Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52017DC0237

    MITTEILUNG DER KOMMISSION Hinweisendes Nuklearprogramm vorgelegt gemäß Artikel 40 Euratom-Vertrag - final (nach Stellungnahme des EWSA)

    COM/2017/0237 final

    Brüssel, den 12.5.2017

    COM(2017) 237 final

    MITTEILUNG DER KOMMISSION

    Hinweisendes Nuklearprogramm

    vorgelegt gemäß Artikel 40 Euratom-Vertrag - final
    (nach Stellungnahme des EWSA)

    {SWD(2017) 158 final}


    1.Einführung

    Diese Mitteilung über ein Hinweisendes Nuklearprogramm (PINC), die auf einer Verpflichtung nach Artikel 40 des Euratom-Vertrags beruht, gibt einen Überblick über die Investitionen in der EU im Zusammenhang mit allen Phasen des Lebenszyklus kerntechnischer Anlagen. Es handelt sich um die erste derartige Mitteilung der Kommission nach dem Unfall im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi im März 2011.

    Die Kernenergie ist in der Hälfte der EU-Mitgliedstaaten Teil des Energiemix. In den Ländern, die sie nutzen, spielt sie eine Rolle bei der Sicherung der Stromversorgung. Vor diesem Hintergrund wird in der Strategie der Energieunion 1 und der Strategie für eine sichere europäische Energieversorgung 2 hervorgehoben, dass die Mitgliedstaaten die höchsten Standards für die technische Sicherheit, die Sicherungsmaßnahmen, die Entsorgung von Abfällen und die Nichtverbreitung von Kernmaterial anwenden und ihre Versorgung mit Kernbrennstoffen diversifizieren müssen. Dies wird zur Verwirklichung der Ziele der Klima- und Energiepolitik bis 2030 beitragen.

    Die EU gehört derzeit zu den drei großen Volkswirtschaften 3 , die mehr als die Hälfte ihres Stroms mittels Energiequellen mit geringem CO2-Ausstoß erzeugen (etwa 58 % 4 ).

    Das PINC liefert die Grundlage für die Erörterung der Frage, wie die Kernenergie zu den Zielen der EU im Energiebereich beitragen kann. Die nukleare Sicherheit ist weiterhin oberste Priorität der Kommission. Daher behandelt das PINC auch ausdrücklich Investitionen zur Verbesserung der Sicherheit im Anschluss an den Unfall von Fukushima und Investitionen im Zusammenhang mit dem Langzeitbetrieb bestehender Kernkraftwerke. Außerdem wird es aufgrund der Tatsache, dass die Nuklearindustrie der EU in eine neue Phase eintritt, in der die Tätigkeiten am Ende des Lebenszyklus umfangreicher werden, zu einer fundierten Debatte über den damit zusammenhängenden Investitionsbedarf und die Abwicklung der Nuklearverbindlichkeiten beitragen.

    Ferner wird in dem Programm auf die Notwendigkeit von Investitionen in Forschungsreaktoren und den damit verbundenen Brennstoffkreislauf (auch in die Herstellung medizinischer Radioisotope) eingegangen.

    2.Kernenergie

    2.1.Jüngste Entwicklungen in der Nuklearpolitik

    In 14 Mitgliedstaaten sind 129 Kernreaktoren mit einer Gesamtkapazität von 120 GWe und einem Durchschnittsalter von nahezu 30 Jahren in Betrieb. Neubauten sind in 10 Mitgliedstaaten vorgesehen. In Finnland, Frankreich und der Slowakei sind vier Reaktoren bereits im Bau. Für weitere Projekte in Finnland, Ungarn und dem Vereinigten Königreich läuft das Genehmigungsverfahren, Projekte in anderen Mitgliedstaaten (Bulgarien, Litauen, Polen, Rumänien und Tschechische Republik) sind in Vorbereitung. Das Vereinigte Königreich hat kürzlich seine Absicht bekannt gegeben, bis 2025 sämtliche Kohlekraftwerke zu schließen und die fehlenden Kapazitäten vor allem durch neue Gas- und Kernkraftwerke zu ersetzen.

    Viele Länder in Europa und in anderen Teilen der Welt werden in den kommenden Jahrzehnten einen Teil ihres Stroms durch Kernenergie erzeugen. Die EU verfügt über den fortschrittlichsten rechtsverbindlichen und durchsetzbaren regionalen Rahmen für die nukleare Sicherheit weltweit, und trotz der unterschiedlichen Einstellungen der Mitgliedstaaten zur Kernkraft erkennen alle an, dass die höchstmöglichen Standards für die sichere und verantwortungsvolle Nutzung der Kernenergie und den Schutz der Bürger vor radioaktiver Strahlung gewährleistet werden müssen.

    Seit der Aktualisierung des letzten PINC im Jahr 2008 hat die EU im Nuklearbereich bedeutende Veränderungen zu verzeichnen: sie organisierte nach dem Unfall im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi umfassende Risiko- und Sicherheitsbewertungen (Stresstests) der Kernkraftwerke in der EU und verabschiedete grundlegende Rechtsvorschriften über die nukleare Sicherheit 5 , die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle 6 und den Strahlenschutz 7 .

    Bei den Stresstests wurde zwar festgestellt, dass die Sicherheitsstandards der Kernkraftwerke in der EU, der Schweiz und der Ukraine hoch sind, es wurden jedoch weitere Verbesserungen empfohlen. Die Betreiber kerntechnischer Anlagen setzen diese derzeit im Einklang mit ihren nationalen Aktionsplänen um. Die Kommission wird die Durchführung dieser Pläne weiterhin im Rahmen der Europäischen Gruppe der Regulierungsbehörden für nukleare Sicherheit überwachen.

