Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52012IP0116

    Erweiterungsbericht über die Türkei Entschließung des Europäischen Parlaments vom 29. März 2012 zu dem Fortschrittsbericht 2011 über die Türkei (2011/2889(RSP))

    ABl. C 257E vom 6.9.2013, p. 38–49 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    6.9.2013   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    CE 257/38


    Donnerstag, 29. März 2012
    Erweiterungsbericht über die Türkei

    P7_TA(2012)0116

    Entschließung des Europäischen Parlaments vom 29. März 2012 zu dem Fortschrittsbericht 2011 über die Türkei (2011/2889(RSP))

    2013/C 257 E/06

    Das Europäische Parlament,

    in Kenntnis des Fortschrittsberichts 2011 der Kommission über die Türkei (SEK(2011)1201),

    in Kenntnis der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat mit dem Titel „Erweiterungsstrategie und wichtigste Herausforderungen für den Zeitraum 2011-2012“ (KOM(2011)0666),

    unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen vom 27. September 2006 zu den Fortschritten der Türkei auf dem Weg zum Beitritt (1), vom 24. Oktober 2007 zu den Beziehungen zwischen der EU und der Türkei (2), vom 21. Mai 2008 zu dem Fortschrittsbericht 2007 über die Türkei (3), vom 12. März 2009 zu dem Fortschrittsbericht 2008 über die Türkei (4), vom 10. Februar 2010 zu dem Fortschrittsbericht 2009 über die Türkei (5), vom 9. März 2011 zu dem Fortschrittsbericht 2010 über die Türkei (6) und vom 6. Juli 2005 (7) und 13. Februar 2007 (8) zur Rolle der Frauen in der Türkei im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Leben,

    unter Hinweis auf den Verhandlungsrahmen für die Türkei vom 3. Oktober 2005,

    unter Hinweis auf den Beschluss 2008/157/EG des Rates vom 18. Februar 2008 über die Grundsätze, Prioritäten und Bedingungen der Beitrittspartnerschaft mit der Republik Türkei (9) („Beitrittspartnerschaft“) sowie auf die vorangegangenen Beschlüsse des Rates zur Beitrittspartnerschaft aus den Jahren 2001, 2003 und 2006,

    in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Rates vom 14. Dezember 2010 und vom 5. Dezember 2011,

    unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union,

    gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

    A.

    in der Erwägung, dass die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei nach Billigung des Verhandlungsrahmens durch den Rat am 3. Oktober 2005 eröffnet wurden, sowie in der Erwägung, dass die Aufnahme dieser Verhandlungen der Beginn eines langen Prozesses mit offenem Ende ist, dem eine strenge Konditionalität und ein Reformwille zugrunde liegen;

    B.

    in der Erwägung, dass die Türkei sich zur Durchführung von Reformen, zur Pflege gutnachbarlicher Beziehungen und zu einer schrittweisen Annäherung an die EU verpflichtet hat, und in der Erwägung, dass diese Anstrengungen als eine Chance für die Türkei selbst gesehen werden sollten, sich zu modernisieren und ihre demokratischen Institutionen, die Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten zu konsolidieren und weiter zu verbessern;

    C.

    in der Erwägung, dass die vollständige Einhaltung aller Kriterien von Kopenhagen sowie die Fähigkeit der EU zur Integration im Einklang mit den Schlussfolgerungen der Tagung des Europäischen Rates vom Dezember 2006 die Grundlage für den Beitritt zur EU bleiben, die eine auf gemeinsamen Werten, der loyalen Zusammenarbeit und der gegenseitigen Solidarität unter allen ihren Mitgliedstaaten beruhende Gemeinschaft ist;

    D.

    in der Erwägung, dass die Kommission in ihrem Fortschrittsbericht 2011 zu dem Schluss kommt, dass die Türkei ein wichtiges Land für die Sicherheit und den Wohlstand in der Europäischen Union ist, dass der Beitrag zur Europäischen Union, den die Türkei in einer Reihe bedeutender Bereiche leistet, mit einer positiven Agenda und einem glaubhaften Ansatz für den Verhandlungsprozess voll wirksam werden wird und dass es weiterhin von wesentlicher Bedeutung ist, dass die Türkei ihre Reformen im Hinblick auf die politischen Kriterien fortsetzt, wobei beträchtliche weitere Anstrengungen erforderlich sind, um die Grundrechte zu garantieren;

    E.

    in der Erwägung, dass die Kommission eine erneuerte positive Agenda zwischen der EU und der Türkei auf den Weg gebracht hat, um die Zukunft gemeinsam vorausschauend zu gestalten; in der Erwägung, dass diese positive Agenda auf den soliden Grundlagen der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei aufbaut und den Reformprozess vorantreibt; in der Erwägung, dass diese neue Initiative die Beitrittsverhandlungen nicht ersetzt, sondern ergänzt, um Reformen zu unterstützen und die Rechte und Freiheiten für die türkischen Bürgerinnen und Bürger zu erweitern;

    F.

    in der Erwägung, dass die Türkei die Bestimmungen des Assoziierungsabkommens EG-Türkei und des dazugehörigen Zusatzprotokolls im sechsten Jahr in Folge noch nicht umgesetzt hat;

    G.

    in der Erwägung, dass die Türkei zu ihrem eigenen Nutzen und im Hinblick auf die Verbesserung der Stabilität und der Förderung gutnachbarlicher Beziehungen und einer positiven politischen und wirtschaftlichen Partnerschaft ihre Bemühungen um die Lösung offener bilateraler Probleme, einschließlich ungeklärter rechtlicher Verpflichtungen und Streitigkeiten um Land- und Seegrenzen und um den Luftraum mit ihren unmittelbaren Nachbarn, im Einklang mit den Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen und mit dem Völkerrecht verstärken muss;

    H.

