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Document 52014IE3794

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Investitionen mit sozialen Auswirkungen (Initiativstellungnahme)

    ABl. C 458 vom 19.12.2014, p. 14–18 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    19.12.2014   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 458/14


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Investitionen mit sozialen Auswirkungen

    (Initiativstellungnahme)

    (2014/C 458/03)

    Hauptberichterstatterin:

    Ariane RODERT

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 5. Juni 2014, gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

    Investitionen mit sozialen Auswirkungen

    (Initiativstellungnahme).

    Das Präsidium des Ausschusses beauftragte die Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch am 3. Juni 2014 mit der Ausarbeitung dieser Stellungnahme.

    Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten beschloss der Ausschuss auf seiner 501. Plenartagung am 10./11. September 2014 (Sitzung vom 11. September), Ariane RODERT zur Hauptberichterstatterin zu bestellen, und verabschiedete mit 176 gegen 37 Stimmen bei 19 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt das Interesse an Investitionen mit sozialen Auswirkungen, betont indes, dass diese im Kontext des Sozialinvestitionspakets (SIP) und der Initiative für soziales Unternehmertum (SBI) gesehen werden sollten.

    1.2

    Der EWSA ist der Auffassung, dass es bei Investitionen mit sozialen Auswirkungen darum geht, verschiedene sektorübergreifende Ressourcen zu bündeln, um eine soziale Wirkung zu erzielen; sie sind eine Komponente der sozialorientierten Finanzwelt.

    1.3

    Sozialwirksame Investitionen sollten nicht darauf abzielen, die Verantwortung der öffentlichen Hand für die Finanzierung von Kernaufgaben des Sozialbereichs zu ersetzen. Sie können vielmehr andere Finanzierungsquellen ergänzen. Der EWSA unterstützt die Diskussion der Kommission, im Sinne der goldenen Finanzierungsregel („golden rule“) auch Sozialinvestitionen im Kontext des fiskalischen Regelwerks der WWU aus der Berechnung staatlicher Nettodefizite auszunehmen.

    1.4

    Davon ausgehend, dass der Zugang zu Finanzmitteln ein allgemeines Problem für alle KMU ist, sollten maßgeschneiderte, den verschiedenen Unternehmensformen entsprechende Finanzierungssysteme konzipiert werden. Der EWSA betont jedoch, dass Investitionen mit sozialen Auswirkungen nicht auf die soziale Verantwortung der Unternehmen abzielen, sondern vielmehr Investitionen in Sozialunternehmen gemäß der Definition der Initiative für soziales Unternehmertum zum Gegenstand haben.

    1.5

    Bezüglich der Messung der sozialen Wirkung als Teil der Anlagerendite fordert der EWSA, dass die Interessenträger auf die bereits in diesem Bereich von der Kommission geleistete Arbeit und festgelegten Grundsätze aufbauen, anstatt neue Methoden zu erfinden.

    1.6

    Nach Auffassung des EWSA sind Hybridkapitallösungen am besten für sozialwirkungsorientierte Investitionen geeignet, wie z. B. gemischtes geduldiges Kapital, häufig mit einem garantierten Bestandteil. Die Kommission sollte den breiten Bereich derzeit entstehender innovativer Finanzierungsinstrumente untersuchen und ihre möglichen positiven Auswirkungen auf die Finanzierung von Unternehmen der Sozialwirtschaft und von sozialpolitischen Innovationen überprüfen.

    1.7

    Um den Zugang zu hochwertigen Dienstleistungen und ihre Kontinuität zu gewährleisten, müssen bei der Entwicklung neuer Anlageinstrumente die Besonderheiten sozialwirtschaftlicher Unternehmen berücksichtigt werden.

    1.8

    Da die Sozialwirtschaft und sozialwirtschaftliche Unternehmen in vielen Mitgliedstaaten schwach ausgeprägt sind, ist die Entwicklung eines Marktes für Sozialinvestitionen zweitrangig gegenüber der vollständigen Umsetzung der Initiative für soziales Unternehmertum auf nationaler Ebene, die aus gleichermaßen wichtigen Komponenten — dem Kapazitätsaufbau, der Anerkennung und der Sichtbarkeit — besteht.

