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Document 52016IR5493

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Integration, Zusammenarbeit und Leistungsfähigkeit der Gesundheitssysteme

ABl. C 272 vom 17.8.2017, p. 19–24 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

17.8.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 272/19


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Integration, Zusammenarbeit und Leistungsfähigkeit der Gesundheitssysteme

(2017/C 272/05)

Berichterstatterin:

Birgitta Sacrédeus (SE/EVP), Mitglied der Regionalversammlung, Provinziallandtag von Dalarna

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN (AdR)

Gesundheit in Europa

1.

konstatiert, dass ein guter Gesundheitszustand der gesamten Bevölkerung für Wohlstand und Wohlergehen in der Gesellschaft wichtig ist. Eine gute Gesundheit stellt per se einen Wert dar, und gleichzeitig trägt eine gesunde Bevölkerung zur wirtschaftlichen Entwicklung bei (und umgekehrt);

2.

stellt fest, dass die Unionsbürger länger und gesünder leben als früher. In der EU bestehen indes große Unterschiede in Bezug auf die Gesundheit sowohl innerhalb der Mitgliedstaaten als auch unter ihnen. Langfristig gesehen ist die mittlere Lebensdauer in der EU gestiegen, doch es bestehen immer noch große Abweichungen innerhalb der Länder, Regionen und Kommunen und unter ihnen. So beträgt der Unterschied zwischen den EU-Ländern mit der höchsten bzw. niedrigsten durchschnittlichen Lebenserwartung fast neun Jahre (83,3 bzw. 74,5 Jahre für 2014 (1)). Der Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung ist u. a. auf eine Änderung der Lebensweise, bessere Bildung und besseren Zugang zu hochwertiger Gesundheitsversorgung zurückzuführen;

3.

bemerkt, dass das Gesundheits- und Pflegewesen sowie die Sozialfürsorge ein großer und wichtiger gesellschaftlicher Bereich ist, in dem viele Menschen beschäftigt sind und der dazu beiträgt, vielen Menschen ein besseres, gesünderes und längeres Leben zu ermöglichen. Die Gesundheitssysteme der 28 EU-Mitgliedstaaten unterscheiden sich jedoch voneinander, auch in Bezug auf die Ressourcenverfügbarkeit;

4.

nimmt zur Kenntnis, dass die Gesundheit und die Gesundheitsförderung unter den im Jahr 2015 angenommenen globalen Zielen der Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung einen wichtigen Platz einnehmen. Die meisten der 17 Ziele haben einen deutlichen Bezug zur Gesundheit, aber mit einem dieser Ziele (Ziel 3) soll ausdrücklich ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleistet und ihr Wohlergehen gefördert werden. Ferner wird die Gesundheitsförderung als ein Grundpfeiler der Verwirklichung der Ziele der nachhaltigen Entwicklung angesehen. Diese Ziele befinden sich auch im Einklang mit den Zielvorgaben des von der Europäischen Region der WHO 2012 angenommenen sektorübergreifenden Programmrahmens für Gesundheit und Wohlergehen („Gesundheit 2020“);

Zuständigkeiten der EU im Bereich Gesundheit

5.

stellt fest, dass die EU mit ihren Bemühungen im Gesundheitsbereich gemäß Artikel 168 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union die Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung, die Prävention von Krankheiten und die Abwendung von Gesundheitsgefahren anstrebt. Dies erfolgt u. a. durch die EU-Gesundheitsprogramme, die Struktur- und Investitionsfonds und das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation sowie durch den Schutz der Grundrechte. Nach Artikel 35 der Charta der Grundrechte der EU hat „jede Person das Recht auf Zugang zur Gesundheitsvorsorge und auf ärztliche Versorgung nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten. Bei der Festlegung und Durchführung aller Politiken und Maßnahmen der Union wird ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt“;

6.

