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Document 52016DC0144

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT Gemeinsamer Aktionsplan EU-Türkei - Dritter Durchführungsbericht

COM/2016/0144 final

Brüssel, den 4.3.2016

COM(2016) 144 final

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

Gemeinsamer Aktionsplan EU-Türkei - Dritter Durchführungsbericht


Gemeinsamer Aktionsplan EU-Türkei:

Dritter Durchführungsbericht

Berichtszeitraum: 1. Februar bis 2. März

Einleitung

Auf dem EU-Türkei-Gipfel vom 29. November 2015 haben die Türkei und die EU den am 15. Oktober 2015 ad referendum vereinbarten Gemeinsamen Aktionsplan (im Folgenden „Aktionsplan“) aktiviert. Ziel des Aktionsplans ist es, die Zusammenarbeit zur Unterstützung der unter vorübergehendem Schutz stehenden syrischen Flüchtlinge sowie der Aufnahmegemeinden in der Türkei zu verstärken und auch bei der Verhütung irregulärer Migrationsströme in die EU enger zusammenzuarbeiten. Die Durchführung des Aktionsplans soll somit Ordnung in die Migrationsströme bringen und zur Eindämmung der irregulären Migration beitragen.

Dieser dritte Durchführungsbericht deckt den Zeitraum vom 1. Februar bis zum 2. März 1 ab. Er soll, drei Monate nach Inkrafttreten des Aktionsplans, darüber informieren, inwieweit die Türkei und die EU ihren jeweiligen Verpflichtungen im Berichtszeitraum tatsächlich nachgekommen sind. Die Berichte über die Durchführung der gemeinsamen Aktionspläne sind Teil der Anstrengungen, die Lage aufmerksam zu verfolgen.

1.Teil 1

1.1.     Statistische Daten (in der EU)

Eines der zentralen Ziele des Aktionsplans ist das Erreichen von Ergebnissen, insbesondere bei der Eindämmung des Zustroms irregulärer Migranten. Um die Fortschritte zu verfolgen, wurde Anfang 2016 ein Verfahren zur Datenerhebung hinsichtlich der von der EU und der Türkei erreichten Ergebnisse eingeleitet 2 .

Die Zahl der irregulär aus der Türkei in die EU einreisenden Menschen ist für die Jahreszeit immer noch hoch; angesichts der winterlichen Witterungsverhältnisse hätte man einen Rückgang der Zahl der Einreisen erwartet. Konkrete Zahlen für den Berichtszeitraum (d. h. 1. Februar bis 2. März):

Die Gesamtzahl irregulärer Migranten, die die EU bis zum 29. Februar auf dem See- und dem Landweg erreicht haben (über Griechenland und Bulgarien), betrug 56 887. Die meisten von ihnen, nämlich 56 335 bzw. 99 %, erreichten über die Ägäis die griechischen Inseln.

Bis zum 29. Februar wurden im Tagesdurchschnitt insgesamt 1 962 irreguläre Grenzübertritte verzeichnet, davon 1 943 nach Griechenland und 19 nach Bulgarien.

Pro Woche waren es in Griechenland somit durchschnittlich 13 358 irreguläre Einreisen.

In der ersten Februarhälfte wurde ein Rückgang verzeichnet, aber in der zweiten Monatshälfte stiegen die Zahlen wieder an.

Zum Vergleich hier die Zahlen aus den Vormonaten:

Im Jahr 2015 betrug die Gesamtzahl der irregulär aus der Türkei nach Griechenland Eingereisten im September 147 639, im Oktober 214 792, im November 154 381 und im Dezember 104 399; im Jahr 2016 belief sich die Zahl im Januar auf 61 602 und im Februar auf 56 335.

Pro Tag bedeutet dies für die genannten Monate durchschnittlich 4921, 6929,

5146, 3368, 1987 bzw. 1943 Personen.

In den folgenden Grafiken ist die Entwicklung der irregulären Einreisen aus der Türkei nach Griechenland in den Monaten Dezember, Januar und Februar dargestellt. Abbildung 1 zeigt die irregulären Einreisen pro Tag, Abbildung 2 die irregulären Einreisen pro Woche 3 .

