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Document 52014IR5728

    Stellungnahme des Ausschusses der Regionen — Bemühungen um echte Solidarität im Sinne einer wirklich europäischen Migrationspolitik

    ABl. C 19 vom 21.1.2015, p. 54–58 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    21.1.2015   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 19/54


    Stellungnahme des Ausschusses der Regionen — Bemühungen um echte Solidarität im Sinne einer wirklich europäischen Migrationspolitik

    (2015/C 019/12)

    Hauptberichterstatter

    François DECOSTER (FR/ALDE), Mitglied des Regionalrates Nord-Pas-de-Calais

    Referenzdokument

     

    I.   POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

    DER AUSSCHUSS DER REGIONEN

    Allgemeine Empfehlungen

    1.

    betont, dass für eine umfassende Migrationspolitik, die allen Problemen der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften gerecht wird, der Schwerpunkt stärker auf die Verpflichtung der EU zur Achtung der Grundsätze der Solidarität und der geteilten Verantwortung gelegt werden muss. In dieser Hinsicht begrüßt der AdR, dass der italienische EU-Ratsvorsitz einer übergeordneten Migrationsstrategie Priorität einräumt und echte Solidarität bei einer wirklich europäischen Migrationspolitik mit den Migranten, den Herkunfts- und Transitländern außerhalb Europas, den Zielländern, -regionen und -städten sowie unter den verschiedenen Regierungs- und Verwaltungsebenen herbeiführen möchte;

    2.

    begrüßt ferner, dass für den italienischen EU-Ratsvorsitz die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Migrationspolitik, die auf der uneingeschränkten Achtung der Menschenrechte, Solidarität, gegenseitigem Vertrauen, internationalen Verpflichtungen sowie gemeinsam getragener Verantwortung zwischen Mitgliedstaaten und lokalen und regionalen Gebietskörperschaften fußt, die zur EU-Wachstumsagenda beitragen kann und von einer Strategie zur Förderung des Wirtschaftswachstums in den Herkunftsländern der Migranten begleitet wird, eindeutig Priorität hat;

    3.

    hält das Konzept der Multi-Level-Governance für ein Schlüsselelement und für eine Voraussetzung für das Erreichen optimaler Ergebnisse bei der Integration von Migranten und der zweiten Generation. Alle Regierungsebenen in der EU sollten die Verantwortung für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen und Migranten gemeinsam tragen; fordert eine stärkere interregionale Zusammenarbeit, Koordinierung und Solidarität durch die Einführung eines Mechanismus zur Aufteilung der Verantwortung zwischen der Europäischen Union, den Mitgliedstaaten, Regionen sowie lokalen Gebietskörperschaften, der die strukturellen Begrenzungen, Ressourcen, Arbeitsmarkterfordernisse, die demografische Lage und weitere relevante Faktoren (wie etwa die Familienzusammenführung) berücksichtigt. Hierbei ist es entscheidend, dass die europäischen, nationalen und subnationalen Behörden eng mit der Zivilgesellschaft, Migrantenverbänden, Heimat- und Transitländern der Migranten außerhalb der EU und den lokalen Gemeinschaften zusammenarbeiten und offen für deren Beiträge sind;

    4.

    möchte Italien seinen Dank aussprechen für die im Rahmen des Einsatzes Mare Nostrum auf dem Mittelmeer geleistete Arbeit zur Rettung von Menschen aus Seenot; bedauert daher den Beschluss der EU, diesen Einsatz durch einen Frontex-Einsatz zu ersetzen, der weniger eindeutig auf die Rettung von Menschenleben und die Hilfe für Menschen in Seenot ausgerichtet ist; fordert die Europäische Union und die Mitgliedstaaten eindringlich dazu auf, die erforderlichen Mittel bereitzustellen, um zu verhindern, dass Menschen auf See umkommen;

    5.

    ist der Ansicht, dass die Europäische Union und ihre wichtigsten Institutionen in einer derart sensiblen und strategisch wichtigen Frage die Federführung für eine echte Migrationspolitik und die daraus folgende politische Verantwortung übernehmen müssen, damit das nicht jeder Staat für sich im Alleingang tut; dies gilt insbesondere für Grenzstaaten. Stattdessen sollten die Staaten zusammen mit den lokalen Gebietskörperschaften in einen gemeinsamen politischen Aktionsplan für Migration einbezogen werden müssen, der auch geeignete operative Maßnahmen vorsieht;

    6.

