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Document 52012PC0428

Vorschlag für eine RICHTLINIE DES RATES zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Bezug auf einen Schnellreaktionsmechanismus bei Mehrwertsteuerbetrug

/* COM/2012/0428 final - 2012/0205 (CNS) */

52012PC0428

Vorschlag für eine RICHTLINIE DES RATES zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Bezug auf einen Schnellreaktionsmechanismus bei Mehrwertsteuerbetrug /* COM/2012/0428 final - 2012/0205 (CNS) */


BEGRÜNDUNG

1.           HINTERGRUND DES VORSCHLAGS

Im Jahreswachstumsbericht 2012[1] und seinem Anhang IV („Wachstumsfreundliche Steuerpolitik in den Mitgliedstaaten und bessere Steuerkoordinierung in der EU“) hat die Kommission betont, dass die Effizienz der Mehrwertsteuer im Zusammenhang mit der Haushaltskonsolidierung erhöht werden muss. Sie wies darauf hin, dass eine verbesserte Steuererhebung und wirksamere Bekämpfung von Steuerhinterziehung zu einer Erhöhung der Staatseinnahmen führen kann.

Da sich beim systematischen Mehrwertsteuerbetrug ständig neue Entwicklungen ergeben, sind die Mitgliedstaaten zuweilen mit Situationen konfrontiert, in denen das geltende Mehrwertsteuerrecht der EU keine Rechtsgrundlage für die Gegenmaßnahmen bietet, die sie ergreifen möchten.

Auf solche Situationen wurde bisher entweder durch Änderung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem[2] (im Folgenden: „die MwSt-Richtlinie“) reagiert oder die Mitgliedstaaten wurden auf Grundlage von Artikel 395 der MwSt-Richtlinie einzeln ermächtigt, Ausnahmeregelungen anzuwenden. Dieser Artikel bietet den Mitgliedstaaten derzeit die Möglichkeit, eine Ermächtigung für von der Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einzuholen, um Steuerhinterziehung oder ‑umgehung zu verhüten (das andere Ziel dieses Artikels ist die Vereinfachung). Voraussetzung für eine solche Ermächtigung ist ein (befürwortender) Vorschlag der Kommission, wofür gemäß Artikel 395 Absatz 4 der MwSt-Richtlinie bis zu acht Monate vorzusehen sind, und die einstimmige Zustimmung des Rates, was zu weiteren Verzögerungen führen kann.

In beiden Fällen ist das Verfahren naturgemäß langsam und umständlich – ganz im Gegensatz zu unvermittelt auftretenden Betrugsfällen auf internationaler Ebene, wie etwa Karussellbetrug bei Dienstleistungen, die umgehend dem nächsten Händler erbracht werden (im Gegensatz zum herkömmlicheren Betrug mit Waren). Daher kann das Verfahren zur Genehmigung von Ausnahmeregelungen oder zur Änderung der MwSt-Richtlinie zu erheblichen und unwiederbringlichen finanziellen Verlusten führen. Ein aktuelles Beispiel sind die auf 5 Mrd. EUR veranschlagten Einnahmenausfälle im Zeitraum zwischen Juni 2008 und Dezember 2009 im Zusammenhang mit dem Emmissionshandel.[3]

Die Mitgliedstaaten können deshalb versucht sein, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, ohne dass es dafür in den EU-Vorschriften eine geeignete Rechtsgrundlage gibt. Diese Situation ist insofern unbefriedigend, als solche Maßnahmen, selbst wenn sie in Anbetracht des Betrugsfalls angemessen und verhältnismäßig sind, wegen der fehlenden Rechtsgrundlage gerichtlich angefochten werden könnten.

Ein robusteres MwSt-System der EU ist auch eines der Kernziele der Mitteilung zur Zukunft der Mehrwertsteuer[4] vom 6. Dezember 2011, und der vorliegende Vorschlag wurde als vorrangige Maßnahme zur Verwirklichung dieses Ziels genannt.

Daher soll mit diesem Vorschlag in der MwSt-Richtlinie ein Verfahren vorgesehen werden, das den Mitgliedstaaten in ganz speziellen Situationen eine Rechtsgrundlage für Sofortmaßnahmen bietet. Dieses Verfahren würde als Schnellreaktionsmechanismus (im Folgenden: „SRM“) bezeichnet.