Abbildung 3 zeigt die monatliche Zahl der irregulären Einreisen aus der Türkei nach Griechenland zwischen September 2015 und Februar 2016. Abbildung 4 zeigt die Zahl der irregulären Einreisen im selben Zeitraum, also von September 2015 bis Februar 2016, aufgeschlüsselt nach den vorherrschenden Nationalitäten (auf der Grundlage der von den Migranten bei der Ankunft gemachten Angaben); die größte Gruppe war die der Syrer, die zweitgrößte die der Afghanen und die drittgrößte die der Iraker. Eine weitere Aufschlüsselung der Zahlen zeigt einen sinkenden Anteil von Syrern (von 69 auf 51 %) und einen steigenden Anteil von Afghanen (von 18 auf 25 %) und Irakern (von 8 auf 17 %).

 

Abbildung 1: Quelle: Frontex Berichtsdaten Westbalkan

Abbildung 2: Quelle: Frontex Berichtsdaten Westbalkan

Abbildung 3: Quelle: Frontex FRAN-Daten (2015) und Berichtsdaten Westbalkan (Januar- Februar 2016).

Abbildung 4: Quelle: Frontex FRAN-Daten (2015) und JORA-Daten (Januar-Februar 2016); Stand: 2. März 2016. JORA-Daten sind vorläufige operative Daten, die noch Änderungen unterliegen.

Die irregulären Einreisen aus der Türkei nach Griechenland erfolgen nach einem geänderten Muster. Insgesamt gingen diese Einreisen seit Oktober zurück und stabilisierten sich in den Monaten Januar und Februar (siehe Abbildungen 1, 2 und 3) auf durchschnittlich rund 1 960 Einreisen pro Tag. Am 1. und 2. März belief sich die Zahl der Einreisen auf 209 bzw. 2266. Unter Berücksichtigung der Wintersaison blieben die Zahlen für diesen Zeitraum nach wie vor hoch – mehr als 120 000 Migranten gelangten seit Anfang des Jahres über Griechenland illegal in die EU.

Die gesetzlichen und operativen Maßnahmen der türkischen Behörden zur Eindämmung der irregulären Migration scheinen allerdings einige erste Auswirkungen auf die Migrationsströme zu haben. Sonstige politische Entwicklungen im Konfliktgebiet, in der Türkei und in den EU-Mitgliedstaaten haben sicherlich auch Auswirkungen auf die Zahl der irregulären Grenzübertritte zwischen der Türkei und Griechenland (z. B. Verschärfung des Konflikts in Syrien; Entscheidungen einiger Mitgliedstaaten und der westlichen Balkanländer zur Beschränkung der Anzahl der Migranten, die ihr Hoheitsgebiet passieren dürfen).

1.2.Statistische Daten (in der Türkei)

Die Türkei legte am 2. März einen neuen Satz von Daten über die Durchführung des gemeinsamen Aktionsplans vor, wie im Rahmen der Integrierten EU-Regelung für die politische Reaktion auf Krisen (IPCR) vereinbart. Die Daten wurden nach einem standardisierten Muster zusammengetragen. Die gemeinsame Datenerhebung zwischen der EU und der Türkei verläuft weiterhin regelmäßig und konstruktiv.

Die Türkei hat derzeit 2 928 975 Flüchtlinge aus Syrien 4 aufgenommen, denen sie als Gruppe vorübergehenden Schutz gewährt. Dieser Status bietet den Menschen Zugang zu staatlichen Versorgungsleistungen, etwa zu Bildung und medizinischer Versorgung, sowie seit dem 15. Januar 2016 zum Arbeitsmarkt. Bis zum 20. Februar wurden bei den türkischen Behörden 15 Anträge auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis für syrische Flüchtlinge gestellt. Am 22. Februar waren 273 519 Syrer in Flüchtlingslagern 5 untergebracht, wo ihnen vielfältige Unterstützung bereitgestellt wurde.

