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Document 52013IP0517

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21. November 2013 zu Katar und der Lage der Wanderarbeitnehmer (2013/2952(RSP))

ABl. C 436 vom 24.11.2016, p. 42–44 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

24.11.2016   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 436/42


P7_TA(2013)0517

Katar: Lage der Wanderarbeiter

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21. November 2013 zu Katar und der Lage der Wanderarbeitnehmer (2013/2952(RSP))

(2016/C 436/08)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 24. März 2011 zu den Beziehungen der Europäischen Union zum Golf-Kooperationsrat (1),

unter Hinweis auf die Tagung des Gemeinsamen Rates der EU und des Golf-Kooperationsrats und das Ministertreffen vom 30. Juni 2013 in Manama (Bahrain),

unter Hinweis auf die Konvention der Vereinten Nationen über den Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen vom 18. Dezember 1990,

unter Hinweis auf die Erklärung der Internationalen Föderation des Verbandsfußballs (FIFA) vom 2. Dezember 2010 zur Auswahl Katars als Ausrichter der Fußballweltmeisterschaft 2022,

unter Hinweis darauf, dass Katar das Übereinkommen Nr. 29 der Internationalen Arbeitsorganisation über Zwangs- oder Pflichtarbeit am 12. März 1998 ratifiziert hat,

unter Hinweis auf die Beschlüsse des katarischen Ministers für den öffentlichen Dienst und Wohnungsangelegenheiten über die Anwendung des Arbeitsgesetzes Nr. 14/2004 über die Regelung der Bedingungen und Verfahren für die Vergabe von Lizenzen an katarische Staatsangehörige, die ausländische Arbeitnehmer beschäftigen wollen, vom 22. August 2005 und auf das katarische Gesetz Nr. 4/2009 über die Kafāla (Visabürgschaftsregelung),

unter Hinweis auf die Stellungnahme des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen über die Menschenrechte von Migranten, François Crépeau, vom 10. November 2013 zu seinem Besuch in Katar,

unter Hinweis auf die Berichte von Human Rights Watch und Amnesty International über die Lage der Bauarbeiter in Katar im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft und den Besuch, den der Generalsekretär von Amnesty International dem Land unlängst abgestattet hat,

gestützt auf Artikel 122 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass in Katar etwa 1,35 Millionen ausländische Staatsangehörige ansässig sind, die fast 90 % der Arbeitskräfte des Landes ausmachen; in der Erwägung, dass Migranten hauptsächlich auf dem Bau, im Dienstleistungsgewerbe und als Hausangestellte beschäftigt werden; in der Erwägung, dass Katar mit dieser Zahl weltweit den höchsten Anteil an Wanderarbeitnehmern an der Gesamtbevölkerung gegenüber der einheimischen Bevölkerung aufweist; in der Erwägung, dass mindestens 500 000 zusätzliche Wanderarbeitnehmer in Katar erwartet werden, um die Bauarbeiten in Vorbereitung auf die Fußballweltmeisterschaft 2022 zu beschleunigen; in der Erwägung, dass die Mehrheit der Wanderarbeitnehmer aus Indien und Nepal stammt und auch Bangladesch, Pakistan, die Philippinen und Sri Lanka zu den Herkunftsländern zählen;

B.

in der Erwägung, dass nach den Angaben, die der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) von den Botschaften Indiens und Nepals in Katar erhalten hat, im Durchschnitt je 200 Arbeiter aus diesen beiden Ländern jedes Jahr in Katar ums Leben kommen und dass sich diese Situation noch verschlimmern könnte, je näher die Fußballweltmeisterschaft 2022 rückt;

C.

in der Erwägung, dass die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) zu bedenken gegeben hat, Katar habe das internationale Übereinkommen über das Verbot der Zwangs- oder Pflichtarbeit — das es 1998 ratifiziert hat — noch nicht vollständig umgesetzt; in der Erwägung, dass die IAO einen Drei-Parteien-Ausschuss eingerichtet hat, der den Sachverhalt prüfen und Empfehlungen an die Regierung Katars richten soll, wie diese ihre internationalen Verpflichtungen einhalten könne;

D.

in der Erwägung, dass der Vorsitzende des Nationalen Menschenrechtsausschusses Katars gewisse Probleme zugegeben und zugesichert hat, er und seine Regierung würden alles in ihrer Macht Stehende tun, um diese Probleme zu beheben; in der Erwägung, dass die Staatsorgane Katars mitgeteilt haben, das Arbeitsrecht werde geändert, und es würden derzeit Unterkünfte für Arbeitnehmer errichtet;

E.

