Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52012IP0257

    Lage in Tibet Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. Juni 2012 zur Lage der Menschenrechte in Tibet (2012/2685(RSP))

    ABl. C 332E vom 15.11.2013, p. 69–71 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    15.11.2013   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    CE 332/69


    Donnerstag, 14. Juni 2012
    Lage in Tibet

    P7_TA(2012)0257

    Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. Juni 2012 zur Lage der Menschenrechte in Tibet (2012/2685(RSP))

    2013/C 332 E/13

    Das Europäische Parlament,

    unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu China und Tibet, insbesondere die Entschließungen vom 27. Oktober 2011 (1) und vom 25. November 2010 (2),

    unter Hinweis auf seine Entschließung vom 7. April 2011 zum Verbot der Wahl der tibetischen Exil-Regierung in Nepal (3),

    unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahr 1948,

    unter Hinweis auf Artikel 36 der Verfassung der Volksrepublik China, der allen Bürgern das Recht auf die Freiheit der religiösen Überzeugung garantiert,

    gestützt auf Artikel 110 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,

    A.

    in der Erwägung, dass die Achtung der Menschenrechte und des Rechts auf freie Entfaltung der Identität und der Kultur sowie die Achtung der Religions- und Vereinigungsfreiheit Grundprinzipien der Europäischen Union und ihrer Außenpolitik sind;

    B.

    in der Erwägung, dass die EU die Rechte der tibetischen Minderheit bei der 31. Runde des Menschenrechtsdialogs EU-China am 29. Mai 2012 in Brüssel angesprochen hat; in der Erwägung, dass der Menschenrechtsdialog EU-China nicht zu nennenswerten Verbesserungen der Menschenrechtslage der Tibeter geführt hat;

    C.

    in Kenntnis der Tatsache, dass sich die Gesandten Seiner Heiligkeit, des Dalai Lama, an die Regierung der Volksrepublik China gewandt haben, um eine friedliche, für beide Seiten vorteilhafte Lösung der Tibet-Frage zu finden; in der Erwägung, dass die Gespräche zwischen den beiden Seiten zu keinen konkreten Ergebnissen geführt haben und sie derzeit auf Eis liegen;

    D.

    in der Erwägung, dass die staatlichen Stellen der Volksrepublik China mit unverhältnismäßiger Gewalt reagierten, als sie 2008 gegen die Proteste in Tibet vorgingen, und dass sie seither restriktive Sicherheitsmaßnahmen verhängt haben, die die freie Meinungsäußerung, die Vereinigungs- und die Glaubensfreiheit einschränken;

    E.

    in der Erwägung, dass infolge der Proteste im Jahr 2008 vermutlich über 200 Opfer zu beklagen waren, die Zahl der Festgenommenen zwischen 4 434 und über 6 500 schwankte und es Ende 2010 insgesamt 831 bekannte politische Gefangene in Tibet gab, von denen 360 im Rahmen eines Gerichtsurteils verurteilt worden waren und 12 eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßten;

    F.

    in der Erwägung, dass die Behörden der Volksrepublik China in den tibetischen Gefängnissen angeblich foltern, etwa durch Prügel und den Einsatz von Elektroschockwaffen, langfristige Einzelhaft, Aushungerung und anderweitige ähnliche Maßnahmen, um Geständnisse zu erzwingen;

    G.

    in der Erwägung, dass sich seit 2009 angeblich 38 Tibeter, zumeist Mönche und Nonnen, selbst verbrannt haben, um gegen die restriktive Politik Chinas in Tibet zu demonstrieren und die Rückkehr des Dalai Lama sowie das Recht auf Religionsfreiheit in Aba/Ngaba in der Provinz Sichuan und in anderen Teilen des tibetischen Hochlandes zu unterstützen;

    H.

    in der Erwägung, dass bei einigen Opfern von Selbstverbrennungen nach wie vor unbekannt oder unklar ist, wie es um ihren derzeitigen Gesundheitszustand bestellt ist und wo sie sich aufhalten, z. B. Chimey Palden, Tenpa Darjey, Jamyang Palden, Lobsang Gyatso, Sona Rabyang, Dawa Tsering, Kelsang Wangchuck, Lobsang Kelsang, Lobsang Kunchok und Tapey;

