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Document 52016DC0054

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT UND DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS über die Anwendung des Beschlusses Nr. 994/2012/EU zur Einrichtung eines Mechanismus für den Informationsaustausch über zwischenstaatliche Energieabkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern

COM/2016/054 final

Brüssel, den 16.2.2016

COM(2016) 54 final

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT UND DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

über die Anwendung des Beschlusses Nr. 994/2012/EU zur Einrichtung eines Mechanismus für den Informationsaustausch über zwischenstaatliche Energieabkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern


1.    Einleitung

Gemäß Artikel 8 des Beschlusses Nr. 994/2012 1 (im Folgenden „ZSA-Beschluss“) ist die Kommission verpflichtet, dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss einen Bericht über die Anwendung dieses Beschlusses vorzulegen. Mit dem vorliegenden Bericht soll dieser Verpflichtung nachgekommen werden. Er beruht auf den Ergebnissen des Bewertungsberichts, der der Folgenabschätzung zur Überarbeitung des ZSA-Beschlusses beigefügt ist. Diese Überarbeitung ist in der Strategie für eine sichere europäische Energieversorgung 2 vom Mai 2014 und in der Strategie für die Energieunion 3 vom Februar 2015 vorgesehen, in denen die Notwendigkeit der vollständigen Einhaltung des EU-Rechts bei nationalen Energieabkommen mit Drittländern betont wird. In demselben Bestreben forderte auch der Europäische Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 19. März 2015 die „Gewährleistung der vollständigen Einhaltung des EU-Rechts bei allen Abkommen über den Gaseinkauf bei externen Lieferanten, insbesondere durch mehr Transparenz dieser Abkommen und die Vereinbarkeit mit den EU-Vorschriften über Energieversorgungssicherheit“.

Verhandlungen mit Energielieferanten in Drittländern erfordern häufig politische und rechtliche Unterstützung in Form von zwischenstaatlichen Abkommen. Zwischenstaatliche Abkommen werden normalerweise bilateral verhandelt und bilden häufig die Grundlage für detailliertere kommerzielle Verträge. Die Einhaltung mancher EU-Bestimmungen zum Energiebinnenmarkt und des Wettbewerbsrechts ist nicht immer im kommerziellen Interesse von Energielieferanten aus Drittstaaten. Die Mitgliedstaaten können daher unter Druck geraten, in ihren zwischenstaatlichen Abkommen mit Drittländern Zugeständnisse zu machen. Derartige Zugeständnisse können das reibungslose Funktionieren des Energiebinnenmarkts der EU gefährden.

Angesichts dieser Problematik und um in den energiepolitischen Beziehungen mit wichtigen Drittländern Kohärenz zu gewährleisten, hat der Europäische Rat am 4. Februar 2011 die Mitgliedstaaten aufgefordert, die Kommission ab dem 1. Januar 2012 über alle ihre neuen und bestehenden bilateralen Energieabkommen mit Drittländern zu unterrichten. 4 Mit der Annahme des Beschlusses Nr. 994/2012/EU vom 25. Oktober 2012 (ZSA-Beschluss) wurde zur Erfüllung dieser Forderung ein Mechanismus für den entsprechenden Informationsaustausch eingerichtet.

Im ZSA-Beschluss werden zwischenstaatliche Abkommen definiert als rechtsverbindliche Abkommen zwischen einem oder mehreren Mitgliedstaaten und einem oder mehreren Drittländern, die Auswirkungen auf das Funktionieren des Energiebinnenmarkts oder auf die Energieversorgungssicherheit in der Union haben. In diesem Zusammenhang sind nur zwischenstaatliche Abkommen zu Fragen, die unter den Euratom-Vertrag fallen, ausgenommen. 5  

Im vorliegenden Bericht über die Anwendung des ZSA-Beschlusses gemäß Artikel 8 des Beschlusses wird insbesondere bewertet,

inwieweit der ZSA-Beschluss für die Übereinstimmung zwischenstaatlicher Abkommen mit dem EU-Recht förderlich ist und zu einem hohen Maß an Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten hinsichtlich zwischenstaatlicher Abkommen beiträgt,

wie sich der ZSA-Beschluss auf die Verhandlungen von Mitgliedstaaten mit Drittländern auswirkt und

inwieweit der Anwendungsbereich des ZSA-Beschlusses und die in ihm festgelegten Verfahren angemessen sind.