weist darauf hin, dass die EU in dem Bereich, der sich auf die öffentliche Gesundheit erstreckt oder zum Beispiel die grenzübergreifende Gesundheitsversorgung betrifft, über eine gewisse Rechtsetzungsbefugnis verfügt, aber auch Empfehlungen für Bereiche ausspricht, in denen sie nur eine begrenzte Zuständigkeit besitzt. Im Rahmen des Europäischen Semesters gibt die Europäische Kommission länderspezifische Empfehlungen ab, die in bestimmten Fällen das Gesundheitswesen betreffen;

7.

betont jedoch, dass die Mitgliedstaaten im Wesentlichen selbst bestimmen, wie Gesundheits-, Pflege- und Sozialdienste organisiert, finanziert und gestaltet werden sollen. Viele Mitgliedstaaten haben sich dafür entschieden, die wesentliche Verantwortung für den Pflegesektor und das Gesundheitswesen den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu übertragen. Auch in Staaten mit einem nationalen Gesundheitssystem ist häufig die lokale Ebene für die Sozialdienste und die Sozialfürsorge zuständig;

Der Gesundheitszustand in der EU

8.

begrüßt die von der Kommission im Juni 2016 vorgestellte Initiative „Der Gesundheitszustand in der EU“. Mit dieser Initiative soll internationales Fachwissen zusammengetragen werden, um das länderspezifische und das EU-weite Wissen über Gesundheitsfragen auszubauen und um die Mitgliedstaaten in ihrer Beschlussfassung (2) zu unterstützen;

9.

nimmt zur Kenntnis, dass die OECD und die Kommission im November 2016 den Bericht „Health at a Glance: Europe 2016“ vorgelegt haben. Der Bericht enthält — neben statistischen Angaben, die auf die großen Unterschiede in den Bereichen Gesundheit, Gesundheitsfaktoren, Ausgaben für Gesundheit samt Wirksamkeit, Qualität und Zugang zu medizinischer Versorgung hindeuten — Untersuchungen über die Auswirkungen von Gesundheitsdefiziten auf den Arbeitsmarkt und geht ein auf die Notwendigkeit, die medizinische Grundversorgung auszubauen;

10.

unterstreicht, wie wichtig es ist, dass die Kommission die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften an den weiteren Arbeiten beteiligt und deren Standpunkte bezüglich der künftigen Entwicklung der Gesundheitssysteme einholt, nicht zuletzt, weil nachahmenswerte Beispiele häufig auf der lokalen oder regionalen Ebene zu finden sind;

Mehrere große Herausforderungen

11.

stellt fest, dass die Gesundheitssysteme der EU-Länder vor mehreren großen Herausforderungen stehen, wovon einige in bestimmten Mitgliedstaaten stärker ausgeprägt sind als in anderen:

a)

Ungleichheit im Gesundheitszustand und beim Zugang zur Gesundheitsversorgung — Unterschiede, die häufig sozioökonomische oder geografische Ursachen haben;

b)

ein neues Krankheitspanorama, bei dem chronische Krankheiten einen sehr großen Teil der Kosten für die Gesundheitsversorgung ausmachen. Laut WHO werden 86 % aller Todesfälle in der Europäischen Region durch die fünf häufigsten nichtübertragbaren chronischen Krankheiten verursacht (Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, chronische Atemwegserkrankungen und psychische Erkrankungen), die häufig eine Folge ungesunder Lebensweise sind (Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum, schlechte Ernährungsgewohnheiten und Bewegungsmangel). Diese Faktoren sind auch die Ursache für die zunehmenden Probleme mit Übergewicht und Adipositas, auch bei Kindern und Jugendlichen;

c)

eine alternde Bevölkerung mit vielen älteren Menschen, die an einer oder mehreren chronischen Krankheiten leiden (multimorbide Senioren);

d)