    Mit der geänderten Richtlinie über nukleare Sicherheit5 erreichen die nuklearen Sicherheitsstandards ein noch höheres Niveau. Sie enthält ein ehrgeiziges EU-weites Ziel im Hinblick auf die Verringerung der Unfallgefahr und die Vermeidung umfangreicher Freisetzungen von Radioaktivität. Mit ihr wird ferner ein europäisches Peer-Review-System eingeführt, bei dem spezifische Sicherheitsaspekte im Sechsjahres-Rhythmus überprüft werden. Diese Anforderungen müssen stets berücksichtigt werden, wenn Investitionen in neue kerntechnische Anlagen getätigt werden und – soweit vernünftigerweise durchführbar – wenn bestehende Anlagen modernisiert werden.

    Anfang 2015 spielte Euratom eine zentrale Rolle bei der Annahme der „Wiener Erklärung“. Mit dieser Erklärung verpflichten sich die Vertragsparteien des Übereinkommens über nukleare Sicherheit der Internationalen Atomenergie-Organisation, Sicherheitsstandards zu erreichen, die denen der geänderten Richtlinie über nukleare Sicherheit vergleichbar sind. Mit dem Ausbau der Kernenergie weltweit und der wachsenden Zahl der Anbieter ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass überall hohe Sicherheitsstandards angewandt werden und dies nicht dadurch in Frage gestellt wird, dass kostengünstigere oder veraltete Technologien eingesetzt werden.

    Der EU-Rechtsrahmen verlangt mehr Transparenz und eine stärkere Beteiligung der Öffentlichkeit in nuklearen Fragen sowie eine bessere Zusammenarbeit aller Beteiligten. Alle genannten Richtlinien über nukleare Sicherheit, radioaktive Abfälle und Strahlenschutz enthalten Vorschriften für die Verfügbarkeit von Informationen und die Beteiligung der Öffentlichkeit. Die Kommission überprüft derzeit, inwieweit diese Anforderungen in Bezug auf die Richtlinien, die bereits umgesetzt wurden, eingehalten werden, und möchte empfehlenswerte Vorgehensweisen fördern. Entsprechend wird auch für die Richtlinien, die noch umgesetzt werden müssen, verfahren werden. Die Kommission will sicherstellen, dass die Öffentlichkeit Zugang zu zuverlässigen Informationen hat und sich gegebenenfalls an einer transparenten Entscheidungsfindung beteiligen kann.

    Die Zusammenarbeit zwischen den für die nukleare Sicherheit zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten ist inzwischen dank der Europäischen Gruppe der Regulierungsbehörden für nukleare Sicherheit (ENSREG) gut etabliert. Darüber hinaus wird die Kommission auch weiterhin den Dialog zwischen den Interessenträgern – einschließlich der Zivilgesellschaft – auch, aber nicht ausschließlich, im Rahmen des Europäischen Kernenergieforums fördern.

    Beim Dialog mit Interessenträgern (u. a. der Zivilgesellschaft) wurden in den letzten beiden Jahren Themen wie Notfallvorsorge und -maßnahmen, die Rolle der Kernenergie für die Energieunion und die Versorgungssicherheit, die EU als globaler Vorreiter im Bereich der nuklearen Sicherheit, die Schaffung eines Stilllegungsmarktes in Europa und die zentrale Beteiligung der Zivilgesellschaft behandelt. Zusammen mit dem demnächst zu erwartenden Bericht an den Rat und das Europäische Parlament zur Richtlinie über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle bilden diese Erörterungen eine solide Grundlage für eine verstärkte Transparenz und eine intensive Debatte. Darüber hinaus sind weitere Anstrengungen zur Verbesserung der Kommunikation und des Engagements notwendig, um die Anliegen der Zivilgesellschaft besser zu verstehen und die Öffentlichkeit umfassender über die Risiko- und Sicherheitsaspekte aller Formen der Kerntechnik zu informieren.

    Außerdem werden nukleare Sicherungsmaßnahmen auch in Zukunft immer mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Wie in den Schlussfolgerungen des Gipfeltreffens über Gefahrenabwehr im Nuklearbereich im Jahr 2016 dargelegt, müssen böswillige Handlungen im nuklearen und radiologischen Bereich auf der Grundlage internationaler Kooperation bekämpft werden. Dies umfasst auch den Austausch von Informationen gemäß den nationalen Rechtsvorschriften und Verfahren.

    2.2.EU-Nuklearmarkt und wichtigste Entwicklungen

    Der Kernenergiemarkt der EU muss angesichts der potenziellen Auswirkungen der Entwicklungen in anderen Regionen auf die Nuklearindustrie der EU, die globale nukleare Sicherheit, Sicherungsmaßnahmen, Gesundheit und öffentliche Meinung im globalen Kontext analysiert werden. Die Zusammenarbeit mit den Kandidatenländern und Nachbarländern der EU, insbesondere mit der Ukraine, Belarus, der Türkei und Armenien, sollte weiter ausgebaut werden. Stresstests zur nuklearen Sicherheit wurden in der Ukraine bereits durchgeführt, sollen 2016 in Armenien abgeschlossen werden und sind in Belarus und der Türkei geplant.