    verweist darauf, dass 15 Jahre nach den ersten Versuchen, eine gemeinsame Migrationspolitik aufzustellen, noch immer eine große Kluft zwischen der Praxis und den Grundsätzen und vorgegebenen Werten besteht. Nur unzureichend wurde für Maßnahmen auf Artikel 80 AEUV zurückgegriffen, um den Grundsatz der Solidarität und der gerechten Aufteilung der Verantwortlichkeiten unter den Mitgliedstaaten, einschließlich in finanzieller Hinsicht, umzusetzen. Verpflichtungen bezüglich Einwanderung und Rückkehr in die Heimatländer beruhten auf völliger Freiwilligkeit — in manchen Fällen haben lokale Gebietskörperschaften sogar selbst die Initiative ergriffen, um diese Verpflichtungen in die Praxis umzusetzen;

    7.

    begrüßt die strategischen Leitlinien des Europäischen Rates für die gesetzgeberische und operative Programmplanung im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts vom Juni 2014, die der vollständigen und wirksamen Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) oberste Priorität einräumen;

    8.

    weist darauf hin, dass die Europäische Union Einwanderung sowohl im Rahmen der Niederlassungsfreiheit ihrer Bürgerinnen und Bürger in einem der Mitgliedstaaten als auch im Rahmen des Zuzugs aus Drittstaaten braucht, um den demografischen Wandel und einen möglichen Arbeitskräftemangel auszugleichen; fordert den Europäischen Rat auf, seine diesbezügliche Aktion weiterzuführen, wobei er auch der mangelnden Solidarität und einer gerechten Verteilung von Verantwortung Rechnung tragen sollte. Der Schwerpunkt der nächsten Legislativphase sollte jedoch nicht ausschließlich auf der Konsolidierung und Umsetzung der bestehenden Rechtsvorschriften liegen, solange es noch keine eindeutige Definition dafür gibt, wie Solidarität angeregt werden könnte, und es an einer echten und umfassenden EU-Migrationspolitik mangelt;

    9.

    unterstreicht, dass die Beteiligung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften entscheidende Bedeutung für die Gewährleistung einer wirksamen Umsetzung der strategischen Leitlinien auf allen Ebenen hat. Der Ausschuss der Regionen ist bereit, an der Aufstellung eines Aktionsplans mitzuwirken. Ab 2015 wird das Europäische Integrationsforum, das vom Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss eingerichtet wurde, inhaltlich um den Bereich Einwanderungs- und Asylpolitik erweitert. Der Aktionsplan könnte vom Fachwissen eines erweiterten Forums, an dem der AdR beteiligt ist, profitieren. Daher wiederholt der AdR seinen Wunsch, neben der Europäischen Kommission und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss als Mitglied in den Vorstand des künftigen Europäischen Migrationsforums berufen zu werden;

    Ein Europa, das auf einem pragmatischen und rechtlichen Ansatz in Bezug auf Solidarität und geteilte Verantwortung fußt

    10.

    Derzeit werden die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften durch die Aufnahme von Migranten finanziell erheblich belastet. Die Aufnahme ist jedoch sowohl von Land zu Land als auch innerhalb der Staaten ungleichmäßig verteilt, sodass manche Gebietskörperschaften einen größeren Teil der Verantwortung als andere tragen, indem sie einen großen Teil der Zuwanderer aufnehmen, der häufig die Kapazitäten einzelner Regionen übersteigt;

    11.

    sieht in der ungleichmäßigen Verteilung von Asylsuchenden und Flüchtlingen unter den Staaten sowie unter und innerhalb von Regionen ein großes Problem für lokale und regionale Gebietskörperschaften. Weitere Erschwernisse sind die fehlende Vorausplanung sowie die fehlende Möglichkeit, sich rechtzeitig auf die Aufnahme einzustellen. Improvisierte Lösungen können negative soziale Auswirkungen haben, was wiederum die Chancen der Neuankömmlinge auf einen guten Einstieg in ihren Integrationsprozess mindert;

    12.

    vertritt daher die Auffassung, dass es an der Zeit ist, genauer und realistisch herauszuarbeiten, was unter Solidarität im Asyl- und Einwanderungsbereich in der EU und in den einzelnen Mitgliedstaaten zu verstehen ist. Fest steht, dass die Staaten, Regionen und lokalen Gebietskörperschaften ausgehend von ihren jeweiligen Voraussetzungen und Wünschen eine eigene Vorstellung davon haben, was eine angemessene Verteilung von Verantwortung bzw. Solidarität ausmacht;