Der Bericht bezieht sich auf die Anwendung des ZSA-Beschlusses seit seinem Inkrafttreten am 17. November 2012 und seine Auswirkungen auf sowohl vor als auch nach diesem Zeitpunkt übermittelte zwischenstaatliche Abkommen. Der Bericht orientiert sich an den in den Leitlinien für eine bessere Rechtsetzung festgelegten Kriterien Wirksamkeit, Effizienz, Kohärenz, Relevanz und EU-Mehrwert. Ferner wird bewertet, ob der derzeitige durch den ZSA-Beschluss geschaffene Rahmen vereinfacht werden könnte.

2.    Bewertung

Seit der Annahme des ZSA-Beschlusses haben die Mitgliedstaaten der Kommission 124 zwischenstaatliche Abkommen mitgeteilt. Soweit dies beurteilt werden kann, sind die Mitgliedstaaten ihren Mittteilungspflichten nachgekommen. Es gibt jedoch auch Abkommen, die entweder nach der Definition in Artikel 2 des ZSA-Beschlusses oder im Sinne des Völkerrechts nicht rechtsverbindlich sind 6 und für die im Rahmen des derzeitigen ZSABeschlusses keine Mitteilungspflicht besteht. Solche Abkommen können in Bezug auf die rechtlichen und technischen Besonderheiten des zugrunde liegenden Sachverhalts (z. B. bei Energieinfrastrukturprojekten) sehr detailliert sein.

Von den 124 übermittelten Abkommen

betrafen 60 % die allgemeine Zusammenarbeit im Energiebereich (hauptsächlich die bilaterale Zusammenarbeit im Energiebereich zwischen EU-Mitgliedstaaten und einer Vielzahl von Drittländern, darunter beispielsweise Kuba, Vietnam, Singapur, Korea, Indien und China). Bei keinem dieser Abkommen gab es Bedenken, so dass keine weiteren Schritte der Kommission erforderlich waren;

betrafen etwa 40 % die Versorgung mit oder die Einfuhr oder den Transit von Energieerzeugnissen (Erdöl, Erdgas oder Strom) oder die Festlegung von Vorschriften für die Nutzung von Gas- oder Ölfeldern oder waren bilaterale oder multilaterale Vereinbarungen über die Entwicklung von Energieinfrastruktur, d. h. größtenteils von Erdöl- und Erdgasfernleitungen.

Nach Prüfung der übermittelten Abkommen der zweiten Kategorie äußerte die Kommission bei 17 Abkommen Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit dem EU-Recht. Bei den betreffenden EU-Rechtsvorschriften ging es vornehmlich entweder um Bestimmungen des Dritten Energiepakets (z. B. eigentumsrechtliche Entflechtung, Zugang Dritter und Tariffestsetzung, einschließlich der Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörde) oder das EUWettbewerbsrecht (Unterbindung der Marktsegmentierung durch Klauseln zum Bestimmungsort).

Somit wurde rund ein Drittel der übermittelten zwischenstaatlichen Abkommen über Energieversorgung oder Energieinfrastruktur als bedenklich erachtet. 2013 wurden die neun betroffenen Mitgliedstaaten angeschrieben und aufgefordert, die fraglichen zwischenstaatlichen Abkommen zu ändern oder zu beenden, um die festgestellten Unvereinbarkeiten zu beheben.