    I.

    in der Erwägung, dass Gedhun Choekyi Nyima, der 11. Panchen Lama, von den Behörden der Volksrepublik China festgenommen und seit 14. Mai 1995 nicht mehr gesehen wurde;

    J.

    in der Erwägung, dass die tibetische Identität, Sprache, Kultur und Religion – das Zeugnis einer historisch reichen Zivilisation – durch die Neuansiedlung von Han-Chinesen auf dem historischen Gebiet Tibets und die Ausrottung des traditionellen Nomadenlebens der Tibeter gefährdet sind;

    K.

    in der Erwägung, dass die EU derzeit mit der Ausarbeitung des Mandats und der Ernennung des EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte befasst ist;

    L.

    in der Erwägung, dass die früheren, an die Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik gerichteten Aufforderungen des Europäischen Parlaments, mit ihren chinesischen Kollegen die Lage in Tibet zu erörtern, nicht die erwarteten Ergebnisse erbracht haben;

    1.

    bekräftigt, dass sich die strategische Partnerschaft zwischen der EU und der Volksrepublik China auf gemeinsame Grundsätze und Werte stützen sollte;

    2.

    fordert die Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik auf, ihre Anstrengungen im Rahmen des Menschenrechtsdialogs EU-China mit Blick auf die Verbesserung der Menschenrechtslage der Tibeter zu verstärken und zu intensivieren;

    3.

    bedauert in diesem Zusammenhang, dass die chinesischen Staatsorgane nicht bereit sind, den Dialog zweimal im Jahr durchzuführen, und ihre Haltung zu den Modalitäten und zur Häufigkeit der Treffen, insbesondere hinsichtlich der Stärkung der zivilgesellschaftlichen Komponente und der Einbeziehung der Zivilgesellschaft in den Dialog; fordert die Vizepräsidentin der Kommission/die Hohe Vertreterin der Union auf, alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um sicherzustellen, dass der Menschenrechtsdialog wirksamer und ergebnisorientierter gestaltet wird;

    4.

    lobt, dass bei der Führung der Tibeter im Exil durch Seine Heiligkeit, den Dalai Lama, ein sehr wichtiger und erfolgreicher Demokratisierungsprozess stattgefunden hat, und die Tatsache, dass er vor kurzem seine politischen Befugnisse und Zuständigkeiten auf den demokratisch gewählten Kalon Tripa der Regierung der Exiltibeter („Central Tibetan Administration“) übertragen hat, der die Hoffnungen des tibetischen Volkes repräsentiert;

    5.

    lobt die Entscheidung der demokratisch gewählten neuen tibetischen politischen Führung, an der Politik des goldenen Mittelweges Seiner Heiligkeit, des Dalai Lama, festzuhalten, durch die echte Autonomie für die Tibeter innerhalb der Volksrepublik China und im Rahmen der chinesischen Verfassung angestrebt wird;

    6.

    billigt die im Memorandum über echte Autonomie für das tibetische Volk enthaltenen Grundsätze, die von den Gesandten Seiner Heiligkeit, des Dalai Lama, ihren chinesischen Partnern im Jahr 2008 vorgeschlagen wurden und die die Grundlage für eine realistische und nachhaltige politische Lösung der Tibet-Frage bilden;

    7.

    weist die Auffassung der Regierung der Volksrepublik China zurück, dass Kontakte von Regierungen mit Seiner Heiligkeit, dem Dalai Lama, und Mitgliedern der gewählten tibetischen Führung sowie der Ausdruck von Unterstützung durch Regierungen für eine friedliche Lösung der Tibet-Frage durch Dialog und Verhandlungen einen Verstoß gegen die Ein-China-Politik darstellten;

    8.

    fordert die Staatsorgane der Volksrepublik China auf, dem historischen Gebiet Tibets eine Autonomie in des Wortes voller Bedeutung zu gewähren;

    9.