Auf der Grundlage der am 2. März von den türkischen Behörden an das IPCR übermittelten Angaben

besuchten 350 000 syrische Kinder unter vorübergehendem Schutz eine Schule;

wurden in den Flüchtlingslagern bis zum 5. Februar 151 746 Babys geboren;

hatte die Türkei am 1. Februar 256 700 Nicht-Syrer registriert und waren noch 141 059 Anträge auf internationalen Schutz anhängig; sind unter den Personen, die um internationalen Schutz ersuchen, vor allem die folgenden fünf Nationalitäten vertreten: Iraker (51%), Afghanen (25%), Iraner (14%), Somalier (2,5%) und Palästinenser (1%);

reisten vom 1. bis 15. Februar 7 011 Syrer regulär in die Türkei ein, während 12 769 die Türkei verließen; betrug die Zahl der regulären Einreisen/Ausreisen bei den Iranern im selben Zeitraum 65 546 bzw. 62 226, bei den Irakern 30 026 bzw. 26 338, bei den Libanesen 3 134 bzw. 3 230 und bei den Jordaniern 3 733 bzw. 3 380; dürfen Ausländer je nach der Geltungsdauer ihres Visums bis zu 90 Tagen in der Türkei bleiben; dürfen sich Ausländer, die für die Einreise in die Türkei kein Visum benötigen, innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen maximal 90 Tage in der Türkei aufhalten;

trafen sich am 24. und 25. Februar die türkischen und griechischen Rückübernahmebehörden in Ankara, um den Bearbeitungsrücktand bei 864  von Griechenland übermittelten Rückübernahmeanträgen zu bewältigen; übernahm die Türkei am 1. und 2. März 267 irreguläre Migranten;

richteten die Türkei und Griechenland eine Arbeitsgruppe zur Migration ein, deren erste Sitzung am 27. November 2015 in Ankara und deren zweite Sitzung am 1. Februar 2016 in Athen stattfand;

hinderten die türkischen Strafverfolgungs- und Grenzbehörden zwischen dem 1. und 29. Februar 8 540 Migranten an einer Seegrenze und 15 986 Migranten an einer Landgrenze an der irregulären Ausreise aus dem türkischen Hoheitsgebiet in Richtung EU. Allein am 15. Februar griff die türkische Küstenwache 985 irreguläre Migranten in Ayvalık, Çeşme und Bodrum auf. Insbesondere die türkischen Strafverfolgungsbehörden griffen zwischen dem 16. und 29. Februar mehr als 15 000 irreguläre Migranten auf.

führten die türkische Küstenwache, Polizei und Gendarmerie zwischen dem 1. und 15. Januar gemeinsam zehn gezielte Operationen durch, um irreguläre Migranten sowie Schleuser und Schlepper festzunehmen und um irreguläre Ausreisen zu verhindern. Dies führte zur Festnahme von 97 irregulären Migranten sowie von 308 Schleusern und Menschenschmugglern (von denen 11 an einer Seegrenze und 297 an Landgrenzen aufgegriffen wurden). Darüber hinaus griffen die türkischen Strafverfolgungsbehörden zwischen dem 16. und 29. Februar 391 Schleuser und Schmuggler auf;

beschlagnahmten die Gendarmerie und die Polizei im Januar 8 Transporter, 1 Boot, 11 Minibusse, 3 Busse, 15 Kraftfahrzeuge und 9 Schiffe;

erhielten die türkische Küstenwache, Polizei und Gendarmerie im Januar eine Reihe von Schulungen zur Stärkung ihrer Kapazitäten bei der Bekämpfung der irregulären Migration.

Die türkische Küstenwache, die Polizei und die Gendarmerie spielen eine zentrale Rolle beim Aufgriff irregulärer Migranten und Schlepper.

Teil 2:

Erfüllung der türkischen Verpflichtungen aus dem Gemeinsamen Aktionsplan EU-Türkei

Gemäß den von der Türkei im Rahmen des Dialogs über die Visaliberalisierung vorgelegten Informationen

trat der Ministerrat am 1. Februar 2016 zusammen und erörterte, welche weiteren Schritte die Türkei zur Eindämmung der irregulären Migration unternehmen kann; dabei unterstrich er die Entschlossenheit der Türkei bei der Bekämpfung der irregulären Migration und beschloss,

die Grenzkontrollen zu verstärken,

die Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden zu verstärken,

eine Sondereinheit zur Bekämpfung der Migrantenschleusung innerhalb der türkischen Nationalpolizei einzurichten,

höhere Strafen für Schleuser anzusetzen,

neue Maßnahmen zur Auflösung von Schleusernetzen einzuführen,

die Abfangkapazität der türkischen Küstenwache zu verstärken,

die Kapazität der „Abschiebezentren“ in der Türkei zu erhöhen.

