes nicht vermeiden. Zur Minimierung der damit einhergehenden Gefahren sind zur Verhütung schwerer Unfälle Vorkehrungen zu treffen, die eine geeignete Vorsorge und angemessene Reaktion für den Fall sicherstellen, dass sich ein solcher Unfall trotz allem einmal ereignen sollte.
Die Richtlinie 96/82/EG des Rates zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen („Seveso-II-Richtlinie“) schafft den Rahmen für das Treffen geeigneter Maßnahmen zur Risikovorsorge im Hinblick auf die Verhütung schwerer Unfälle und die Eingrenzung von deren eventuellen Folgen. An die Stelle der Seveso-II-Richtlinie ist inzwischen die Richtlinie 2012/18/EU („Seveso-III-Richtlinie“) getreten, deren Umsetzung durch die Mitgliedstaaten bis zum 31. Mai 2015 anstand.
Nach Artikel 19 Absatz 4 der Seveso-II-Richtlinie sind die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, der Kommission alle drei Jahre einen Bericht über die Umsetzung dieser Richtlinie vorzulegen. Die Kommission veröffentlicht alle drei Jahre eine Zusammenfassung dieser Angaben. Der vorliegende Bericht enthält in erster Linie eine solche Zusammenfassung für den Zeitraum 20122014. Die Ersetzung der SevesoII- durch die Seveso-III-Richtlinie bietet zudem Gelegenheit zur Beurteilung nicht allein des jüngsten Berichterstattungszeitraums, sondern darüber hinaus auch der Fortschritte, die über die Geltungsdauer der Seveso-II-Richtlinie insgesamt erzielt worden sind.
In Kapitel 2 des vorliegenden Berichts sind die Angaben der Mitgliedstaaten in einem Fragebogen, in dessen Mittelpunkt zu einem früheren Zeitpunkt erkannte Problemfelder standen, zusammengefasst. Das mit dieser Zusammenfassung verfolgte Ziel besteht darin, ein Bild vom Grad der Umsetzung zu gewinnen und mögliche Mängel zu ermitteln, die es zu beheben gilt. Kapitel 3 ergänzt dies mit Daten zu Unfällen, die sich aus einer Analyse der Datenbank eMARS ergeben; diese Datenbank wird vom Büro für die Gefahren schwerer Unfälle (Major Accident Hazard Bureau, MAHB) der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission auf Grundlage der von den Mitgliedstaaten übermittelten Informationen geführt. Schlussfolgerungen und ein Ausblick in die Zukunft folgen in Kapitel 4.
Wie bei vorangegangenen Bewertungen beauftragte die Kommission mit der Analyse der von den Mitgliedstaaten vorgelegten Berichte sowie weiterer maßgeblicher Daten einen externen Dienstleister. Die vom beauftragten Unternehmen verfertigte Studie ist über den EU Bookshop erhältlich; sie enthält eine detaillierte Analyse der gemachten Angaben – darunter auch Analysen zu den einzelnen Mitgliedstaaten – sowie weitere verfügbare Informationen.
Die vollständigen Beiträge der 28 Mitgliedstaaten und der freiwillige Beitrag Norwegens sowie der Fragebogen und die früheren Berichte zu den Zeiträumen 20002002, 20032005, 20062008 und 20092011 sind online auf CIRCABC zu finden.
2.Zusammenfassung der Berichte der Mitgliedstaaten
Alle 28 EU-Mitgliedstaaten haben der Europäischen Kommission ihre Dreijahresberichte übermittelt.
2.1.Zahl der Betriebe
Den Angaben der Mitgliedstaaten zufolge fallen insgesamt 11 297 Betriebe unter die Seveso-II-Richtlinie. Dies stellt einen deutlichen Anstieg um 983 Betriebe gegenüber 2011 (10 314), dar, bei denen es sich in der Mehrzahl um Betriebe der unteren Klasse (nachfolgend „BUK“) (756) und bei den übrigen um Betriebe der oberen Klasse (nachfolgend „BOK“) (227) handelt. Während einen solchen Anstieg nahezu alle Mitgliedstaaten vermeldeten, entfiel ein erheblicher Anteil dieses Zuwachses auf Deutschland (+859 Betriebe). Anhand der zur Verfügung stehenden Daten lässt sich keine Aussage über die Ursache dieses Anstiegs treffen (mögliche Gründe sind beispielsweise konjunktureller Aufschwung, bessere Umsetzung der Rechtsvorschriften oder strengere Einstufung von gefährlichen Stoffen).