Mit dem SRM wird nicht bezweckt, das gegenwärtige System von Ausnahmeregelungen zu ersetzen. Er beschränkt sich vielmehr auf Fälle, in denen in einem bestimmten Mitgliedstaat eine Branche (oder auch mehrere) unvermittelt von schwerwiegendem Betrug betroffen ist (bzw. sind), der durch herkömmliche Kontroll- und Durchsetzungsmaßnahmen nicht beendet werden kann und zu unwiederbringlichen Verlusten führen würde.

Da dieser neue Mechanismus nur dann mit einem Mehrwert verbunden wäre, wenn Beschlüsse wesentlich schneller gefasst würden als nach den derzeitigen Verfahren, wird vorgeschlagen, dass die Kommission die Durchführungsbefugnisse nach Artikel 291 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union nutzt, um die ordnungsgemäße Umsetzung der MwSt-Richtlinie zu gewährleisten und Einnahmenausfälle sowie Verstöße gegen den Grundsatz der Steuergerechtigkeit zu verhindern.

Zur Annahme der Durchführungsbeschlüsse, mit denen ein Mitgliedstaat, der einen entsprechenden Antrag stellt, ermächtigt würde, zum Zweck der Betrugsbekämpfung eine Ausnahmeregelung anzuwenden, würde das Prüfverfahren genutzt, das in Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer v der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren[5] (im Folgenden: „die Komitologie-Verordnung“) ausdrücklich für die Besteuerung vorgesehen ist und dessen praktische und rechtliche Aspekte in Artikel 5 dieser Verordnung geregelt sind.

In Verbindung mit diesem Artikel würde die Kommission bei hinreichend begründeter Dringlichkeit im Sinne von Artikel 8 der Komitologie-Verordnung unmittelbar geltende Rechtsakte erlassen. Auf diese Weise kann für die kurzfristige Anwendung einer Ausnahmeregelung in einem Mitgliedstaat am schnellsten eine Rechtsgrundlage geschaffen werden. Hierdurch wird, wie bereits erwähnt, der Ausnahmecharakter des SRM unterstrichen und sein begrenzter Anwendungsbereich erklärt.

Abweichend von der Standardanwendungsdauer von sechs Monaten gemäß Artikel 8 Absatz 2 der Komitologie-Verordnung wird vorgeschlagen, die Anwendungsdauer für jede Ermächtigung im Rahmen des SRM auf höchstens ein Jahr zu beschränken. Auf diese Weise könnten die Mitgliedstaaten in der Zwischenzeit das normale Verfahren nach Artikel 395 der MwSt-Richtlinie einleiten oder andere Betrugsbekämpfungsmaßnahmen anwenden, die keine Ausnahmeregelung erfordern.

Artikel 8 Absatz 3 der Komitologie-Verordnung sieht vor, dass der Rechtsakt spätestens 14 Tage nach seinem Erlass durch die Kommission dem zuständigen Ausschuss – in diesem Fall dem Ständigen Ausschuss für die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden (SCAC) – vorgelegt wird. Nach Artikel 3 Absatz 5 der Komitologie-Verordnung kann die Stellungnahme des Ausschusses in hinreichend begründeten Fällen im schriftlichen Verfahren eingeholt werden, und die Kommission beabsichtigt, diese Möglichkeit zu nutzen, um das Verfahren so weit wie möglich zu beschleunigen. Ein Mitgliedstaat wird nicht, wie in Artikel 3 Absatz 5 Unterabsatz 2 der Komitologie-Verordnung vorgesehen, verlangen können, das schriftliche Verfahren zu beenden, damit eine Ausschusssitzung einberufen wird, weil dadurch das gesamte Verfahren erheblich verlangsamt würde. Bei einer ablehnenden Stellungnahme des Ausschusses müsste die Kommission gemäß Artikel 8 Absatz 4 der Komitologie-Verordnung die Ausnahmeregelung unverzüglich aufheben.

In Bezug auf den Inhalt der Ausnahmeregelungen, die im Rahmen des SRM genehmigt werden könnten, wird vorgeschlagen, ein Verzeichnis von Betrugsbekämpfungsmaßnahmen zu erstellen und gutzuheißen, da die Mitgliedstaaten beim Eingang eines SRM-Antrags wenig oder überhaupt keine Zeit haben werden, um eine Grundsatzdebatte über die Art der Betrugsbekämpfungsmaßnahmen zu führen. Auf diese Weise kann die Kommission anhand größtenteils vorher festgelegter Texte arbeiten, was die Bearbeitungs- und Übersetzungsfristen verringert.