Auf ihrer Tagung im Dezember 2015 beschloss die Gendarmerie, ihre Patrouillen an den östlichen, westlichen und südöstlichen Grenzen des Landes zu verstärken. In diesem Zusammenhang wurden in erster Linie sechs Provinzen in den östlichen und südöstlichen Grenzen sowie acht Provinzen an den westlichen Grenzen für verstärkte Patrouillen ausgewählt.

Am 14. Januar 2016 erwarb die türkische Küstenwache das Recht auf Einsichtnahme in das Schiffsregistersystem des Verkehrsministeriums, in dem alle Kaufs-, Verkaufs- und Annullierungsverfahren für Schiffe erfasst werden. Darüber hinaus bemüht sich die Türkei um den Zugang zur Interpol-Datenbank für gestohlene ausländische Schiffe.

Die Türkei ratifizierte die dreiseitige Vereinbarung mit Griechenland und Bulgarien. Das Abkommen tritt nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Türkei in Kraft.

Die Türkei hat erhebliche Fortschritte bei der Umsetzung der türkisch-griechischen Rückübernahmeverpflichtungen erzielt. Am 24. und 25. Februar traten eine griechische und eine türkische Delegation in Ankara zusammen, um die noch anhängigen 864  Rückübernahmeanträge zu bearbeiten. Am 26. Februar genehmigte die Türkei 859 dieser Anträge. Griechenland hielt 308 illegale Migranten nach wie vor in Haft und leitete am 1. und 2. März eine unmittelbare Überstellung der Rückkehrer mit dem Bus ein. Darüber hinaus kamen die Türkei und Griechenland bei ihren Beratungen über die Einführung wirksamerer Rückübernahmeverfahren voran, einschließlich der Entsendung türkischer Verbindungsbeamter in fünf Hotspots (beginnend mit Lesbos), wodurch die Rückführung von Wirtschaftsmigranten erleichtert werden soll. Griechenland und die Türkei vereinbarten auch eine zweiwöchentliche Videokonferenz, um den Informationsaustausch zu fördern und die operative Zusammenarbeit weiter zu verbessern. Des Weiteren kamen sie überein, die operative Zusammenarbeit bei der Rückkehr mit Unterstützung der EU und von FRONTEX, einschließlich der Organisation von Sammelflügen zur Rückführung, zu verstärken. Darüber hinaus haben das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und das Innenministerium ihre Konsultationen im Hinblick auf den griechischen Vorschlag fortgesetzt, die Zahl der in der Türkei bestehenden Zentren für die Rückübernahme irregulärer Migranten zusätzlich zu den bereits bestehenden Zentren in Dikili (in der Ägäis, Provinz İzmir) und Ipsala (an der Landgrenze zwischen Griechenland und der Türkei) zu erhöhen.

Am 5. Februar änderte die Türkei ihre Visumpolitik gegenüber irakischen Staatsbürgern. Nach den neuen Bestimmungen ist es für irakische Staatsbürger ab dem 10. Februar nicht mehr möglich, an der Grenze ein Visum zu erhalten. Um in die Türkei einreisen zu dürfen, müssen irakische Staatsbürger einen Antrag bei den diplomatischen Vertretungen der Türkei im Ausland stellen oder ein e-Visum beantragen. Darüber hinaus wird ab dem 5. Februar der Zugang zum eVisa-Verfahren eingeschränkt, der ab diesem Zeitpunkt nur noch für Inhaber gültiger Visa/Aufenthaltsgenehmigungen für den Schengenraum, die USA, das Vereinigte Königreich oder Irland offenstehen wird.

Die Türkei schlug die Aushandlung bilateraler Rückübernahmeabkommen mit 14 Ländern vor, einschließlich jener, die Ausgangspunkt von irregulärer Migration über die Türkei in die EU sind. Sie begann auch mit den Vorarbeiten, um festzulegen, dass die Staatsangehörigen von 18 Ländern, die als potenzielle Ausgangspunkte von irregulärer Migration gelten, im Besitz eines Visums für den Flughafentransit zur Durchreise durch die internationalen Transitzonen in die Türkei sind.