2.1    Wirksamkeit

Bislang hat noch kein Mitgliedstaat die mit dem EU-Recht nicht im Einklang stehenden zwischenstaatlichen Abkommen beendet oder neu ausgehandelt. 7 Grund dafür ist insbesondere die komplexe rechtliche Situation, die mit der Unterzeichnung eines zwischenstaatlichen Abkommens mit einem Drittland entsteht. Sobald ein Mitgliedstaat ein zwischenstaatliches Abkommen geschlossen hat, das nach dem Völkerrecht verbindlich ist und das keine Kündigungs- oder Aussetzungsklausel enthält, ist es – in rechtlicher Hinsicht – für den betreffenden Mitgliedstaat fast unmöglich, dieses Abkommen ohne Zustimmung des Drittlands kurzfristig und vor dem Ende der ursprünglichen Laufzeit zu kündigen. Gleiches gilt für die Neuaushandlung eines zwischenstaatlichen Abkommens, für die ebenfalls die Zustimmung des Drittlandes erforderlich ist. Dies wiederum beschränkt die Durchsetzungsbefugnisse der Kommission selbst bei Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens erheblich.

Von den nach Inkrafttreten des ZSA-Beschlusses unterzeichneten zwischenstaatlichen Abkommen wurde der Kommission nur eines übermittelt. Daher ist es gegenwärtig nicht möglich, allgemeine Schlussfolgerungen in Bezug darauf zu ziehen, wie wirksam der ZSABeschluss die Vereinbarkeit von nach 2012 geschlossenen zwischenstaatlichen Abkommen mit dem EU-Recht gewährleistet.

Seit der Annahme des ZSA-Beschlusses haben die Mitgliedstaaten der Kommission keine Verhandlungen über zwischenstaatliche Abkommen gemeldet. Unbestritten ist jedoch, dass Mitgliedstaaten Kontakte zu Drittländern hatten, bei denen es um Infrastruktur und die damit im Zusammenhang stehende Versorgung mit Energieerzeugnissen ging. Die Kommission ist jedoch nicht in der Lage zu beurteilen, inwieweit die Mitgliedstaaten und Drittstaaten politische Verpflichtungen (z. B. in Form von Memoranda of Understanding, Notenwechseln oder Absichtserklärungen) eingegangen sind.

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen haben die Bestimmungen des derzeitigen ZSA-Beschlusses nicht dazu geführt, dass mit dem EU-Recht nicht im Einklang stehende zwischenstaatliche Abkommen so geändert wurden, dass sie mit dem EU-Recht vereinbar sind. Dies ist insbesondere auf die im ZSA-Beschluss vorgesehene Form der nachträglichen Vereinbarkeitsprüfung zurückzuführen.

Die Bestimmungen des derzeitigen ZSA-Beschlusses hatten auch keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Verhandlungen von Mitgliedstaaten mit Drittländern. Daher wird der ZSA-Beschluss in seiner jetzigen Form nicht als wirksam angesehen.

2.2    Effizienz

Eine empirische Bewertung oder gar Modellierung der durch den derzeitigen ZSA-Beschluss entstehenden Kosten ist nicht möglich. Aus der nachträglich erfolgenden Prüfung der Abkommen auf ihre Vereinbarkeit mit dem EU-Recht ergibt sich jedoch eine Reihe von qualitativen Erwägungen.

Bei mit dem EU-Recht im Einklang stehenden zwischenstaatlichen Abkommen und zwischenstaatlichen Abkommen über die allgemeine bilaterale Zusammenarbeit im Energiebereich, die keine Aspekte des EU-Rechts berühren, ergeben sich aus dem ZSABeschluss für die Mitgliedstaaten keine direkten Kosten, außer den Verwaltungskosten im Zusammenhang mit der Übermittlung der zwischenstaatlichen Abkommen im Rahmen des derzeitigen Mechanismus für den Informationsaustausch. Diese Verwaltungskosten sind sehr begrenzt, da die zwischenstaatlichen Abkommen elektronisch hochgeladen werden können und von den Mitgliedstaaten nicht übersetzt werden müssen.