    13.

    weist darauf hin, dass Beschlüsse lokaler Gebietskörperschaften, die viele Migranten aufzunehmen haben, vom Grundsatz der Solidarität geleitet werden. Orte wie Lampedusa in Italien, Ceuta und Melilla in Spanien und Calais in Frankreich sind nur einige der Eingangs- und Transitorte für Asylsuchende und Migranten in der EU, sie sind jedoch anschauliche Beispiele für die Schwierigkeiten, mit denen einige lokale Gebietskörperschaften durch die Aufnahme und Betreuung von Migranten und Flüchtlingen und das Leisten humanitärer Hilfe zu kämpfen haben;

    14.

    erachtet eine funktionierende Zusammenarbeit und Vertrauen zwischen der lokalen, regionalen, nationalen und europäischen Ebene bezüglich der Verteilung von Ressourcen und Verantwortung als grundlegende Voraussetzungen für eine dauerhaft tragfähige und gerechte Aufnahme von Asylsuchenden und Migranten;

    15.

    ist der Ansicht, dass die bestehenden Strukturen zwar Instrumente und einen Kanal für den politischen Dialog zwischen der europäischen Ebene, den Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene und den Organisationen der Zivilgesellschaft bieten, doch ist der politische Dialog zwischen der lokalen/regionalen und der europäischen Ebene fragmentiert bzw. wird er nur auf Einzelfallbasis geführt;

    16.

    regt eine Überprüfung der Verfügbarkeit der für lokale und regionale Gebietskörperschaften bestimmten Finanzmittel an, um ihnen die Möglichkeit zu geben, ihren Verpflichtungen in Bezug auf Migration und Integration nachzukommen, wobei dafür gesorgt werden sollte, dass sie Zugang zu nationalen Fördermitteln und EU-Fonds haben (z. B. der Asyl- und Migrationsfonds, das Europäische Nachbarschaftsinstrument, der Europäische Sozialfonds und der Europäische Außengrenzenfonds);

    Solidarität als koordinierte Reaktion auf ein Sicherheits- und ein humanitäres Problem

    17.

    hebt hervor, dass die Intensivierung der Grenzkontrollen sowie Maßnahmen gegen irreguläre Migration unerlässlich sind, jedoch nicht Vorrang vor internationalen Verpflichtungen haben dürfen (u. a. im Rahmen des SRÜ, SOLAS und SAR), um Menschenleben zu retten und Menschenrechte zu achten, oder vor dem Recht, Asyl in der EU zu suchen, die ein Zufluchtsort für Menschen bleiben muss, die internationalen Schutz benötigen. Der AdR möchte ferner betonen, dass bei der Aufnahme minderjähriger Asylbewerber, Flüchtlinge, Migranten und unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge das Übereinkommen über die Rechte des Kindes der Vereinten Nationen immer zu achten ist;

    18.

    fordert die Stärkung von Frontex für eine wirksamere und effizient konsolidierte und optimierte Zusammenarbeit zwischen nationalen Grenzbehörden sowie für den Schutz sowohl der Migranten als auch der EU-Außengrenzen und für die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Menschenhandels;

    19.

    unterstützt die Bemühungen um die weitere Beobachtung und Umsetzung der Strategien der „EU-Aktion gegen Migrationsdruck“ und fordert die Europäische Union auf, ihre Aufmerksamkeit auf das Erfordernis zu richten, die Maßnahmen der Mitgliedstaaten auf die zentrale Rolle der EU-Agenturen abzustimmen, wie etwa der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Frontex), Europol und des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO);

    20.

    hält weitere Bemühungen um die Weiterentwicklung eines integrierten und ausgewogenen Grenzmanagements für unerlässlich, um die Kontrolle der Außengrenzen zu verbessern und irreguläre Einwanderung, die Schleusung von Migranten, Menschenhandel und andere Formen grenzüberschreitender und transnationaler Schleusungskriminalität wirksamer anzugehen;

    21.