Am 8. Februar führten die türkischen Behörden im Hinblick auf das uneingeschränkte Inkrafttreten des Rückübernahmeabkommens zwischen der EU und der Türkei am 1. Juni eine Studienreise nach Georgien durch, um zu erfahren, wie dessen nationales elektronisches System für die Rückübernahme funktioniert. Die Türkei bewertet das System derzeit und wird in den nächsten Wochen Entscheidungen treffen.

Mit Europol einigte sich die Türkei auf den Entwurf eines Verbindungsabkommens über die Abstellung türkischer Verbindungsbeamter zu Europol. Dieser Entwurf muss dringend unterzeichnet werden.

Das türkische Parlament hat mit der Erörterung von Entwürfen für Rechtsvorschriften über den Schutz personenbezogener Daten begonnen. Einige Artikel wurden bereits angenommen. Die Unstimmigkeiten des Entwurfs in Bezug auf die europäischen Standards blieben jedoch bestehen, insbesondere was die Unabhängigkeit der Datenschutzbehörde und die Ausklammerung der Tätigkeiten von Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes anbelangt. Die Annahme eines mit europäischen Standards kompatiblen Datenschutzgesetzes ist entscheidend, da die Türkei dadurch enger mit Europol, Eurojust und mitgliedstaatlichen Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten könnte.

Die Generaldirektion für Migrationssteuerung (DGMM) traf am 26. Februar zum zweiten Mal mit den für Einwanderungsfragen zuständigen Verbindungsbeamten der EU-Mitgliedstaaten in der Türkei zusammen, um die Zusammenarbeit im Bereich der Migration zu verstärken.

Teil 3: 

Erfüllung der EU-Verpflichtungen aus dem Gemeinsamen Aktionsplan EU-Türkei

Im Anschluss an die am 3. Februar von den Mitgliedstaaten erzielte politische Einigung über die Finanzierungsquellen und operativen Modalitäten für die Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei (die Fazilität) fand am 17. Februar die erste Sitzung des Lenkungsausschusses statt. Der Ausschuss beschloss, so rasch wie möglich mit der Bereitstellung der Hilfe zu beginnen, wobei das erste Ziel darin besteht, den humanitären Bedarf der Flüchtlinge in der Türkei anzugehen und syrischen Kindern Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Zurzeit können etwa 400 000 syrische Kinder keine Schule besuchen. Dies ist ein wichtiger Push-Faktor, da sich diese Situation nicht nur negativ auf das unmittelbare Wohlergehen der Kinder auswirkt, sondern auch auf ihre Zukunftschancen.

Mit der Zuweisung eines ersten Betrags in Höhe von 90 Mio. EUR aus dem EU-Haushalt für humanitäre Hilfe, die über eine Reihe von akkreditierten humanitären Partnerorganisationen bereitgestellt werden soll, hat die Kommission dem Beschluss des Lenkungsausschusses umgehend Folge geleistet. Die Auftragsvergabe läuft bereits, um die humanitäre Hilfe, einschließlich der Bereitstellung von Nahrungsmitteln, anderen Hilfsgütern, medizinischer Versorgung, Wasser- und Sanitärversorgung sowie Schutz in der Türkei rasch auszuweiten. Ferner bereitet die EU die erste Maßnahme im Rahmen der Fazilität für Flüchtlinge vor, um 110 000 außerhalb von Lagern in der Türkei lebenden syrischen Kindern im schulpflichtigen Alter Zugang zur formalen Bildung zu ermöglichen. Diese Maßnahme wird in der nächsten Zeit konkret umgesetzt werden. In diesem Zusammenhang wird in der kommenden Woche die Übertragung von 55 Mio. EUR aus der Fazilität auf den Treuhandfonds der EU als Reaktion auf die Krise in Syrien verabschiedet.

Darüber hinaus vereinbarte die EU ein Projekt in Höhe von 20 Mio. EUR im Rahmen des Instruments, das zu Stabilität und Frieden beiträgt, durch das die Patrouillen und Überwachungskapazität der türkischen Küstenwache verstärkt werden sollen.