Andererseits entstehen durch nachträglich als mit dem EU-Recht nicht vereinbar eingestufte zwischenstaatliche Abkommen zusätzliche direkte und indirekte Kosten. Dazu gehören direkte, die Behörden betreffende Kosten wie Verwaltungskosten, die (i) der Kommission im Zusammenhang mit der internen Entscheidungsfindung und der Kommunikation mit dem/den betreffenden Mitgliedstaat(en) entstehen und die sich (ii) sowohl für den/die Mitgliedstaat(en) als auch die Kommission im Fall von Folgemaßnahmen der Kommission wie einem strukturierten Dialog mit den Mitgliedstaaten oder einem Vertragsverletzungsverfahren ergeben. Darüber hinaus können den Mitgliedstaaten im Falle von zwischenstaatlichen Abkommen ohne Kündigungsklauseln Gerichtskosten entstehen, da das Drittland vor einem internationalen Schiedsgericht eine Entschädigung für die Nichtanwendung des betreffenden Abkommens fordern kann.

Ferner können sich für die nationalen Behörden und die an Infrastrukturprojekten beteiligten Unternehmen indirekte Kosten ergeben. Dabei geht es um Kosten im Zusammenhang mit der Streichung, Aussetzung oder Verzögerung von Infrastrukturprojekten, deren Rechtsrahmen nachträglich als mit dem EU-Recht nicht vereinbar eingestuft wurde, wenn die physische Infrastruktur bereits teilweise entwickelt war und/oder Kosten entstanden sind.

Es ist anzunehmen, dass sich der bisher gezeigte Nutzen des derzeitigen Systems aus der verbesserten Vereinbarkeit der zwischenstaatlichen Abkommen mit dem EU-Recht ergibt, die auf die Erwartungen der Vertragsparteien oder eine nachträgliche Prüfung des Abkommens zurückzuführen ist. Der wirtschaftliche Nutzen zwischenstaatlicher Abkommen, die mit dem EU-Recht vereinbar sind, besteht in

einer größeren Rechtssicherheit, wodurch Investitionen begünstigt werden. Dies gilt insbesondere für infrastrukturbezogene zwischenstaatliche Abkommen, die dazu bestimmt sind, Rechts- und Regulierungssicherheit für Projekte mit hohen Investitionen zu schaffen. Diese höhere Rechtssicherheit ist insbesondere dann wichtig, wenn mehrere bilaterale Abkommen ein Transitabkommen/Infrastrukturprojekt betreffen;

einem gut funktionierenden Energiebinnenmarkt ohne Segmentierung auf nationaler Ebene und mit größerem Wettbewerb;

mehr Transparenz in Bezug auf die Lage der Versorgungssicherheit in allen Mitgliedstaaten, wodurch sich wiederum überflüssige Investitionen und/oder Infrastrukturlücken vermeiden ließen;

einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission, die dazu beitragen kann, dass die EU gegenüber Drittstaaten einheitlich auftritt, und damit die Verhandlungsposition der EU bei Verhandlungen im Energiebereich stärkt.

Zusammenfassend kann der ZSA-Beschluss als hinreichend effizient angesehen werden. Generell sind die mit dem derzeitigen ZSA-Beschluss verbundenen Kosten durch seinen relativen Nutzen gerechtfertigt, da er das Funktionieren und die Integrität des Energiebinnenmarktes sichert und zur Versorgungssicherheit beiträgt. Der ZSABeschluss könnte jedoch effizienter sein, wenn die Vereinbarkeitsprüfung vorab durchgeführt würde. Dies würde die Rechtssicherheit deutlich erhöhen und Kosten sowohl für die Mitgliedstaaten als auch für die Kommission vermeiden helfen.