    1.9

    Sozialwirtschaftliche Unternehmen sind eng mit der Zivilgesellschaft verbunden. Die Anerkennung und Wahrung der in diesem Bereich geleisteten Arbeit sowie der spezifischen Formen der Sozialwirtschaft sind von zentraler Bedeutung für den Aufbau des dringend benötigten Vertrauens und innovativer Partnerschaften zwischen den Sektoren.

    2.   Einleitung

    2.1

    Europa erholt sich viel zu langsam von einer beispiellosen Krise und steht vor erheblichen gesellschaftlichen Herausforderungen, die sozialer Innovation, eines Strukturwandels und stabiler und tragfähiger Sozialsysteme bedürfen. Dies macht die Mobilisierung sämtlicher gesellschaftlicher Akteure und Ressourcen erforderlich, um neue nachhaltige Lösungen zur Unterstützung und Verbesserung der sozialen Lage in Europa zu konzipieren.

    2.2

    In diesem Zusammenhang verdeutlicht das Sozialinvestitionspaket (SIP) (1) der Kommission die Bedeutung gut konzipierter Sozialsysteme, die Unternehmen und Unternehmende (2) der Sozialwirtschaft als Pioniere von Wandel und Innovation in Ergänzung des öffentlichen Engagements unterstützen.

    2.3

    In der Initiative für soziales Unternehmertum (SBI) (3) der Kommission wird außerdem der Schaffung eines günstigen Umfelds für die Entstehung und Entwicklung von Sozialunternehmen und der Sozialwirtschaft in Europa Priorität eingeräumt. Der EWSA hat in diesem Bereich im Laufe der Jahre spezifischen Sachverstand eingebracht (4). In diesen beiden Strategierahmen der EU wird eindeutig festgestellt, dass sozialwirtschaftliche Unternehmen — wie KMU im Allgemeinen — einen besseren Zugang zu maßgeschneiderten Finanzierungen benötigen.

    2.4

    Des Weiteren besteht ein wachsendes Interesse seitens der Anleger, eine finanzielle Anlagerendite mit einem sozialen oder ökologischen Nutzen zu verbinden (5). Im Juni 2013 wurde auf dem Social Impact Investment Forum der G8 eine Taskforce „Social Impact Investment“ (6) eingesetzt, die die Entwicklung eines Marktes für sozialwirksame Investitionen vorantreiben soll. Diese Taskforce arbeitet derzeit an einem Bericht mit Schlussfolgerungen, der voraussichtlich im September 2014 veröffentlicht wird.

    2.5

    In dieser Stellungnahme werden die Perspektiven sozialwirtschaftlicher Unternehmen und sozialwirkungsorientierter Investitionen untersucht. Denn sie sind gut geeignet, auf soziale Bedürfnisse einzugehen und das öffentliche Engagement zur Stärkung der Sozialpolitik zu ergänzen. Die Stellungnahme trägt zur Arbeit der Taskforce Social Impact Investment bei. Gleichzeitig soll aber auch ein Beitrag zur breiteren Debatte über den Zugang von Unternehmen der Sozialwirtschaft zu Finanzmitteln geleistet werden.

    3.   Investitionen mit sozialen Auswirkungen

    3.1

    Der EWSA begrüßt das Interesse an sozialwirkungsorientierten Investitionen, betont indes, dass diese im Kontext von SIP und SBI gesehen werden und auf die Unterstützung sozialer Innovation zur Erfüllung sozialer Bedürfnisse anstatt auf die Erzielung finanzieller Erträge ausgerichtet sein sollten. Der EWSA empfiehlt, zunächst von sozialen Bedürfnissen auszugehen, dann die besten Lösungen auszumachen und als dritten Schritt die beste Finanzierung zu finden.