übertragbare Krankheiten und anhaltende Besorgnis angesichts weltweiter Pandemien. Die zunehmende Globalisierung bedeutet ein erhöhtes Risiko der Ausbreitung verschiedener Arten von Gesundheitsgefahren;

e)

auffallend viele Patienten erkranken infolge mangelnder Patientensicherheit, u. a. im Rahmen therapieassoziierter Infektionen;

f)

Antibiotikaresistenz ist ein wachsendes Problem für die Gesundheit der Bevölkerung und führt zu einem Anstieg der Morbiditäts- und Mortalitätsraten, verursacht aber auch hohe Kosten für die Gesundheitssysteme;

g)

der Fachkräftemangel im Gesundheits- und Pflegewesen — in vielen Teilen Europas gibt es Probleme dabei, qualifizierte Personen in ausreichender Zahl auszubilden, einzustellen bzw. im Beruf zu halten;

h)

zunehmende Erwartungen der Bürger und Forderungen nach patientenorientierter Pflege;

i)

die Gesundheitssysteme stehen unter dem Druck, die Kosten zu senken und kosteneffizienter zu werden, da die Ausgaben für das Gesundheitswesen hoch sind und weiter steigen dürften;

j)

neue Wohlfahrtstechnologien können zur Verbesserung der Gesundheit vieler Menschen beitragen — Innovationen senken die Kosten bei bestimmten Gesundheitsproblemen, gleichzeitig können aber neue Möglichkeiten der Behandlung bestimmter Erkrankungen und Gesundheitszustände zu einem Kostenanstieg führen;

k)

zunehmende Migration, insbesondere von in vielen Fällen traumatisierten Flüchtlingen, macht u. a. eine Aufstockung der Verfügbarkeit geeigneter psychiatrischer, psychotherapeutischer und psychosomatischer Behandlungsmöglichkeiten erforderlich;

l)

Umweltveränderungen und Klimawandel wirken sich negativ auf die Gesundheit und das Wohlbefinden aus;

m)

psychische und körperliche Erkrankungen als Folge eines anspruchsvollen Berufslebens oder eines mangelnden Gleichgewichts zwischen Arbeit und Privatleben.

Maßnahmen zur Bewältigung dieser Herausforderungen

12.

ist der Auffassung, dass gesundheitliche Chancengleichheit damit beginnt, dass alle Zugang zu Gesundheitsversorgung haben. Eine angemessene und tragfähige Finanzierung der Gesundheitsversorgung ist von entscheidender Bedeutung für die Sicherstellung einer flächendeckenden, zugänglichen und qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung. Informelle Zahlungen und andere korrupte Handlungen im Gesundheitswesen müssen bekämpft werden, da sie sich negativ auf die Zugänglichkeit und Wirksamkeit der Gesundheitsversorgung auswirken;

13.

stellt fest, dass chronische Krankheiten unter den Krankheitslasten hervorstechen und den größten Teil der Kosten im Gesundheitswesen und anderen Sozialschutzsystemen verursachen. Damit die Gesundheitssysteme langfristig tragfähig bleiben, müssen sie reformiert werden, damit sie besser für den Umgang mit chronischen Krankheiten gerüstet sind, gleichzeitig muss eine unhaltbare Kostenentwicklung gestoppt werden. Zahlreichen chronischen Erkrankungen lässt sich durch veränderte Lebensgewohnheiten vorbeugen, und mit den richtigen Maßnahmen kann die für chronische Erkrankungen typische Verschlechterung verzögert werden;

14.

möchte insbesondere auf die Probleme im Bereich der psychischen Erkrankungen hinweisen. Die psychische Gesundheit muss die gleiche Priorität haben wie die körperliche. Psychische Erkrankungen werden häufig erfolgreich in der ambulanten Behandlung therapiert. Die psychische Gesundheit basiert oft auf guten sozialen Beziehungen in der Familie, zu Nahestehenden und anderen Menschen, auf einem guten Lebens- und Arbeitsumfeld und einem Gefühl der Stimmigkeit und Sinnhaftigkeit des Lebens;

15.