Abbildung 1: Zahl der Seveso-Betriebe 2014
Wie aus
Abbildung 2
hervorgeht, lässt sich ein langsamer, jedoch stetiger Anstieg bei der Zahl der Betriebe beobachten, die von der Richtlinie erfasst werden. Dies ist im Zusammenhang mit drei in diesem Zeitraum (2004, 2007 und 2013) erfolgten Erweiterungsrunden zu sehen, die vermehrtes Wissen über Gefahrstoffe, Wirtschaftswachstum und Verbesserungen bei der Umsetzung mit sich gebracht haben. Daten zu BUK liegen erst seit dem Berichtzeitraum 20092011 vor.
Abbildung 2: Entwicklung der Zahl an gemeldeten Betrieben
Fast 40 % der Betriebe ließen sich vier der 48 Tätigkeitsfelder zuordnen, die zur Kategorisierung der Seveso-Betriebe dienten:
(1)Allgemeine Chemikalien (763 Betriebe = 12,3 %)
(2)Brennstofflagerung (650 Betriebe = 10,5 %)
(3)Groß- und Einzelhandel (553 Betriebe = 8,9 %);
(4)Produktion, Abfüllung und Großverteilung von Flüssiggas (465 Betriebe = 7,5 %)
2.2.Maßnahmen zur Risikovorsorge
Die Erstellung von Sicherheitsberichten (was die Durchführung einer Risikobewertung einschließt), von Notfallplänen für BOK sowie von Maßnahmen zur Information der Öffentlichkeit und von Inspektionen sind tragende Säulen der Vorbeugung vor schweren Unfällen und der Vorsorge für den Fall von deren Eintreten.
Frühere Bewertungen der Anwendung der Seveso-II-Richtlinie haben keine systematischen Versäumnisse der Beteiligten bei der Erstellung von Sicherheitsberichten und internen Notfallplänen aufgezeigt. Daher wurde dieses Thema im Fragebogen zum Berichtzeitraum 20112014 nicht länger berücksichtigt.
Die Seveso-II-Richtlinie erlegt den zuständigen Behörden eine Reihe von Verpflichtungen auf; zu den Wichtigsten zählen die Prüfung der Sicherheitsberichte und die Mitteilung ihrer Schlussfolgerungen an den Betreiber, die Erstellung externer Notfallpläne, die Gewährleistung, dass die Personen, die von einem schweren Unfall betroffen sein könnten, über die Sicherheitsmaßnahmen informiert werden, die Durchführung von Inspektionen, die Ermittlung von Gruppen von Betrieben, bei denen das Risiko eines „Domino-Effekts“ besteht, sowie die Berücksichtigung der Gefahren schwerer Unfälle bei der Flächennutzungsplanung.
2.2.1.Erstellung externer Notfallpläne (ENP)
ENP sind von den Behörden in Bezug auf BOK anzufertigen. Diese Pläne sind wichtig dafür, in rascher und koordinierter Weise auf schwere Unfälle reagieren zu können, und ihnen kommt eine Schlüsselrolle bei der Minimierung der Auswirkungen solcher Unfälle zu.
Die meisten Mitgliedstaaten haben im Verlaufe der jüngsten Berichtzeiträume bei der Sorge für die Ausarbeitung von ENP gute Fortschritte erzielt, im Durchschnitt jedoch haben sich gegenüber dem vorangegangenen Berichtzeitraum keine weiteren Fortschritte verzeichnen lassen. Zum Ende des Berichtzeitraums waren 407 BOK nicht durch einen ENP abgesichert; dies entspricht 8 % aller BOK auf EU-Ebene (2010: 7 %).