Die einzige Betrugsbekämpfungsmaßnahme, die im vorliegenden Vorschlag derzeit präzisiert wird, ist die so genannte Reverse-Charge-Regelung, wonach die Steuer vom steuerpflichtigen Empfänger geschuldet wird und nicht der allgemeinen Vorschrift entsprechend vom Lieferer der Gegenstände oder vom Dienstleistungserbringer. Insoweit der Erwerber zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist, macht er die Mehrwertsteuer in ein und derselben MwSt-Erklärung geltend und zieht sie darin ab mit dem Ergebnis, dass in der Praxis keine Zahlung oder Erstattung erfolgt, was die Betrugsmöglichkeiten verringert. Diese Maßnahme hat sich ungeachtet etwaiger Nebeneffekte, die sich mittelfristig nachteilig auswirken, als wirksames Instrument erwiesen, um auf bestimmte Branchen abzielenden Betrug (insbesondere Karussellbetrug) zu beenden.

Die anderen Maßnahmen wären vom Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission zu bestimmen, so dass sie feststehen, bevor sie Gegenstand eines SRM-Antrags sein können.

Was das Verfahren anbelangt, sollten die Mitgliedstaaten der Kommission in einem Antrag ihre Absicht erläutern, auf Grundlage des SRM eine Ausnahmeregelung einzuführen. Die außergewöhnlichen Umstände der Betrugssituation sollten zur Begründung des Antrags ausführlich beschrieben werden, und die Kommission kann erforderlichenfalls zusätzliche Informationen anfordern. Sobald alle erforderlichen Angaben vorliegen, genehmigt die Kommission die Maßnahme oder unterrichtet den betreffenden Mitgliedstaat binnen eines Monats über ihre Ablehnung.

Um das Verfahren weitestgehend zu straffen, würde der Antrag des Mitgliedstaats auf einem von der Kommission festgelegten Standardformblatt mit einer vorher aufgestellten Fragenliste erfolgen, die eine schnellere und umfassendere Prüfung und Beurteilung der Betrugssituation ermöglicht, für die die Ausnahmeregelung beantragt wird. Bezüglich ihrer internen Organisation führt die Kommission ein beschleunigtes Beschlussfassungsverfahren ein. Die Ausnahmeregelung würde von der Kommission selbst genehmigt, ohne dass auf einen Beschluss des Rates gewartet werden müsste und sogar bevor der zuständige Ausschuss eine Stellungnahme abgibt. Darüber hinaus könnte der einschlägige Beschluss auf der Grundlage einer einzigen Sprachfassung erfolgen, da nur ein einziger Mitgliedstaat betroffen wäre. Durch die Kombination all dieser Faktoren dürfte es möglich sein, die einmonatige Frist – gerechnet von dem Datum, ab der der Kommission sämtliche erforderlichen Angaben vorliegen – einzuhalten.

2.           ERGEBNISSE DER KONSULTATIONEN DER INTERESSIERTEN KREISE UND DER FOLGENABSCHÄTZUNGEN

Eine Konsultation der Öffentlichkeit zum möglichen Einsatz eines SRM fand bereits im Zusammenhang mit der vorgenannten Mitteilung über die Zukunft der Mehrwertsteuer statt. Zuvor war das Thema mit den Mitgliedstaaten in der Expertengruppe für die Strategie zur Bekämpfung von Steuerbetrug erörtert worden, wobei sich zeigte, dass ein echtes Interesse an der Einführung eines solchen Mechanismus besteht.

Der vorliegende Vorschlag ist hauptsächlich verfahrenstechnischer Art. Er bezweckt, in dringenden Fällen die bereits bestehende Möglichkeit, die Mitgliedstaaten zur Abweichung von den Bestimmungen der MwSt-Richtlinie zu ermächtigen, zu beschleunigen. Daher war in diesem Zusammenhang eine Folgenabschätzung gegenstandslos. Lediglich die im Rahmen des SRM genehmigten nationalen Anschlussmaßnahmen könnten (wie die gegenwärtig nach Artikel 395 genehmigten Maßnahmen) eine gewisse Wirkung entfalten, die aber in Anbetracht des begrenzten Anwendungsbereichs und der Befristung unerheblich sein dürfte.