    Die Nuklearindustrie der EU ist heute weltweit in allen kerntechnischen Industriesegmenten technisch führend und beschäftigt direkt zwischen 400 000 und 500 000 Personen 8 . Etwa 400 000 weitere Arbeitsplätze werden durch sie geschaffen 9 . Diese Spitzenposition ist auf internationaler Ebene ein wichtiger Vorteil. Der Investitionsbedarf im Zusammenhang mit dem Nuklearbereich wird weltweit auf etwa 3 Billionen EUR bis 2050 veranschlagt 10 , wobei die meisten Investitionen in Asien erwartet werden. Die Zahl der Länder, die Kernkraftwerke betreiben, sowie die weltweit installierten Nuklearkapazitäten dürften bis 2040 zunehmen. Allein die installierten Kapazitäten Chinas werden sich wahrscheinlich um 125 GWe erhöhen; dieser Wert liegt über den derzeitigen Kapazitäten der EU (120 GWe), der USA (104 GWe) und Russlands (25 GWe).

    Die Kommission rechnet angesichts der Entscheidungen einiger Mitgliedstaaten, die Kernenergie auslaufen zu lassen oder ihren Anteil am Energiemix zu verringern, in der EU bis 2025 mit einem Rückgang der Kapazitäten zur Erzeugung von Kernenergie 11 . Diese Entwicklung dürfte sich bis 2030 umgekehrt haben, da den Erwartungen zufolge neue Reaktoren an das Netz angeschlossen werden und bei anderen die Lebensdauer verlängert wird. Die Nuklearkapazitäten dürften leicht zunehmen und um das Jahr 2050 zwischen 95 und 105 GWe konstant bleiben 12 (s. Abbildung 1). Da damit zu rechnen ist, dass die Nachfrage nach Strom im gleichen Zeitraum steigen wird, wird der Anteil der Kernenergie in der EU von derzeit 27 % auf etwa 20 % zurückgehen.



    Abbildung 1 – Nuklearkapazitäten der EU insgesamt (GWe)

    Bei der Ersetzung von Kapazitäten bis 2050 wird höchstwahrscheinlich in die fortschrittlichsten Reaktoren wie EPR, AP 1000, WWER 1200, ACR 1000 und ABWR investiert werden.

    3.Investitionsbedarf im Nuklearbereich bis 2050

    Für den Umbau des Energiesystems im Einklang mit der Strategie für die Energieunion werden erhebliche Investitionen erforderlich sein. Zwischen 2015 und 2050 wird die EU zwischen 3,2 und 4,2 Billionen EUR in ihre Energieversorgung investieren müssen 13 . Die Investitionen in die Kernenergie stellen nur einen kleinen Teil der Gesamtinvestitionen dar und müssen innerhalb des durch die EU-Rechtsvorschriften vorgegebenen Rahmens vorgenommen werden.

    Nach Artikel 41 Euratom-Vertrag müssen Investitionsvorhaben im Nuklearbereich der Kommission gemeldet werden. Seit 2008 wurden insgesamt 48 Vorhaben gemeldet. Neun Projekte betrafen Anlagen für Tätigkeiten, die dem Kernbrennstoffkreislauf vorgeschaltet sind, 20 wesentliche Änderungen oder Modernisierungen in Kernkraftwerken im Zusammenhang mit dem Langzeitbetrieb oder Verbesserungen nach dem Unfall von Fukushima, sieben neue kommerzielle Reaktoren oder Forschungsreaktoren und 12 Anlagen am Ende des Brennstoffkreislaufs. Zu allen Vorhaben gab die Kommission eine nicht verbindliche Stellungnahme mit Anmerkungen und/oder Vorschlägen für Verbesserungen ab, denen die Mitgliedstaaten bei der Genehmigung der Vorhaben Rechnung tragen sollten. Besonderes Augenmerk galt der nuklearen Sicherheit, der Abfallentsorgung, den Sicherungsmaßnahmen und der Versorgungssicherheit.

    Die Kommission wird noch in diesem Jahr einen Vorschlag für eine Aktualisierung und bessere Definition der Anforderungen an diese Meldungen vorlegen. Zusammen mit der Empfehlung für die Anwendung des Artikels 103 Euratom-Vertrag 14 wird die Kommission dadurch besser in der Lage sein, dafür zu sorgen, dass neue Investitionen und bilaterale Kernenergie-Abkommen mit Drittländern mit dem Euratom-Vertrag vereinbar sind und die jüngsten Versorgungssicherheitserwägungen berücksichtigen.



    3.1.Investitionen in dem Kernbrennstoffkreislauf vorgeschaltete Tätigkeiten

    Der Prozess der Brennstoffherstellung umfasst verschiedene Phasen, die von der Exploration und dem Abbau von Uranerzen bis zur Herstellung der Brennelemente reichen.

    In der EU findet Uranbergbau nur in begrenztem Umfang statt, weltweit existieren jedoch umfangreiche Uranressourcen. Europäische Unternehmen gehören zu den weltweit größten Herstellern von Kernbrennstoffen. 

    Die EU-Nachfrage nach Natururan macht etwa ein Drittel der weltweiten Nachfrage aus. Die Lieferanten stammen aus unterschiedlichen Ländern. Kasachstan (27 %) war 2014 der Hauptlieferant, gefolgt von Russland (18 %) und Niger (15 %). Aus Australien und Kanada wurden 14 % bzw. 13 % des Natururans eingeführt.

    Im Einklang mit der Strategie für eine sichere europäische Energieversorgung ergreift die Kommission Maßnahmen zur Gewährleistung eines gut funktionierenden Binnenmarkts für Kernbrennstoffe und zur weiteren Stärkung der Versorgungssicherheit. Die Euratom-Versorgungsagentur beurteilt diese Aspekte fortlaufend in ihren Beschlüssen über Lieferverträge, wobei sie besonders auf Neubauprojekte achtet.

    Einige Unternehmen machen integrierte Angebote für Dienstleistungen, die den gesamten Kernbrennstoffkreislauf umfassen. Die Kommission wird jedoch sicherstellen, dass dies andere Unternehmen, die in einem einzelnen Segment des Kernbrennstoffkreislaufs tätig sind, nicht behindert, da dadurch der Wettbewerb eingeschränkt würde.