    3.2

    Der EWSA ist der Auffassung, dass es bei Investitionen mit sozialen Auswirkungen darum geht, verschiedene sektorübergreifende Ressourcen — die der öffentlichen und privaten Wirtschaft sowie der Sozialwirtschaft — zu bündeln mit dem Ziel, soziale Wirkung zu erzielen. In dieser Perspektive sind sozialwirkungsorientierte Investitionen eine Komponente der sozialen Finanzwelt.

    3.3

    Da es sich hier aber um einen neu entstehenden Bereich handelt, legt der EWSA den verschiedenen Akteuren nahe, den Bereich nicht zu schnell oder zu eng zu definieren. Vielmehr sollten gemeinsame Merkmale herausgearbeitet und die Entwicklung dieses Bereichs in den Mitgliedstaaten beobachtet werden. Es ist ganz wichtig, dass mit privaten sozialen Investitionen nicht das Ziel verfolgt wird, die staatliche Verantwortung für die Finanzierung von Kernaufgaben des Sozialbereichs nach Maßgabe des Sozialrechts und gesetzlicher Ansprüche auszuhöhlen.

    3.4

    Das Interesse an Investitionen mit sozialen Auswirkungen ist zwar derweil eine Tatsache, aber es ist immer noch neu und in der Entwicklung begriffen. Ein erstes Problem besteht darin, das Konzept und die beabsichtigten Investitionsziele zu beschreiben. In der gegenwärtigen Diskussion im Rahmen der G8 sind die Sozialunternehmen die Hauptadressaten, daneben sind verschiedene Untergruppen auszumachen. Soziale Zielsetzungen treten dabei in unterschiedlichen Kombinationen mit Gewinnorientierung auf: als Hauptzweck (Sozialunternehmen — mit sozialer Ausrichtung) oder als Nebenzweck (KMU — Gewinnerzielung in Verbindung mit sozialen Zwecken). Es gilt festzuhalten, dass Sozialunternehmen trotz ihrer spezifischen Merkmale normaler Bestandteil der Wirtschaft sind.

    3.5

    Da viele Unternehmen heute auf die eine oder andere Weise sozial oder ökologisch engagiert sind, können sie nicht alle als Sozialunternehmen klassifiziert werden. Einige Unternehmen sind im Bereich der sozialen Unternehmensverantwortung (CSR) engagiert, die von der Kommission definiert wird als die Verantwortung der Unternehmen für ihre Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt (7) — ein freiwilliges Engagement von in erster Linie gewinnorientierten Unternehmen.

    3.6

    Der EWSA betont daher, dass jede Initiative in diesem Bereich der SBI-Definition für Sozialunternehmen entsprechen muss, da sie die unterschiedlichen Modelle von Sozialunternehmen in den Mitgliedstaaten beinhaltet. Gemäß SBI „zählen für die Sozialunternehmen als Akteure der Sozialwirtschaft eher die gesellschaftlichen Auswirkungen ihrer Arbeit als die Erwirtschaftung von Gewinnen für ihre Eigentümer oder Partner“, und sie erfüllen drei Hauptkriterien (8).

    3.7

    Vor diesem Hintergrund hält es der EWSA für entscheidend, maßgeschneiderte Finanzsysteme anzubieten mit einer breiten Palette von Instrumenten, Modellen und Produkten für alle verschiedenen Formen und Strukturen — von sozial verantwortlichen Unternehmen bis hin zu im Sozialbereich tätigen Unternehmen der Sozialwirtschaft, wobei zu berücksichtigen ist, dass sie nicht alle gleich sind. Wenngleich Initiativen für sozialwirksame Investitionen vorwiegend auf letztere abzielen, so haben doch KMU ähnliche Probleme in puncto Kreditzugang, die auch einer umfassenden Lösung zugeführt werden müssen.