Da zudem nicht bekannt ist, für welche konkreten und spezifischen Fälle die Mitgliedstaaten das vorgeschlagene SRM-Verfahren beantragen würden, kann seine Wirkung im Vergleich zum derzeitigen Ermächtigungsverfahren nicht quantifiziert werden, da sie stets vom spezifischen Fall abhängen würde.

3.           RECHTLICHE ASPEKTE DES VORSCHLAGS

Im Hinblick auf die bessere Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung aggressiver Formen des Mehrwertsteuerbetrugs ergänzt die vorgeschlagene Maßnahme das Verfahren zum Erlass bestimmter Ausnahmeregelungen, um eine schnellere und dementsprechend angemessenere und wirksamere Reaktion auf solche Vorkommnisse zu gewährleisten. Daher wird durch diesen Vorschlag die MwSt-Richtlinie geändert.

Rechtsgrundlage für ein Tätigwerden der EU im Bereich der indirekten Steuern nach dem Subsidiaritätsprinzip ist Artikel 113 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Die Durchführungsbefugnisse der Kommission werden aufgrund von Artikel 291 AEUV und im Einklang mit der Komitologie-Verordnung angewendet, nach der in Steuerfragen das Prüfverfahren Anwendung findet. Da die Gefahr besteht, dass unwiederbringliche finanzielle Verluste entstehen, ist es gerechtfertigt, unverzüglich anwendbare Rechtsakte zu erlassen. Dementsprechend wird das Verfahren zum Erlass solcher Ausnahmeregelungen beschleunigt.

Die vorstehend erwähnten Betrugsfälle, die unvermittelt auftreten und schwerwiegender Art sind, haben häufig eine internationale Dimension (etwa der sogenannte Karussellbetrug oder „Missing Trader“-Betrug). Mitgliedstaaten, die mit neuen Formen des Handels (wie international handelbaren Dienstleistungen) konfrontiert sind, haben keine Handhabe, um diesen mehrere Länder gleichzeitig betreffenden Betrugskreisläufen (die auf der immateriellen Ebene angesiedelt sind) einzeln entgegenzutreten. Somit kann das Ziel der Betrugsbekämpfung auf EU-Ebene besser durch eine Richtlinie erreicht werden, die den Mitgliedstaaten ermöglicht, in Ausnahmefällen sehr viel schneller als bisher eine Rechtsgrundlage für die Anwendung einer Ausnahmeregelung zu erhalten. Die Maßnahme geht daher nicht über das für die Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.

Da es sich bei dem zu ändernden Rechtsakt um eine Richtlinie handelt, ist das vorgeschlagene Instrument eine Richtlinie und andere Rechtsakte wären somit ungeeignet.

4.           AUSWIRKUNGEN AUF DEN HAUSHALT

Der Vorschlag hat keine nachteiligen Auswirkungen auf den EU-Haushalt.

2012/0205 (CNS)

Vorschlag für eine

RICHTLINIE DES RATES

zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Bezug auf einen Schnellreaktionsmechanismus bei Mehrwertsteuerbetrug

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION -

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 113,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments,[6]

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, [7]

gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)       Mehrwertsteuerbetrug führt zu erheblichen Einnahmenverlusten und beeinträchtigt die Wettbewerbsbedingungen und somit das Funktionieren des Binnenmarktes. In jüngster Zeit sind unvermittelt Fälle von schwerwiegendem Steuerbetrug aufgetreten, bei dem insbesondere elektronische Mittel eingesetzt werden, die einen schnellen, unrechtmäßigen Handelsverkehr in großangelegtem Maßstab vereinfachen.

(2)       Gemäß der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem[8] können die Mitgliedstaaten die Ermächtigung beantragen, von dieser Richtlinie abzuweichen, um bestimmte Formen der Steuerhinterziehung oder –umgehung zu verhindern. Eine solche Ermächtigung setzt einen Vorschlag der Kommission voraus, der vom Rat angenommen wird. Die jüngsten Erfahrungen haben gezeigt, dass das Verfahren zur Genehmigung solcher Ausnahmeregelungen nicht immer flexibel genug ist, um eine umgehende und geeignete Reaktion auf Anträge der Mitgliedstaaten zu gewährleisten.

