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Document 52015XG1215(04)

Schlussfolgerungen des Rates zur Rolle der Kultur in den Außenbeziehungen der EU und insbesondere in der Entwicklungszusammenarbeit

ABl. C 417 vom 15.12.2015, p. 41–43 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

15.12.2015   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 417/41


Schlussfolgerungen des Rates zur Rolle der Kultur in den Außenbeziehungen der EU und insbesondere in der Entwicklungszusammenarbeit

(2015/C 417/06)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

1.

UNTER HINWEIS darauf, dass nach Artikel 167 Absätze 3 und 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die Union und ihre Mitgliedstaaten die Zusammenarbeit mit dritten Ländern und den für den Kulturbereich zuständigen internationalen Organisationen fördern und die Union bei ihrer Tätigkeit aufgrund anderer Bestimmungen der Verträge den kulturellen Aspekten, insbesondere zur Wahrung und Förderung der Vielfalt ihrer Kulturen, Rechnung trägt;

2.

UNTER HERVORHEBUNG der Tatsache, dass die Förderung der Kultur in den Außenbeziehungen der EU, auch in der Entwicklungszusammenarbeit, zu den Prioritäten der europäischen Kulturagenda (1) und der nachfolgenden Arbeitspläne des Rates für Kultur (2) zählt, und dass eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit wichtig ist, um die verschiedenen Politikbereiche besser aufeinander abzustimmen, wie er bereits in einigen kürzlich verabschiedeten Schlussfolgerungen betont hat (3);

3.

IN DEM BEWUSSTSEIN, dass nach Artikel 208 AEUV die Politik der Union auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen der Grundsätze und Ziele des auswärtigen Handelns der Union durchgeführt wird und sich die Politik der Union und die Politik der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit gegenseitig ergänzen und verstärken,

4.

UNTER HINWEIS darauf, dass die Vereinten Nationen eine Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (4) verabschiedet haben, in der die Kultur im Zusammenhang mit mehreren Zielen ausdrücklich erwähnt wird, und dass in den Schlussfolgerungen des Rates „Eine transformative Agenda für die Zeit nach 2015“ (5) vom 16. Dezember 2014 anerkannt wird, dass Kultur, einschließlich des Weltkulturerbes und der Kreativwirtschaft, eine bedeutende Rolle bei der Verwirklichung einer inklusiven und nachhaltigen Entwicklung spielen kann;

5.

UNTER HERVORHEBUNG der Tatsache, dass sich die EU vom Grundsatz der Allgemeingültigkeit, Unteilbarkeit, wechselseitigen Abhängigkeit und Verknüpfung aller Menschenrechte leiten lässt, und zwar unabhängig davon, ob es sich um bürgerliche, politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Rechte handelt (6),

6.

UNTER HINWEIS darauf, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten dem Unesco-Übereinkommen von 2005 zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen beigetreten sind und sich somit zu seiner Umsetzung verpflichtet haben; in diesem Übereinkommen wird unter anderem betont, dass die Kultur als strategisches Element in die Entwicklungspolitik aufgenommen werden muss und dass die kulturelle Vielfalt nur dann geschützt und gefördert werden kann, wenn die Menschenrechte und Grundfreiheiten garantiert sind;

IN DER ÜBERZEUGUNG, dass Kultur Bestandteil eines strategischen, bereichsübergreifenden Konzepts für die Außenbeziehungen und die Entwicklungszusammenarbeit der Union sein muss, da sie diese Politiken erheblich verstärken kann, indem sie zum Aufbau dauerhafter, auf persönlichen Kontakten, gegenseitigem Verständnis, Vertrauen und Glaubwürdigkeit basierenden Beziehungen beiträgt;

UNTER GEBÜHRENDER BERÜCKSICHTIGUNG der jeweiligen Zuständigkeitsbereiche der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten sowie des Subsidiaritätsprinzips —

UNTERSTREICHT FOLGENDES:

Kultur in den Außenbeziehungen der EU

7.

Damit das Potenzial der Kultur, wichtiger Bestandteil der Außenbeziehungen zu sein, ausgeschöpft werden kann, genügt es nicht, die Vielfalt der europäischen Kulturen zu beschwören; vielmehr muss versucht werden, einen neuen Geist des Dialogs, des Einanderzuhörens und Voneinanderlernens, des gemeinsamen Aufbaus von Kapazitäten und der weltweiten Solidarität (7) zu wecken, wie dies im Zuge der vorbereitenden Maßnahme zur Einbindung der Kultur in die Außenbeziehungen der EU (8) und im Bericht über die Rolle der Kultur in den Außenbeziehungen zu China (9) empfohlen wurde.

8.