    3.8

    Nach Auffassung des EWSA muss die Finanzierung sozialer Innovation das gesamte Spektrum der Finanzierungsquellen mit verschiedenen Renditeerwartungen — von Subventionen bis hin zu Investitionen — umfassen, wobei die bestehenden Geschäftsmodelle von Sozialunternehmern zu berücksichtigen sind. Dies steht im Widerspruch zu der am häufigsten verwendeten Definition der GIIN (9), derzufolge Investitionen mit sozialen Auswirkungen Investitionen in Unternehmen, Organisationen und Fonds sind mit der Absicht, neben finanzieller Rendite einen messbaren sozialen und ökologischen Nutzen zu erzielen. Der EWSA ist der Ansicht, dass diese Definition weder der bereits bestehenden und noch weiter auszubauenden Vielfalt sozialer Investitionen gerecht wird noch dem Ziel der Erschließung neuer Finanzquellen zum Zwecke des sozialen Fortschritts. Soziale Investitionen werden bei dieser Definition vorwiegend aus der Perspektive privater Anleger gesehen, die Verbindung zu sozialpolitischen Innovationen fehlt.

    3.9

    Ein entscheidender Aspekt von Investitionen mit sozialen Auswirkungen betrifft die Messung der sozialen Wirkung der Investitionen. In seiner Stellungnahme zum Thema „Social Impact Measurement — Messung der sozialen Wirkung“ (10) vertritt der EWSA die Auffassung, dass die Messung der sozialen Wirkung die soziale Aufgabe unterstützen, verhältnismäßig sein und der Tatsache Rechnung tragen sollte, dass die Wirkung mit einer Vielzahl unterschiedlicher Methoden gemessen werden kann und von den Aktivitäten der Unternehmen abhängt. Ähnliche Grundsätze werden in dem im Juni 2014 von der Untergruppe GECES angenommenen Bericht postuliert (11). Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten und die einschlägigen Interessenträger auf, diese europäischen Arbeiten und Praktiken zur Grundlage zu nehmen, anstatt neue Methoden zu erfinden. Außerdem sollten jedwede neue Vorschriften zur Unterstützung des Europäischen Fonds für soziales Unternehmertum verhältnismäßig sein und den Bedürfnissen und begrenzten Mitteln von Sozialunternehmen, in die investiert werden soll, Rechnung tragen.

    4.   Die Perspektive der Sozialunternehmen

    4.1

    Für die umfassende Erschließung der Potenziale der Sozialwirtschaft bedarf es eines vernetzten Finanzsystems, das auf dem bestehenden ethischen und alternativen Finanzsystem aufbaut — und nicht mit herkömmlichen Finanzinstrumenten operiert und nicht in erster Linie auf die Perspektive der Anleger konzentriert ist.

    4.2

    Wie in einer früheren Stellungnahme bereits ausgeführt (12), besteht die Gefahr, dass als Eigenkapitalinstrument konzipierte soziale Investitionen für viele Unternehmen der Sozialwirtschaft schwer zugänglich sind, da Eigentum und Kontrolle mit den Modellen, Werten und Rechtsformen sozialwirtschaftlicher Unternehmen evtl. nicht kompatibel sind.

    4.3

    Deshalb ist der EWSA der Auffassung, dass bei sozialwirkungsorientierten Investitionen hybride Kapitallösungen bevorzugt werden sollten. Bei diesen Modellen gemischten Kapitals werden Finanzhilfen mit langfristigen, „geduldigen“ Darlehen u.Ä. kombiniert, wobei staatliche Beteiligungen bzw. staatliche Garantien für Langfristigkeit und Dauerhaftigkeit sorgen.

    4.4

    Der EWSA fordert die Kommission auf, als ersten Schritt in diesem neuen Bereich bewährte Verfahren in Bezug auf die verschiedenen Modelle sozialwirksamer Investitionen und Finanzierungen, die derzeit entwickelt werden, zu fördern. Bei dieser Überprüfung könnten die Chancen und Herausforderungen spezifischer Instrumente und Kapitalformen und ihrer Anbieter — wie die derzeit diskutierten Sozialanleihen (13), „Community Reinvestment Acts“ (CRA) oder die italienischen Sozialanleihen (14) — bewertet werden.