Die Bedarfsbewertung für syrische Flüchtlinge in der Türkei, die die Kommission gemeinsam mit den türkischen Behörden durchführt, schreitet weiter voran und ein erster Überblick wird für Mitte März erwartet. Der Abschluss der Studie ist für Ende April vorgesehen, vorausgesetzt, dass die Türkei ihren Beitrag in den nächsten Tagen zur Verfügung stellt. Die Bedarfsbewertung soll helfen, über die Fazilität zu finanzierende Projekte zu ermitteln. Bislang hat die Kommission die Bildung und die Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit der syrischen Flüchtlinge als Prioritäten für sofortige Hilfe ausgemacht. Nach einer aktuellen vorläufigen Schätzung könnten ein Drittel der Hilfe für die Befriedigung humanitärer Bedürfnisse und zwei Drittel für die Unterstützung des Zugangs zu Bildung (Hauptschwerpunkt), lokale Infrastruktur und Arbeitsmöglichkeiten eingesetzt werden.

Die EU führte im Berichtszeitraum mit der Türkei Gespräche hinsichtlich:

der Vorbereitung der vollständigen Anwendung des Rückübernahmeabkommens zwischen der EU und der Türkei ab dem 1. Juni;

grundlegender Verbesserungen bei der Umsetzung des bilateralen Rückübernahmeprotokolls zwischen der Türkei und Griechenland, mit dem der Bearbeitungsrückstand bei den Rückübernahmeersuchen und die Übernahme von Rückkehrern bewältigt werden soll;

der Fortführung der technischen Überarbeitung der Regelung für die freiwillige Aufnahme von Flüchtlingen aus humanitären Gründen;

der Beschleunigung der Durchführung des gemeinsamen Aktionsplans (z. B. Erörterung und Umsetzung konkreter Maßnahmen, die zu einer entschlossenen und zielgerichteten Umsetzung des gemeinsamen Aktionsplans beitragen).

Die Kommission und die Türkei setzten ihre Beratungen über die Prioritäten des Programms 2016 im Rahmen des Instruments für Heranführungshilfe (IPA) fort; dabei lag der Fokus eindeutig darauf, die finanzielle Hilfe aufzustocken, um der Türkei bei der Erfüllung der Anforderungen aus dem Fahrplan zur Visaliberalisierung zu helfen.

Die durch die Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei koordinierte Unterstützung ergänzt die bereits geleistete Arbeit der EU, mit der die syrischen Flüchtlinge und die türkischen Aufnahmegemeinschaften direkt unterstützt werden. Seit Beginn der Krise wurden über 350 Mio. EUR aus dem EU-Haushalt für diesen Zweck gebunden. Von diesen Mitteln wurden bislang 71 Mio. EUR für humanitäre Hilfszwecke eingesetzt, wobei die Hilfe über einschlägige humanitäre Organisationen bereitgestellt werden soll, um vorrangig die Flüchtlinge in der Türkei zu unterstützen. Außerdem wird ein erstes Soforthilfeprogramm mit einem Umfang von 18 Mio. EUR im Rahmen von IPA umgesetzt. Das Programm zur Deckung des unmittelbaren Bildungs- und Nahrungsmittelbedarfs syrischer Flüchtlinge in der Türkei war im Mai 2015 vom Vorstand des EU-Treuhandfonds als Reaktion auf die Krise in Syrien gebilligt worden. Für seine Umsetzung wurden im September 2015 Abkommen mit UNICEF und dem Welternährungsprogramm unterzeichnet. Ende 2015 wurden dem Treuhandfonds 165 Mio. EUR aus IPA-Mitteln von 2012, bei denen eine Aufhebung der Mittelbindungen drohte, davon 25 Mio. EUR türkische Kofinanzierung, sowie weitere 15 Mio. EUR aus dem IPA-Programm 2013 und 2015 für Projekte in der Türkei zugewiesen.

Die EU hat die syrischen Flüchtlinge, die im Libanon, in Jordanien und im Irak untergebracht sind, sowie die syrischen Flüchtlinge innerhalb Syriens auch weiterhin in großem Umfang unterstützt.

Die EU hat die Einstellung und vorherige Schulung eines Verbindungsbeamten von Frontex, der in Kürze in die Türkei entsandt wird, abgeschlossen.

Teil 4

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Die Zahl der irregulären Migranten, die aus der Türkei in die EU einreisen, ist seit Oktober 2015 insgesamt rückläufig, hat jedoch in den letzten zwei Wochen des Monats Februar wieder zu steigen begonnen und ist für diese Jahreszeit hoch.