    in der Erwägung, dass sich das Volumen der türkischen Volkswirtschaft während des letzten Jahrzehnts verdreifacht hat und im letzten Jahr um nahezu 10 % gewachsen ist und die Türkei damit als eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt und als eine der sieben größten aufstrebenden Volkswirtschaften weltweit gilt; in der Erwägung, dass der Handel zwischen der Europäischen Union und der Türkei im Jahr 2010 ein Gesamtvolumen von 103 Milliarden EUR erreicht hat und die Türkei damit der siebtgrößte Handelspartner der Union und die Union der größte Handelspartner der Türkei ist, wobei 80 % der ausländischen Direktinvestitionen in der Türkei aus der Europäischen Union stammen; in der Erwägung, dass Unternehmen der EU über 13 000 Unternehmen in der Türkei gegründet haben, und in der Erwägung, dass das Pro-Kopf-BIP der Türkei jedoch nach wie vor niedrig im Vergleich zu den meisten, insbesondere den wettbewerbsfähigeren EU-Mitgliedstaaten ist; in der Erwägung, dass durch ein relativ geringes Pro-Kopf-BIP in einem großen Kandidatenland besondere Herausforderungen im Bereich der wirtschaftlichen und sozialen Konvergenz mit den derzeitigen EU-Mitgliedstaaten entstehen; in der Erwägung, dass dem Wirtschaftswachstum auch der Grundsatz der ökologischen Nachhaltigkeit zugrunde liegen sollte; in der Erwägung, dass sowohl die Türkei als auch die EU von der kontinuierlichen Wirtschaftsintegration profitieren werden;

    I.

    in der Erwägung, dass der Dialog und die Zusammenarbeit der EU mit der Türkei in Bezug auf Stabilität, Demokratie und Sicherheit im Nahen Osten im weiteren Sinn eine strategische Dimension haben; in der Erwägung, dass die Türkei, die sich auf einen gefestigten laizistischen Staat gründet, angesichts eines wirksamen Reformprozesses für arabische Staaten, die sich auf dem Weg zur Demokratie befinden, eine Quelle der Inspiration dafür sein könnte, wie sie ihren Übergang zur Demokratie und sozioökonomische Reformen zum Abschluss bringen können; in der Erwägung, dass der strukturierte Dialog zwischen der EU und der Türkei über die schrittweise Abstimmung ihrer jeweiligen Außen- und Nachbarschaftspolitik einzigartige Synergien generieren könnte, insbesondere zur Unterstützung der Demokratisierung und sozioökonomischer Reformen im gesamten Mittelmeerraum und im Nahen Osten im Allgemeinen und in Bezug auf die Herausforderungen, die sich durch Iran ergeben;

    J.

    in der Erwägung, dass die Türkei ein wichtiger Energiekorridor der EU für kaukasisches und kaspisches Erdöl und Erdgas ist und eine strategische Nähe zu Irak und zu seinem sich entwickelnden Rohöl- und Erdgasmarkt aufweist; in der Erwägung, dass die geplante Nabucco-Pipeline zu den wichtigsten Prioritäten der EU im Bereich der Energieversorgungssicherheit zählt; in der Erwägung, dass die Türkei und Aserbaidschan am 25. Oktober 2011 ein Abkommen über den Transit von aserbaidschanischem Erdgas über türkisches Gebiet abgeschlossen haben, welches den südlichen Erdgaskorridor eröffnen wird, die Erdgaszulieferungen an die geplante Nabucco-Pipeline und die Erdgasverbindungsleitung Türkei-Griechenland-Italien (ITGI) verstärken und dadurch zur Verbesserung der Energieversorgungssicherheit der Union beitragen wird; in der Erwägung, dass die Türkei aufgrund ihrer beträchtlichen Solarenergie, Windkraft und Erdwärme über ein großes Potenzial für erneuerbare Energieträger verfügt;

    K.

    in der Erwägung, dass dauerhafter Friede, Stabilität und Wohlstand in den Balkanstaaten sowohl für die EU als auch für die Türkei von strategischer Bedeutung sind;

    Interdependenz und gegenseitige Verpflichtung

    1.

    betont die Interdependenz zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten und der Türkei; erkennt das Wirtschafts- und Wachstumspotenzial der Türkei und ihre wichtige Rolle in den Bereichen regionale Stabilität und Energieversorgungssicherheit an; betont, dass diese Interdependenz durch den Wert der potenziellen Synergien zwischen der Außen- und Sicherheitspolitik und der Nachbarschaftspolitik der Union und der Türkei ergänzt wird, was Vorteile und verstärkte Einflussmöglichkeiten für beide Seiten bietet; ist jedoch der Auffassung, dass diese Interdependenz nur dann zu positiven Ergebnissen führen kann, wenn sie in einen Kontext der gegenseitigen Verpflichtung, des strategischen Dialogs und der wirksamen Zusammenarbeit, von Erfolgen im Reformprozess und der Durchführung von Reformen, guter Beziehungen der Türkei zu den benachbarten EU-Mitgliedstaaten eingebettet wird;

    2.

    begrüßt und unterstützt die Tatsache, dass die Kommission eine neue positive Agenda entwickelt, die eine große Bandbreite von Bereichen von gemeinsamem Interesse enthält und die auf eine neue Dynamik in den Beziehungen zwischen der EU und der Türkei, auf konkrete Ergebnisse und Vorteile für die beiden Seiten und auf die Möglichkeit abzielt, dass die EU der Maßstab für die anhaltenden Reformenanstrengungen in der Türkei bleibt und die Türkei der Erfüllung der Beitrittskriterien näherbringt; unterstützt den Dialog mit der Türkei über die von der EU unterzeichneten Freihandelsabkommen, die sich im Rahmen der Zollunion auf die Türkei auswirken könnten; ist der Auffassung, dass verstärkte Anstrengungen unternommen werden sollten, um die Voraussetzungen für die Eröffnung von Kapiteln in den Bereichen Justiz und Grundrechte zu schaffen; weist nachdrücklich darauf hin, dass die Beziehungen zwischen der Türkei und allen ihren benachbarten Mitgliedstaaten entscheidend für die neue Ausgestaltung der Verhandlungen und des Dialogs sind;

    3.