    unterstützt das Paket „Intelligente Grenzen“, das darauf abzielt, die Grenzkontrollverfahren für in die EU einreisende Drittausländer zu beschleunigen, zu erleichtern und zu verstärken, einschließlich des Registrierungsprogramms für Reisende und des Einreise-/Ausreisesystems, verweist jedoch auf einige seiner 2013 geäußerten Bedenken bezüglich des Schutzes der Privatsphäre und der Kosteneffizienz der Vorschläge. Der AdR nimmt die Ergebnisse der technischen Studie der Europäischen Kommission und von eu-LISA zur Kenntnis, in der eine langfristige Lösung für den Betrieb von IT-Großsystemen vorgeschlagen wird, die für die Umsetzung der Politik der EU in den Bereichen Asyl, Grenzmanagement und Migration unerlässlich sind;

    22.

    empfiehlt, der Stärkung der Synergieeffekte zwischen den schon bestehenden Einrichtungen und Systemen besondere Aufmerksamkeit zu schenken, ausgehend von ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich und Einsatzgebiet: z. B. Frontex, SIS II und EUROSUR, die im Rahmen der Migration und des Personenverkehrs tätig sind, und — in Bezug auf die Sicherheit — Europol und Eurojust, die gegen Straftaten im Zusammenhang mit illegalen Durchreisen vorgehen bzw. diesen vorbeugen;

    23.

    spricht sich insbesondere mit Blick auf EUROSUR für die umfassende Durchsetzung der kürzlich erlassenen Verordnung aus, um zu verhindern, dass noch mehr Menschen auf See ihr Leben verlieren;

    24.

    fordert dazu auf, Maßnahmen zu prüfen, um irregulärer Migration vorzubeugen und sichere und legale Alternativen für die Einreise nach Europa zu schaffen, um den Verlust weiterer Menschenleben auf gefährlichen Reisen zu verhindern. Diese Maßnahmen könnten die Schaffung eines „humanitären Korridors“, die Ausstellung von mehr Visa aus humanitären Gründen, die Erhöhung von Neuansiedlungsquoten und die Einrichtung von Aufnahmezentren in Transitländern umfassen, um Asylanträge zu bearbeiten bzw. um zu bestimmen, ob eine legale Einreise in EU-Mitgliedstaaten möglich ist (1). Hierbei könnten die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften sinnvoll tätig werden;

    25.

    begrüßt die Einsetzung der Task Force „Mittelmeerraum“ (2) nach der Tagung des Rates Justiz und Inneres vom 7./8. Oktober 2013 als Reaktion der Europäischen Union. Sie soll in erster Linie geeignete Instrumente finden, um eine Wiederholung von Tragödien zu verhindern, wie sie sich vor der Küste Lampedusas ereignet haben, und einen stärker strategisch ausgerichteten, übergreifenden und langfristigen Ansatz für die Migrationslage im Mittelmeerraum entwickeln. Der AdR weist in diesem Zusammenhang auf seine Tätigkeit im Rahmen der Versammlung der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften Europa-Mittelmeer (ARLEM) und insbesondere auf die Empfehlungen des jüngst von deren ECOTER-Ausschuss angenommenen Berichts zur „Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Bewältigung der Migration im Mittelmeerraum“ hin;

    26.

    möchte betonen, dass der Einsatz „Frontex Plus“, der am 27. August 2014 angelaufen ist und Mare Nostrum ersetzen soll, von den Aufgaben her nicht mit Mare Nostrum zu vergleichen ist. Der Haushalt für Frontex wurde im Zuge des mehrjährigen Finanzrahmens gekürzt. Frontex Plus muss über Beiträge der Mitgliedstaaten finanziert werden. Abgesehen von finanziellen Erwägungen unterscheiden sich die beiden Einsätze auch vom Ansatz her: während Mare Nostrum als humanitäre Hilfeleistung gedacht ist, steht bei Frontex der Grenzschutz im Vordergrund;

    Schaffung von Verbindungen zu Drittländern auf der lokalen Ebene

    27.

    fordert zur Weiterentwicklung des Dialogs und der Zusammenarbeit mit Drittländern auf, die Ausgangspunkt bzw. Durchgangsstation von Migrationsströmen sind, im Sinne des Gesamtansatzes für Migration und Mobilität der EU, über das Instrument der Mobilitätspartnerschaften sowie über regionale Dialoge und Verfahren, wie etwa den Rabat-Prozess;

    28.

    unterstützt die Bemühungen von Frontex, Kooperationsvereinbarungen mit Drittländern über Grenzkontrollen und irreguläre Einwanderung abzuschließen, wodurch sich die betroffenen Drittländer stärker mitverantwortlich fühlen dürften;

    29.

