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Document 52013AE0101

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat — Aktionsplan zur Verstärkung der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung — COM(2012) 722 final

ABl. C 198 vom 10.7.2013, p. 34–38 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

10.7.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 198/34


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat — Aktionsplan zur Verstärkung der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung

COM(2012) 722 final

2013/C 198/05

Berichterstatter: Petru Sorin DANDEA

Die Europäische Kommission beschloss am 12. März 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – Aktionsplan zur Verstärkung der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung

COM(2012) 722 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 4. April 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 489. Plenartagung am 16., 17. und 18. April 2013 (Sitzung vom 17. April) mit 169 Stimmen gegen 1 Stimme ohne Enthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA befürwortet den von der Kommission vorgelegten Plan und unterstützt ihre Bemühungen, konkrete Lösungen zu Verringerung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung zu finden. Ein wirklicher Fortschritt ist nur möglich, wenn sich die Mitgliedstaaten stärker darauf konzentrieren, unter Einsatz von ausreichenden personellen und finanziellen Ressourcen die Effektivität der Finanzbehörden zu erhöhen, und eine bessere Koordination ihrer Zusammenarbeit sicherstellen.

1.2

Der EWSA empfiehlt der Kommission und dem Rat, die Themen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung, aber auch aggressive Steuerplanung in den Jahreswachstumsbericht und das Europäische Semester aufzunehmen und spezielle Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Phänomene zu ergreifen, um Fortschritte bei der Entrichtung und Erhebung der Steuern mit Blick auf mehr Steuergerechtigkeit, eine bessere Umverteilung und eine effektivere Bekämpfung der Armut sicherzustellen.

1.3

Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission, die Staaten, die unter Missachtung der Grundsätze der guten Regierungsführung im Steuerwesen als Steueroasen fungieren, in eine Schwarze Liste aufzunehmen, und fordert, die gemeinsamen Kriterien zur Bestimmung dieser Staaten und Regionen auf europäischer Ebene festzulegen, um eine unterschiedliche Anwendung auf nationaler Ebene zu vermeiden. Die Möglichkeit der Aufnahme in die Schwarze Liste sollte sich nicht auf Drittländer beschränken, sondern auch Regionen oder Steuergebiete von Mitgliedstaaten und die in diesen Gebieten tätigen Unternehmen umfassen.

1.4

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Kommission ihren Vorschlag zur Führung einer Schwarzen Liste um Sanktionen gegen Unternehmen ergänzen könnte; diese könnten beispielsweise darin bestehen, dass sie von öffentlichen Ausschreibungen für Aufträge ausgeschlossen werden oder keine Mittel der EU oder staatliche Hilfen erhalten.

1.5

Der EWSA ist der Ansicht, dass eine aggressive Steuerplanung aufgrund der durch sie verursachten Aushöhlung der Steuerbemessungsgrundlagen, die die Mitgliedstaaten zu einer Anhebung der Steuersätze zwingen, unmoralisch ist und schwere Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarktes hat sowie zu für die Steuerpflichtigen ungerechten Verzerrungen der Steuersysteme führt. Aufgrund der Komplexität dieses Phänomens müssen die Vorschläge der Kommission bezüglich einer allgemeinen Vorschrift zur Verhinderung von Missbrauch und der Definition fiktiver bilateraler Vereinbarungen ausreichend klar sein, damit sie ohne Weiteres von allen Mitgliedstaaten angewandt werden können.

1.6

Der EWSA anerkennt die Bedeutung des Einsatzes der Kommission für die Aushandlung der Abkommen über eine gute Regierungsführung im Bereich des Steuerwesens mit den Nachbarstaaten der EU. Er empfiehlt dem Rat, der Kommission ein Mandat zur Führung dieser Verhandlungen zu erteilen, da sich diese Instrumente im Kampf gegen Steuerbetrug und –hinterziehung als äußerst nützlich erweisen können.

1.7

Der EWSA befürwortet, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten die Vereinfachung und Harmonisierung des bestehenden Rechtsrahmens sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene weiterverfolgen. Ein vereinfachter und stärker harmonisierter Rechtsrahmen im Steuerwesen, der Steuergerechtigkeit garantieren kann und über moderne IT-Instrumente zur Überprüfung, zur Kontrolle und zum Austausch von Daten verfügt, würde gleichzeitig die Möglichkeiten für Steuerbetrug und -hinterziehung beträchtlich einschränken.