    stellt fest, dass die Türkei das einzige Kandidatenland ist, für das keine Visaliberalisierung gilt; betont, wie wichtig es ist, den Zugang für Geschäftsleute, Akademiker, Studenten und Vertreter der Zivilgesellschaft zur Europäischen Union zu erleichtern; unterstützt die Bemühungen der Kommission und der Mitgliedstaaten, den Visakodex umzusetzen, die Visabestimmungen zu harmonisieren und zu vereinfachen und neue Zentralstellen in der Türkei einzurichten, um die Ausstellung von Visa zu erleichtern; fordert die Türkei auf, das Rückübernahmeabkommen zwischen der EU und der Türkei unverzüglich zu unterzeichnen und umzusetzen, und zu gewährleisten, dass bestehende bilaterale Abkommen bis zum Inkrafttreten dieses Abkommens uneingeschränkt Anwendung finden; unterstreicht, wie wichtig die intensivere Zusammenarbeit zwischen der EU und der Türkei bei der Migrationssteuerung, bei der Bekämpfung des Menschenhandels und bei Grenzkontrollen auch aufgrund des hohen Prozentsatzes illegaler Einwanderer ist, die über die Türkei in das EU-Gebiet einreisen; fordert die schrittweise Annäherung der Visumpolitik der Türkei und der EU in Bezug auf Drittstaatsangehörige; ist der Auffassung, dass der Rat der Kommission nach der Unterzeichnung des Rückübernahmeabkommens das Mandat erteilen sollte, einen Dialog über Visafragen einzuleiten und den Fahrplan für die Visaliberalisierung festzulegen;

    Erfüllung der Kriterien von Kopenhagen

    4.

    lobt die Türkei für den Verlauf der Parlamentswahlen im Juni 2011, bei denen eine hohe Wahlbeteiligung zu verzeichnen war und die von internationalen Beobachtern als demokratisch und von einer lebendigen Zivilgesellschaft gestaltet beschrieben wurden; bekräftigt erneut, wie wichtig eine Reform des Parteiengesetzes und des Wahlgesetzes ist, bei der die für den Einzug einer Partei ins Parlament erforderliche Zehnprozenthürde herabgesetzt wird, die die höchste Hürde in einem Mitgliedstaat des Europarates ist und kein angemessenes Spiegelbild des Pluralismus der türkischen Gesellschaft abgeben kann; fordert, dass alle Hindernisse, die der Bildung von Fraktionen in der Großen Türkischen Nationalversammlung entgegenstehen, beseitigt werden;

    5.

    begrüßt den Beschluss der neuen Regierung der Republik Türkei, ein Ministerium für EU-Angelegenheiten einzurichten, in dem sich die Erkenntnis widerspiegelt, dass neuerliche Anstrengungen, Engagement und Dialog von äußerster Wichtigkeit sind;

    6.

    verweist auf die grundlegende Rolle der Großen Türkischen Nationalversammlung, die das Zentrum des demokratischen Systems der Türkei bildet, und betont daher, dass die Große Türkische Nationalversammlung eine bedeutendere Rolle als Plattform für alle politischen Parteien spielen muss, damit diese – basierend auf dem Grundsatz der Gewaltenteilung – ihren Beitrag zum demokratischen Dialog und zur Förderung eines integrativen Reformprozesses leisten;

    7.

    betont, dass die Arbeit an der Umsetzung des Verfassungsreformpakets 2010 fortgesetzt werden muss, und fordert die Kommission auf, in ihren Fortschrittsbericht 2012 eine ausführliche Analyse der Fortschritte bei der Umsetzung aufzunehmen;

    8.

    unterstützt uneingeschränkt die Ausarbeitung einer neuen zivilen Verfassung für die Türkei, die eine einzigartige Chance für eine echte Verfassungsreform darstellt, durch die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Garantien für die Grundrechte und die Grundfreiheiten, insbesondere die freie Meinungsäußerung und die Medienfreiheit, Pluralismus, soziale Einbeziehung, verantwortungsvolle Regierungsführung, Rechenschaftspflicht und die Einheit der türkischen Gesellschaft in voller Übereinstimmung mit der Charta der Grundrechte der EU gefördert werden; fordert alle betroffenen politischen Parteien und Akteure auf, die Aushandlung der neuen Verfassung mit einem auf Konsensbildung und einen konstruktiven Kompromiss ausgerichteten positiven und konstruktiven Ansatz zu unterstützen; betont, dass die Vorbereitungsarbeiten für die Ausarbeitung der Verfassung fortgesetzt werden müssen, und begrüßt in diesem Zusammenhang den Beschluss, allen politischen Kräften eine paritätische Vertretung in der Verfassungskommission zuzusichern, und die Zusage, sich bei der Ausarbeitung auf eine möglichst breit angelegte Konsultation aller Teile der Gesellschaft im Rahmen eines Prozesses, in den die türkische Zivilgesellschaft wirklich eingebunden wird, zu stützen; betont, dass die neue Verfassung die Rechte aller Gruppen und Einzelpersonen in der Türkei wahren, die Gewaltenteilung garantieren, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz sicherstellen und die uneingeschränkte zivile Kontrolle des Militärs gewährleisten und ein integratives Konzept der türkischen Staatsangehörigkeit fördern sollte;

    9.

    legt der Türkei nahe, die Ausarbeitung der Verfassung als eine Gelegenheit zu nutzen, eine realistischere und demokratischere Identität zu entwickeln, die die vollständige Anerkennung aller ihrer ethnischen und religiösen Gruppen ermöglicht, anzuerkennen, dass die moderne Staatsbürgerschaft frei von ethnischen Bezugnahmen sein sollte, und den Schutz der sprachlichen Rechte im Zusammenhang mit der Verwendung der Muttersprache in der neuen zivilen Verfassung zu verankern;

    10.

    betont, wie wichtig freundliche und konstruktive Beziehungen zwischen der Regierung und der Opposition als eine Voraussetzung für einen effektiven Reformprozess sind; weist darauf hin, dass eine wirklich demokratische und pluralistische Gesellschaft sich zu jeder Zeit auf die beiden Säulen Regierung und Opposition und auf einen kontinuierlichen Dialog und eine stete Zusammenarbeit zwischen den beiden stützen muss; äußerst in diesem Zusammenhang Besorgnis über anhängige Gerichtsverfahren und die zu lange Dauer der Untersuchungshaft, von der Mitglieder der Großen Türkischen Nationalversammlung betroffen sind, und über das gerichtliche Untersuchungsverfahren, welches eingeleitet wurde, um die parlamentarische Immunität von Kemal Kılıçdaroğlu, dem Chef der größten Oppositionspartei, aufzuheben; betont, dass Demokratie und die freie Meinungsäußerung nicht garantiert sind, wenn Mitgliedern des Parlaments aufgrund der Erfüllung ihrer Aufgaben Verfolgung droht;

    11.