2.3    Kohärenz

Der ZSA-Beschluss steht im Einklang mit einer Reihe von Maßnahmen, die auf EU-Ebene beschlossen wurden, um die Funktionsweise des Energiemarktes der EU zu verbessern und die Energieversorgungssicherheit der EU zu erhöhen. Der Beschluss stammt aus dem Jahr 2012 und ergänzt die 2010 angenommene Verordnung zur Gewährleistung der sicheren Erdgasversorgung 8 . Die Überprüfung des derzeitigen ZSA-Beschlusses ist zudem Bestandteil der Strategie für die Energieunion. Auch im Rahmen einer der fünf sich gegenseitig verstärkenden Dimensionen der Energieunion – Sicherheit der Energieversorgung, Solidarität und Vertrauen – wird die Bedeutung der mit dem ZSA-Beschluss verfolgten Ziele hervorgehoben.

Insgesamt steht der ZSA-Beschluss in vollem Einklang mit anderen Initiativen der Rahmenstrategie für die Energieunion, mit denen ähnliche Ziele verfolgt werden.

2.4    Relevanz

Große Infrastrukturprojekte sind nach wie vor auf Unterstützung der öffentlichen Hand in Form von zwischenstaatlichen Abkommen angewiesen, die in den kommenden Jahren geschlossen oder verlängert werden müssen.

Bei den Gaslieferungen betrug der Anteil von Rohrleitungsgas am insgesamt aus Drittländern eingeführten Gas im Jahr 2014 90 %. Die meisten Gasfernleitungen, die die EU mit ihren Handelspartnern verbinden, wurden zwischen Ende der 1970er und Ende der 1990er Jahre in Betrieb genommen. Die Einfuhr von Rohöl in die EU erfolgt zu 90 % auf dem Seeweg und nur zu 10 % über die Fernleitungsinfrastruktur 9 , für welche vom Projektträger möglicherweise ein zwischenstaatliches Abkommen gefordert wird. Der Anteil der Nettostromeinfuhren der EU an der Bruttostromerzeugung beträgt für die EU28 weniger als 1 %. 10 Wie auch im Falle von Rohöl sind jedoch einige isolierte Stromnetze in der EU (vor allem in den baltischen Mitgliedstaaten) in hohem Maße von über Leitungen eingeführtem Strom aus Drittländern abhängig. 11 Ähnlich wie bei Gas und Öl wurde auch hier die nötige Verbindungsinfrastruktur bereits vor mehreren Jahrzehnten gebaut. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass auf EUEbene ein erheblicher Anteil eines Energieerzeugnisses (Gas) und für bestimmte EUMitgliedstaaten ein entscheidender Anteil eines Energieerzeugnisses (Öl und Strom) über physische Verbindungsleitungen in die EU eingeführt werden.

Die Umsetzung von Infrastrukturprojekten erfolgt auf der Grundlage komplexer vertraglicher Vereinbarungen zwischen den Projektträgern, die häufig auf einem oder mehreren Abkommen zwischen den Produktions-, Transit- und Empfängerländern beruhen. Aufgrund der langen Laufzeit vieler zwischenstaatlicher Abkommen unterliegen ihre Verlängerung und die Übermittlung der Abkommen zyklischen Schwankungen. Die Tatsache, dass der Kommission seit 2012 nur ein zwischenstaatliches Abkommen übermittelt wurde, bedeutet somit nicht, dass ihr auch künftig keine neuen zwischenstaatlichen Abkommen notifiziert werden. Darüber hinaus ist nicht die Zahl der übermittelten zwischenstaatlichen Abkommen von Belang, sondern die Bedeutung der Projekte, die Gegenstand dieser Abkommen sind, sowie ihre Vereinbarkeit mit dem EU-Recht. Bei der Verlängerung zwischenstaatlicher Abkommen für ältere Infrastruktur dürften die ursprünglichen mit dem Bau verbundenen Risiken von geringerer Bedeutung sein, so dass es nun umso wichtiger sein könnte, die zwischenstaatlichen Abkommen auf ihre Vereinbarkeit mit dem EU-Recht zu prüfen.