    4.5

    Da es diese innovativen Finanzierungsinstrumente derzeit vorwiegend auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene gibt, besteht nur ein begrenztes grenzübergreifendes Interesse. Der EWSA ist deshalb der Auffassung, dass die EU zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine weiteren Anreize für einen europäischen Markt für sozialwirkungsorientierte Investitionen setzen muss.

    4.6

    Weitere spezifische Merkmale von Sozialunternehmen müssen im Zusammenhang mit sozialwirksamen Investitionen berücksichtigt werden, u. a.: Veräußerung, langfristige statt kurzfristige Anlagen, Auswirkungen auf die Kontinuität der Dienstleistungserbringung, Auswirkungen auf den sozialen Auftrag sozialwirtschaftlicher Unternehmen usw.

    4.7

    Anreize wie z. B. steuerliche Anreize sollten als Teil des Ertragsmodells ebenfalls gründlicher untersucht werden, ebenso wie die Frage, wie ein Gleichgewicht zwischen den Anreizen für die Anleger und der Marktrendite, die sie erwarten, erzielt werden kann. Die Renditen sollten bei Beteiligung öffentlicher Mittel oder Anreize die aktuellen Marktrenditen nicht übersteigen dürfen. Die Kommission sollte einen Überblick über die verschiedenen Arten von Investitionsanreizen und die finanziellen und/oder sozialen Renditen in den Mitgliedstaaten erstellen. Es könnte sinnvoll sein, die Pensionsfonds aufzufordern, solche Investitionen als Teil eines diversifizierten Portfolios in Erwägung zu ziehen.

    4.8

    Ferner ist wichtig, dass die Kommission den Fortschritt von Investitionen mit sozialen Auswirkungen regelmäßig überwacht um sicherzustellen, dass die Hauptzielgruppen der Sozialunternehmen und der Sozialwirtschaft effektiv einen besseren Zugang zu geeignetem Kapital haben.

    5.   Weitere Überlegungen zu Investitionen mit sozialen Auswirkungen und den politischen Rahmenbedingungen

    5.1

    Angesichts der Bedeutung des Zugangs zu angemessenen Finanzmitteln über den gesamten Lebenszyklus eines Unternehmens müssen alle Entwicklungen in einem politischen Rahmen für soziale Finanzierungen und Investitionen stattfinden, der sozialwirtschaftliche Unternehmen auf Ebene der Mitgliedstaaten unterstützt. Dadurch soll vermieden werden, dass einige Mitgliedstaaten, anstatt breite politische Rahmenbedingungen zu schaffen, lediglich einzelne Instrumente erproben.

    5.2

    Ebenso wichtig ist es, allen Arten von — öffentlichen, privaten und zivilgesellschaftlichen — Anlegern Rechnung zu tragen. Um bestmögliche Partnerschaften und Ergebnisse sicherzustellen, müssen ihre individuellen Motive und Erwartungen berücksichtigt werden. Am wichtigsten ist indes, dass die Schaffung einer Infrastruktur für Investitionen mit sozialen Auswirkungen die Sozialstaatsmodelle in Europa positiv beeinflusst. Die Maßnahmen sollten behutsam im nationalen Kontext entwickelt werden und das Ziel verfolgen, dass sozialwirtschaftliche Unternehmen und der öffentliche Sektor gemeinsam die Sozialsysteme stärken, während gleichzeitig der allgemeine Zugang zu hochwertigen und erschwinglichen Dienstleistungen sichergestellt wird.

    5.3

    In diesem Zusammenhang spielen die Regierungen eine zentrale Rolle als „Käufer“ sozialer Auswirkungen, aber primär sind sie die Hauptverantwortlichen für die Wahrung sozialer Rechte. Initiativen für die Schaffung eines Marktes für Sozialinvestitionen müssen von der Perspektive eines positiven Beitrags für das Gemeinwohl ausgehen. Das heißt nicht, dass sich die Regierungen aus ihrer Verantwortung stehlen dürfen, sozialpolitische Maßnahmen durchzuführen, für soziale Sicherheit zu sorgen und soziale Dienstleistungen zu erbringen.