Allerdings bedarf es einer besseren Abstimmung der Bemühungen im Sinne eines strategischen europäischen Konzepts, das die konsequente und kohärente Einbindung der Kultur in die Außenbeziehungen der EU zum Ziel hat und dafür sorgt, dass die Maßnahmen der Union und die der Mitgliedstaaten einander ergänzen. In einem solchen Konzept würden u. a. thematische und geografische Prioritäten, realistische Ziele und Ergebnisse, die Zielgruppen, gemeinsame Interessen und Initiativen, Bestimmungen über die Finanzierung, die Beteiligung der Bürger und die Einzelheiten der Durchführung festgelegt.

9.

Mit einem strategischen Konzept auf EU-Ebene ließen sich zudem derzeitige Herausforderungen, wie die Migrationskrise, Radikalisierung und Fremdenfeindlichkeit, Zerstörung und Bedrohung von Kulturerbe und illegaler Handel mit Kulturgütern, besser bewältigen.

Kultur in der Entwicklungszusammenarbeit

10.

Die Förderung der Politikkohärenz ist für die Entwicklungszusammenarbeit — angesichts der wichtigen Rolle der Mitgliedstaaten und der EU in diesem Bereich und auch der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung — unabdingbar.

11.

Kultur ist ein wesentlicher Bestandteil der menschlichen, sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Dimension der Entwicklung und daher eine entscheidende Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung, denn

dynamische Kultur- und Kreativbranchen und auch das Kulturerbe in den Partnerländern können dazu beitragen, die Armut zu lindern, weil sie wichtige Katalysatoren für Wachstum, Beschäftigung, sozialen Zusammenhalt und lokale Entwicklung sind,

Kultur und die Förderung und Achtung der kulturellen Vielfalt spielen bei der Konfliktprävention, Friedenskonsolidierung und Aussöhnung in Konflikt- und Nachkonflikt-Gebieten eine wichtige Rolle,

der interkulturelle Dialog trägt zu einem besseren Verständnis bei und ermöglicht engere Partnerschaften zwischen den Akteuren,

eine unabhängige Kultur- und Medienbranche ist eine grundlegende Voraussetzung für die Meinungsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung, die kulturelle Vielfalt, ein aktives demokratisches Bürgertum und eine nachhaltige demokratische Entwicklung,

die Annahme spezifischer Strategien für Kultur und Entwicklungszusammenarbeit führt in vielen Sektoren zu wirksameren und nachhaltigeren Maßnahmen.

12.

Damit jedoch das große Potenzial der Kultur für die Entwicklungszusammenarbeit in vollem Umfang ausgeschöpft werden kann, sollte ein stärker integriertes Konzept entwickelt werden, das die durchgängige Berücksichtigung der kulturellen Dimension in den Entwicklungsprogrammen und eine angemessene Unterstützung der Kulturakteure nicht nur mit einmaligen Interventionen, sondern längerfristig umfasst.

13.

Ein solches Konzept könnte unter anderem auf Folgendem beruhen:

Anerkennung der Kultur als Wert an sich und als treibende Kraft der Entwicklungszusammenarbeit,

Ermittlung konkreter Möglichkeiten — auf der Grundlage eines gemeinsamen Verständnisses von Kohärenz und Einheitlichkeit — für eine durchgängige Berücksichtigung der kulturellen Dimension bei der Aufstellung von Entwicklungsprogrammen für einzelne Sektoren,

Unterstützung einer strukturierten und langfristigen Entwicklung der Kultur- und Kreativbranchen in den Partnerländern, insbesondere was den Aufbau von Kapazitäten, die kulturpolitische Steuerung und die Systeme zum Schutz des geistigen Eigentums anbelangt,

verstärkte Anstrengungen zum Schutz und zur Erhaltung des materiellen und immateriellen weltweiten Kultur- und Naturerbes,

Stärkung der Rolle des Bildungswesens bei der Förderung von Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und der Gleichstellung von Frauen und Männern,

Festlegung einer realistischen Zahl von vorrangigen Zielen, die regelmäßig überprüft werden können, um eine klare Vorstellung davon zu haben, welche Ergebnisse die Projekte bringen und inwieweit sie zu nachhaltiger Entwicklung und Armutslinderung sowie zu sozialem Zusammenhalt, Wachstum und Beschäftigung beitragen,

Komplementarität der laufenden Programme und Finanzierungssysteme und -instrumente der Union, der Mitgliedstaaten und anderer Akteure sowie gegebenenfalls Erweiterung der Möglichkeiten, Kulturinitiativen in diesem Rahmen zu fördern,

ein Bottom-up-Ansatz, bei dem die nationale und lokale Eigenverantwortung gestärkt, die Partnerländer eingebunden und alle Akteure, insbesondere die NRO, die Zivilgesellschaft und der Privatsektor, beteiligt werden.

14.