Die Abhängigkeit der EU von Einfuhren (von Brennstoffen, Technologien und anderen Materialien) dürfte in den nächsten zwei Jahrzehnten stabil bleiben oder zunehmen. 12 Obwohl in den kommenden Jahren wahrscheinlich nur wenige neue Energiekorridore entwickelt werden, könnte die potenzielle neue Infrastruktur dieser Energiekorridore Auswirkungen auf den gesamten europäischen Energiemarkt haben. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass zwischenstaatliche Abkommen im Zusammenhang mit dieser Art von Infrastruktur mit dem EU-Recht und der Diversifizierungspolitik der EU vereinbar sind. Darüber hinaus steigt bei neuen Infrastrukturprojekten die Zahl der in den zwischenstaatlichen Abkommen üblicherweise behandelten Fragen. Mit zunehmender Länge der Energieversorgungwege erhöhen sich auch die Zahl, die rechtliche Hierarchie und die Komplexität der zwischenstaatlichen Abkommen. 13 Im Zusammenhang mit Brennstoffen ist Haftung eine wichtige Frage, die nur von den Regierungen zu klären ist, und beinahe alle Netzverbindungen unterliegen bilateralen oder multilateralen zwischenstaatlichen Abkommen. Vor dem Hintergrund dieser immer höheren Komplexität bleiben zwischenstaatliche Abkommen nach wie vor relevant, insbesondere in Bezug auf die Entwicklung potenzieller neuer Energieprojekte im Rahmen der Energiediversifizierungspolitik der EU.

Im Zusammenhang mit zwischenstaatlichen Abkommen, die den Erwerb von Energieerzeugnissen betreffen, hat sich im Laufe der letzten zehn Jahre die Art und Weise der Einfuhr dieser Erzeugnisse in den EU-Binnenmarkt gewandelt. Insbesondere bei der Einfuhr von Gas haben marktgestützte Mechanismen wie die hub-basierte Preisbildung die langfristigen an den Ölpreis gekoppelten Verträge als bevorzugtes Mittel der Preisfestsetzung abgelöst. Allerdings verdeckt die allgemeine Umstellung auf gasmarktgestützte Preisbildungsmechanismen die Unterschiede zwischen den einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Während die Lage in den Mitgliedstaaten Mittel- und Nordwesteuropas die allgemeine Tendenz wiederspiegelt, haben andere EU-Mitgliedstaaten wie die baltischen Staaten und die Staaten Südosteuropas den Wechsel hin zur hub-basierten Preisbildung noch nicht vollzogen.

Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen kommt die Kommission zu der Einschätzung, dass im Energiesektor der EU zwischenstaatliche Abkommen weiterhin eine wichtige Rolle spielen werden. Der ZSA-Beschluss ist daher nach wie vor von Belang, muss aber an die sich wandelnden Rahmenbedingungen der Energielieferungen und Versorgungswege angepasst werden.

2.5    EU-Mehrwert

In Bezug auf die Energiesicherheit ist die Lage in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich. Die am wenigsten gefährdeten Gebiete der EU sind jene, in denen eine Vielzahl unterschiedlicher Energieträger und Versorgungswege zur Verfügung steht und in denen es einen funktionierenden und liquiden Großhandelsmarkt gibt. Den am stärksten gefährdeten Gebieten fehlt häufig die Infrastruktur, die sowohl für eine breitgefächerte Versorgungsgrundlage als auch für die Entwicklung eines funktionierenden Marktes erforderlich ist. Zwar sind nur in einer begrenzten Zahl von Ländern liquide Märkte vorhanden, doch der Bedarf dieser Länder entspricht rund 80 % des gesamten Gasbedarfs der EU.