Die Türkei hat eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um den gemeinsamen Aktionsplan, wie oben dargelegt, durchzuführen, aber diese gemeinsamen Anstrengungen haben noch nicht zu einer ausreichenden bzw. dauerhaften Senkung der Migrationsströme geführt. Um diesem besorgniserregenden Umstand zu hoher Zuströme zu begegnen, muss die Türkei dringend Fortschritte bei der Unterbindung irregulärer Ausreisen von Migranten und Flüchtlingen aus ihrem Hoheitsgebiet sowie bei der verstärkten Bekämpfung von Schleusern machen. Ganz wichtig für die Unterbindung irregulärer Ausreisen und die Intensivierung der nationalen und internationalen Anstrengungen zur wirksameren Bekämpfung von Schleusern ist es, dass vermehrt Maßnahmen an Land durchgeführt werden.

Das Migrationsmuster hat sich während der letzten Monate dahingehend verändert, dass fast 50 % der Gesamtzahl der irregulären Migranten, die im Februar die EU erreichten, nicht-syrischer Herkunft sind (z. B. Afghanen, Iraker, Iraner, Pakistaner, Bangladescher, Palästinenser, Marokkaner, Algerier). Um dieses Phänomen anzugehen, wird die Türkei aufgefordert, zügig Rückübernahmeabkommen mit den betreffenden Drittstaaten auszuhandeln bzw. abzuschließen, insbesondere mit jenen, die Ausgangsort der irregulären Migration in die EU sind, und die Ratifizierung dieser bereits unterzeichneten, aber noch nicht in Kraft getretenen Abkommen zu beschleunigen.

Die Türkei muss sicherstellen, dass die Antragsverfahren für die Gewährung des internationalen Schutzstatus gemäß den nationalen Vorschriften zügig abgeschlossen werden, entweder mit einer klaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder mit einer Ablehnung. Die Türkei muss des Weiteren sicherstellen, dass irreguläre Migranten, die erwiesenermaßen keines internationalen Schutzes bedürfen, an einer irregulären Weiterreise in die EU gehindert werden.

Eines der wichtigsten Ergebnisse des Berichtszeitraums sind die bedeutenden Fortschritte, die die Türkei und Griechenland bei der Umsetzung ihres bilateralen Rückübernahmeprotokolls erzielt haben. Diese Fortschritte sind wichtig, da sie die Grundlage für eine verbesserte Umsetzung des Rückübernahmeabkommens zwischen der EU und der Türkei darstellen und die Perspektive eröffnen, dass alle Wirtschaftsmigranten und Migranten, deren Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen wird, tatsächlich innerhalb einer kurzen Frist in die Türkei zurückgeführt werden können. Die Bemühungen sind nun verstärkt auf die fristgerechte Überstellung der Rückkehrer zu richten, wobei eine Vereinbarung über das Mandat für die gemeinsame Arbeit getroffen wird, beschleunigte Verfahren eingesetzt werden, Verbindungsbeamte auf fünf Inseln entsandt werden und eine wirksame Kommunikation über den Rückübernahmeprozess stattfindet, um irreguläre Migration zu verhindern und die griechischen Kapazitäten zur Gewährleistung solcher Rückführungen auszubauen. 

Die Türkei wird nachdrücklich aufgefordert, stärker gegen die Schleusung von Migranten vorzugehen, insbesondere durch die Zusammenarbeit mit Akteuren der EU und der Mitgliedstaaten. Konkret wird die Türkei aufgefordert, grundlegende Maßnahmen gegen die Schleusung von Migranten zu ergreifen; ihre Anstrengungen zur Verhinderung irregulärer Grenzübertritte aus der Türkei in die EU zu verstärken, insbesondere durch verstärkte Strafverfolgungsmaßnahmen an Land; die Bemühungen der Küstenwache und anderer Strafverfolgungsbehörden bei der Durchführung gemeinsamer Operationen weiter zu stärken; den Informationsaustauschs über die Schleusung von Migranten in den türkischen Strafverfolgungsbehörden und mit Akteuren der EU und der Mitgliedstaaten zu intensivieren und die Zusammenarbeit im Rahmen des NATO-Einsatzes im Ägäischen Meer zu fördern.