    begrüßt die fortgesetzten Anstrengungen, die zivile Kontrolle des Militärs zu verbessern, insbesondere durch die Annahme des Gesetzes über den Rechnungshof im Dezember 2010, durch das die zivile Kontrolle der Militärausgaben sichergestellt wird; fordert die Umsetzung der vollständigen Kontrolle der Militärausgaben durch den Rechnungshof; fordert, dass die Gendarmerie und die Streitkräfte der zivilen Gerichtsbarkeit unterzogen werden und die Gendarmerie der Aufsicht des Bürgerbeauftragten unterstellt wird; hebt hervor, dass die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte und deren Einsatzfähigkeit angesichts der Bedeutung der Mitgliedschaft der Türkei in der NATO sichergestellt werden muss;

    12.

    betont, dass die Reform des Justizsystems eine unverzichtbare Voraussetzung für die Modernisierung der Türkei ist und dass diese Reform zu einem modernen, effizienten, vollständig unabhängigen und unparteiischen Justizsystem führen muss, welches allen Bürgerinnen und Bürgern ein rechtsstaatliches Verfahren garantiert; begrüßt in diesem Zusammenhang die Annahme der Rechtsvorschriften für den Hohen Rat der Richter und Staatsanwälte (HSYK) und für das Verfassungsgericht in enger Absprache mit der Venedig-Kommission; legt der türkischen Regierung nahe, die Empfehlungen 2011 der Venedig-Kommission umzusetzen, insbesondere in Bezug auf das Wahlverfahren für den Hohen Rat der Richter und Staatsanwälte, die Rolle des Justizministers innerhalb dieses Gremiums und das Verfahren zur Ernennung von Richtern und Staatsanwälten; fordert, dass Maßnahmen ergriffen werden, damit sichergestellt ist, dass die Entscheidungen des Hohen Rates der Richter und Staatsanwälte transparent sind und der gerichtlichen Kontrolle unterliegen; weist darauf hin, dass weitere Schritte unternommen werden müssen, um die Möglichkeit einer richterlichen Überprüfung aller erstinstanzlichen Entscheidungen des Hohen Rates über Beförderungen, Versetzungen und Disziplinarmaßnahmen zu gewährleisten; begrüßt den Beschluss des Justizministeriums, eine Generaldirektion für Menschenrechte einzurichten, die für die umfassende, wirksame und rechtzeitige Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte durch die Türkei zuständig ist; bedauert in diesem Zusammenhang die zunehmende Zahl neuer Beschwerden, die beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eingehen; würdigt die neuen Vorschläge für eine Reform des Justizsystems, insbesondere in Bezug auf die Haftkriterien als einen ersten Schritt in die richtige Richtung;

    13.

    vertritt die Auffassung, dass die neuen Rechtsvorschriften für das Verfassungsgericht sicherstellen sollten, dass diese Gerichtsinstanz dafür zuständig ist, die Vereinbarkeit der türkischen Rechtsvorschriften mit internationalen Übereinkommen, die die Türkei ratifiziert hat, wie etwa die Europäische Menschenrechtskonvention, zu bewerten und zu überprüfen;

    14.

    äußert Besorgnis über das jüngste Urteil in der Rechtssache Hrant Dink; betont, dass es äußerst wichtig ist, eine vollständige Untersuchung des Mordes an Hrant Dink durchzuführen und alle Verantwortlichen vor Gericht zu stellen, und hebt in diesem Zusammenhang das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte von 2010 hervor, in dem festgestellt wird, dass die Türkei in der Mordsache Hrant Dink keine wirksamen Untersuchungen durchgeführt hat; betrachtet dieses Gerichtsverfahren als einen Testfall für die Rechtsstaatlichkeit und die Unabhängigkeit der Justiz in der Türkei;

    15.

    wiederholt seine Besorgnis darüber, dass die Effizienz und die Normen von Gerichtsverfahren noch nicht in ausreichendem Umfang verbessert worden sind, um das Recht auf ein faires und zügiges Verfahren zu gewährleisten, einschließlich des Rechts auf Einsichtnahme in belastende Beweismittel und Verfahrensunterlagen in den frühen Phasen des Verfahrens und hinreichender Garantien für alle Verdächtigen; bekräftigt seine große Besorgnis über die zu lange Dauer der Untersuchungshaft, die sich derzeit auf bis zu zehn Jahre erstrecken und de facto als eine Bestrafung ohne Gerichtsverfahren erweisen kann; fordert die Große Türkische Nationalversammlung in diesem Zusammenhang eindringlich auf, die Rechtsvorschriften in Übereinstimmung mit den Standards der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Europarat zu bringen, indem sie die Höchstdauer der Untersuchungshaft in der Türkei in Einklang mit der durchschnittlichen Dauer der Untersuchungshaft in der Europäischen Union bringt; fordert die Regierung auf, ihre Reformen fortzusetzen und das Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus und das türkische Strafgesetzbuch zu überprüfen; weist darauf hin, dass die Ad-hoc-Delegation des Parlaments für die Beobachtung der Gerichtsverfahren gegen Journalisten in der Türkei die Entwicklungen weiter verfolgen wird; ist besorgt über die große Zahl jugendlicher Strafgefangener, die sich auf 2 500 in der Altersgruppe zwischen 12 und 18 Jahren beläuft;

    16.

    fordert die Regierung der Türkei auf, zur Bewältigung des derzeitigen Rückstaus an unbearbeiteten Rechtssachen ihre regionalen Berufungsgerichte so bald wie möglich zum Einsatz zu bringen, die laut Gesetz bis Juni 2007 hätten einsatzfähig sein sollen, und sich auf die Schulung von Richtern für diesen Zweck zu konzentrieren;

    17.

    betont, wie wichtig das Recht jedes Bürgers auf eine angemessene Verteidigung in Gerichtsverfahren ist, und weist auf die Verantwortung des Staates hin, den Zugang zu Rechtsbeistand zu garantieren; weist ferner darauf hin, dass Rechtsanwälte zivil- und strafrechtliche Immunität für Erklärungen genießen sollten, die sie in gutem Glauben in ihren schriftlichen und mündlichen Ausführungen oder bei ihrem Auftreten vor Gericht oder einer anderen Justiz- oder Verwaltungsbehörde abgeben; fordert die Türkei auf, sicherzustellen, dass Rechtsanwälte in der Lage sind, ihre beruflichen Aufgaben ohne Einschüchterung, Behinderung, Schikane oder ungebührliche Einmischung wahrzunehmen;