    äußert sich enttäuscht darüber, dass die Regierung der Volksrepublik China seit Januar 2010 nicht mehr bereit ist, den Dialog mit den Gesandten Seiner Heiligkeit, des Dalai Lama, fortzusetzen, und legt den chinesischen Staatsorganen nahe, in eine gedeihliche Diskussion mit den Vertretern der Regierung der Exiltibeter („Central Tibetan Administration“) über die Zukunft Tibets einzutreten;

    10.

    weist nachdrücklich darauf hin, dass die Staatsorgane der Volksrepublik China die freie Meinungsäußerung, die Vereinigungsfreiheit und die Glaubensfreiheit der Tibeter achten müssen;

    11.

    fordert die Staatsorgane der Volksrepublik China mit Nachdruck auf, eine unabhängige internationale Untersuchung der Proteste im Jahr 2008 und ihrer Folgen zu ermöglichen, und fordert die Freilassung der politischen Gefangenen;

    12.

    verurteilt jede Form von Folter von Menschen, die sich in Gewahrsam befinden, und ersucht die Staatsorgane der Volksrepublik China, eine unabhängige internationale Inspektion der Gefängnisse und Hafteinrichtungen in Tibet zuzulassen;

    13.

    bekräftigt, dass es das anhaltende harte Vorgehen der chinesischen Staatsorgane gegen tibetische Klöster ablehnt, und fordert die chinesische Regierung auf, die Religionsfreiheit sowohl der Bevölkerung Tibets als auch aller seiner Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten;

    14.

    besteht darauf, dass die chinesischen Staatsorgane das Schicksal und den Aufenthaltsort aller Opfer von Selbstverbrennung in Tibet bekannt geben;

    15.

    bekräftigt seine an die chinesischen Staatsorgane gerichtete Forderung, das Schicksal und den Aufenthaltsort von Chedun Choekyi Nyima, dem 11. Panchen Lama, zu offenbaren;

    16.

    fordert die chinesischen Staatsorgane auf, die Freiheit der Tibeter in Bezug auf Sprache, Kultur und Religion sowie andere Grundfreiheiten zu achten und Abstand von der Politik der Neuansiedlung von Han-Chinesen in den historischen Gebieten Tibets und davon zu nehmen, tibetische Nomaden dazu zu zwingen, ihre traditionelle Lebensweise aufzugeben;

    17.

    fordert die chinesischen Staatsorgane auf, alle Einschränkungen aufzuheben und unabhängigen Medien, Journalisten und Menschenrechtsbeobachtern ungehinderten Zugang zu und Freizügigkeit in ganz Tibet zu gewähren;

    18.

    fordert, dass der EU-Sonderbeauftragte für Menschenrechte, sobald er ernannt wurde, regelmäßig einen Bericht über die Menschenrechtslage in der Volksrepublik China unter besonderer Berücksichtigung Tibets, vorlegt;

    19.

    fordert die Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik mit Nachdruck auf, einen Sonderkoordinator zu ernennen, dem die Aufgabe obliegt, regelmäßig einen Bericht über Tibet vorzulegen, um die Achtung der Menschenrechte des tibetischen Volkes voranzutreiben, einschließlich seines Rechts auf Bewahrung und Weiterentwicklung seiner charakteristischen Identität und deren religiöser, kultureller und sprachlicher Ausdrucksformen, einen konstruktiven Dialog und Verhandlungen zwischen der Regierung der Volksrepublik China und den Gesandten Seiner Heiligkeit, des Dalai Lama, zu fördern und die tibetischen Flüchtlinge, insbesondere in Nepal und Indien, zu unterstützen;

    20.

    fordert die Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik auf, die Menschenrechtslage in Tibet bei jedem Treffen mit den Vertretern der Volksrepublik China anzusprechen;

    21.

    beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Regierung und dem Parlament der Volksrepublik China, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, der tibetischen Exil-Regierung, dem tibetischen Exil-Parlament und Seiner Heiligkeit, dem Dalai Lama, zu übermitteln.


    (1)  Angenommene Texte, P7_TA(2011)0474.

    (2)  ABl. C 99 E vom 3.4.2012, S. 118.

    (3)  Angenommene Texte, P7_TA(2011)0158.


    Top