    In der Vergangenheit wurden größere Investitionen in Umwandlungs- und Anreicherungskapazitäten getätigt. In den kommenden Jahren wird der Schwerpunkt auf deren Modernisierung liegen, damit die EU ihre technologische Führungsposition beibehält. Was die Herstellung von Kernbrennstoffen angeht, könnte mit den Kapazitäten der EU der gesamte EU-Bedarf für Reaktoren westlicher Bauart gedeckt werden, die Entwicklung und Genehmigung von Brennelementen für Reaktoren russischer Bauart würde jedoch einige Jahre erfordern (Voraussetzung hierfür wäre das Vorhandensein eines ausreichend großen Marktes, damit die entsprechenden Investitionen für die Industrie attraktiv sind). Die Kommission wird weiterhin die dem Kernbrennstoffkreislauf vorgeschalteten Tätigkeiten beobachten und alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit in der EU, der Diversifizierung und des globalen Wettbewerbs einsetzen.

    3.2.Investitionen und wirtschaftliche Rahmenbedingungen für neue Kernkraftwerke

    Alle Mitgliedstaaten, die Kernkraftwerke betreiben, investieren in die Verbesserung der Sicherheit. Aufgrund des Durchschnittsalters der Kernkraftwerke in der EU sehen sich mehrere Mitgliedstaaten auch mit politischen Entscheidungen über Ersatz oder Langzeitbetrieb ihrer Kernkraftwerke konfrontiert.

    Aus Abbildung 1 geht hervor, dass ohne Programme für den Langzeitbetrieb etwa 90 % der existierenden Reaktoren bis 2030 stillgelegt würden und umfangreiche Kapazitäten ersetzt werden müssten. Beschließt ein Mitgliedstaat, Reaktoren länger zu betreiben, sind eine Genehmigung der nationalen Regulierungsbehörden und eine sicherheitstechnische Nachrüstung der Anlagen erforderlich, damit die Richtlinie über nukleare Sicherheit eingehalten wird. Unabhängig davon, welche Option die Mitgliedstaaten wählen, müssen bis 2050 90 % der vorhandenen Nuklearkapazitäten, die der Stromerzeugung dienen, ersetzt werden.

    Sollen die Nuklearkapazitäten in der EU bis 2050 und darüber hinaus in einer Größenordnung zwischen 95 und 105 GWe liegen, wären in den nächsten 35 Jahren weitere Investitionen erforderlich. Um den größten Teil der bestehenden Nuklearkapazitäten zu ersetzen, müssten zwischen 350 und 450 Mrd. EUR in neue Kraftwerke investiert werden. Da neue Kernkraftwerke für einen Betrieb von mindestens 60 Jahren ausgelegt sind, würden sie bis zum Ende des Jahrhunderts Strom produzieren.

    Im Hinblick auf die Verfügbarkeit von Finanzmitteln für Investitionen in neue Nuklearkapazitäten spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Für die beiden wichtigsten Kostenelemente – die Baukosten (overnight costs) 15 und die Finanzierungskosten – sind die voraussichtliche Bauzeit und der für das Projekt veranschlagte Abzinsungssatz von großer Bedeutung.

    In mehreren Mitgliedstaaten werden unterschiedliche Finanzierungsmodelle geprüft bzw. verwendet, z. B. der „Contract for Difference“ (Differenzvertrag) 16 , der für das Kernkraftwerk Hinkley Point C im Vereinigten Königreich vorgeschlagen wurde, oder das für das Hanhikivi-Projekt in Finnland erwogene Mankala-Modell 17 .

    Bei einigen neuen, hoch innovativen Projekten in der EU gab es Verzögerungen und Kostenüberschreitungen. In Zukunft sollten Projekte, die auf denselben Technologien basieren, von diesen Erfahrungen profitieren und Möglichkeiten zur Kostensenkung nutzen, sofern eine geeignete Strategie entwickelt wird.

    Bei dieser Strategie sollte der Schwerpunkt auf der Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Regulierungsbehörden bei der Genehmigung neuer Reaktoren sowie auf der Förderung der Standardisierung von Reaktorkonzepten durch die Industrie liegen. Dadurch würden neue Kernkraftwerke nicht nur kosteneffizienter, sondern auch sicherer.

    Die Genehmigungsverfahren fallen zwar ausschließlich in die Zuständigkeit der nationalen Aufsichtsbehörden, bieten jedoch Möglichkeiten für eine verstärkte Zusammenarbeit, z. B. im Vorfeld der Genehmigung oder bei der Auslegungszertifizierung.

    Ziel der Zusammenarbeit in Bezug auf die Genehmigungsauflagen sollte es sein, dafür zu sorgen, dass eine Auslegung, die in einem Land als sicher gilt, nicht wesentlich geändert werden muss, um die Genehmigungsauflagen in einem anderen Land zu erfüllen. Hierdurch würden Zeit und Kosten gespart. In diesem Bereich plant die Kommission die Anhörung der Europäischen Gruppe der Regulierungsbehörden für nukleare Sicherheit (ENSREG) und des Europäischen Netzes der Organisationen für technische Sicherheit (ETSON).

    Was die Standardisierung betrifft, so legen alle an Auslegung und Bau von Kernkraftwerken und anderen kerntechnischen Anlagen Beteiligten Bauvorschriften als gemeinsame Referenz zugrunde 18 . Angesichts der Möglichkeit, dass neue Anbieter in Erscheinung treten, und der Notwendigkeit, die Kontrolle über etwaige neue Modelle/Technologien zu behalten, sollte Anbietern und Lieferanten eine stärkere Standardisierung ihrer Komponenten und Vorschriften nahegelegt werden, um Folgendes sicherzustellen:

    a) eine raschere Auftragsvergabe,

    b) eine leichtere Vergleichbarkeit sowie transparentere und bessere Sicherheitsstandards,

    c) bessere Möglichkeiten der Technologiekontrolle und des Wissensmanagements.