Abbildung 3: BOK mit externem Notfallplan
Es mag gute Gründe für das Nichtvorliegen eines ENP geben, etwa im Falle von Unternehmensneugründungen oder unmittelbar vor dem Ende des Berichtzeitraums eingetretenen größeren Änderungen. Allerdings meldeten mehrere Mitgliedstaaten einen außergewöhnlich hohen (d. h. über dem Durchschnitt von 8 % liegenden) Anteil an Betrieben ohne ENP.
Dort, wo ENP in nur geringer Zahl vorlagen, waren die Gründe hierfür höchst unterschiedlich. Ein Mitgliedstaat gab an, dass sechs seiner Regionalbehörden keine ENP erlassen hätten. Allerdings lagen keine Hinweise dazu vor, wie viele seiner 25 Betriebe hiervon betroffen waren, von daher ließ sich keine Quantifizierung vornehmen. Ein anderer Mitgliedstaat wiederum gab an, dass ein zentraler, nicht standortspezifischer ENP für das ganze Land entwickelt worden sei; aus den zur Verfügung gestellten Informationen ging jedoch nicht hervor, wie dies geprüft worden war. Bei der nachfassenden Befragung durch die Kommission gab dieser Mitgliedstaat an, dass sich die Situation in der Zwischenzeit geändert habe und nach 2014 individuelle ENP ausgearbeitet und geprüft worden seien.
2.2.2.Erprobung und Überprüfung der externen Notfallpläne
ENP müssen in Abständen von nicht mehr als drei Jahren überprüft und erprobt werden. Ein veralteter oder auch ungeprüfter ENP könnte sich bei einem Notfall als verhängnisvoll erweisen.
Insgesamt haben die meisten Mitgliedstaaten in den zurückliegenden Berichtzeiträumen Fortschritte dabei erzielt, dafür Sorge zu tragen, dass ENP einer Prüfung unterzogen werden; doch obwohl sich im Durchschnitt riesige Fluktuationen beobachten lassen, wurde gegenüber dem vorangegangenen Berichtzeitraum kein nennenswerter Fortschritt erzielt. Im Berichtzeitraum 20062008 wurden 60 % der Pläne von Betrieben der oberen Klasse durchgegangen und geprüft. Im Zeitraum 20092011 wuchs dieser Anteil auf 73 % und erreichte Ende 2014 einen Wert von 75 %. Dies scheint darauf hinzudeuten, dass die Mitgliedstaaten bei der Prüfung von ENP ein wachsendes Maß an Effizienz an den Tag legen; bis zur Erreichung des Zielwerts von 100 % ist es gleichwohl noch ein langer Weg.
Abbildung 4: Im Zeitraum 20122014 geprüfte ENP
Mehrere Mitgliedstaaten meldeten einen außergewöhnlich hohen Anteil an ENP als nicht geprüft, während es anderen Mitgliedstaaten gelang, die meisten ENP einer Prüfung zu unterziehen oder zumindest den Anteil der geprüften ENP deutlich zu erhöhen; mehrere Mitgliedstaaten haben diesbezüglich nur geringe Fortschritte gemacht.
Die angegebenen Gründe für das Ausbleiben einer Prüfung mögen stichhaltig sein, wichen jedoch erheblich voneinander ab. Ein Mitgliedstaat meldete, dass die ENP nicht geprüft hätten werden können, weil die meisten der Notdienste mit Freiwilligen besetzt seien, was die Organisation der Durchführung von Prüfungen erschwerte. Ein anderer Mitgliedstaat wiederum gab an, dass ein zentraler, nicht standortspezifischer ENP für das ganze Land existiere; aus den zur Verfügung gestellten Informationen ging jedoch nicht hervor, wie dies geprüft worden war. Mehrere Mitgliedstaaten lieferten keine weitergehende Begründung; andere wiederum gaben an, dass die Lage untersucht würde. Schließlich noch teilte eine Reihe von Mitgliedstaaten mit, dass die betreffenden Betriebe Neugründungen darstellten oder erst in jüngster Zeit ihren Status geändert hätten, weshalb eine Prüfung im Berichtzeitraum nicht durchführbar gewesen sei.