1.8

Der EWSA empfiehlt der Kommission, dem Rat und dem Europäischen Parlament, sich gegenüber den Mitgliedstaaten dafür einzusetzen, die den Steuerwettbewerb begünstigenden erheblichen Unterschiede in den Steuersätzen, sowohl bei den direkten als auch den indirekten Steuern, zu beseitigen.

1.9

Der EWSA begrüßt den Beschluss der Kommission, die Möglichkeit der Einführung einer europäischen Steueridentifikationsnummer (TIN) zu prüfen. Der EWSA wiederholt seine bereits in verschiedenen Stellungnahmen an die Mitgliedstaaten gerichtete Forderung, die indirekte Besteuerung zu harmonisieren. Er legt der Kommission nahe, entsprechende Vorschläge vorzulegen. Bei gleichzeitiger Einführung einer europäischen TIN bietet eine derartige Harmonisierung die Chance einer erheblichen Eindämmung des "Karussellbetrugs".

2.   Einführung

2.1

Steuerbetrug und –hinterziehung, aber auch die Vermeidung von Steuerzahlung durch aggressive Steuerplanung verstärken eine wachsende, durch Wirtschaftskrise und Sparprogramme verursachte Ungleichheit und konterkarieren das Engagement der EU-Mitgliedstaaten für ein effizientes Funktionieren der Steuersysteme. Damit soll die Finanzierung der öffentlichen Dienstleistungen, die Verteilung von Wohlstand und der Kampf gegen die Armut sichergestellt und die Entstehung eines Steuerwettbewerbs zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern vermieden werden. Die Verluste der Mitgliedstaaten werden auf über 1 000 Mrd. EUR pro Jahr geschätzt (1).

2.2

Am 2. März 2012 ersuchte der Europäische Rat den Rat und die Kommission, konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung auszuarbeiten.

2.3

Die Kommission verabschiedete im Juni 2012 eine Mitteilung (2), in der sie ausführte, wie die Einhaltung von Steuervorschriften verbessert und Steuerbetrug und Steuerhinterziehung verringert werden können. In dieser Mitteilung kündigte die Kommission einen Aktionsplan zu stärkeren Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung an.

2.4

Im Dezember 2012 legte die Kommission den angekündigten Aktionsplan vor, der kurz zuvor ergriffene Initiativen enthält und mögliche neue Maßnahmen zur kurz- oder langfristigen Umsetzung vorsieht. Dieser Plan wird von der Empfehlung der Kommission für Maßnahmen, durch die Drittländer zur Anwendung von Mindeststandards für verantwortungsvolles Handeln im Steuerbereich veranlasst werden sollen (3) und der Empfehlung der Kommission betreffend aggressive Steuerplanung (4) flankiert.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der EWSA befürwortet den von der Kommission vorgelegten Aktionsplan und unterstützt ihre Bemühungen, konkrete Lösungen zu Verringerung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung zu finden (5). Angesichts der zahlreichen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, die die Entscheidungsfindung im Rat bremsen, zeigt sich der Ausschuss mit Blick auf die Umsetzung bestimmter vorgeschlagener Maßnahmen jedoch skeptisch. Auch die Verringerung der Finanz- und Personalausstattung in den Steuerverwaltungen der meisten Mitgliedstaaten aufgrund der Sparmaßnahmen der letzten Jahre (6) ist ein wesentliches Hindernis für die Umsetzung neuer Maßnahmen. Ein wirklicher Fortschritt ist nur möglich, wenn sich die Mitgliedstaaten stärker darauf konzentrieren, unter Einsatz von ausreichenden personellen und finanziellen Ressourcen die Effektivität der Finanzbehörden zu erhöhen, und eine bessere Koordination ihrer Zusammenarbeit sicherstellen.