    Da der Schwerpunkt auf der optimalen Nutzung der bestehenden Ressourcen liegt sowie auf der gegenseitigen Anerkennung, um zusätzliche Möglichkeiten zu eröffnen, verfolgt die Kommission aufmerksam die Arbeiten des Europäischen Komitees für Normung, um zu ermitteln, welche politischen Lösungen möglicherweise auf EU-Ebene erforderlich sind.

    3.3.Investitionen und wirtschaftliche Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit der sicherheitstechnischen Nachrüstung und dem Langzeitbetrieb bestehender Kernkraftwerke

    Zur fortlaufenden Verbesserung der nuklearen Sicherheit, die – unter der Aufsicht der zuständigen nationalen Behörden – ein zentraler Verantwortungsbereich der Betreiber kerntechnischer Anlagen ist, werden regelmäßig Maßnahmen ergriffen, um die Robustheit der Kernkraftwerke zu erhöhen, insbesondere im Anschluss an Einzelüberprüfungen, regelmäßige Sicherheitsüberprüfungen oder Peer Reviews wie die EU-Stresstests.

    Zahlreiche Betreiber in Europa haben ihre Absicht bekundet, ihre Kernkraftwerke länger zu betreiben, als es nach der ursprünglichen Auslegung vorgesehen war. Im Hinblick auf die nukleare Sicherheit erfordert die Fortführung des Betriebs eines Kernkraftwerks zwei Dinge: den Nachweis der Übereinstimmung des Kraftwerks mit den geltenden rechtlichen Anforderungen und deren Aufrechterhaltung und die Verbesserung der Anlagensicherheit, soweit dies vernünftigerweise durchführbar ist.

    Auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten übermittelten Informationen werden bis 2050 schätzungsweise 45-50 Mrd. EUR in den Langzeitbetrieb bestehender Reaktoren investiert werden müssen. Die entsprechenden Investitionsvorhaben müssen der Kommission gemeldet werden, die daraufhin im Einklang mit Artikel 41 Euratom-Vertrag eine Stellungnahme dazu abgibt.

    Je nach Reaktormodell und -alter gehen die nationalen Regulierungsbehörden davon aus, dass sich durch Genehmigungen für den Langzeitbetrieb die Lebensdauer der Kraftwerke durchschnittlich um 10 bis 20 Jahre verlängert.

    Versorgungsunternehmen und Regulierungsstellen müssen die Sicherheitsnachweise im Zusammenhang mit diesen Plänen im Einklang mit der geänderten Richtlinie über nukleare Sicherheit erstellen bzw. überprüfen und genehmigen. Die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Regulierungsbehörden im Rahmen der Genehmigungsverfahren, z. B. durch die Festlegung gemeinsamer Kriterien, wird dazu beitragen, dass hier angemessen und zeitnah vorgegangen wird.

    3.4.Intensivierung der Arbeiten am Ende des Brennstoffkreislaufs: Herausforderungen und Chancen

    Dem Ende des Brennstoffkreislaufs werden wir immer mehr Aufmerksamkeit schenken müssen. Es wird geschätzt, dass mehr als 50 der 129 derzeit in der EU in Betrieb befindlichen Reaktoren bis zum Jahr 2025 stillgelegt werden. Hier sind eine sorgfältige Planung und eine verstärkte Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten erforderlich. Alle Mitgliedstaaten der EU, in denen Kernkraftwerke betrieben werden, müssen politisch heikle Entscheidungen in Bezug auf die geologische Endlagerung und die langfristige Entsorgung der radioaktiven Abfälle treffen. Es ist wichtig, dass Maßnahmen und Investitionsentscheidungen in diesem Zusammenhang nicht aufgeschoben werden, denn die Akzeptanz der Kernenergie in der Zivilgesellschaft ist eng verbunden mit der Fähigkeit der Betreiber, das Vorhandensein verantwortungsvoller, sicherer und nachhaltiger Lösungen für die Abfallentsorgung nachzuweisen.

    3.4.1.Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle

    In der Richtlinie über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle werden rechtsverbindliche Anforderungen für eine sichere und verantwortungsvolle langfristige Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle festgelegt, um zu vermeiden, dass künftigen Generationen unangemessene Lasten aufgebürdet werden. Die Mitgliedstaaten haben erhebliche Anstrengungen zur Umsetzung der Richtlinie unternommen.

    Jeder Mitgliedstaat kann sein Vorgehen in Bezug auf den Brennstoffkreislauf selbst festlegen. Abgebrannte Brennelemente können entweder als wertvolle, wiederaufbereitbare Ressource oder als unmittelbar für die Endlagerung bestimmter radioaktiver Abfall eingestuft werden. Unabhängig davon, welche Option gewählt wird, sollte die Endlagerung hoch radioaktiver Abfälle, die bei der Wiederaufarbeitung abgetrennt werden, oder abgebrannter Brennelemente, die als Abfall angesehen werden, Thema sein.

    Frankreich und das Vereinigte Königreich betreiben Wiederaufarbeitungsanlagen. Das Vereinigte Königreich hat allerdings beschlossen, seine Anlagen bis 2018 zu schließen. Für mehrere Reaktoren in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden wurde 2014 Mischoxid(MOX)-Brennstoff verwendet.