Aus dieser sich so unterschiedlich darstellenden Lage ergeben sich unterschiedliche Verhandlungspositionen der einzelnen EU-Mitgliedstaaten gegenüber Drittländern und eine unterschiedliche Anfälligkeit für Druck von außen. Da die Integration der Energieinfrastruktur und der Energiemärkte weiter voranschreitet und die Mitgliedstaaten alle auf Lieferanten aus Drittländern angewiesen sind, sollten die grundlegenden politischen Entscheidungen eines Mitgliedstaats in Energiefragen mit den Nachbarländern erörtert werden. Das Gleiche gilt für die externe Dimension der EU-Energiepolitik. Der ZSABeschluss spielt eine entscheidende Rolle bei der Verknüpfung der externen Dimension der Energiepolitik (soweit sie sich auf Abkommen mit Drittstaaten bezieht) mit der internen Dimension (da sich Bestimmungen in zwischenstaatlichen Abkommen, die mit dem EURecht nicht vereinbar sind, negativ auf das Funktionieren des Energiebinnenmarkts auswirken).

Somit gibt es durch den ZSA-Beschluss einen eindeutigen Mehrwert für die EU, da er die Zusammenarbeit und Transparenz auf EU-Ebene stärkt und zum Funktionieren des Energiebinnenmarkts sowie zur Versorgungssicherheit beiträgt.

2.6    Vereinfachung

Mit dem derzeitigen ZSA-Beschluss wurde ein relativ einfacher Mechanismus für den Informationsaustausch eingerichtet. Der größte Verwaltungsaufwand für die Mitgliedstaaten ergibt sich aus dem Verfahren zur Übermittlung der Abkommen. Die zwischenstaatlichen Abkommen können elektronisch hochgeladen werden und müssen von den Mitgliedstaaten nicht übersetzt werden. Daher könnte anstatt einer Vereinfachung eine Präzisierung in Betracht gezogen werden. In Artikel 3 des derzeitigen ZSA-Beschlusses ist festgelegt, dass bestehende zwischenstaatliche Abkommen bis zum 17. Februar 2013 zu übermitteln sind. Da dies nicht mehr zutrifft, könnte präzisiert werden, dass die neunmonatige Frist für die Durchführung der nachträglichen Prüfung für alle neuen zwischenstaatlichen Abkommen gilt, die nach Inkrafttreten des ZSA-Beschlusses geschlossen wurden.

Die Möglichkeiten für eine Vereinfachung des derzeitigen ZSA-Beschlusses sind begrenzt. In Bezug auf die Frist für die Übermittlung von Abkommen, die nach Inkrafttreten des ZSA-Beschlusses geschlossen wurden, könnte er jedoch präzisiert werden.



3.    Schlussfolgerungen

Dieser Bericht stützt sich auf die Erfahrungen der Kommission seit dem Inkrafttreten des ZSA-Beschlusses im Jahr 2012 und auf die eingehende Analyse der in diesem Zusammenhang übermittelten 124 zwischenstaatlichen Abkommen. Mit ihm erfüllt die Kommission ihre Verpflichtung zur Bewertung des ZSA-Beschlusses gemäß Artikel 8 dieses Beschlusses.

Der ZSA-Beschluss in seiner jetzigen Form wird als nicht wirksam angesehen. Die derzeitigen Bestimmungen (und insbesondere die Form der nachträglichen Vereinbarkeitsprüfung) haben nicht dazu geführt, dass mit dem EU-Recht nicht im Einklang stehende zwischenstaatliche Abkommen so geändert wurden, dass sie mit dem EU-Recht vereinbar sind, und haben die Verhandlungen mit den Drittländern nicht direkt beeinflusst. Kein einziger Entwurf eines zwischenstaatlichen Abkommens wurde freiwillig für eine Exante-Prüfung übermittelt.

In Bezug auf die Effizienz und vor allem die Aspekte Kosten und Kosten/Nutzen wird der ZSA-Beschluss als hinreichend effizient angesehen. Insbesondere sind die mit dem derzeitigen ZSA-Beschluss verbundenen Kosten durch seinen Nutzen gerechtfertigt, da er das Funktionieren des Energiebinnenmarktes sichert und zur Versorgungssicherheit beiträgt. Der ZSA-Beschluss könnte jedoch effizienter sein, wenn die Vereinbarkeitsprüfungen vorab durchgeführt würden. Dies würde die Rechtssicherheit deutlich erhöhen und erhebliche Kosten vermeiden.