2.2.3.Unterrichtung der Öffentlichkeit
Informationen über die Sicherheitsmaßnahmen und das richtige Verhalten im Fall eines Unfalls müssen den Personen, die von einem schweren Unfall betroffen werden könnten, regelmäßig ohne Aufforderung mitgeteilt werden. Die Richtlinie lässt offen, wer hierfür zuständig ist und auf welchem Wege dies geschehen soll. Der Zeitraum, der bis zur Erneuerung der Unterrichtung der Öffentlichkeit verstreichen darf, beträgt maximal fünf Jahre, d. h. er übersteigt den Berichterstattungszeitraum um zwei Jahre. Daher lässt sich aus dem Ausbleiben einer solchen Angabe im Berichtzeitraum nicht zwangsläufig der Schluss ziehen, dass die Anforderungen nicht erfüllt wurden.
Abbildung 5: Im Zeitraum 20122014 zu BOK bereitgestellte Informationen,
Im Durchschnitt hatten 81 % der BOK Informationen zur Verfügung gestellt, und zehn Mitgliedstaaten berichteten, dass die Angaben im Berichtzeitraum zu sämtlichen BOK bereitgestellt worden seien. Dies stellt gegenüber den im vorangegangenen Berichtzeitraum verzeichneten 87 % zwar einen Rückgang dar, wie jedoch vorstehend dargelegt lässt sich hieraus nicht schließen, dass die Vorgabe nicht befolgt worden wäre.
Die meisten Mitgliedstaaten meldeten, dass diese Angaben in Form von Merkblättern und darüber hinaus weiteren Kommunikationsmedien (z. B. Websites, öffentliche Veranstaltungen) zur Verfügung gestellt worden seien. Fünf Mitgliedstaaten teilten mit, dass die Informationen nur online bereitgestellt würden, wodurch möglicherweise nicht alle Personen erreicht werden, die hiervon betroffen sein könnten. Während manche dieser Mitgliedstaaten diese Angaben auf Anfrage auch den zuständigen Behörden oder auf dem Gelände des Betreibers zur Verfügung stellten, geschah dies nicht unbedingt in proaktiver Weise. Angemerkt werden sollte auch, dass eine wachsende Zahl an Mitgliedstaaten bei einem Unfall auf mobile Lösungen wie Warnhinweis-Apps, per SMS versandte Mitteilungen oder Social Media zurückgreift, um die Allgemeinheit im betroffenen Gebiet zu warnen und auf das unter Sicherheitsgesichtspunkten gebotene Verhalten hinzuweisen.
Für die Nichtbereitstellung von Informationen wurden höchst unterschiedliche Gründe angeführt, etwa: Mangel an verfügbaren Informationen; Informationen seien bereits vor dem aktuellen Berichtzeitraum zur Verfügung gestellt worden und seither habe es kein Erfordernis zu einer Aktualisierung gegeben; manche Betriebe seien neu gegründet worden oder erst zum Ende des Berichtzeitraums in die obere Klasse aufgestiegen, und die Angaben befänden sich derzeit noch in Ausarbeitung. Einige Mitgliedstaaten teilten mit, dass in ihren Grenzen Betriebe tätig seien, von denen keine Gefahren für die Umgebung ausgingen. Mehrere Mitgliedstaaten gaben an, dass sie sich erst durch die Berichterstattung der Lage bewusst geworden seien und diese nun weiter untersucht werde.
2.3.Inspektionen
Die Seveso-II-Richtlinie verpflichtet Mitgliedstaaten zur Einrichtung eines Inspektionssystems und eines Programms, das die Inspektion sämtlicher Betriebe zum Gegenstand hat. BOK sind danach alle zwölf Monate zu inspizieren, sofern dort nicht ein System zur systematischen Beurteilung implementiert ist. Zehn Mitgliedstaaten meldeten, dass dort ein solches System zur Anwendung gelange.