    Endlager für schwach- und mittelaktive Abfälle existieren in den meisten Mitgliedstaaten bereits. Die Betreiber beginnen nun im Anschluss an Forschungsarbeiten mit dem Bau der ersten Endlager in geologischen Formationen für hoch radioaktive abgebrannte Brennelemente und Abfälle. Diese Einrichtungen dürften in Finnland, Schweden und Frankreich zwischen 2020 und 2030 in Betrieb genommen werden. Andere europäische Unternehmen sollten auf diese Kompetenzen zurückgreifen, um die erforderlichen Fähigkeiten und das erforderliche Know-how zu konsolidieren und Geschäftsmöglichkeiten auf internationaler Ebene zu nutzen.

    Es gibt Spielraum für eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, die unter anderem im Austausch empfehlenswerter Vorgehensweisen und sogar in der Nutzung gemeinsamer Endlager bestehen kann. Gemeinsame Endlager sind im Rahmen der Richtlinie rechtlich möglich, es sind jedoch noch mehrere Fragen zu klären, insbesondere in Bezug auf die Kommunikation mit und die Schaffung von Akzeptanz in der Öffentlichkeit. Ein weiterer entscheidender Schritt besteht darin, zu bestimmen, wer letztendlich für die im Rahmen eines multinationalen Ansatzes zu entsorgenden radioaktiven Abfälle verantwortlich ist.

    Mitgliedstaaten, die Kernkraftwerke betreiben, nutzen derzeit Abfalllager für eine Dauer zwischen 40 und 100 Jahren. Allerdings ist die Lagerung radioaktiver Abfälle – einschließlich der Langzeitlagerung – eine Übergangslösung und keine Alternative zur Endlagerung.

    3.4.2.Stilllegung

    Erfahrung mit der Stilllegung von Leistungsreaktoren ist weltweit kaum vorhanden. 90 Kernreaktoren waren im Januar 2016 in Europa endgültig abgeschaltet. Allerdings wurden bisher nur 3 Reaktoren vollständig stillgelegt 19 (alle in Deutschland).

    Europäische Unternehmen haben die Möglichkeit, in diesem Zusammenhang weltweit führend zu werden, wenn sie die erforderlichen Kompetenzen – einschließlich Maßnahmen zur Förderung der Beteiligung von KMU – innerhalb Europas entwickeln. Die Anwendung der besten Vorgehensweisen in den verschiedenen Stadien des Stilllegungsprozesses, z. B. eines stufenweisen Ansatzes, der die kontinuierliche Verringerung der radiologischen Risiken nutzen kann, brächte Vorteile in Bezug auf Effizienz und Sicherheit. Die Anwendung solcher Vorgehensweisen könnte durch ein europäisches Exzellenzzentrum gefördert werden, das öffentliche und private Akteure zusammenführt, oder durch ein solches Zentrum im Rahmen der Gruppe für Stilllegungsfinanzierung.

    3.4.3.Vorschriften für die Finanzierung der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle sowie der Stilllegung

    Mit der Richtlinie über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle wird anerkannt, dass die Betreiber die volle Verantwortung für die Entsorgung radioaktiver Abfälle von der Erzeugung bis zur Endlagerung tragen. Sie müssen die Finanzmittel ab dem Beginn des Betriebs zweckgebunden ansparen, um das Risiko für die Regierungen, finanziell eingreifen zu müssen, so gering wie möglich zu halten. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass dieser Grundsatz eingehalten wird, indem sie nationale Programme einführen und aufrechterhalten, die u. a. eine Bewertung der Kosten und die geltende Finanzierungsregelung beinhalten.

    Laut den jüngsten von den Mitgliedstaaten übermittelten Angaben 20 veranschlagten im Dezember 2014 die europäischen Betreiber kerntechnischer Anlagen für Stilllegung und Entsorgung radioaktiver Abfälle einen Betrag von 263 Mrd. EUR bis 2050; hiervon werden 123 Mrd. EUR für Stilllegungsarbeiten und 140 Mrd. EUR für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle sowie für die Endlagerung in tiefen geologischen Formationen benötigt.

    Die Mitgliedstaaten haben auch Angaben zu den für die erwarteten Investitionen eingeplanten Vermögenswerten gemacht, die sich auf etwa 133 Mrd. EUR belaufen. Die Vermögenswerte werden in der Regel in speziellen Fonds zusammengefasst, die häufig sowohl für die Stilllegung als auch für die Entsorgung radioaktiver Abfälle bestimmt sind. Die am häufigsten verwendete Methode der Mittelbeschaffung ist die Zahlung eines festen Beitrags durch die Kernkraftwerke auf der Grundlage des erzeugten Stroms.

    Die Mitgliedstaaten wenden unterschiedliche Methoden zur Schätzung der Kosten der Arbeiten am Ende des Brennstoffkreislaufs an. Die Kommission wird weiterhin mit Hilfe der Gruppe für Stilllegungsfinanzierung zusätzliche Daten sammeln; sie hat einen Bericht über die Anwendung der Richtlinie über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle abgefasst.

    4.Anwendungen außerhalb der Stromerzeugung

    Für Nuklear- und Strahlentechnologien gibt es zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten in Medizin, Industrie, Landwirtschaft und Forschung, die der Gesellschaft in allen Mitgliedstaaten erhebliche Vorteile bringen.

    Jährlich werden in Europa mehr als 500 Millionen Diagnosen unter Einsatz von Röntgenstrahlung oder Radioisotopen gestellt, und mehr als 700 000 medizinische Fachkräfte setzen täglich Nuklear- bzw. Strahlentechnologien ein. In Europa existiert ein dynamischer Markt für bildgebende medizinische Geräte, der ein Volumen von über 20 Mrd. EUR und jährliche Wachstumsraten von rund 5 % aufweist.