ist der Ansicht, dass der Prävention und der Gesundheitsförderung mehr Gewicht verliehen und diese mehr auf Wissen und gesicherten Erkenntnissen beruhen müssen. Die Zusammenarbeit zwischen der Gesundheitsversorgung und der Pflege muss verbessert werden, um vor allem älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen ein besseres Leben zu ermöglichen. Die Integration der Gesundheits- und Pflegedienste mit Augenmerk auf individueller Bewertung und Betreuungskontinuität erweist sich in dieser Hinsicht als vorteilhaft. Da die Grundlagen der Lebensweise in jungen Jahren gelegt werden, müssen Familie und Schule bei der Prävention eine wichtige Rolle spielen;

16.

teilt die in „Health at a Glance: Europe 2016“ zum Ausdruck gebrachte Auffassung, dass die EU-Mitgliedstaaten ihre Primärversorgung ausbauen müssen, um den Bedürfnissen einer alternden Bevölkerung Rechnung zu tragen, bessere Pflegeketten zu schaffen und unnötiger stationärer Behandlung entgegenzuwirken. Es sollte in die Primärversorgung, die ambulante und die häusliche Pflege investiert werden, und die hoch spezialisierte Krankenhausbehandlung sollte aus Qualitätsgründen konzentriert werden. Zur Entlastung der Krankenhäuser muss die Primärversorgung auch außerhalb der üblichen Arbeitszeiten verfügbar sein. Es ist wichtig, einen multidisziplinären Ansatz zu entwickeln. Die in der Primärversorgung Beschäftigten sollten Fachleute für Prävention und gesundheitsfördernde Maßnahmen sowie für den Umgang mit chronischen Erkrankungen sein;

17.

weist darauf hin, dass die Sozialfürsorgesysteme der EU-Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich sind. Es bestehen große Unterschiede darin, in welchem Ausmaß die Finanzierung durch die öffentliche Hand erfolgt und Sozialdienstleistungen im häuslichen Umfeld oder besonderen Einrichtungen erbracht werden. Um gesundheitliche Chancengleichheit herzustellen, müssen alle Personen bei Bedarf Zugang zu hochwertigen Sozialdienstleistungen haben. Nichtfachliche Pflegekräfte müssen unterstützt werden. Freiwilligenorganisationen können wichtige ergänzende Beiträge leisten;

18.

fordert die nationalen Behörden auf, die besondere Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften für die Umstellung von krankenhauszentrierter Versorgung auf andere Versorgungsarten zu beachten und die Gelegenheit zu bieten, kreative und präventive Aktivitäten, Dienstleistungen der Frühintervention und Langzeitpflegemöglichkeiten zu entwickeln, anstatt lediglich auf reaktive Fürsorge zu setzen;

19.

teilt den in „Health at a Glance: Europe 2016“ dargelegten Standpunkt, dass zur Prävention chronischer Erkrankungen im Erwerbsalter größere Anstrengungen unternommen werden müssen. Chronische Erkrankungen führen zu einer Abnahme der Beschäftigung, niedrigerer Produktivität, früherer Verrentung, niedrigeren Einkommen und vorzeitigem Ableben. Ein unter physischen und psychischen Aspekten gutes Arbeitsumfeld ist von zentraler Bedeutung, um arbeitsbedingte Erkrankungen und Arbeitsschädigungen einzudämmen und Fehlzeiten und Arbeitslosigkeit infolge von Krankheit zu verringern. Aus diesem Grund bedarf es einer stärkeren Verzahnung von Gesundheits- und Arbeitsmarktpolitik, und die Sozialpartner müssen einbezogen werden. Gesundheitsmaßnahmen müssen eher als Investitionen denn als Kosten betrachtet werden;

20.

hebt hervor, dass Anstrengungen notwendig sind, damit Menschen mit Behinderungen einer ihren persönlichen Voraussetzungen entsprechenden Arbeit nachgehen können. Eine gut funktionierende Rehabilitation ist sehr wichtig, um Erkrankten oder Geschädigten eine rasche Rückkehr in das Erwerbsleben zu ermöglichen;