    5.3.1

    Der EWSA unterstützt die Diskussion der Kommission, im Sinne der goldenen Finanzierungsregel („golden rule“) auch Sozialinvestitionen im Kontext des fiskalischen Regelwerks der WWU aus der Berechnung staatlicher Nettodefizite auszunehmen (15).

    5.4

    Die Stellungnahme des EWSA zum Sozialinvestitionspaket und damit verbundene Arbeiten (16) sollten in diesem Kontext berücksichtigt werden. Darin werden innovative Finanzierungsmöglichkeiten gefordert und es wird anerkannt, dass gut konzipierte, effiziente und wirksame Sozialinvestitionen die sozialen Auswirkungen maximieren, und dass Investitionen in den Wohlfahrtsstaat sozialen Fortschritt bringen und künftige soziale Kosten senken.

    5.5

    Investitionen in sozialwirtschaftliche Unternehmen sind besonders komplex, da die erbrachten Dienstleistungen häufig hilfsbedürftige Menschen betreffen. Der Erfolg der Maßnahmen hängt ab von den Ressourcen, der Flexibilität bei der Anpassung an sich verändernde Bedingungen und der Gewährleistung der Dienstleistungskontinuität. Der Einsatz herkömmlicher Investitionen und die Anwendung der Marktlogik wollen in diesem Bereich sorgsam überlegt sein, um negative Auswirkungen für die zentrale Zielgruppe, die Endnutzer, zu vermeiden.

    5.6

    Investitionen mit sozialen Auswirkungen müssen auch im breiteren Kontext der Finanzierung des öffentlichen Beschaffungswesens und der öffentlichen Auftragsvergabe gesehen werden. Sozialwirksame Investitionen zur Förderung der Innovation machen ein anderes Verhältnis zwischen den Interessenträgern erforderlich, das auf Partnerschaftlichkeit beruht und bei dem die Behörden eine zentrale Rolle spielen.

    5.7

    Da die Sozialwirtschaft in vielen Staaten immer noch schwach entwickelt ist, will jede Initiative im Bereich der Investitionen mit sozialen Auswirkungen sorgsam überlegt sein. Ein Markt für Sozialinvestitionen braucht Angebot und Nachfrage — und deshalb eine gut entwickelte Sozialwirtschaft. Die Schaffung einer nachhaltigen Sozialwirtschaft kommt vor der Entwicklung eines Marktes für Sozialinvestitionen.

    5.8

    In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass Sozialunternehmen in einem zivilgesellschaftlichen Kontext entstehen. Die Unterstützung einer unabhängigen und nachhaltigen Zivilgesellschaft ist daher von zentraler Bedeutung für die Entwicklung von Sozialunternehmen — ebenso wie der Dialog mit der Sozialwirtschaft in allen Phasen.

    5.9

    Selbst wenn geeignete Finanzierungen (Investitionen mit sozialen Auswirkungen o.Ä.) zur Verfügung stehen, wird dieser Markt ohne einen Kapazitätsaufbau im Bereich Messung der sozialen Wirkung und ohne Programme zur Förderung der Investitionsbereitschaft nicht voll funktionstüchtig sein. Die Entstehung von Erbringern solcher Dienstleistungen im Bereich Kapazitätsaufbau, die häufig selbst sozialwirtschaftliche Unternehmen sind, sollte gefördert werden. Es gilt auch, Schnittstellen zwischen Sozialunternehmen und der Welt der Investitionen mit sozialen Auswirkungen herzustellen, wobei spezielle Intermediäre eine zentrale Rolle spielen. Der EWSA warnt indes davor, zu viele Zwischenebenen oder übergreifende Akteure einzuschalten. Denn echte soziale Innovationspartnerschaften basieren auf direkten und engen Kontakten zwischen den (häufig im kleinen und lokalen Rahmen tätigen) Interessenträgern, um Vertrauen aufzubauen, und sie tun dies nicht über Intermediäre.