    In der EU werden verschiedene Arten von Forschungsreaktoren betrieben. Sie werden für die Material- und Brennstoffprüfung sowie für Grundlagenforschung und Entwicklung eingesetzt. Einige stellen auch medizinische Radioisotope für Diagnose und Behandlung von Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Krankheiten und Hirnerkrankungen her. In über 10 000 Krankenhäusern weltweit werden Radioisotope für die In-vivo-Diagnose oder -Behandlung von etwa 35 Millionen Patienten jährlich verwendet, wovon 9 Millionen europäische Patienten sind.

    Europa ist der zweitgrößte Verbraucher von Technetium-99m (Tc-99 m), dem am häufigsten verwendeten diagnostischen Radioisotop. Mehrere europäische Forschungsreaktoren, die an der Herstellung medizinischer Radioisotope beteiligt sind, nähern sich dem Ende ihrer Lebensdauer, was die Versorgung mit medizinischen Radioisotopen immer stärker gefährdet und zu gravierenden Engpässen führt.

    Vor kurzem wurden innerhalb und außerhalb der Europäischen Union Maßnahmen zur Koordinierung des Betriebs der Forschungsreaktoren und zur Minimierung der Unterbrechungen bei der Produktion von Radioisotopen ergriffen, z. B. wurde 2012 die Europäische Beobachtungsstelle für die Versorgung mit medizinischen Radioisotopen eingerichtet 21 . Trotz dieser Bemühungen müssen sich alle Interessenträger, insbesondere in Europa, der Frage der Herstellungskapazitäten für medizinische Radioisotope noch intensiv widmen, da diese für wichtige medizinische Diagnosen und Behandlungen in der Europäischen Union von grundlegender Bedeutung sind.

    Die Kommission hält für die nicht der Stromerzeugung dienenden Verwendungszwecke von Nuklear- und Strahlentechnologien einen stärker koordinierten europäischen Ansatz für erforderlich.

    5.Aufrechterhaltung der technologischen Führungsposition der EU im Nuklearbereich durch weitere Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten

    Die EU muss ihre technologische Führungsposition auf dem Gebiet der Kerntechnik, auch im Bereich der Kernfusion durch den ITER (Internationaler Thermonuklearer Versuchsreaktor) 22 , behaupten, damit ihre Abhängigkeit in Bezug auf Energie und Technologien nicht zunimmt und Geschäftsmöglichkeiten für europäische Unternehmen eröffnet werden. Dies wiederum wird Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit in Europa fördern.

    In der vor Kurzem vorgelegten Mitteilung über den integrierten Strategieplan für Energietechnologie (SET-Plan) 23 wird ferner darauf hingewiesen, dass im Bereich der Kernenergie die Unterstützung der Entwicklung der fortschrittlichsten Technologien vorrangig ist, um bei Kernreaktoren auch in Zukunft das höchste Sicherheitsniveau gewährleisten und die Effizienz des Betriebs, der Arbeiten am Ende des Brennstoffkreislaufs und der Stilllegung verbessern zu können.

    Wie Interessenträger der europäischen Forschung und Industrie hervorgehoben haben 24 , kann die technologische Führungsposition auf dem Gebiet der Kerntechnik nur behauptet werden, wenn die interessierten Mitgliedstaaten unterschiedliche und ausreichend finanzierte Kernforschungskapazitäten aufrechterhalten, bei denen auch die Aus- und Fortbildung berücksichtigt wird. Allerdings wird es für Europa nicht einfach sein, in allen Bereichen führend zu bleiben, da die Kapazität zur Erzeugung von Kernenergie in anderen Regionen der Welt beträchtlich zugenommen hat bzw. zunimmt. Daher ist die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene besonders wichtig, insbesondere in Bereichen wie dem Fachwissen zur Sicherheit fortgeschrittener und innovativer Reaktoren.

    Das laufende Euratom-Programm leistet einen Beitrag zur Verwirklichung dieser Ziele, indem Forschungs- und Ausbildungsmaßnahmen im Nuklearbereich unterstützt werden, die der kontinuierlichen Verbesserung der nuklearen Sicherheit, der Sicherungsmaßnahmen und des Strahlenschutzes dienen und auf diese Weise zur langfristigen Dekarbonisierung des Energiesystems beitragen.

    Das ITER-Projekt ist eine wichtige Aktion zur Etablierung der künftigen Rolle der Kernfusion in Energieszenarien für die Zeit nach 2050. 2016 wurden erhebliche Fortschritte bei der Überarbeitung der ITER-Grundzüge (project baseline) erzielt. Die ITER-Vertragsparteien einigten sich im Juni 2016 auf einen neuen Zeitplan sowie auf Kostenschätzungen für den Zeitraum bis 2025. Im November 2016 äußerten sie ihre Unterstützung für vollständig überarbeitete Grundzüge bis 2035, die 2017 auf politischer Ebene noch endgültig genehmigt werden müssen.

    Die Fortsetzung von Forschung und Entwicklung ist von wesentlicher Bedeutung, wenn die EU weiterhin eine Spitzenposition im Bereich der Kerntechnik einnehmen und die höchsten Standards für nukleare Sicherheit, Sicherungsmaßnahmen, die Entsorgung von Abfällen und die Nichtverbreitung von Kernmaterial entwickeln will. Dies bedeutet, dass auch in Zukunft in Forschung, Ausbildung/Fortbildung und kerntechnische Forschungsinfrastrukturen investiert werden muss.

    6.Fazit

    Die Kommission rechnet damit, dass die Kernenergie bis 2050 ein wichtiger Bestandteil des Energiemixes der EU bleiben wird.