21.

vertritt den Standpunkt, dass verstärktes Augenmerk auf Fragen der Mitwirkung des Patienten und der patientenorientierten Pflege (3) gelegt werden muss. Patienten sind heute im Allgemeinen besser informiert, und viele Menschen möchten die Gesundheitsdienstleister auswählen und wünschen Informationen über Zugänglichkeit und Qualität. Die Menschen sollten daher vom Gesundheitssystem darin unterstützt werden, sich um ihre eigene Gesundheit zu kümmern, d. h. gesund zu leben, gut informiert die richtige Wahl für Behandlung und Gesundheitsdienstleister zu treffen, sich selbst zu versorgen und medizinische Komplikationen zu vermeiden;

22.

hält es gleichzeitig für sinnvoll, dass eine gemeinsam finanzierte Versorgung nur nach Bedarf und nicht aufgrund der Nachfrage des einzelnen Patienten erfolgen sollte, da andernfalls die Gefahr der Überinanspruchnahme von Versorgungsleistungen und Behandlungen besteht;

23.

macht darauf aufmerksam, dass auch mehr Gewicht auf die Qualität der Gesundheitsversorgung sowie auf den medizinischen Erfolg gelegt werden muss. Durch die Erhebung von Massendaten („Big Data“), Transparenz und offene Vergleiche auf der Grundlage gemeinsamer Indikatoren können Verbesserungen angeregt und die Wirksamkeit der Investitionen im Gesundheitssektor ermittelt werden;

24.

dringt auf eine bessere Planung und Koordinierung zwischen dem Gesundheits- und dem Bildungswesen mit guten Möglichkeiten der Weiterbildung, um die Verfügbarkeit von gut ausgebildetem Gesundheits- und Pflegepersonal zu gewährleisten. Heute herrscht in verschiedenen Berufen ein Arbeitskräftemangel und es gibt eine ungleiche geografische Verteilung und ein Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen Berufsgruppen. U. a. müssen mehr Ärzte für die Primärversorgung ausgebildet und der Abwanderung von Fachkräften muss vorgebeugt werden (4). Um Personal einstellen und halten zu können, müssen die Arbeitsgeber ein angenehmes Arbeitsumfeld und gute Arbeitsbedingungen bieten. Zur Weiterentwicklung der Tätigkeit sollten die Arbeitgeber multiprofessionelle Teams aufbauen und die Aufgabenbereiche anders zuschneiden („Task Shifting“), um die Rolle von Krankenschwestern und sonstigen Berufsgruppen zu stärken; hofft, dass das Engagement der Kommission für die Schaffung eines Europäischen Solidaritätskorps dazu beitragen kann, dass sich mehr Jugendliche für eine Arbeit im Gesundheitswesen interessieren;

25.

begrüßt die medizintechnische Entwicklung und die Einführung neuer Arzneimittel. Investitionen in Forschung und Innovation sind für die Entwicklung des Gesundheitswesens von grundlegender Bedeutung. Durch die Anwendung unterstützender Geräte und die Entwicklung neuer Technologien kann auch die Selbstständigkeit von Pflegebedürftigen erhöht werden;

26.

ist der Auffassung, dass neue digitale Technologien das wichtigste Hilfsmittel für eine effizientere Pflege darstellen, da sie neue Vorbeugungs-, Erkennungs-, Diagnose- und Behandlungs- sowie Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten bieten. Das Innovationstempo in diesem Bereich ist hoch. Wenngleich berechtigte Gründe für den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre sprechen, wurden die Möglichkeiten der neuen Informationstechnologien im Gesundheitswesen jedoch allzu häufig nur langsam aufgegriffen; weist darauf hin, dass die Datenschutzvorschriften so gestaltet sein müssen, dass sie die Wirksamkeit der Gesundheitsversorgung, des Monitoring und der Forschung nicht behindern, außerdem muss der Schutz der Privatsphäre gewahrt werden;