3.2

Ein erheblicher Teil der durch die Schattenwirtschaft verursachten Verluste für die Steuerverwaltungen ist auf aggressive Steuerplanung zurückzuführen. Die Kommission erkennt an, dass bei dieser Art der Steuerplanung Unstimmigkeiten zwischen den Steuersystemen zweier oder mehrerer Mitgliedstaaten ausgenutzt werden. Auch wenn ein derartiges Verhalten global als legitim gilt, so werden doch die Grundsätze der sozialen Verantwortung der Unternehmen mit Füßen getreten. Der EWSA ist der Ansicht, dass aggressive Steuerplanung aufgrund der durch sie verursachten Aushöhlung der Steuerbemessungsgrundlagen, die die Mitgliedstaaten zu einer Anhebung der Steuersätze zwingen, unmoralisch ist und gravierende Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarktes hat – da der Wettbewerb zwischen den Unternehmen allgemein und insbesondere zwischen kleinen und mittleren Unternehmen beeinträchtigt wird – sowie zu ungerechten Verzerrungen der Steuersysteme für die Steuerpflichtigen führt.

3.3

Der EWSA begrüßt die Empfehlung der Kommission hinsichtlich der aggressiven Steuerplanung, ist aber der Auffassung, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung unzureichend sind. Aufgrund der Komplexität des Phänomens der aggressiven Steuerplanung könnte es sich als schwierig erweisen, im Rahmen der zwischen den Mitgliedstaaten abgeschlossenen Verträge die allgemeine Vorschrift zur Verhinderung von Missbrauch anzuwenden und eine Definition für künstliche bilaterale Vereinbarungen zu finden. Außerdem ist der EWSA der Ansicht, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieser Maßnahmen mit stärkeren Schwierigkeiten zu kämpfen haben, wenn sie diese Vereinbarungen nicht sofort für ungültig erklären, insbesondere, wenn Steuergebiete betroffen sind, die als Steueroasen gelten oder die keine Mindeststandards für ein verantwortungsvolles Handeln im Steuerwesen einhalten.

3.4

Die Kommission schlägt den Mitgliedstaaten vor, eine Reihe von Kriterien anzunehmen, anhand derer sie feststellen können, welche Drittstaaten die Mindeststandards für ein verantwortungsvolles Handeln im Steuerwesen nicht einhalten, und diese Länder auf eine Schwarze Liste zu setzen. Der EWSA weist darauf hin, dass diese Maßnahme ebenfalls die Steuergebiete von Mitgliedstaaten umfassen und sich auch auf Unternehmen erstrecken sollte, die weiterhin Transaktionen tätigen, an denen in diesen Gebieten ansässige Unternehmen beteiligt sind.

3.5

Die Kommission hat Vorschläge zur Änderung verschiedener Richtlinien vorgelegt (7), um Schlupflöcher zu beseitigen, die Steuerbetrug und –hinterziehung begünstigen könnten. Außerdem hat die Kommission den Rat darum gebeten, ihr ein Mandat zur Aushandlung von Abkommen im Bereich der Zusammenarbeit in Steuersachen und der Betrugsbekämpfung mit vier benachbarten Drittländern und zur Unterzeichnung des Vorschlags für ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Liechtenstein andererseits zu erteilen. Der EWSA empfiehlt dem Rat, diesen Vorschlägen so bald wie möglich zu folgen, da diese Instrumente sich im Kampf gegen Steuerbetrug und -hinterziehung als äußerst nützlich erweisen können.

3.6

Der EWSA ist der Auffassung, dass es im Rahmen der Umsetzung des Aktionsplans zweckmäßig wäre, wenn die Kommission und die Mitgliedstaaten die Vereinfachung und Harmonisierung des bestehenden Rechtsrahmens sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene weiterverfolgen. Ein vereinfachter und stärker harmonisierter Rechtsrahmen im Steuerwesen, der Steuergerechtigkeit garantieren könnte und über moderne IT-Instrumente zur Überprüfung, zur Kontrolle und zum Austausch von Daten sowie über gut ausgebildetes Personal verfügte, würde ebenfalls die Möglichkeiten für Steuerbetrug und –hinterziehung beträchtlich einschränken. Dies würde die Verwaltungs- und Steuerbelastung von Unternehmen und Bürgern verringern und sich unmittelbar vorteilhaft auf die öffentlichen Einnahmen auswirken.