Eine umgehende Reaktion wäre besonders wichtig mit Blick auf die künftige Umsetzung und Überwachung der in der Agenda 2030 (10) genannten Ziele für die nachhaltige Entwicklung, damit die Kultur hinreichend berücksichtigt wird und ihre Rolle in dieser Hinsicht spielen kann.

ERSUCHT DIE MITGLIEDSTAATEN UND DIE KOMMISSION DAHER,

15.

sich an einer Ad-hoc-Arbeitsgruppe zu beteiligen, deren Sitzungen von Luxemburg ausgerichtet werden. Diese Gruppe soll an der Ausarbeitung eines konkreten, faktengestützten, gemeinsamen und langfristigen Konzepts für Kultur und Entwicklungszusammenarbeit mitwirken.

Im Interesse einer besseren Abstimmung der Maßnahmen zwischen den einschlägigen Akteuren vor Ort, wird die Gruppe bewährte Vorgehensweisen bei Kultur und Entwicklungszusammenarbeit sammeln und austauschen und empirische Daten zu den Auswirkungen der Kultur auf die Entwicklung prüfen.

Die Arbeitsgruppe wird zunächst im Zeitraum 2016 bis 2017 tagen, informellen Charakter haben und auf freiwilliger Beteiligung beruhen. Sie wird Akteuren aus dem Kultur- und aus dem Entwicklungssektor offenstehen, insbesondere den Mitgliedstaaten (vor allem den amtierenden und künftigen Ratsvorsitzen), der Kommission, dem Europäischen Parlament, einschlägigen internationalen Organisationen, die in den Bereichen Entwicklung und Kultur tätig sind, Partnerländern, externen Partnern — insbesondere der Gemeinschaft der europäischen Kulturinstitute (EUNIC) — sowie der Zivilgesellschaft und NRO-Plattformen.

Die Ergebnisse dieser Gruppe werden den betroffenen Vorbereitungsgremien des Rates, insbesondere denen, die für Kultur und Entwicklungszusammenarbeit zuständig sind, übermittelt.

FORDERT ZUDEM DIE KOMMISSION AUF,

16.

der Kultur als besonderer Dimension der Interventionen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit mehr Gewicht beizumessen,

17.

gemeinsam mit der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik ein strategisches Konzept für die Einbindung der Kultur in die Außenbeziehungen, das auf den vorgenannten Grundsätzen beruht und unter anderem die künstlerische Freiheit, die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks und die Achtung der kulturellen Vielfalt und des Kulturerbes fördert, zu entwickeln und dem Rat zu unterbreiten.


(1)  Wurde mit der Entschließung des Rates vom 16. November 2007 zu einer europäischen Kulturagenda (ABl. C 287 vom 29.11.2007, S. 1) gebilligt.

(2)  Auch des jüngsten Arbeitsplans für Kultur (2015-2018) (ABl. C 463 vom 23.12.2014, S. 4).

(3)  Auch der jüngsten Schlussfolgerungen des Rates vom 26. November 2012 zur kulturpolitischen Steuerung (Cultural Governance) (ABl. C 393 vom 19.12.2012, S. 8).

(4)  Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung („Transforming our world“) wurde auf dem VN-Gipfel für nachhaltige Entwicklung (New York, 25. bis 27. September 2015) verabschiedet und enthält eine Reihe einheitlicher globaler Ziele für nachhaltige Entwicklung, die an die Stelle der Millenniums-Entwicklungsziele (MZ) treten werden. https://sustainabledevelopment.un.org/post2015/transformingourworld

(5)  16716/14.

(6)  Menschenrechtsleitlinien der EU in Bezug auf die Freiheit der Meinungsäußerung — online und offline (Dok. 9647/14).

(7)  Auch im Einklang mit der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12. Mai 2011 zu der kulturellen Dimension der auswärtigen Politik der EU.

(8)  Die vorbereitende Maßnahme zur Einbindung der Kultur in die Außenbeziehungen der EU — zu der das Europäische Parlament 2012 den Anstoß gab — wurde 2012 und 2013 durchgeführt, um eine fortlaufende Überprüfung und Fortentwicklung der Politik im Hinblick auf eine Verstärkung der Rolle der Kultur in den Außenbeziehungen zu fördern und Anregungen für weitere Arbeiten in diesem Bereich zu geben. Der Abschlussbericht wurde 2014 veröffentlicht: http://cultureinexternalrelations.eu/main-outcomes/

(9)  „A strategy for EU-China cultural relations“, Bericht der Expertengruppe für Kultur und Außenbeziehungen — China (November 2012).

(10)  Insbesondere die Ziele 4 (Teilziel 4.7), 8 (Teilziel 8.9), 11 (Teilziel 11.4) und 12 (Teilziel 12.b).


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