Der ZSA-Beschluss steht in vollem Einklang mit anderen Initiativen und Rechtsakten der EU.

Zur Relevanz der zwischenstaatlichen Abkommen lässt sich sagen, dass sie im Energiesektor der EU auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen werden. Der ZSA-Beschluss ist daher nach wie vor von Belang, muss aber an die sich wandelnden Rahmenbedingungen der Energielieferungen und Versorgungswege angepasst werden.

Durch den ZSA-Beschluss gibt es einen eindeutigen Mehrwert für die EU, da er die Zusammenarbeit und Transparenz auf EU-Ebene stärkt und zur Versorgungssicherheit und zum Funktionieren des Energiebinnenmarkts beiträgt.

Der ZSA-Beschluss bedarf zwar keiner Vereinfachung, könnte jedoch in Bezug auf die Frist für die Übermittlung von Abkommen, die nach Inkrafttreten des ZSA-Beschlusses geschlossen wurden, präzisiert werden.

Insgesamt kommt dieser Bericht zu dem Schluss, dass die Verfahren des derzeitigen ZSABeschlusses nicht in vollem Maße angemessen sind, wobei in diesem Zusammenhang insbesondere problematisch ist, dass die Vereinbarkeitsprüfung nachträglich erfolgt.

(1)

Beschluss Nr. 994/2012/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur Einrichtung eines Mechanismus für den Informationsaustausch über zwischenstaatliche Energieabkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern, ABl. L 299 vom 27.10.2012, S. 13.

(2)

COM(2014) 330 final.

(3)

COM(2015) 80 final.

(4)

Diese Schlussfolgerung wurde vom Rat „Energie“ vom 28. Februar 2011 bestätigt: „Verbesserter und zeitnaher Informationsaustausch zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten, einschließlich der Unterrichtung der Kommission durch die Mitgliedstaaten über ihre neuen und bestehenden bilateralen Energieabkommen mit Drittländern.“

(5)

Für diese zwischenstaatlichen Abkommen ist in Artikel 103 des Euratom-Vertrags ein besonderes Ex-ante-Verfahren vorgesehen.

(6)

Beispielsweise Memoranda of Understanding, Absichtserklärungen oder politische Erklärungen.

(7)

In einigen Fällen waren die zwischenstaatlichen Abkommen hinfällig geworden, weil die ursprüngliche Laufzeit inzwischen abgelaufen oder eine bestimmte Klausel des Abkommens nicht rechtzeitig erfüllt war.

(8)

 Verordnung (EU) Nr. 994/2010 über die sichere Erdgasversorgung, ABl. L 295 vom 12.11.2010, S. 1.

(9)

Eine Reihe von Raffinerien im Baltikum und in Mitteleuropa ist in unterschiedlichem Maße von der Druschba-Pipeline abhängig, mit der diese Gebiete mit den Produktionsfeldern in der Russischen Föderation verbunden werden.

(10)

Quelle: Jährliche Daten von ESTAT.

(11)

Kroatien, Litauen und Lettland führen beispielsweise mehr als 20 % ihres Stroms ein.

(12)

  https://ec.europa.eu/energy/sites/ener/files/documents/trends_to_2050_update_2013.pdf , p.49. Weitere Informationen siehe Folgenabschätzung über Überarbeitung des ZSA-Beschlusses, S. 43.

(13)

 Für eine Netzverbindung von Baku in die EU im Rahmen der Initiative für den südlichen Korridor bestehen beispielsweise bis zu 20 unterschiedliche Abkommen, von denen mehr als die Hälfte zwischenstaatliche Abkommen und Vereinbarungen zwischen Regierungen und Unternehmen sind.

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