(3)       Um den Grundsatz der Steuergerechtigkeit und die Umsetzung der Richtlinie 2006/112/EG in Fällen zu gewährleisten, in denen das derzeitige Verfahren zur Genehmigung von Ausnahmeregelungen ungeeignet ist, muss ein neues Verfahren zur Genehmigung solcher Regelungen, der so genannte „Schnellreaktionsmechanismus“, eingeführt werden.

(4)       Damit die erforderlichen Ausnahmeregelungen schneller erlassen werden können und einheitliche Bedingungen für die Umsetzung der Richtlinie 2006/112/EG gewährleistet werden, sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse bezüglich der Ermächtigung des antragstellenden Mitgliedstaats übertragen werden, im speziellen Rahmen des Schnellreaktionsmechanismus Ausnahmeregelungen einzuführen. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren[9], ausgeübt werden.

(5)       Die Kommission sollte sofort geltende Durchführungsrechtsakte erlassen, wenn dies im Zusammenhang mit der Ermächtigung des antragstellenden Mitgliedstaats, eine Ausnahmeregelung einzuführen, in hinreichend begründeten Fällen äußerster Dringlichkeit erforderlich ist. Sofort geltende Durchführungsrechtsakte sind beim unvermittelten Auftreten schwerwiegender Betrugsfälle erforderlich, die zu erheblichen und unwiederbringlichen Verlusten führen könnten.

(6)       Die maximale Geltungsdauer sofort anwendbarer Durchführungsrechtsakte muss verlängert werden, damit die betreffenden Mitgliedstaaten in der Zwischenzeit dauerhaftere Maßnahmen einführen können. Damit stünde auch genügend Zeit für die gegebenenfalls erforderliche Anwendung des Ermächtigungsverfahrens nach Artikel 395 der Richtlinie 2006/112/EG zur Verfügung.

(7)       Die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger (Reverse Charge) ist eine wirksame Maßnahme, um den bekanntesten Arten der Steuerhinterziehung in einigen Branchen Einhalt zu gebieten. Da sich die Situation jedoch im Laufe der Zeit weiterentwickeln kann, könnten noch weitere Maßnahmen erforderlich sein. Zu diesem Zweck sollte der Rat im Bedarfsfall auf Vorschlag der Kommission weitere Maßnahmen bestimmen, die in den Anwendungsbereich des Schnellreaktionsmechanismus fallen. Damit die Kommission die Ausnahmeregelungen möglichst schnell genehmigen kann, sollte festgelegt werden, welche Art von Maßnahmen dafür infrage kommt.

(8)       Des Weiteren muss das Standardformblatt für die Anträge der Mitgliedstaaten festgelegt werden, um die Kommunikation und anschließende Bearbeitung des Antrags zu vereinfachen. Zur einheitlichen Umsetzung der Richtlinie 2006/112/EG sollten der Kommission bezüglich dieses Standardformblatts Durchführungsbefugnisse übertragen werden.

(9)       Um den Erlass von Durchführungsrechtsakten zu beschleunigen, durch die der antragstellende Mitgliedstaat ermächtigt wird, im speziellen Rahmen des Schnellreaktionsmechanismus Ausnahmeregelungen einzuführen, sollte der Vorsitz des Ausschusses das schriftliche Verfahren im Sinne von Artikel 3 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 anwenden. Die Möglichkeit, dass ein Mitglied des Ausschusses beantragt, das schriftliche Verfahren ohne Ergebnis zu beenden, ist auszuschließen.

(10)     Das Ziel der Maßnahme, auf unvermittelt auftretende, schwerwiegende Betrugsfälle im Bereich der Mehrwertsteuer, die häufig eine internationale Dimension haben, zu reagieren, kann von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden, da diese auf sich allein gestellt nicht in der Lage sind, den mehrere Länder gleichzeitig betreffenden Betrugskreisläufen bei neuen Formen des Handels ein Ende zu bereiten. Dieses Ziel ist besser auf der Ebene der Europäischen Union zu verwirklichen, damit eine schnellere, und dementsprechend angemessenere und wirksamere Reaktion auf solche Betrugsfälle erfolgt, weshalb die Europäische Union im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip nach Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union Maßnahmen ergreifen kann. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.