    5.10

    Der EWSA unterstreicht, dass eindeutig unterschieden werden muss zwischen der sozialen Wirkung eines Sozialunternehmens als solches und den sozialen Auswirkungen infolge einer spezifischen Tätigkeit oder eines Programms des Unternehmens. Sozialunternehmen sollten stets arbeitsrechtliche Vorschriften, Arbeitnehmerrechte und einschlägige Tarifverträge einhalten.

    5.11

    Die Unterstützung für die Sozialwirtschaft und Sozialunternehmen erfordert einen holistischen Ansatz bezüglich des Ursprungs, der Triebkräfte und der Weiterentwicklung großer Ideen. Bei all diesen Punkten sind die Regierungen und die privaten Anleger gefordert, über den Tellerrand zu schauen und Investitionskapital bereitzustellen, um die sozialwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Potenziale voll auszuschöpfen. Für die Schaffung eines günstigen Umfelds für die Sozialwirtschaft in Europa sind neben dem Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten weitere Schlüsselkomponenten erforderlich. Der EWSA appelliert daher an die Mitgliedstaaten, die Möglichkeiten im Rahmen der Initiative für soziales Unternehmertum (SBI) zu nutzen und nationale Unterstützungspläne für den Sektor zu entwickeln. Er fordert die Kommission auf, ein federführendes Referat damit zu beauftragen, eine zweite Phase der SBI für die kommenden Jahre zu konzipieren.

    Brüssel, den 11. September 2014.

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Henri MALOSSE


    (1)  COM(2013) 83 final.

    (2)  In der auch als „dritter Sektor“ bezeichneten Sozialwirtschaft sind nichtstaatliche Akteure tätig, wie zum Beispiel örtliche Vereine, Freiwilligenorganisationen und Sozialunternehmen, deren Aktivitäten auf sozialen Nutzen ausgerichtet sind. Bei Sozialunternehmen handelt es sich um Unternehmen, die vorrangig soziale Ziele verfolgen und ihre Überschüsse in der Regel wieder in das Unternehmen oder in die Gemeinschaft investieren, anstatt die Gewinne an Eigentümer und Anteilseigner auszuschütten.

    (3)  COM(2011) 682 final.

    (4)  ABl. C 318 vom 23.12.2009, S. 22, ABl. C 24 vom 28.1.2012, S. 1, ABl. C 229 vom 31.7.2012, S. 44, ABl. C 229 vom 31.7.2012, S. 55 und ABl. C 170 vom 5.6.2014, S. 18.

    (5)  Dieses Interesse besteht auch seitens privater Anleger von der Risikokapitalbranche bis hin zu Pensionsfonds, öffentlichen und privaten Banken und Netzen wie TONIIC, EVPA und das Ashoka Support Netzwerk.

    (6)  https://www.gov.uk/government/groups/social-impact-investment-taskforce

    (7)  http://ec.europa.eu/enterprise/policies/sustainable-business/corporate-social-responsibility/index_en.htm

    (8)  COM(2011) 682 final, S. 2.

    (9)  Definition des Global Impact Investment Networks, http://www.thegiin.org/cgi-bin/iowa/aboutus/index.html

    (10)  ABl. C 170 vom 5.6.2014, S. 18.

    (11)  http://ec.europa.eu/internal_market/social_business/docs/expert-group/social_impact/140605-sub-group-report_en.pdf

    (12)  ABl. C 229 vom 31.7.2012, S. 55.

    (13)  https://www.gov.uk/social-impact-bonds

    (14)  http://www.ubibanca.com/page/ubicomunita-social-bond

    (15)  ABl. C 226 vom 16.7.2014, S. 21.

    (16)  ABl. C 271 vom 19.9.2013, S. 91 und ABl. C 226 vom 16.7.2014, S. 21.


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