3.7

Der EWSA empfiehlt der Kommission, dem Rat und dem Europäischen Parlament, die Mitgliedstaaten anzuhalten, die den Steuerwettbewerb begünstigenden erheblichen Unterschiede in den Steuersätzen, sowohl bei den direkten als auch den indirekten Steuern, abzubauen. Gleichzeitig weist der EWSA auf den direkten Zusammenhang zwischen Höhe der Steuern und Steuerhinterziehung hin. Die effektive Bekämpfung des Steuerbetrugs und der Steuerhinterziehung sowie der aggressiven Steuerplanung kann zu einer Senkung des allgemeinen Steuerniveaus führen, die allen Steuerpflichtigen zugute käme.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Die Kommission konstatiert, dass Unternehmen aufgrund der ihnen durch den Binnenmarkt gewährten Freiheiten mit als Steueroasen geltenden Steuergebieten steuerliche Vereinbarungen treffen können - und dabei den Weg über den Mitgliedstaat mit den laxesten Bestimmungen gehen. Dadurch werden die Steuerbemessungsgrundlagen der Mitgliedstaaten unterminiert, der Wettbewerb zwischen den Unternehmen allgemein und KMU im Besonderen verzerrt und die Funktion des Binnenmarkts missbraucht. Der EWSA befürwortet, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten Unternehmen, die derart agieren, auf eine Schwarze Liste setzen. Neben anderen Maßnahmen auf nationaler Ebene sollten die Mitgliedstaaten vorsehen, das Recht dieser Unternehmen auf Bewerbungen um die Vergabe öffentlicher Aufträge auszusetzen oder ggf. beantragte staatliche Beihilfen zu verweigern.

4.2

Nach Schätzungen der Kommission ist die die Hälfte der Verluste, die den Mitgliedstaaten aufgrund bestimmter Praktiken der Schattenwirtschaft entgehen, auf aggressive Steuerplanung zurückzuführen. Der EWSA hält die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen zur Bekämpfung derartiger Praktiken (8) für unzureichend und empfiehlt konkret, die allgemeine Vorschrift zur Verhinderung von Missbrauch und die Definition fiktiver Vereinbarungen klarer zu fassen, so dass die Mitgliedstaaten umgehend tätig werden können, ohne die Sachlage in Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit aggressiver Steuerplanung zu verkomplizieren.

4.3

Der EWSA erachtet den Vorschlag der Kommission zur Einrichtung einer Plattform für verantwortungsvolles Handeln im Steuerwesen für sinnvoll. Er empfiehlt der Kommission, die Sozialpartner ebenfalls zur Beteiligung an dieser Plattform einzuladen, insbesondere diejenigen, zu deren Mitgliedern Beschäftigte in Finanzverwaltungen gehören, die umfassende Erfahrungen im Kampf gegen die verschiedenen Formen von Betrug und Steuerhinterziehung haben. Außerdem muss klargestellt werden, wie die Zusammenarbeit der Plattform mit anderen im Steuerbereich auf Ebene der EU tätigen Strukturen gestaltet werden soll.

4.4

Im Rahmen der von der OECD koordinierten Verhandlungen über den Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung schlägt die Kommission vor, in bestehenden Richtlinien diejenigen Bestimmungen zu streichen, die unter gegebenen Umständen eine aggressive Steuerplanung ermöglichen oder angemessene Lösungen verhindern, weil sie doppelte Nichtbesteuerung zulassen. Der EWSA begrüßt diese Initiative der Kommission und empfiehlt, diese Maßnahmen so schnell wie möglich zu ergreifen.

4.5

Die Kommission schlägt vor, die Arbeiten in Bezug auf steuerliche Sonderregelungen, die für ins Ausland entsandte Mitarbeiter und vermögende Personen gelten und den Binnenmarkt beeinträchtigen und die Steuereinnahmen insgesamt schmälern, zu intensivieren. Der EWSA spricht sich dafür aus, dass die Mitgliedstaaten diese steuerlichen Sonderregelungen aufheben. Gleichzeitig wiederholt der EWSA seine (bereits in anderen Stellungnahmen (9) geäußerte) Forderung an die EU-Institutionen, Maßnahmen zu beschließen, die den Missbrauch des "Ansässigkeitsprinzips" durch fiktive Sitz- und Eigentumsregelungen verhindern, welche es Holdings ohne konkrete Aktivität oder Briefkastenfirmen ermöglichen, die wirtschaftlichen Eigentümer von der Zahlung von Steuern in ihrem Wohnsitzland abzuschirmen.