27.

macht deutlich, dass Digitalisierung gleichzeitig die grundlegende Veränderung der Arbeitsweisen und der Organisation des Gesundheitswesens bedeutet. Das Kräfteverhältnis verschiedener Berufsgruppen zueinander wird ebenso verändert wie das Kräftegleichgewicht zwischen Patienten und Gesundheitspersonal. Elektronische („eHealth“) und mobile Gesundheitsdienste („mHealth“) können den Bürgern einen größeren Einfluss auf ihre eigene Gesundheit und Pflege und mehr Eigenverantwortung in diesem Bereich ermöglichen. Durch mehr Eigenpflege können Patienten Arztbesuche vermeiden, was häufig ihre Zufriedenheit erhöht und die Gesundheits- und Pflegekosten dämpft. Eine verstärkte Digitalisierung kann auch zu besseren Dienstleistungen in abgelegenen und dünn besiedelten Gebieten beitragen;

28.

verweist auf die wichtige Rolle neuer Arzneimittel für die Entwicklung des Gesundheitssektors. Neue und bessere Diagnosemethoden ermöglichen personalisierte Behandlungen und Arzneimittel mit weniger Nebenwirkungen und besseren medizinischen Ergebnissen. Für mehr Kosteneffizienz im Gesundheitswesen muss jedoch gegen hohe Arzneimittelpreise und die übermäßige Verschreibung von Arzneimitteln vorgegangen werden; unterstützt daher die angenommene Initiative für freiwillige Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten in puncto Beschaffung, Preisgestaltung und Zugang zu Arzneimitteln;

29.

ruft dazu auf, sich verstärkt um die Nutzung möglicher wirtschaftlicher und qualitativer Vorteile einer Zusammenarbeitet im Bereich der kostenintensiven bzw. hoch spezialisierten medizinischen Ausrüstung zu bemühen;

30.

ist der Auffassung, dass die in vielen Bereichen unternommenen energischen Anstrengungen zur Stärkung der Patientensicherheit fortgesetzt werden müssen. Es müssen auch Maßnahmen zur Bekämpfung der Antibiotikaresistenz ergriffen werden, u. a. mittels einer restriktiven Verwendung von Antibiotika, der Entwicklung neuer Antibiotika und einem integrierten Ansatz, der sowohl die Gesundheit des Menschen und die Tiergesundheit als auch spezifische Maßnahmen zur Bekämpfung von therapieassoziierten Infektionen umfasst. Zur Gewährleistung eines effektiven Schutzes vor Ansteckungen muss sichergestellt werden, dass alle Menschen, die in Europa leben, den gleichen optimalen Schutz gegen Krankheiten erhalten, die durch eine Impfung verhindert werden können;

31.

hält es für sehr wichtig, dass Gesundheitsversorgung und Sozialdienste in den Mitgliedstaaten der Gefährdung vieler neu angekommener Migranten Beachtung schenken und Maßnahmen ergreifen, um den Behandlungsbedarf z. B. im Bereich der psychischen Gesundheit zu decken;

32.

hebt die zentrale Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften beim Schutz vor umweltbezogenen Risikofaktoren und der Gesundheitsförderung hervor. Die Gebietskörperschaften sind häufig maßgeblich verantwortlich für Umweltschutz, Luftqualität, Abfallentsorgung, Stadtplanung, öffentlichen Verkehr, Trinkwasser und Abwasserentsorgung, Naherholungsanlagen, Lebensmittelsicherheit usw. Das Gesundheitswesen und die Sozialfürsorge können dazu einen Beitrag leisten bspw. mittels Verwendung sicherer und umweltfreundlicher Produkte, einer gut funktionierenden Abfallbewirtschaftung und Senkung des Energie- und Wasserverbrauchs;