(11)     Die Richtlinie 2006/112/EG ist daher entsprechend zu ändern -

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Artikel 1

In Titel XIII Kapitel 2 der Richtlinie 2006/112/EG wird folgender Abschnitt 1a eingefügt:

„Abschnitt 1a Schnellreaktionsmechanismus bei Mehrwertsteuerbetrug

Artikel 395a

1.      Die Kommission kann Durchführungsrechtsakte erlassen, mit denen sie jeden Mitgliedstaat ermächtigt, zur Bekämpfung unvermittelt auftretender Arten von schwerwiegendem Mehrwertsteuerbetrug, der zu erheblichen und unwiederbringlichen finanziellen Verlusten führen könnte, die folgenden, von dieser Richtlinie abweichenden Sondermaßnahmen einzuführen:

a)       abweichend von Artikel 193 die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft bei bestimmten Lieferungen und Dienstleistungen auf deren Empfänger, nachdem eine solche Maßnahme gemäß Absatz 2 beantragt wurde;

b)      jede andere Maßnahme, die der Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission festlegt.

Für die Zwecke von Buchstabe a unterliegt die Sondermaßnahme geeigneten Kontrollmaßnahmen der Mitgliedstaaten betreffend Steuerpflichtige, die die Lieferungen bewirken oder Dienstleistungen erbringen, auf die die Maßnahme anwendbar ist.

Die Durchführungsrechtsakte nach Unterabsatz 1 werden gemäß dem in Artikel 395b Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

In hinreichend begründeten Fällen äußerster Dringlichkeit bezüglich der Ermächtigung des antragstellenden Mitgliedstaats, gemäß Unterabsatz 1 abweichende Sondermaßnahmen einzuführen, erlässt die Kommission nach dem Verfahren des Artikels 395b Absatz 3 unverzüglich Durchführungsrechtsakte. Diese Rechtsakte gelten für einen Zeitraum von höchstens zwölf Monaten.

2.      Ein Mitgliedstaat, der eine in Absatz 1 bezeichnete Maßnahme einführen möchte, sendet der Kommission einen Antrag. Er übermittelt ihr Angaben zur betroffenen Branche, zur Art und zu den Merkmalen des Betrugs, zum unvermittelten, schwerwiegenden Charakter und zu den Folgen in Form von erheblichen, unwiederbringlichen finanziellen Verlusten. Ist die Kommission der Auffassung, dass ihr nicht alle erforderlichen Angaben vorliegen, teilt sie dem betreffenden Mitgliedstaat innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags mit, welche zusätzlichen Angaben sie benötigt.

Sobald die Kommission über alle Angaben verfügt, die ihres Erachtens für die Beurteilung des Antrags zweckdienlich sind, genehmigt sie innerhalb eines Monats die Sondermaßnahme oder unterrichtet den betreffenden Mitgliedstaat darüber, dass sie die beantragte Maßnahme ablehnt.

3.      Die Kommission erlässt einen Durchführungsrechtsakt zur Erstellung eines Standardformblatts für die Übermittlung von Angaben gemäß Absatz 2 Unterabsatz 1. Dieser Durchführungsrechtsakt wird nach dem in Artikel 395b Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Artikel 395b

1.      Die Kommission wird von dem durch Artikel 58 der Verordnung (EG) Nr. 904/2010 des Rates(*) eingesetzten Ausschuss unterstützt. Dabei handelt es sich um einen Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates(**).

2.      Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011.

3.      Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so findet Artikel 8 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 in Verbindung mit Artikel 5 Anwendung.

Wird die Stellungnahme des Ausschusses im schriftlichen Verfahren eingeholt, so wird das Verfahren nur dann ohne Ergebnis abgeschlossen, wenn der Vorsitz dies innerhalb der Frist für die Abgabe der Stellungnahme beschließt.

__________________________

ABl. L 268 vom 12.10.2010, S. 1.

ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13.“

Artikel 2

1.           Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens bis zum 1. Januar 2013 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.

2.           Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten nationalen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.

Artikel 3

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Artikel 4

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu Brüssel am

                                                                       Im Namen des Rates

                                                                       Der Präsident

[1]               KOM(2011) 815 endg. vom 23.11.2011.

[2]               ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1.

[3]               Europol-Pressemitteilung vom 9. Dezember 2009 „Emissionshandelsbetrug verursacht über 5 Mrd. Euro Schaden für die europäischen Steuerzahler“.

[4]               KOM(2011) 851 endgültig.

[5]               ABl. L 55 vom 28.02.11, S. 13.

[6]               ABl. C , S. .

[7]               ABl. C , S. .

[8]               ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1.

[9]               ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13.

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