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Document 52016XX0525(02)

    Zusammenfassung der Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten zum Austausch von Informationen über Drittstaatsangehörige mit Hilfe des Europäischen Strafregisterinformationssystems (ECRIS)

    ABl. C 186 vom 25.5.2016, p. 7–9 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    25.5.2016   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 186/7


    Zusammenfassung der Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten zum Austausch von Informationen über Drittstaatsangehörige mit Hilfe des Europäischen Strafregisterinformationssystems (ECRIS)

    [Der vollständige Text dieser Stellungnahme ist in englischer, französischer und deutscher Sprache auf der Internetpräsenz des EDSB unter www.edps.europa.eu erhältlich.]

    (2016/C 186/05)

    Schon seit langem plante der EU-Gesetzgeber die Ausweitung des Austauschs von Strafregisterinformationen in der EU im ECRIS (Europäisches Strafregisterinformationssystem) auf Drittstaatsangehörige. Der Vorschlag zur Ausweitung des ECRIS auf Drittstaatsangehörige wurde noch durch die Europäische Sicherheitsagenda beschleunigt, in der es heißt: „Bei in der EU verurteilten Nicht-EU-Bürgern (…) funktioniert das System nicht einwandfrei“.

    Der ECRIS-Rahmen verwendet derzeit die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats von verurteilten Personen als Aufhänger für den Informationsaustausch. Deshalb ist der Aufbau eines Parallelsystems für Drittstaatsangehörige gerechtfertigt. Die Kommission entschied sich für einen Austausch von Strafregisterinformationen über Drittstaatsangehörige in einem dezentralen System, in dem ein Indexfilter für jeden teilnehmenden Mitgliedstaat verwendet wird. Der Indexfilter wird bei jeder Verurteilung eines Drittstaatsangehörigen mit spezifischen Informationen aktualisiert und dann an die anderen Mitgliedstaaten übersandt.

    Der EDSB hat den Richtlinienvorschlag sorgfältig geprüft und als Hilfestellung für den Gesetzgeber Empfehlungen formuliert, mit denen sichergestellt werden soll, dass die neuen Maßnahmen im Einklang mit dem EU-Datenschutzrecht und insbesondere mit den Artikeln 7 und 8 der EU-Charta der Grundrechte stehen.

    Der EDSB begrüßt zwar den Vorschlag für ein dezentrales EU-System für die Verarbeitung von Daten über Strafregisterinformationen über Drittstaatsangehörige, das einen Abgleich auf Treffer durchführt und mit technischen Vorkehrungen Eingriffe in das Recht auf Schutz des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten beschränken soll, doch möchte er trotzdem in dieser Stellungnahme drei Hauptprobleme ansprechen und noch weitere Empfehlungen formulieren.

    Erstens sollte für Drittstaatsangehörige eine der für EU-Bürger geltenden entsprechende Regelung für die Verarbeitung von Fingerabdrücken vorgesehen werden, die den Besonderheiten der nationalen Strafjustizsysteme und somit den Erfordernissen der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten Rechnung trägt.

    Zweitens heißt es im Vorschlag unzutreffenderweise, die Informationen im Indexfilter seien „anonym“. Der EDSB empfiehlt eine Klarstellung dahingehend, dass es sich bei den für die Zwecke des ECRIS für Drittstaatsangehörige verarbeiten Informationen um personenbezogene Daten handelt, die pseudonymisiert, nicht jedoch anonymisiert wurden.

    Drittens vertritt der EDSB die Ansicht, dass der Aufbau eines Systems für die Verarbeitung von Daten von EU-Bürgern, die die Staatsangehörigkeit eines Drittlandes haben, und das sich von dem für EU-Bürger bereits bestehenden System unterscheidet, nicht dem im EU-Datenschutzrecht postulierten Erfordernis der Notwendigkeit entspricht und Diskriminierung zur Folge haben könnte. Daher empfiehlt der EDSB, mit den Maßnahmen im Vorschlag nur auf Drittstaatsangehörige und nicht auch auf EU-Bürger abzuheben, die auch die Staatsangehörigkeit eines Drittlandes besitzen.

    I.   EINLEITUNG UND HINTERGRUND

    1.1.   Konsultation des EDSB

    1.

    Am 19. Januar 2016 veröffentlichte die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2009/315/JI des Rates im Hinblick auf den Austausch von Informationen über Drittstaatsangehörige und das Europäische Strafregisterinformationssystem (ECRIS) und zur Ersetzung des Beschlusses 2009/316/JI des Rates (1) („Vorschlag“). Vor der Veröffentlichung des Vorschlags war der EDSB informell konsultiert worden. Der EDSB bedauert allerdings, dass er nach der Veröffentlichung des Vorschlags nicht um eine Stellungnahme ersucht wurde.

    I.2.   Ziel des Vorschlags

    2.

    ECRIS ist ein elektronisches System für den Austausch von Informationen über frühere Verurteilungen einer bestimmten Person durch Strafgerichte in der EU für die Zwecke eines Strafverfahrens gegen diese Person und, sofern dies nach nationalem Recht zulässig ist, für andere Zwecke. Das System basiert auf dem Rahmenbeschluss 2009/315/JI des Rates (2) („Rahmenbeschluss“) und dem Beschluss 2009/316/JI des Rates (3).

    3.

    In der Begründung des Vorschlags heißt es, dem ECRIS liege das Prinzip zugrunde, dass vollständige Informationen über frühere Verurteilungen eines EU-Bürgers vom Herkunftsmitgliedstaat bezogen werden können, und dieser könne umfassende aktuelle Auskünfte über Vorstrafen seiner Staatsangehörigen erteilen, unabhängig davon, wo in der EU die Verurteilungen ergangen seien. Diese Struktur erschwert derzeit den Behörden den Austausch von Informationen über Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen mit Hilfe von ECRIS, da „Drittstaatsangehörige keinen Herkunftsmitgliedstaat haben“, und um einen vollständigen Überblick über die Vorstrafen einer bestimmten Person zu erhalten, müssen Auskunftsersuchen an alle Urteilsmitgliedstaaten gesendet werden (4).