    In den Mitgliedstaaten, die Nukleartechnologien einsetzen, müssen die höchsten Standards für Sicherheit und Sicherungsmaßnahmen, die Entsorgung von Abfällen und die Nichtverbreitung von Kernmaterial während des gesamten Brennstoffkreislaufs gewährleistet werden. Die nach dem Unfall von Fukushima erlassenen Rechtsvorschriften müssen unbedingt rasch und umfassend umgesetzt werden. Eine Nuklearforschung auf höchstem Niveau, unter anderem durch die Entwicklung modernster kerntechnischer Forschungsinfrastrukturen in der EU, ist von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass die EU ihre Kompetenzen in diesem Bereich nicht verliert. Die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Regulierungsbehörden bei den Genehmigungen und der allgemeinen Aufsicht wird als hilfreich eingestuft.

    Die Kernkraftwerke in Europa altern; daher sind erhebliche Investitionen erforderlich, wenn Mitgliedstaaten sich für die Verlängerung der Lebensdauer von Reaktoren (und die damit verbundenen sicherheitstechnischen Verbesserungen) entscheiden, aber auch für die erwarteten Stilllegungsarbeiten und die langfristige Lagerung radioaktiver Abfälle. Ferner sind Investitionen notwendig, um bestehende Kernkraftwerke zu ersetzen. Diese Investitionen könnten zum Teil auch in neue Kernkraftwerke fließen. Die Investitionen in den Kernbrennstoffkreislauf zwischen 2015 und 2050 werden auf insgesamt 660 bis 770 Mrd. EUR veranschlagt 25 .

    Schließlich bedeutet der rasche Anstieg der Nutzung von Kernenergie außerhalb der EU (China, Indien usw.) auch, dass die EU ihre weltweite Führungsposition und Exzellenz in den Bereichen Technologie und Sicherheit behaupten muss. Im Hinblick darauf sind kontinuierliche Investitionen in Forschung und Entwicklung erforderlich.

    (1)

    COM(2015) 80.

    (2)

    COM(2014) 330.

    (3)

    Die anderen sind Brasilien und Kanada.

    (4)

    27,5 % aus Kernenergie und 29,2 % aus erneuerbaren Energiequellen, Eurostat, Mai 2016.

    (5)

    ABl. L 219 vom 25.7.2014, S. 42-52.

    (6)

    ABl. L 199 vom 2.8.2011, S. 48-56.

    (7)

    ABl. L 13 vom 17.1.2014, S. 1-73.

    (8)

    SWD(2014) 299.

    (9)

      http://ec.europa.eu/research/energy/euratom/publications/pdf/study2012_synthesis_report.pdf  

    (10)

    Quelle: Kernenergie-Agentur (NEA) und Internationale Energieagentur (IEA), 2015 (1 USD = 0,75 EUR).

    (11)

    Z. B. die Entscheidung Deutschlands und das neue französische Gesetz für den Übergang zu einer nachhaltigen Energieversorgung.

    (12)

    Schätzung auf der Grundlage der Analysen der Kommission während der Vorbereitung des Rahmens für die Klima- und Energiepolitik bis 2030. Siehe SWD(2014) 255 und SWD(2014) 15.

    (13)

    SWD(2014) 255. Hierzu gehören Investitionen in das Stromnetz, in Kraftwerke (Strom, KWK) und Dampferzeuger. Alle Zahlen in dieser Mitteilung sind in konstanten Werten ausgedrückt, sofern nicht anders angegeben.

    (14)

    Angenommen am 4. April 2016.

    (15)

    Die Overnight Costs umfassen: Bau, große Ausrüstungen, Steuer- und Regeltechnik, indirekte Kosten und Eigentümerkosten.

    (16)

    Differenzverträge beinhalten eine variable Prämie auf der Grundlage des Marktpreises für Strom.

    (17)

    Vereinbarung, die dem genossenschaftlichen System in anderen europäischen Ländern entspricht. Dieses Modell sieht keine Gewinnspanne vor. Die Aktionäre erhalten einen relativen Anteil des vom Kernkraftwerk produzierten Stroms zum Selbstkostenpreis.

    (18)

    Technologielieferanten, Architekten, Ingenieure, Betreiber sowie Inspektoren und Sicherheitsbehörden.

    (19)

    D. h. die Standorte wurden aus der aufsichtsrechtlichen Kontrolle entlassen.

    (20)

    Fragebogen für die Mitglieder der Gruppe für Stilllegungsfinanzierung sowie die im Rahmen der Richtlinie 2011/70/Euratom übermittelten nationalen Programme, soweit verfügbar.

    (21)

      http://ec.europa.eu/euratom/observatory_radioisotopes.html

    (22)

    Der in Frankreich im Bau befindliche ITER ist ein groß angelegtes wissenschaftliches Experiment, mit dem die technologische und wissenschaftliche Realisierbarkeit der Fusionsenergieproduktion demonstriert werden soll. Es handelt sich um ein internationales Kooperationsprojekt zwischen den Vertragsparteien des ITER-Übereinkommens: EU, China, Indien, Japan, Südkorea, Russland und Vereinigte Staaten.

    (23)

    COM(2015) 6317.

    (24)

     SET-Plan-Absichtserklärung zu strategischen Zielen im Rahmen der Maßnahme 10: „Aufrechterhaltung eines hohen Sicherheitsniveaus bei Kernreaktoren und den damit verbundenen Brennstoffkreisläufen während des Betriebs und der Stilllegung bei gleichzeitiger Verbesserung ihres Wirkungsgrads“  https://setis.ec.europa.eu/implementing-integrated-set-plan/nuclear-safety-ongoing-work  

    (25)

    Siehe Einzelheiten in der Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen (SWD(2016) 102 final).

    Top