in der Erwägung, dass die als „Kafāla-System“ bezeichnete Visabürgschaftsregelung bedeutet, dass Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz ohne Erlaubnis ihres Arbeitgebers nicht wechseln und das Land nur verlassen dürfen, wenn ihr Arbeitgeber eine Ausreisegenehmigung unterzeichnet; in der Erwägung, dass das „Kafāla-System“ häufig ausgenutzt wird, da Arbeitnehmer die Reisepässe und den Lohn der Arbeitnehmer einbehalten und den Arbeitnehmern Gebühren in Höhe von nicht weniger als 3 500 USD für ein Visum vom „Kafīl“ bzw. Bürgen in Rechnung gestellt werden, sodass den Wanderarbeitnehmern übermäßig hohe Schulden aufgebürdet werden;

F.

in der Erwägung, dass der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) im März 2013 beim Arbeitsministerium Katars eine Beschwerde gegen eine Reihe katarischer Unternehmen eingereicht hat; in der Erwägung, dass 2012 in der Abteilung für Arbeitsbeziehungen des Arbeitsministeriums Katars 6 000 Beschwerden von Arbeitnehmern eingegangen sind; in der Erwägung, dass der IGB und der Internationale Bund der Bau- und Holzarbeiter (IBBH) die Situation angeprangert und bei der IAO gemeinsam Klagen in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und die Vereinigungsfreiheit in Katar eingereicht haben;

1.

bedauert den Tod von Wanderarbeitnehmern in Katar und drückt ihren Familien sein Mitgefühl aus;

2.

äußert sich besorgt über die Lage der Wanderarbeitnehmer in Katar, beispielsweise über die langen Arbeitszeiten, die gefährlichen Arbeitsbedingungen, monatelang ausbleibende Lohnzahlungen, die Einbehaltung von Reisepässen, die Zwangsunterbringung in überfüllten Lagern, die Verweigerung des Rechts auf gewerkschaftlichen Zusammenschluss und den fehlenden Zugang zu kostenlosem Trinkwasser bei extremer Hitze;

3.

stellt fest, dass die Staatsorgane Katars Probleme bewältigen müssen, was den Umgang mit den Arbeitskräften im Land betrifft, die zu fast 90 % aus Wanderarbeitnehmern bestehen, und was die praktische Umsetzung im Zusammenhang mit der Durchsetzung der diesbezüglichen Rechtsvorschriften angeht;

4.

begrüßt die Ankündigung der Regierung Katars, eine Schwarze Liste der Unternehmen aufzustellen, die Wanderarbeitnehmer ausbeuten; begrüßt die Bemühungen der Regierung und insbesondere des Nationalen Menschenrechtsrats Katars, die Wanderarbeitnehmer stärker für ihre Rechte und Pflichten nach internationalem Recht zu sensibilisieren; würdigt in diesem Zusammenhang die Entscheidung des Nationalen Menschenrechtsrats, ein neues Zentrum für die Bearbeitung und Behandlung von Beschwerden von Wanderarbeitnehmern einzurichten;

5.

fordert die Staatsorgane Katars auf, die einschlägigen geltenden Rechtsvorschriften auch in der Praxis anzuwenden, auch durch Durchsetzung des Verbots der Einziehung von Reisepässen, die strafrechtliche Verfolgung diesbezüglicher Verstöße und die Verhängung spürbarer Sanktionen gegen Unternehmen und Einzelpersonen, die gegen Gesetze zum Schutz der Rechte von Migranten verstoßen; begrüßt die Zusage der Staatsorgane Katars, in Bezug auf Hausangestellte Gesetze zu erlassen, die auch den wirksamen Schutz der Arbeitnehmerrechte und Mechanismen zu deren konkreter Durchsetzung umfassen; fordert in diesem Zusammenhang die rasche Annahme des Entwurfs eines Gesetzes über Hausangestellte, über das gegenwärtig im Obersten Rat für Familienangelegenheiten beraten wird; stellt fest, dass die Mehrzahl der Hausangestellten Frauen sind;

6.

begrüßt den Vorschlag der zuständigen Regierungsstellen, alle Vorwürfe zu prüfen, sowie das Versprechen der Staatsorgane Katars, die Zahl der Arbeitsinspektoren zu erhöhen, denen es obliegt, die Durchsetzung der einschlägigen arbeitsrechtlichen Bestimmungen zu überwachen; erwartet, dass die Arbeitsinspektoren Schulungen zu den Menschenrechtsnormen erhalten, und hofft, dass sie bei ihrer Tätigkeit von Dolmetschern unterstützt werden;

7.