In
Abbildung 6
ist die Situation in den Mitgliedstaaten ohne systematische Beurteilung dargestellt, d. h. wo BOK einer jährlichen Inspektion unterzogen werden müssen. Während 12 von 18 betroffenen Mitgliedstaaten die Zielvorgabe erreichen oder annähernd erreichen, wurden in einzelnen Mitgliedstaaten erhebliche Mängel verzeichnet. Diese lassen sich erklären aus: haushaltstechnischen oder organisatorischen Zwängen, Fehlen maßgeblicher Informationen von Seiten der regional zuständigen Behörden, Anwendung eines Mischsystems, dem zufolge die Betriebe eigentlich jährlichen Inspektionen unterliegen (daher der Einschluss in
Abbildung 6
), die Behörden jedoch die Frequenz auf 18 Monate gestreckt haben.
Abbildung 6: Jährliche Inspektion von BOK im Zeitraum 2012-2014 in Mitgliedstaaten ohne systematische Beurteilung15
Wie aus
Abbildung 7
hervorgeht, wurden im Berichtzeitraum insgesamt 86 % der BOK mindestens einmal inspiziert. Während
Abbildung 6: Jährliche Inspektion von BOK im Zeitraum 2012-2014 in Mitgliedstaaten ohne systematische Beurteilung
15
Abbildung 6
darauf hindeutet, dass manche Mitgliedstaaten offenbar Schwierigkeiten dabei haben, ihr Jahresziel zu erreichen, vermittelt
Abbildung 7
– in der auch solche Mitgliedstaaten berücksichtigt sind, die ein System zur systematischen Beurteilung praktizieren – den Eindruck, dass BOK in den meisten Mitgliedstaaten wenigstens in regelmäßigen Intervallen einer Inspektion unterzogen werden. Daneben stellt dies gegenüber dem vorangegangenen Berichtzeiträumen (20062008: 66 %, 20092011: 65 %) eine Verbesserung dar.
Abbildung 7: Zahl an BOK, die im Zeitraum 20122014 mindestens einmal inspiziert wurden15
In Bezug auf die Inspektion von BUK enthält die Seveso-II-Richtlinie keine Häufigkeitsvorgabe. Alle Mitgliedstaaten gaben an, dass sie im Berichtzeitraum auch BUK inspiziert hätten. Allerdings fällt die Gesamt-Inspektionsquote mit 77 % niedriger aus als bei BOK. Die Mitgliedstaaten lieferten für diese niedrigen Inspektionsquoten keine Begründungen; es steht jedoch zu vermuten, dass diese denjenigen in Bezug auf BOK ähneln. Auf der Habenseite stellt dies eine deutliche Verbesserung gegenüber den 42 % im vorangegangenen Berichtzeitraum inspizierten Unternehmen dar.
Abbildung 8: Zahl an BUK, die im Zeitraum 20122014 mindestens einmal inspiziert wurden15
Während gegenüber früheren Berichtzeiträumen bemerkenswerte Fortschritte erzielt wurden und die Zahl an Inspektionen im Ansteigen begriffen ist (
Abbildung 9
), stellt sich die Inspektionslage in mehreren Mitgliedstaaten weiterhin teilweise unbefriedigend dar. Dessen ungeachtet besteht Grund zur Annahme, dass die festgestellte Quote der Erfüllung der in der Seveso-II-Richtlinie gestellten Anforderungen sich zu einem Teil dem von der Richtlinie auferlegten strengen Inspektionssystem verdankt.
Abbildung 9: Entwicklung der Zahl an durchgeführten Inspektionen
Zur weiteren Verbesserung der Situation wurden mit der Seveso-III-Richtlinie klarer formulierte Inspektionsanforderungen eingeführt, die unter anderem einen Zeitrahmen nun auch für BUK vorsehen (Inspektionsdurchführung mindestens alle drei Jahre), die Vorgaben in Bezug auf Inspektionspläne und systematische Beurteilungen klären und eine Verpflichtung zur Vornahme von nichtroutinemäßigen Inspektionen z. B. nach schwerwiegenden Beanstandungen oder Beinaheunfällen auferlegen.