    18.

    betont, dass die Ermittlungen wegen angeblicher Pläne für einen Staatsstreich, wie die Fälle „Ergenekon“ und „Sledgehammer“, die Stärke und die ordnungsgemäße, unabhängige, unparteiische und transparente Arbeitsweise der türkischen demokratischen Institutionen und der Justiz und ihr entschlossenes, bedingungsloses Bekenntnis zur Achtung der Grundrechte unter Beweis stellen müssen; ist besorgt über Behauptungen, dass in diesen Rechtssachen widersprüchliches Beweismaterial gegen die Angeklagten verwendet worden sei; fordert die Kommission auf, die vorgenannten Rechtssachen genau zu verfolgen und die Ergebnisse mit mehr Einzelheiten in einem Anhang zu ihrem Fortschrittsbericht 2012 zu veröffentlichen;

    19.

    ist erleichtert darüber, dass die Journalisten Ahmet Șik, Nedim Șener, Muhammet Sait Çakir und Coșkun Muslu während des Gerichtsverfahrens freigelassen wurden, da dies einen wichtigen Schritt zur Wiederherstellung der Achtung der Grundrechte in der Türkei darstellt; unterstreicht jedoch, dass ihre Freilassung nicht die Tatsache verdecken sollte, dass sich nach wie vor Dutzende weitere Journalisten in Haft befinden;

    20.

    wiederholt seine Besorgnis darüber, dass Strafverfahren gegen Menschenrechtsverteidiger, Aktivisten und Journalisten eingeleitet werden, die Beweise für Menschenrechtsverletzungen veröffentlichen oder andere Fragen aufwerfen, die von öffentlichem Interesse sind, und damit zu einer Debatte in einer pluralistischen Gesellschaft beitragen; betont, dass durch Verfolgungen dieser Art ein negatives Bild von der Unabhängigkeit und der Unparteilichkeit des Justizsystems in der Öffentlichkeit entsteht; betrachtet die Kriminalisierung von Meinungen als ein wichtiges Hindernis für den uneingeschränkten Schutz der Menschenrechte in der Türkei und bedauert die unverhältnismäßige Einschränkung der freien Meinungsäußerung sowie der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit;

    21.

    ist besorgt über den großen Auslegungsspielraum und die weitreichende Anwendung, die das türkische Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus und das türkische Strafgesetzbuch ermöglichen, insbesondere in den Fällen, in denen die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nicht nachgewiesen worden ist und wenn angenommen wird, dass eine Handlung oder eine Erklärung mit den Zielen einer terroristischen Vereinigung zusammenfällt; ist besorgt über die nicht abreißenden Berichte über Folter und Misshandlung in Polizeidienststellen und Hafteinrichtungen, den übermäßigen Einsatz von Gewalt durch Polizeibeamte während Demonstrationen und mangelnde Fortschritte bei der Einleitung von Gerichtsverfahren gegen Staatsbeamte wegen mutmaßlicher Verstöße gegen die Menschenrechte; fordert die Türkei eindringlich auf, das Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus dringend zu überarbeiten und ihre internationalen Menschenrechtsverpflichtungen durch die Änderung ihrer einschlägigen Rechtsvorschriften streng einzuhalten; begrüßt den Beschluss, Richter und Staatsanwälte berufsbegleitend zur freien Meinungsäußerung und zur Pressefreiheit sowie zur grundlegenden Rolle des Europäischen Gerichthofs für Menschenrechte zu schulen; fordert mit Nachdruck, dass die Regierung der Türkei systematisch geeignete Schulungen für ihre Polizei zur Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte anbietet; betont, dass ein wirksamer Mechanismus für Beschwerden über die Polizei eingerichtet werden muss; würde weitere Maßnahmen begrüßen, durch die der direkte Zugang von Einzelpersonen zu türkischen Gerichten zur Verteidigung ihrer Rechte verbessert wird, damit sich die Zahl der vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg anhängigen Rechtssachen verringert;

    22.

    weist nachdrücklich darauf hin, dass die anhängigen Gerichtsverfahren gegen Journalisten transparent und unter Beachtung der Rechtsstaatlichkeit und unter Gewährleistung angemessener Bedingungen durchgeführt werden sollten, wozu die Bereitstellung von für die Art der durchzuführenden Verhandlungen geeigneten Räumlichkeiten, die Aushändigung ordnungsgemäß erstellter Aufzeichnungen an die inhaftierte Person sowie die Bereitstellung von Informationen an die Journalisten betreffend die ihnen zur Last gelegten Anklagepunkte gehören, so dass gewährleistet ist, dass sich die Bedingungen des Verfahrens nicht negativ auf das Urteil auswirken; ist tief besorgt über die Bedingungen, unter denen die inhaftierten Journalisten festgehalten werden; bedauert, dass keine genauen Daten über die Zahl der inhaftierten Journalisten und die Zahl der derzeit gegen Journalisten anhängigen Rechtssachen vorhanden sind; fordert die türkischen Staatsorgane auf, diese Informationen zu veröffentlichen;

    23.

    weist erneut darauf hin, dass die freie Meinungsäußerung und der Medienpluralismus den Kern der europäischen Werte bilden und dass eine wirklich demokratische, freie und pluralistische Gesellschaft eine wirklich freie Meinungsäußerung voraussetzt; weist darauf hin, dass sich die freie Meinungsäußerung nicht nur auf Informationen oder Gedanken erstreckt, die positiv aufgenommen werden oder als harmlos angesehen werden, sondern im Einklang mit der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte auch auf solche, die „für den Staat oder einen Bevölkerungsteil Anstoß erregend, beunruhigend oder kränkend sind“; bedauert, dass einige Rechtsvorschriften wie etwa Artikel 301, Artikel 318 und Artikel 220 Absatz 6 in Verbindung mit Artikel 314 Absatz 2, Artikel 285 und Artikel 288 des Strafgesetzbuches sowie Artikel 6 und Artikel 7 Absatz 2 des Gesetzes zur Bekämpfung des Terrorismus die freie Meinungsäußerung weiterhin einschränken; betont, dass die Aufhebung der Rechtsvorschriften, die unverhältnismäßig hohe Strafen für die Medien vorsehen – und in einigen Fällen zur Einstellung ihres Betriebs oder zur Selbstzensur durch Journalisten oder ihre Verleger führen –, und die Reform des Gesetzes 5651/2007 über das Internet, welches die freie Meinungsäußerung begrenzt, das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf Zugang zu Informationen einschränkt und Verbote von Webseiten in einem unverhältnismäßigen Umfang und für einen unverhältnismäßigen Zeitraum ermöglicht, sehr dringend sind; bekräftigt daher seine früheren Forderungen, die Überprüfung des Rechtsrahmens für die Meinungsfreiheit abzuschließen und ihn unverzüglich in Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu bringen;