Maßnahmen auf EU-Ebene

33.

begrüßt die europäische Zusammenarbeit bei der Gesundheitsversorgung im Rahmen der Autonomie der Mitgliedstaaten bezüglich der Gestaltung, Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens. Auch wenn die Herausforderungen gleich sind, sehen die Lösungen oft unterschiedlich aus. Die EU sollte die Mitgliedstaaten und ihre lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Förderung der Gesundheit der Bevölkerung und der Entwicklung der Gesundheitsversorgung unterstützen. Die EU muss das Subsidiaritätsprinzip achten und den Unterschieden in den Gesundheitssystemen der Mitgliedstaaten Rechnung tragen;

34.

vertritt die Auffassung, dass die EU gleichzeitig Interesse an der Verbesserung der Gesundheit und dem Abbau der Unterschiede im Gesundheitsbereich hat, da dies eine Voraussetzung für die Verringerung auch der wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede in Europa ist. Die EU muss in ihrer Arbeit das Prinzip „Gesundheit in allen Politikbereichen“ konsequenter beachten;

35.

hebt den Bedarf an einer Fortsetzung der Förderung im Rahmen der EU-Kohäsionspolitik nach 2020 in Bereichen wie Gesundheitsinfrastruktur, elektronische Gesundheitsdienste und Programme zur Gesundheitsförderung hervor, um die regionale Entwicklung zu fördern und soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten zu verringern. Die Wirksamkeit der mit EU-Mitteln finanzierten Projekte sollte aus dem Blickwinkel der öffentlichen Gesundheit und der wirtschaftlichen Entwicklung der entsprechenden Regionen überprüft werden (5);

36.

ist der Auffassung, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zur Entwicklung der europäischen Gesundheitssysteme beitragen kann. Die gewisse Rechtsetzungsbefugnis der EU in Fragen grenzüberschreitender Gesundheitsgefahren und der Gesundheitsversorgung ist gerechtfertigt, im Übrigen sollte sich die EU jedoch auf die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei ihrer Arbeit sowie auf qualitätsfördernde Maßnahmen konzentrieren. Die EU kann dies bewerkstelligen z. B. im Rahmen von Empfehlungen, der Einleitung und Finanzierung von Entwicklungsvorhaben, der Anregung von Zusammenarbeit in Grenzregionen, der Förderung des Wissens- und Erfahrungsaustausches, der Verbreitung bewährter Beispiele und Verfahren, der aktiveren Teilnahme an transparenten Vergleichen und Bewertungen der Wirksamkeit von Gesundheitssystemen in Zusammenarbeit u. a. mit der WHO und der OECD. Dabei ist es wichtig, die verschiedenen Auswirkungen der Gesundheitsdienstleistungen auf die Gesundheit der Patienten bzw. die öffentliche Gesundheit zu beleuchten;

37.

schlägt in diesem Zusammenhang vor, dass die Europäische Kommission ein Erasmus-ähnliches Programm für Gesundheitsfachkräfte einführt;

38.

ist der Ansicht, dass die von der Hochrangigen Arbeitsgruppe zur Leistungsbewertung der Gesundheitssysteme ausgewählten vorrangigen Bereiche (integrierte Pflege, Zugang zu medizinischer Versorgung und Gleichheit, Grundversorgung, gesundheitliche Ergebnisse/Wirksamkeit, chronische Erkrankungen und Betreuungsqualität) ebenfalls für die subnationale Ebene gelten, und erklärt sich bereit, mit der Arbeitsgruppe zusammenzuarbeiten, um den lokalen und regionalen Erfahrungsschatz sichtbar zu machen;

39.

plädiert in diesem Zusammenhang dafür, auf Einladung des Rates mit einem Beobachter in der Hochrangigen Arbeitsgruppe zur Leistungsbewertung der Gesundheitssysteme vertreten zu sein, die im September 2014 von der Kommission und den Mitgliedstaaten eingerichtet wurde;