Die Türkei wird darüber hinaus ersucht, die Vorbereitungsarbeiten für die Umsetzung des Rückübernahmeabkommens EU-Türkei zur Rückübernahme von Drittstaatsangehörigen ab dem 1. Juni 2016 stärker voranzutreiben. In diesem Zusammenhang ist es von grundlegender Bedeutung, dass der Rat so rasch wie möglich den Standpunkt der EU im Gemischten Rückübernahmeausschuss hinsichtlich des Beschlusses des Ausschusses annimmt, die Anwendung der Bestimmungen des Rückübernahmeabkommens zwischen der EU und der Türkei ab dem 1. Juni 2016 auf Drittstaatsangehörige zu ermöglichen 6 .

Die Türkei sollte auch die Zusammenarbeit mit der EU bei der Beurteilung der Bedürfnisse der syrischen Flüchtlinge intensivieren, damit die Hilfe im Rahmen der Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei besser geplant werden kann.

Nach der Einigung auf die Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei muss die EU ihrerseits die Bereitstellung der Unterstützung beschleunigen und sich der Bedürfnisse dieser Flüchtlinge annehmen. Die finanzielle Unterstützung für Flüchtlinge in der Türkei ist vorrangig bestimmt für humanitäre Hilfe, Bildung, Eingliederung in den Arbeitsmarkt, medizinische Versorgung und soziale Inklusion, lokale Infrastruktur und die Steuerung der Flüchtlingsströme. Die laufende Bedarfsanalyse wird den Finanzierungsbedarf detailliert ermitteln und Grundlage für die Festlegung der Dringlichkeit in allen Bereichen sein. Der Lenkungsausschuss der Fazilität wird strategische Leitlinien ausarbeiten und entscheiden, welche spezifischen Maßnahmen, welche Beträge und welche Finanzinstrumente eingesetzt werden sollen. Die Kommission beruft die zweite Sitzung des Lenkungsausschusses ein, sobald ein erster Überblick über die Bewertung des Bedarfs vorliegt.

Die Türkei und die EU müssen weiter konkrete Maßnahmen treffen, um den Aktionsplan entschlossen und zielgerichtet umsetzen zu können. Es ist wichtig, dass diese gemeinsamen Anstrengungen rasch zu Ergebnissen vor Ort führen, insbesondere bei der Eindämmung des Zustroms irregulärer Migranten.

Abschließend ist zu sagen, dass die Türkei bei der Umsetzung des gemeinsamen Aktionsplans einen guten Anfang gemacht hat. Sie wird nachdrücklich aufgefordert, ihre Maßnahmen im Hinblick auf die vollständige, wirksame und zügige Umsetzung des gemeinsamen Aktionsplans fortzusetzen und weiter zu verstärken.

Die Kommission wird ihre Anstrengungen ebenfalls weiter intensivieren, um die zügige und wirksame Durchführung des Aktionsplans EU-Türkei sicherzustellen. Sie wird die Durchführung des Gemeinsamen Aktionsplans weiterhin aufmerksam verfolgen und regelmäßig Bericht hierüber erstatten.

(1)

Der Bericht verweist in einigen Fällen auch auf Angaben, Entwicklungen und Beschlüsse aus der Zeit vor dem Berichtszeitraum bzw. von Anfang März.

(2)

In diesem Zusammenhang wurden drei gemeinsame Übersichten zwischen der EU und der Türkei ausgearbeitet. Auf EU-Seite wird bei der Datenerhebung uneingeschränkt auf die Integrierte EU-Regelung für die politische Reaktion auf Krisen (Integrated Political Crisis Response - IPCR) zurückgegriffen.

(3)

Wie schon im ersten und zweiten Durchführungsbericht betreffen diese Abbildungen nur die Einreisen aus der Türkei nach Griechenland, da auf sie mehr als 99 % der Einreisen insgesamt entfallen.

(4)

 Zahl der registrierten syrischen Flüchtlinge nach Angaben der türkischen Behörden am 2. März in Zentren für den vorübergehenden Schutz (273 519) und in den Gemeinden (2 655 456); 77 059 Neuregistrierungen zwischen dem 1. Februar und dem 2. März.

(5)

Die Türkei verwendet für Flüchtlingslager den Begriff „Zentren für den vorübergehenden Schutz“.

(6)

  COM(2016) 72 final 2016/0044 (NLE).

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