    24.

    unterstützt den neuen Ansatz der Kommission, Probleme im Zusammenhang mit dem Justizwesen und den Grundrechten und im Bereich Justiz und Inneres in einer frühen Phase des Verhandlungsprozesses anzugehen und die diesbezüglichen Kapitel auf der Grundlage klarer und detaillierter Aktionspläne zu eröffnen und diese Kapitel als letzte auf der Grundlage einer voll und ganz überzeugenden guten Bilanz zu schließen; ist der Ansicht, dass aufgrund der großen Bedeutung der laufenden Reform des Justizsystems in der Türkei und der uneingeschränkten Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, insbesondere der freien Meinungsäußerung und der Pressefreiheit, weitere Anstrengungen im Hinblick auf den Screening-Bericht über das Kapitel 23 Justiz und Grundrechte unternommen werden sollten; fordert die Kommission auf, im Einklang mit der positiven Agenda Schritte in Erwägung zu ziehen, die der Eröffnung von Kapitel 24 Justiz und Inneres förderlich sind;

    25.

    fordert die Türkei mit Nachdruck auf, das Recht auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen im Einklang mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in der Rechtssache Erçep gegen die Türkei anzuerkennen; stellt mit Besorgnis fest, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in der Rechtssache Ulke gegen die Türkei aus dem Jahr 2006 nicht umgesetzt wurde, mit dem die Verabschiedung von Rechtsvorschriften gefordert wird, mit denen die wiederholte Verfolgung von Wehrdienstverweigerern aus Gewissensgründen verhindert wird;

    26.

    begrüßt die Umsetzung nahezu aller Empfehlungen, die die Gruppe der Staaten gegen Korruption (GRECO) des Europarates in den Evaluierungsberichten 2005 abgegeben hat; betont, dass weitere Fortschritte bei den Rechtsvorschriften und den allgemeinen Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung erforderlich sind, und fordert, dass die an der Korruptionsbekämpfung beteiligten Institutionen gestärkt werden und ihre Unabhängigkeit erhöht wird; legt der Regierung nahe, die verbleibenden GRECO-Empfehlungen umzusetzen;

    27.

    fordert die uneingeschränkte Anwendung der Verfassungsbestimmungen, die das Recht zu demonstrieren garantieren, und fordert das Innenministerium auf, die Überarbeitung des Gesetzes über Versammlungen und Demonstrationen abzuschließen;

    28.

    begrüßt, dass im August 2011 neue Rechtsvorschriften angenommen wurden, mit denen das Gesetz über Stiftungen vom Februar 2008 geändert und der Geltungsbereich der Wiederherstellung der Eigentumsrechte aller nichtmuslimischer Gemeinden ausgeweitet wurde, und betont, dass seine vollständige Durchführung gewährleistet werden muss; weist jedoch erneut darauf hin, dass die wichtige und umfassende Reform im Bereich der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit fortgesetzt werden muss, insbesondere indem es religiösen Gemeinschaften ermöglicht wird, Rechtspersönlichkeit zu erlangen, indem alle Einschränkungen der Ausbildung, Ernennung und Nachfolge von Geistlichen beseitigt, die Gebetsstätten der Alewiten anerkannt, die einschlägigen Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eingehalten werden und den Stellungnahmen der Venedig-Kommission im Rechtsrahmen Rechnung getragen wird, und dass die Rechte aller religiösen Gemeinschaften in vollem Umfang anerkannt werden müssen; fordert die Regierung der Türkei auf sicherzustellen, dass dem 397 gegründeten Kloster Mor Gabriel seine Ländereien nicht entzogen werden und dass es in seiner Gesamtheit geschützt wird;

    29.

    weist darauf hin, dass Bildung eine zentrale Rolle für die Entstehung einer integrativen und vielgestaltigen Gesellschaft spielt, die sich auf den Respekt von Religionsgemeinschaften und Minderheiten gründet; fordert die Regierung der Türkei auf, den Lehrmaterialien in Schulen, die die ethnische und religiöse Vielfalt und die Vielfalt der Überzeugungen in der türkischen Gesellschaft widerspiegeln, Diskriminierung und Vorurteile beseitigen und die uneingeschränkte Akzeptanz aller religiöser Gemeinschaften und Minderheiten fördern sollten, besondere Aufmerksamkeit zu widmen, und betont, dass unparteiische Lehrmaterialien vonnöten sind; begrüßt, dass im Bildungsministerium eine Kommission für Gleichstellungsfragen eingerichtet wurde; nimmt mit Erleichterung die Freilassung der Studenten zur Kenntnis, die 18 Monate rechtswidrig inhaftiert waren, nachdem sie kostenlose Bildung gefordert hatten;

    30.

    weist erneut darauf hin, dass der Zusammenhalt zwischen den türkischen Regionen und zwischen ländlichen und städtischen Gebieten gestärkt werden muss; weist in diesem Zusammenhang auf den besonderen Stellenwert der Bildung und die Notwendigkeit hin, anhaltend große regionale Unterschiede in Bezug auf die Qualität der Bildung und die Einschulungsraten anzugehen;

    31.

    fordert die Regierung der Türkei auf, ihre Zusage, für hohe Einschulungsraten zu sorgen, zu erfüllen und sicherzustellen, dass die neue Bildungsreform der Notwendigkeit Rechnung trägt, dass Kinder, insbesondere Mädchen in ländlichen Gebieten, über die Mindestschulzeit hinaus im Schulsystem verbleiben, und Kindern die Möglichkeit zu geben, Entscheidungen über ihren Bildungsweg in einem Alter zu treffen, in dem sie in der Lage sind, eine sachkundige Wahl zu treffen;

    32.