4.6

Der EWSA begrüßt die Schaffung des Europäischen TIN-Portals für Steueridentifikationsnummern ("TIN on EUROPA"). Damit können Dritte, insbesondere Finanzinstitute, schnell, unkompliziert und zuverlässig Steueridentifikationsnummern (TIN) feststellen und aufzeichnen. Des Weiteren kann mit diesem Instrument die Wirksamkeit des automatischen Informationsaustausches verbessert werden. Angesichts des Beschlusses der Kommission, die Möglichkeit der Einführung einer europäischen TIN zu prüfen, wiederholt der EWSA seine bereits in mehreren Stellungnahmen an die Mitgliedstaaten gerichtete Forderung, die indirekte Besteuerung zu harmonisieren. Der EWSA fordert die Kommission auf, entsprechende Vorschläge vorzulegen. Bei gleichzeitiger Einführung einer europäischen TIN bietet eine derartige Harmonisierung die Chance einer erheblichen Eindämmung des "Karussellbetrugs". Die europäische TIN könnte künftig die einzige Identifikationsnummer der Steuerpflichtigen für alle Steuerarten werden.

4.7

Die Kommission hat mit der Vereinheitlichung von Formularen für den Austausch von Steuerinformationen begonnen. Eine IT-Anwendung für diese Standardformulare wurde für alle EU-Sprachen entwickelt und kann seit dem 1. Januar 2013 genutzt werden. Der EWSA begrüßt, dass diese neuen Formate eine wesentliche Rolle in der Verwaltungszusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten im Bereich der Besteuerung spielen können, vor allem, wenn die Entwicklung des IT-Systems einen automatischen Austausch von Informationen ermöglicht.

4.8

Der EWSA begrüßt insbesondere den Beschluss der Kommission, die "Mutter-/Tochterrichtlinie" und die Missbrauchsbekämpfungsbestimmungen in anderen Richtlinien zu überprüfen. Diese Überprüfung ist notwendig, um die Umsetzung der Empfehlung der Kommission hinsichtlich der aggressiven Steuerplanung sicherzustellen. Der EWSA empfiehlt den Mitgliedstaaten, die Bemühungen der Kommission zu unterstützen, damit diese Überprüfung in einem angemessenen Zeitraum durchgeführt werden kann. Im Rahmen dieser Überprüfung müssen multinationale Unternehmen dazu zu verpflichtet werden, für jedes Land, in dem sie eine Geschäftstätigkeit ausüben, getrennt Buch zu führen und den Produktionsumfang und die Gewinne genau anzugeben. Wenn die Bücher in dieser Form geführt werden, ist es leichter, festzustellen, welche Unternehmen Verrechnungspreise missbräuchlich festsetzen oder aggressive Steuerplanung betreiben. Gleichzeitig empfiehlt der EWSA, Vorschriften über die Besteuerung von Unternehmensgewinnen auf der Grundlage gemeinsamer Bestimmungen zu konzipieren.

4.9

Der EWSA begrüßt die Bemühungen der Kommission, die von der EU entwickelten IT-Instrumente im Rahmen der OECD zu verbreiten. Wenn die OECD die für den spontanen Informationsaustausch und Rückmeldungen im Bereich der direkten Steuern entwickelten e-Formulare gutheißt, wären diese Instrumente im Kampf gegen schwere Fälle von Steuerbetrug und –hinterziehung extrem nützlich und wirksam.

4.10

Die Kommission schlägt die Entwicklung eines europäischen Kodex für die Steuerpflichtigen vor, in dem die bewährten Verfahren auf Ebene der Mitgliedstaaten zusammengefasst werden, um so das Vertrauen zwischen Steuerverwaltungen und Steuerpflichtigen durch mehr Transparenz bezüglich der Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen und ein dienstleistungsorientiertes Konzept zu verbessern. Der EWSA weist darauf hin, dass eine Vereinfachung der Steuersysteme den Verwaltungsaufwand für Steuerpflichtige und Unternehmen senkt und somit mehr Vertrauen schaffen kann. Die Mitgliedstaaten sollten für vorschriftenkonforme Steuerpflichtige - seien es natürliche Personen oder Unternehmen - eine Senkung des Verwaltungsaufwandes vorsehen, diesen jedoch bei regelwidrigem Verhalten erhöhen. Es ist bekannt, dass es sich bei Unternehmen, die aggressive Steuerplanung betreiben, häufig um internationale Großunternehmen handelt.