40.

spricht sich dafür aus, dass die EU u. a. die Prävention chronischer Erkrankungen sowie die Innovation und Anwendung moderner IKT fördert, die europäische Zusammenarbeit bei der Bewertung medizinischer Verfahren anregt und sich weiterhin an weltweiten Anstrengungen zur Bekämpfung der Antibiotikaresistenz beteiligt; begrüßt daher z. B. den neuen Aktionsplan gegen Antibiotikaresistenz, den die Kommission 2017 vorlegen möchte;

41.

erinnert die Mitgliedstaaten dementsprechend daran, dass sie bis Mitte 2017 nationale Aktionspläne gegen Antibiotikaresistenz „auf der Grundlage des ‚Eine Gesundheit‘-Konzepts und im Einklang mit den Zielen des globalen Aktionsplans der WHO“ eingeführt haben wollen, und ruft die Gesundheitsministerien auf, die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in die Entwicklung und Umsetzung dieser Pläne einzubinden;

42.

stellt fest, dass dank der Urteile des EuGH und der Richtlinie von 2011 über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung die Möglichkeiten der Unionsbürger erweitert wurden, Behandlungen in einem anderen Mitgliedstaat in Anspruch zu nehmen. Das ist u. a. für Patienten von Vorteil, bei denen eine seltene Krankheit diagnostiziert wurde oder die eine qualifizierte Behandlung benötigen, die in ihrem Land nicht zur Verfügung steht; begrüßt daher die Arbeit der Kommission im Hinblick auf die Einführung eines europäischen Referenznetzes für Gesundheitsdienste und Exzellenzzentren in den EU-Mitgliedstaaten zur Förderung einer hoch spezialisierten medizinischen Versorgung;

43.

fordert die EU dazu auf, bei ihrer Arbeit an „Der Gesundheitszustand in der EU“ gute Beispiele für wirksame und hochwertige Gesundheitsleistungen aufzuzeigen und zu untersuchen, welche Organisationsformen im Gesundheitswesen eine wirksame und hochwertige Gesundheitsversorgung besonders unterstützen. Ebenfalls sollte untersucht werden, wie der Bedarf an Sozialleistungen durch hochwertige Gesundheitsleistungen verringert werden kann; möchte in diesem Zusammenhang betonen, wie wichtig es ist, lokale und regionale Organisationsmodelle aufzuzeigen, die sich als wirksam erwiesen haben.

Brüssel, den 22. März 2017

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Markku MARKKULA


(1)  Health at a Glance: Europe 2016.

(2)  Die auf zwei Jahre angelegte Initiative wird in Zusammenarbeit mit der OECD, dem Europäischen Observatorium für Gesundheitssysteme und Gesundheitspolitik und den Mitgliedstaaten durchgeführt und umfasst vier Elemente:

Veröffentlichung von „Health at a Glance: Europe 2016“ (November 2016);

länderspezifische „Gesundheitsprofile“, um die Merkmale und Herausforderungen der einzelnen EU-Mitgliedstaaten zu untersuchen (November 2017);

eine Analyse auf der Grundlage der beiden oben genannten Elemente, die einen kurzen Überblick gibt und die Ergebnisse zu der weiter gefassten EU-Agenda in Relation setzt, mit dem Schwerpunkt auf übergreifenden politischen Fragen und Möglichkeiten für wechselseitiges Lernen (November 2017);

die Möglichkeit zum freiwilligen Austausch bewährter Verfahren, die von den Mitgliedstaaten angefragt werden können, um konkrete Aspekte der Situation in ihrem Land zu erörtern (ab November 2017).

(3)  Ein Konzept, bei dem die Patienten und deren Angehörige an der Planung und Umsetzung der Pflege beteiligt werden und Patienten über ihre Krankheit hinaus Beachtung finden.

(4)  Health at a Glance: Europe 2016.

(5)  CDR 260/2010.


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