    legt der Regierung nahe, der Gleichstellung von Frauen und Männern in ihren Reformanstrengungen Priorität einzuräumen, die Armut von Frauen zu bekämpfen und die soziale Eingliederung von Frauen und ihre Beteiligung am Arbeitsmarkt zu erhöhen; bekräftigt seinen Vorschlag, die Einführung eines Quotensystems einzuleiten, damit eine adäquate Vertretung von Frauen auf allen Ebenen in Unternehmen, im öffentlichen Sektor und in der Politik sichergestellt ist; begrüßt die Bemühungen der Regierung, mehr Mädchen in das Schulsystem zu integrieren, was dazu geführt hat, dass die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Grundschule nahezu beseitigt werden konnten, und fordert die Regierung auf, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, damit sich die geschlechtsspezifischen Unterschiede auch in der Sekundarbildung verringern; begrüßt ferner die nach den Wahlen im Juni 2011 gestiegene Zahl von Frauen in der Großen Türkischen Nationalversammlung und fordert die politischen Parteien auf, das aktive Engagement und die aktive Beteiligung von Frauen in der Politik weiter zu stärken;

    33.

    begrüßt die Tatsache, dass die Türkei am 24. November 2011 das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und von häuslicher Gewalt unterzeichnet und ratifiziert hat; fordert die Regierung auf, bei Gewalt gegen Frauen eine Nulltoleranz-Politik zu verfolgen und ihre präventiven Maßnahmen auf allen Ebenen bei der Bekämpfung von so genannten Ehrenmorden, häuslicher Gewalt, von Zwangsehen und Kinderbräuten weiter zu verstärken, insbesondere durch die Zusammenarbeit und die Erzielung eines Konsenses mit Frauenrechtsgruppen, durch die Änderung des Gesetzes Nr. 4320 über den Schutz der Familie, um einen breiten Anwendungsbereich unabhängig vom Personenstand und von der Art der Beziehungen zwischen dem Opfer und dem Angreifer zu gewährleisten, einschließlich effektiver Rechtsmittel und Schutzmechanismen, und durch die strenge Überwachung der Umsetzung des Gesetzes Nr. 4320 durch die Polizei, durch die wirksame Überwachung der vollständigen Erfüllung der Verpflichtung der Gemeinden, ausreichend Unterkünfte für gefährdete Frauen und Minderjährige bereitzustellen, durch die Gewährleistung der Sicherheit in den Unterkünften, durch die Beschäftigung angemessener Mitarbeiter und durch die Einrichtung eines Systems von weiteren Unterstützungsmaßnahmen für Frauen und Minderjährige, die die jeweilige Unterkunft verlassen, um für angemessene psychologische Unterstützung, Rechtsbeistand und Gesundheitsfürsorge zu sorgen und ihre Fähigkeit zu entwickeln, sich in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht wieder in die Gesellschaft zu integrieren; begrüßt die Anstrengungen des Ministeriums für Familie und Soziales, die Zahl und die Qualität der Unterkünfte zu erhöhen, und den Beschluss des Ministeriums, es privaten Einrichtungen zu gestatten, ebenfalls Unterkünfte zu eröffnen, die eine zusätzliche Hilfestellung für gefährdete Frauen und Minderjährige darstellen; begrüßt das jüngste Rundschreiben Nr. 18 des Hohen Rates von Richtern und Staatsanwälten, wonach die Durchführung von Schutzmaßnahmen in Fällen häuslicher Gewalt nicht mehr hinausgezögert wird, bis das Gerichtsverfahren abgeschlossen ist; begrüßt die Bemühungen der Regierung der Türkei, die Zusammenarbeit zwischen den staatlichen Stellen im Bereich der durchgängigen Berücksichtigung der Gleichstellung von Frauen und Männern zu verstärken;

    34.

    ist besorgt über die unverhältnismäßig hohe Armutsrate bei Kindern; fordert die Türkei auf, eine umfassende Strategie zur Bekämpfung von Kinderarmut und Kinderarbeit zu entwickeln; begrüßt die Ratifizierung des Übereinkommens des Europarates zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch; fordert die Türkei mit Nachdruck auf, ihre Anstrengungen zur Bekämpfung häuslicher Gewalt gegen Kinder zu verstärken;

    35.

    fordert die Regierung mit Nachdruck auf sicherzustellen, dass die Gleichbehandlung ungeachtet des Geschlechts, der Geschlechtsidentität, der Rasse oder der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung gesetzlich garantiert ist und effektiv durchgesetzt und auch von der Polizei respektiert wird; fordert die Regierung der Türkei auf, die türkischen Rechtsvorschriften an den gemeinschaftlichen Besitzstand anzugleichen und Rechtsvorschriften für die Einrichtung eines Gremiums für Diskriminierungsbekämpfung und Gleichstellung anzunehmen; stellt fest, dass weitere Maßnahmen zur Bekämpfung von Homophobie und jeder Art von Diskriminierung, Belästigung oder Gewalt aus Gründen der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität ergriffen werden müssen, insbesondere durch die Aufnahme dieser Gründe in das Gesetz zur Bekämpfung von Diskriminierung; bedauert die regelmäßige Verfolgung von LGBT auf der Grundlage des Gesetzes über Fehlverhalten und Bestimmungen über „unmoralisches Verhalten“; bekräftigt seine Forderung an die Regierung der Türkei, die türkischen Streitkräfte anzuweisen, Homosexualität nicht länger als eine „psychosexuelle Krankheit“ einzustufen;

    36.