äußert sich besorgt darüber, dass Menschen einzig und allein aus dem Grund verhaftet wurden, weil sie ihren Arbeitgebern „weggelaufen“ sein sollen, und fordert die Staatsorgane Katars auf, derartigen Praktiken ein Ende zu setzen; fordert nachdrücklich, dass alle Migranten, die ihrer Freiheit beraubt wurden, zu ihren Familien und ihrer jeweiligen konsularischen Dienststelle Kontakt aufnehmen können, Zugang zu einem Rechtsanwalt und einem Dolmetscher sowie das Recht erhalten, unverzüglich gegen ihre Verhaftung vorzugehen;

8.

begrüßt, dass Bewegung in die Regelung der Angelegenheit um den französischen Fußballspieler Zahir Belounis bzw. -trainer Stéphane Morello gekommen sein soll, die mit dem Bürgschaftssystem in Konflikt geraten sind und infolgedessen am Verlassen des Landes gehindert wurden, und fordert die Staatsorgane Katars und die FIFA auf, dafür zu sorgen, dass sich derartige Fälle nicht mehr wiederholen;

9.

fordert Katar auf, die Konvention der Vereinten Nationen über den Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zu ratifizieren;

10.

fordert Katar auf, die Übereinkommen der IAO zu ratifizieren — auch jene über Wanderarbeitnehmer, die Vereinigungsfreiheit, die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen, Hausangestellte und private Arbeitsvermittlungsagenturen — und zu prüfen, ob es die IAO um fachliche Unterstützung ersuchen sollte, um seine Rechtsvorschriften auch in der Praxis mit diesen Übereinkommen in Einklang zu bringen;

11.

fordert die Errichtung zusätzlicher Unterkünfte für Wanderarbeitnehmer und insbesondere solcher Unterkünfte, die den Bedürfnissen von Frauen und Kindern gerecht werden; begrüßt die Ankündigung vom 9. November 2013 über den Bau von Unterkünften, die 60 000 Arbeitnehmern Platz bieten und im Dezember 2013 fertiggestellt sein sollen;

12.

bekräftigt, dass der Ratifizierung und vollständigen Umsetzung der Konvention der Vereinten Nationen über den Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen durch die Mitgliedstaaten des Golf-Kooperationsrats (GCC), also auch Katar, in den Beziehungen zwischen der EU und dem GCC zentrale Bedeutung beigemessen werden sollte;

13.

appelliert an das Verantwortungsbewusstsein von Unternehmen aus der EU, die Stadien bauen oder andere Infrastrukturprojekte in Katar durchführen, Arbeitsbedingungen zu schaffen, die mit den internationalen Menschenrechtsnormen im Einklang stehen, und legt den Mitgliedstaaten der EU nahe, Maßnahmen zu treffen, mit denen dafür gesorgt wird, dass Ingenieurbüros, Bauunternehmen und Beratungsunternehmen aus der EU die Leitlinien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie die Grundsätze des Ruggie-Berichts einhalten;

14.

fordert die Staatsorgane Katars auf, eng mit den zuständigen Stellen in den Herkunftsländern der Wanderarbeitnehmer zusammenzuarbeiten, wobei diese Stellen die Rolle der Anwerbeagenturen, die Wanderarbeitnehmer nach Katar entsenden, überwachen sollten; fordert den Europäischen Auswärtigen Dienst auf, die Regierungen der Entsendestaaten, vor allem in Asien, dabei zu unterstützen, den Wanderarbeitskräften eine bessere Behandlung angedeihen zu lassen;

15.

begrüßt die Forderung der internationalen Profifußballspieler-Vereinigung FIFPro, dass von der FIFA und der IAO zu benennenden unabhängigen Sachverständigen für Arbeitsstätten Zugang zu allen Baustellen gewährt wird und dass diesen Sachverständigen die Befugnis übertragen wird, verbindliche Empfehlungen auszusprechen, mit denen für die Einhaltung der internationalen Arbeitsnormen in Katar gesorgt wird;

16.

erinnert die FIFA daran, dass ihre Zuständigkeit über die Weiterentwicklung des Fußballs und die Organisation von Wettbewerben hinausreicht, und fordert die FIFA auf, mit tatkräftiger Unterstützung ihrer europäischen Mitglieder die klare und deutliche Botschaft an Katar zu richten, dass die Vorbereitungen auf die Fußballweltmeisterschaft 2022 nicht von mutmaßlicher Zwangsarbeit überschattet werden dürfen;

17.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Regierung und dem Parlament des Staates Katar, den Regierungen und Parlamenten des Golf-Kooperationsrats sowie der Internationalen Föderation des Verbandsfußballs (FIFA), der Vereinigung Europäischer Fußballverbände (UEFA), der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) und dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte zu übermitteln.


(1)  ABl. C 247 E vom 17.8.2012, S. 1.


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