    4.

    Ziel des Vorschlags ist daher, die Effizienz von ECRIS beim Austausch von Strafregisterinformationen von Drittstaatsangehörigen zu verbessern.

    5.

    In der Begründung wird das System beschrieben, mit dem dieses Ziel erreicht werden soll. Das System wird dezentral organisiert werden, d. h., es wird keine einheitliche EU-Datenbank mit den einschlägigen Informationen geben; vielmehr wird jeder Mitgliedstaat seine eigene Datei unterhalten. Die Mitgliedstaaten müssen bei der Verurteilung eines Drittstaatsangehörigen Identitätsdaten aus ihrem Strafregister aussondern und in eine separate Datei eingeben, den „Indexfilter“. Die Daten werden verschlüsselt. Der Indexfilter wird allen Mitgliedstaaten übermittelt, so dass sie die Suche unabhängig in ihren eigenen Räumlichkeiten durchführen können. Das System erlaubt es den Mitgliedstaaten, diese Daten mit ihren eigenen Daten abzugleichen und zu ermitteln, ob es weitere Einträge in Strafregistern anderer Mitgliedstaaten gibt (ein System mit Abgleich auf Treffer).

    II.   SCHLUSSFOLGERUNG

    37.

    Schon in seiner Stellungnahme aus dem Jahr 2006 zum ECRIS-Vorschlag stellte der EDSB fest: „Für Drittstaatsangehörige könnte ein alternatives System erforderlich sein“, da „aus ersichtlichen Gründen (…) das vorgeschlagene System in diesen Fällen nicht funktionieren [kann]“ (5). Daher begrüßen wir den vorliegenden Vorschlag und räumen ein, dass einem effizienten Austausch von Informationen über Strafregistereinträge verurteilter Personen große Bedeutung zukommt, insbesondere vor dem Hintergrund der Annahme der Sicherheitsagenda der EU (6).

    38.

    Nach sorgfältiger Prüfung des Vorschlags spricht der EDSB folgende Empfehlungen aus, damit der Vorschlag im Einklang mit dem EU-Datenschutzrecht steht:

    1.

    Bezüglich der obligatorischen Nutzung von Fingerabdrücken bei Drittstaatsangehörigen sollte für Drittstaatsangehörige eine entsprechende Regelung gefunden werden, wie es sie bereits für EU-Bürger gibt, und dies im Einklang mit den auf nationaler Ebene bestehenden Vorschriften für die Abnahme von Fingerabdrücken;

    2.

    Erwähnungen anonymer Daten sollten aus dem Vorschlag gestrichen und durch sachlich richtige Hinweise auf das Verfahren der Pseudonymisierung ersetzt werden;

    3.

    die auf nationaler Ebene zu speichernden Daten über verurteilte EU-Bürger und verurteilte Drittstaatsangehörige sollten nicht verschiedenen Kategorien zugeordnet werden, beispielsweise durch Ausweitung der geltenden Regelung für EU-Bürger (z. B. „fakultative Daten“, „zusätzliche Daten“) auch auf Drittstaatsangehörige;

    4.

    die Nutzung des Indexfiltersystems sollte allein auf personenbezogene Daten von Drittstaatsangehörigen beschränkt werden, eine Personenkategorie, die EU-Bürger, die auch die Staatsangehörigkeit eines Drittlandes besitzen, nicht umfassen sollte.

    39.

    Darüber hinaus spricht der EDSB folgende Empfehlungen aus, die den Schutz der für Zwecke des ECRIS für Drittstaatsangehörige verarbeiteten personenbezogenen Daten noch verbessern würden:

    1.

    In die Präambel des Vorschlags sollte ein Verweis auf die Datenschutzrichtlinie für Polizei und Justiz aufgenommen und die Beziehung zwischen den beiden Rechtsakten klargestellt werden.

    2.

    Für die Verarbeitung von Fingerabdrücken sollten in den später von der Kommission vorzuschlagenden Durchführungsrechtsakten weitere Garantien vorgesehen werden, und zwar betreffend das Erfassungsverfahren, die Betonung des Genauigkeitsgrads und die Einführung eines Ausweichverfahrens.

    Geschehen zu Brüssel am 13. April 2016.

    Giovanni BUTTARELLI

    Europäischer Datenschutzbeauftragter


    (1)  COM(2016) 7 final, 2016/0002 (COD), Straßburg, 19. Januar 2016.

    (2)  Rahmenbeschluss 2009/315/JI des Rates vom 26. Februar 2009 über die Durchführung und den Inhalt des Austauschs von Informationen aus dem Strafregister zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 93 vom 7.4.2009, S. 23).

    (3)  Beschluss 2009/316/JI des Rates vom 6. April 2009 zur Einrichtung des Europäischen Strafregisterinformationssystems (ECRIS) gemäß Artikel 11 des Rahmenbeschlusses 2009/315/JI (ABl. L 93 vom 7.4.2009, S. 33).

    (4)  Begründung des Vorschlags, S. 3.

    (5)  Stellungnahme des EDSB zu dem Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates über die Durchführung und den Inhalt des Austauschs von Informationen aus den Strafregistern zwischen den Mitgliedstaaten (KOM(2005) 690 endg.) (ABl. C 313 vom 20.12.2006, S. 26, Punkte 15 und 18).

    (6)  „Die Europäische Sicherheitsagenda“ — Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 28. April 2015, COM(2015) 185 final.


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