3.eMARS-Statistiken über schwere Unfälle
Die Zahl schwerer Unfälle stellt einen der Schlüsselindikatoren bei der Beurteilung dar, inwieweit das mit der Seveso-II-Richtlinie verfolgte Ziel der Vermeidung schwerer Unfälle erreicht wird. Die Zahl als solche hat indes keine Aussagekraft, da sie im Zusammenhang mit weiteren Faktoren zu sehen ist, welche auf die Beurteilung Einfluss nehmen, etwa die wachsende Zahl an Betrieben oder auch die Folgen von Unfällen (für Gesundheit, Umwelt, Wirtschaft). Insbesondere zu Letzteren stehen nur wenige Daten zur Verfügung, wodurch die Möglichkeit zur Beurteilung der Lage begrenzt ist. Schließlich noch steht die vergleichsweise geringe Zahl an Unfällen ähnlicher Ursache und vergleichbaren Ausmaßes einem Ziehen zuverlässiger Rückschlüsse entgegen.
Abbildung 10: Zahl schwerer Unfälle im Zeitraum 20002014, bei denen mindestens eines der in Anhang VI genannten Kriterien erfüllt war
Zwischen 2000 und 2014 wurden der Datenbank eMARS insgesamt 490 Unfälle gemeldet. Darunter handelte es sich bei 421 um schwere Unfälle, bei denen mindestens eines der in Anhang VI der Seveso-II-Richtlinie genannten Kriterien erfüllt war. Dies bedeutet, dass sich im Schnitt 30 schwere Unfälle pro Jahr ereigneten. Rund 70 % davon entfielen auf BOK. Wie aus
Abbildung 10
hervorgeht, blieb die Gesamtzahl schwerer Unfälle trotz dem Anstieg der Zahl an von der Seveso-II-Richtlinie erfassten Betrieben vergleichsweise stabil. Ferner lässt sich
Abbildung 11
entnehmen, dass die Zahl an Todesfällen seit dem Jahr 2000 rückläufig ist, was darauf hindeuten könnte, dass die Tragweite der Unfälle im Rückgang begriffen ist. Besonders ermutigend dabei ist, dass seit 2004 keine Todesfälle außerhalb des Betriebsgeländes mehr zu beklagen gewesen sind.
Abbildung 11: Zahl der Todesfälle innerhalb und außerhalb des Betriebsgeländes im Zeitraum 20002014
Die Gründe für die Meldung schwerer Unfälle haben sich über die Jahre nicht wesentlich geändert. Unter den gefährlichen Vorkommnissen, die mit den gemeldeten Unfällen einhergehen, scheint die Freisetzung giftiger Stoffe am häufigsten aufzutreten. Dies hängt mit dem Umstand zusammen, dass an den meisten Unfällen giftige und/oder entzündliche Stoffe beteiligt sind. Bezieht man die Zahl an Betrieben in die Betrachtung mit ein, so lässt sich den erhobenen Daten entnehmen, dass der Industriezweig Petrochemische Raffinerien/Ölraffinerien für schwere Unfälle am anfälligsten ist.
Abbildung 12: Gründe für die Meldung schwerer Unfälle in eMARS, die sich im Zeitraum 20002014 ereignet haben
Die Datenbank eMARS enthält in begrenztem Umfang Angaben über sozioökonomische Folgen (z. B. Vermögensschäden, Umweltschäden, Verlust von Arbeitsplätzen, Imageverlust, langfristige Auswirkungen auf die Umgebung). Zu lediglich 124 der 490 gemeldeten Unfälle finden sich in gewissem Umfang Daten dieser Art. Zumeist beschränken sich diese auf die unmittelbare Auswirkung (z. B. Versicherungsschäden) und lassen weitergehende oder auch langfristige Folgen (z. B. Verlust von Arbeitsplätzen, Umweltschäden) unberücksichtigt. Substanziellere Angaben über sozioökonomische Folgen stehen in öffentlich zugänglicher Form lediglich zu einer geringen Anzahl an außerordentlich schweren Unfällen zur Verfügung. Das Amt für Gesundheit und Sicherheit des Vereinigten Königreichs hat eine Methodik zur Modellierung der wirtschaftlichen Folgen einzelner Auswirkungen eines schweren Unfalls entwickelt. Obwohl darin einzelne wichtige Auswirkungen (darunter auch Umweltschäden) unberücksichtigt bleiben, lassen sich die jährlichen Folgen bei einer Anwendung dieses Konzepts auf die Europäische Union auf eine Größenordnung von mehreren Milliarden Euro veranschlagen. Zwar wäre eine verbesserte Kenntnis der sozioökonomischen Folgen für ein tiefer greifendes Verständnis der Auswirkungen und Vorzüge des Gesetzgebungsrahmens von Nutzen, eine systematischere Erhebung solcher Angaben würde jedoch eine erhebliche Anstrengung erfordern.