    begrüßt die Initiative des italienischen EU-Ratsvorsitzes, einen vergleichbaren Dialog mit den Ländern Ostafrikas einzurichten. Die Förderung der legalen Einwanderung soll die Wachstumsbemühungen der EU unterstützen und so einen möglichen Missbrauch legaler Einwanderungskanäle verhindern, der die Glaubwürdigkeit des gesamten europäischen Migrationssystems ins Wanken bringen könnte;

    30.

    unterstreicht die Bedeutung des Konzepts der zirkulären Migration, das dazu beitragen könnte, die Auswirkungen der Migration sowohl auf die Herkunfts- als auch auf die Aufnahmeländer auszugleichen und auf diese Weise hier wie dort die Entwicklung zu fördern. Dazu bedarf es auch einer wirksamen und nachhaltigen Rückkehrpolitik, die den Rechten der Migranten umfassend Rechnung trägt und die spezifische Situation in den Herkunftsländern berücksichtigt. Zu diesem Zweck muss die praktische Zusammenarbeit zwischen den lokalen Gebietskörperschaften und den betreffenden Drittländern verbessert werden, um möglichst wirksame Systeme für die freiwillige Rückkehr ins Leben zu rufen und einzurichten;

    31.

    ist der Ansicht, dass sich die Behörden auf allen Ebenen aktiv für die Aufrechterhaltung und die Förderung des Dialogs und der Zusammenarbeit mit Drittländern engagieren müssen, um legale Einwanderungskanäle auf politischer und wirtschaftlicher Ebene konkret zu unterstützen und um irregulärer Einwanderung sowie allen hiermit in Zusammenhang stehenden Arten von Kriminalität vorzubeugen bzw. zu begegnen, indem die institutionellen und die operationellen Kapazitäten der zuständigen Behörden in diesen Ländern ausgebaut werden;

    32.

    unterstreicht, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften eine Rolle bei den gemeinsamen Bemühungen mit der EU-Ebene und den Mitgliedstaaten sowie mit den Drittländern spielen können, um irregulärer Einwanderung vorzubeugen bzw. sie zu bewältigen, und zwar durch aktives Tätigwerden in den Herkunftsländern (z. B. Sensibilisierungskampagnen, Informationen über die Gefahren eines illegalen Grenzübertritts, Maßnahmen zur Vorbereitung auf die Integration, Schulungen, Hilfe bei der Familienzusammenführung, Sprachkurse sowie Maßnahmen zur Verbesserung des interkulturellen Dialogs) und in den Zielländern (z. B. Einrichtung von Auswahlverfahren vor Ort, die den spezifischen Bedürfnissen gerecht werden, Aufnahme- und Unterstützungsmaßnahmen usw.). Ferner können sie dabei helfen, Opfer von Menschenhandel zu identifizieren und zu schützen, und bei der Wiedereingliederung irregulärer Migranten helfen, die in ihre Heimatländer zurückkehren. Gleichzeitig ist eine wirksame Migrations- und Integrationspolitik auf der lokalen und regionalen Ebene ein Mittel, um Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu begegnen;

    33.

    empfiehlt nachdrücklich, die rasche Neuansiedlung von Flüchtlingen in der EU zu einem integralen Bestandteil der Bemühungen der EU zur Unterstützung der Länder des südlichen und des östlichen Mittelmeerraums zu machen, die den Zustrom vieler Flüchtlinge zu bewältigen haben (3). In diesem Bereich sind europäische Städte und Regionen wichtige Akteure, die die Integration von Flüchtlingen in die örtlichen Gemeinschaften und den sozialen Zusammenhalt aktiv fördern;

    34.

    ruft zur Förderung von „Migrations- und Integrationspartnerschaften“ zwischen Städten und Regionen in den Herkunfts- und den Zielländern auf, um die Zusammenarbeit und das gegenseitige Vertrauen zu stärken und so eine stärker dezentrale Migrationssteuerung sicherzustellen. Ferner wiederholt der Ausschuss der Regionen seine Empfehlung (4), lokale und regionale Gebietskörperschaften an der Entwicklung von „Migrations- und Integrationspartnerschaften“ mit Drittländern zu beteiligen;

    Solidarität entsteht durch Bewusstmachung: Austausch von bewährten Verfahren und Daten und gemeinsame Leitlinien?