4.11

Die Kommission empfiehlt den Mitgliedstaaten, den Ansatz einer zentralen Anlaufstelle zu fördern, wo ansässige wie nicht ansässige Steuerpflichtige sämtliche einschlägige Informationen erhalten können. Der EWSA befürwortet den Vorschlag der Kommission und ist der Auffassung, dass ein derartiger Ansatz einen Teil der Hindernisse beseitigen kann, mit denen Steuerpflichtige bei grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeiten zu kämpfen haben. Außerdem gibt die Zentralisierung der bestehenden Informationen in Form einer zentralen Anlaufstelle in jedem Mitgliedstaat der Kommission die Möglichkeit, ein europäisches Internetportal für den Steuerbereich (nach dem Modell des Justizportals) zu entwickeln.

4.12

Die Kommission schlägt vor, auf Grundlage der Erfahrungen, die im Rahmen von EUROFISC im Kampf gegen Mehrwertsteuerbetrug durch einen schnellen Informationsaustausch gewonnen wurden, dieses Netz zukünftig auch auf den Bereich der direkten Besteuerung auszudehnen. Der EWSA ist der Ansicht, dass die Ausdehnung von EUROFISC auf den Bereich der direkten Besteuerung eine Vervollständigung der auf Unionsebene bereits bestehenden Instrumente für den Kampf gegen Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und aggressive Steuerplanung darstellt.

4.13

Der EWSA begrüßt die Idee, die Definition bestimmter Arten von Verstößen gegen Steuervorschriften einschließlich verwaltungs- und strafrechtlicher Sanktionen für alle Steuerarten zu vereinheitlichen. Wenn eine derartige Angleichung gelänge, könnten Unternehmen davon abgehalten werden, die Mitgliedstaaten mit den laxesten Bestimmungen für ihre Tätigkeiten auszunutzen. Die Kommission schlägt vor, die Zweckmäßigkeit einer derartigen Angleichung zu prüfen.

4.14

Die Kommission hat in ihrer Mitteilung vom Juni 2012 eine Reihe möglicher Maßnahmen vorgelegt, die der Rat als nicht prioritär einstuft. Der EWSA ist der Auffassung, dass die Sicherstellung eines unmittelbaren Zugriffs auf nationale Datenbanken im Bereich der direkten Besteuerung, die u.a. von der Kommission vorgeschlagen wurde, eines der wirksamsten Instrumente der Mitgliedstaaten zur Bekämpfung des Steuerbetrugs und der Steuerhinterziehung wäre. Ferner schlägt die Kommission vor zu prüfen, ob nicht ein einziges Rechtsinstrument für die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden in Bezug auf alle Steuern erarbeitet werden könnte. Der EWSA unterstützt die Vorschläge der Kommission, mit denen sich Steuerbetrug und Steuerhinterziehung wirksamer bekämpfen lassen können.

Brüssel, den 17. April 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  COM(2012) 351 final, S. 2.

(2)  COM(2012) 351 final.

(3)  C(2012) 8805 final.

(4)  C(2012) 8806 final.

(5)  Der Ausschuss hat sich mehrfach für Maßnahmen zur Eindämmung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung ausgesprochen: ABl. C 11, 15.1.2013, S.31, ABl. C 347, 18.12.2010, S.73 und ABl. C 255, 22.9.2010, S.61.

(6)  "Impact of austerity on jobs in tax services and the fight against tax fraud and avoidance in EU-27 + Norway" (Auswirkungen der Sparpolitik auf Arbeitsplätze in Steuerbehörden und Bekämpfung von Steuerbetrug und -hinterziehung in EU-27 und Norwegen). Bericht des Labour Research Department Lionel Fulton im Auftrag des Europäischen Gewerkschaftsverbands für den öffentlichen Dienst (EGÖD), http://www.lrd.org.uk/, März 2013.

(7)  COM(2008) 727 final - 2008/0215 (CNS); COM(2012) 428 final, - 2012/0205 (CNS).

(8)  C(2012) 8806 final.

(9)  ABl. C 229 vom 31.7.2012, S. 7.


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