4.Schlussfolgerungen und weiteres Vorgehen
Mit Blick auf den überaus hohen Industrialisierungsgrad der Mitgliedstaaten der Europäischen Union hat die Seveso-II-Richtlinie zur Erzielung einer geringen Häufigkeit schwerer Unfälle beigetragen. Sie gilt weithin als ein Maßstab für Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen in der Industrie und wurde bereits von zahlreichen Ländern auf der ganzen Welt zum Vorbild genommen.
Die vorstehende Analyse bestätigt, dass die Seveso-II-Richtlinie sich in der Praxis bewährt. Die praktische Umsetzung und die Durchsetzung der Seveso-II-Richtlinie wurden in den meisten Bereichen weiter verbessert, und insbesondere die Betreiber der Industrie kommen den Anforderungen in Bezug auf Sicherheitsberichte und interne Notfallpläne weitgehend nach. Allerdings bedarf es, wie sich bereits zum vorangegangenen Berichtzeitraum beobachten ließ, auf manchen Gebieten in einer kleinen Zahl von Mitgliedstaaten weiterer Anstrengungen. Dies betrifft insbesondere die Ausarbeitung und Prüfung externer Notfallpläne, die Bereitstellung von Informationen gegenüber der Öffentlichkeit sowie Inspektionen. Mag von diesen Defiziten auch ein erhöhtes Risiko ausgehen, gibt es keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass dies bereits zu einem vermehrten Auftreten schwerer Unfälle in diesen Mitgliedstaaten geführt hätte.
Trotz des Anstiegs der Zahl an von der Seveso-II-Richtlinie erfassten Betrieben ist die jährliche Anzahl an schweren Unfällen insgesamt mit rund 30 stabil geblieben, und es liegen Hinweise darauf vor, dass deren Auswirkungen rückläufig sind.
Die Feststellungen für den vorhergehenden Berichtszeitraum wurden von der Kommission bei der Überprüfung der Seveso-II-Richtlinie berücksichtigt, in deren Folge die Seveso-III-Richtlinie angenommen wurde. Mit der neuen Richtlinie wird das Recht der Öffentlichkeit auf angemessene Unterrichtung verbessert, wobei einige Bestimmungen auch auf Betriebe der unteren Klasse ausgedehnt werden. Die Richtlinie enthält ausführliche Bestimmungen, mit denen eine angemessene Konsultation der Öffentlichkeit zu einzelnen Projekten sichergestellt werden soll, und sie führt strengere Bestimmungen für Inspektionen ein. Die Einhaltung der Seveso-III-Richtlinie dürfte daher zu den in diesem Bericht aufgezeigten erforderlichen Verbesserungen beitragen.
Die Kommission wird die diesbezüglich erzielten Fortschritte genau verfolgen und die Mitgliedstaaten gegebenenfalls weiterhin durch verschiedene Förder- und Durchsetzungsmaßnahmen bei der Verbesserung ihres Leistungsniveaus unterstützen.
Ferner wird sich die Kommission weiterhin um eine Vereinfachung des Meldeverfahrens bemühen, um auf diesem Wege den Verwaltungsaufwand zu vermindern und zugleich die Relevanz und die Qualität der aus den Berichten abgeleiteten Daten zu verbessern. Hierzu werden die Kontrollsysteme einer Überprüfung auch im Hinblick auf die Entwicklung von Indikatoren unterzogen werden, die auf eine bessere Überwachung der Umsetzung und Bewertung der Leistung der Seveso-III-Richtlinie zielen.