    35.

    hebt hervor, dass in der Mitteilung der Europäischen Kommission zu einer neuen europäischen Agenda für die Integration von Drittstaatsangehörigen (5) verstärktes Handeln auf lokaler Ebene gefordert und auf ein „wirklich an der Basis“ ansetzendes Konzept für die Ausarbeitung der Integrationspolitik hingewiesen wurde;

    36.

    ist der Auffassung, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in Bezug auf die Migrationspolitik umfassender an der Festlegung des breiteren Kontexts beteiligt werden sollten;

    37.

    unterstreicht die Notwendigkeit des Austauschs bewährter Verfahren unter den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Bearbeitung der Anträge von Asylsuchenden und Flüchtlingen, integrationspolitische Maßnahmen und das Vorgehen gegen irreguläre Migration. Der Ausschuss der Regionen kann dabei zu einer wirksameren Einbindung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in die Konzipierung und Durchführung migrations- und integrationspolitischer Maßnahmen im Einklang mit der Multi-Level-Governance und dem Subsidiaritätsprinzip beitragen, was auch die Verringerung der zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten und Regionen bestehenden Unterschiede bei den Aufnahme- und Betreuungsbedingungen für Asylbewerber, Flüchtlinge oder Migranten erleichtern könnte;

    38.

    regt an, dass die EU-Agentur für IT-Großsysteme eu-LISA nach dem Vorbild des VIS-Systems zeitnah ein umfassendes Datenaustauschsystem zum Thema Migration und lokale Gebietskörperschaften entwickeln sollte. Ein derartiges System könnte sehr hilfreich sein beim Austausch von Sachverstand und Erfahrungen in Bezug auf die Unterbringung, die Bearbeitung der Anträge von Asylsuchenden und Flüchtlingen, integrationspolitische Maßnahmen und das Vorgehen gegen irreguläre Migration — außerdem böte es praktische Lösungen für mehr Solidarität unter den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften;

    39.

    schlägt vor, eine Datenbank zur Unterstützung der Beobachtung der Migrationsbewegungen zwischen den Mitgliedstaaten einzurichten. Diese Datenbank würde Informationen zu Bevölkerungsbewegungen zwischen den Herkunfts- und den Zielländern enthalten. Die Kenntnis dieser Bewegungen würde die Beschlussfassung auf lokaler, regionaler und europäischer Ebene erleichtern;

    40.

    vertritt die Auffassung, dass sich Zusammenarbeit und Solidarität sehr viel einfacher herbeiführen ließen, wenn die Suche nach praktischen und pragmatischen Lösungen im Vordergrund stünde. Bei der Ermittlung der größten Probleme darf das Fachwissen der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften nicht unberücksichtigt bleiben;

    41.

    hält es für erstrebenswert, dass die EU alle Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit institutionellen Partnern und zur Förderung der Debatte auf allen Ebenen nutzt. Diesbezüglich sind Organisationen wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) und Versammlungen wie die Versammlung der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften Europa-Mittelmeer (ARLEM) des AdR wichtige Partner;

    42.

    begrüßt, dass auf der nächsten Ministerkonferenz der Internationalen Organisation für Migration (IOM) im Oktober 2015 die Frage im Mittelpunkt stehen wird, wie Städte zur Migrationssteuerung beitragen können. Die Konferenz wird eine hervorragende Plattform für den globalen Dialog zwischen Städten bieten, weswegen der AdR an dieser Stelle seinen Teilnahmewunsch zum Ausdruck bringen und sich gerne an der Debatte beteiligen möchte.

    Brüssel, den 4. Dezember 2014.

    Der Präsident des Ausschusses der Regionen

    Michel LEBRUN


    (1)  Diskussionspapier der IOM: Addressing Complex Migration Flows and Upholding the rights of Migrants along the Central Mediterranean Route (21. Oktober 2013); Mitteilung „Ein offenes und sicheres Europa: Praktische Umsetzung“, KOM(2014) 154 final, 11. März 2014.

    (2)  KOM(2013) 869 final, SWD(2014) 173 final.

    http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/jha/139937.pdf

    (3)  2007 kamen 39 % aller Flüchtlinge weltweit in diesen Ländern an. Philippe Fargues (Hrsg.): CARIM Mediterranean Migration 2008-2009 Report, Robert-Schuman-Zentrum für Höhere Studien des Europäischen Hochschulinstituts, 2009, in http://cadmus.eui.eu/bitstream/handle/1814/11861/CARIM%20Migration_Report%202008-2009%20revised%20Oct09.pdf?sequence=3

    (4)  AdR-Entschließung 2333/2014.

    (5)  KOM(2011) 455 final.


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