    fordert die Türkei auf, sich als belastbar zu erweisen und ihre Bemühungen um eine politische Lösung der Kurdenfrage zu intensivieren, und fordert alle politischen Kräfte auf, gemeinsam auf einen verstärkten politischen Dialog und einen Prozess der weiteren politischen, kulturellen und sozioökonomischen Integration und Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger kurdischer Herkunft hinzuarbeiten, um das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit zu garantieren; hält in diesem Zusammenhang das Recht auf Bildung in der Muttersprache für wesentlich; fordert die Regierung der Türkei auf, ihre Anstrengungen zur Förderung der sozioökonomischen Entwicklung im Südosten zu verstärken; ist der Auffassung, dass die Verfassungsreform einen sehr nützlichen Rahmen darstellt, um eine demokratische Öffnung zu fördern; weist darauf hin, dass eine politische Lösung nur auf der Grundlage einer offenen und echten demokratischen Debatte über die Kurdenfrage erarbeitet werden kann, und äußert sich besorgt über die vielen Rechtssachen, die gegen Schriftsteller und Journalisten eingeleitet werden, die über die Kurdenfrage berichten, und über die Festnahme mehrerer kurdischer Politiker, gewählter Bürgermeister und Mitglieder von Gemeinderäten, Rechtsanwälten, Demonstranten und Menschenrechtsverteidigern im Zusammenhang mit dem KCK-Prozess und anderen Polizeieinsätzen; fordert die Regierung der Türkei auf, ein friedliches Umfeld für Politiker kurdischer Herkunft herzustellen, damit sie sich an einer freien und pluralistischen Debatte beteiligen können; betont, wie wichtig es ist, die Erörterung der Kurdenfrage innerhalb der demokratischen Institutionen, insbesondere in der Großen Türkischen Nationalversammlung, zu fördern;

    37.

    verurteilt mit Nachdruck die jüngsten Anschläge auf europäische Büros der Zeitung Zaman und fordert eine koordinierte Untersuchung dieser Anschläge, die mutmaßlich von militanten Mitgliedern der PKK verübt wurden;

    38.

    begrüßt die jüngste Erklärung der Regierung der Türkei, eine Schule der griechischen Minderheit auf der Insel Gökçeada (Imbros) wieder zu eröffnen, und sieht der zügigen Umsetzung entgegen, da dies einen positiven Schritt dafür darstellt, den bikulturellen Charakter der türkischen Inseln Gökçeada (Imbros) und Bozcaada (Tenedos) im Einklang mit der Resolution 1625 (2008) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zu bewahren; stellt jedoch fest, dass weitere Schritte erforderlich sind, um die Probleme der Angehörigen der griechischen Minderheit, insbesondere in Bezug auf ihre Eigentumsrechte, zu lösen;

    39.

    betont, dass der Rechtsrahmen über Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte mit den EU-Standards, den Instrumenten des Europarates und den IAO-Übereinkommen dringend in Einklang gebracht werden muss und dass sie in der Praxis in vollem Umfang angewendet werden müssen, weil durch die Beseitigung aller Hindernisse für die uneingeschränkte Ausübung dieser Rechte gewährleistet sein wird, dass die derzeitigen beachtlichen wirtschaftlichen Fortschritte mit einer breiteren Verteilung des durch das Wirtschaftswachstum entstehenden Wohlstands in der türkischen Gesellschaft einhergehen und dadurch ein größeres Wachstumspotenzial generiert wird; legt allen Parteien des Wirtschafts- und Sozialrates daher nahe, ihr Engagement und ihre Zusammenarbeit zu verstärken, damit die Benchmarks für die Eröffnung des Kapitels 19 Sozialpolitik und Beschäftigung erreicht werden;

    40.

    ist besorgt über die insbesondere im Bildungssektor geübte Praxis, Gewerkschaftsmitglieder strafrechtlich zu verfolgen, die sich für bessere Arbeits-, Bildungs- und Lebensbedingungen einsetzen und die Verletzungen von Menschenrechten im Interesse der Arbeitnehmer und der Öffentlichkeit zur Sprache bringen und somit einen Beitrag zu einer pluralistischen Gesellschaft leisten;

    41.

    fordert die Regierung der Türkei auf, die aktive und umfassende Einbindung von Verbraucherverbänden in den legislativen und politischen Konsultationsprozess über Verbraucherschutz zu fördern und alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Verbraucherbewegung zu unterstützen und zu stärken; legt den Verbraucherverbänden nahe, ihre Kräfte zu bündeln, um ihre Repräsentativität zu erhöhen;

    42.

    begrüßt die Diversifizierung des türkischen Energiemarktes, legt der Regierung der Türkei jedoch auch nahe, das Risiko und die Verantwortung ordnungsgemäß zu prüfen, die mit den derzeitigen Kernkraftwerksprojekten wie dem in Akkuyu verbunden sind; betont in diesem Zusammenhang, dass das natürliche, kulturelle und archäologische Erbe in vollem Einklang mit den europäischen Standards bewahrt werden muss;

    Aufbau gutnachbarlicher Beziehungen

    43.

    unterstützt nachdrücklich die laufenden Verhandlungen über die Wiedervereinigung Zyperns unter der Schirmherrschaft des Generalsekretärs der Vereinten Nationen; betont, dass eine faire und tragfähige Lösung der Zypernfrage nun dringend ist, und fordert die Türkei und alle betroffenen Parteien auf, intensiv und mit gutem Willen an einer umfassenden Regelung zu arbeiten; fordert die Regierung der Türkei auf, damit zu beginnen, ihre Streitkräfte aus Zypern abzuziehen und Famagusta den Vereinten Nationen gemäß der Resolution 550 (1984) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zu übergeben; fordert gleichzeitig die Republik Zypern auf, den Hafen von Famagusta unter EU-Zollaufsicht zu öffnen, um ein positives Klima für die erfolgreiche Lösung der laufenden Verhandlungen über die Wiedervereinigung zu schaffen und es den türkischen Zyprioten zu ermöglichen, auf legale Weise direkten Handel zu treiben, der für alle akzeptabel ist;

    44.

    legt der Türkei nahe, ihre Unterstützung für den Ausschuss für die Vermissten in Zypern zu intensivieren;

    45.

    fordert die Türkei auf, von Neuansiedelungen türkischer Bürgerinnen und Bürger auf Zypern abzusehen, weil sich dadurch das demografische Gleichgewicht weiter verschieben und das Zugehörigkeitsgefühl der Inselbewohner zu einem künftigen gemeinsamen Staat auf der Grundlage seiner gemeinsamen Vergangenheit verringern würde;

    46.

    bedauert Verlautbarungen der Türkei, wonach sie die Beziehungen zum Ratsvorsitz der Europäischen Union im zweiten Halbjahr 2012 einfrieren werde, wenn bis dahin keine Lösung der Zypernfrage gefunden sei; weist darauf hin, dass sich die Europäische Union auf die Grundsätze der loyalen Zusammenarbeit und der gegenseitigen Solidarität unter allen ihren Mitgliedstaaten stützt und dass sich die Türkei als ein Kandidatenland für freundschaftliche Beziehungen zur Europäischen Union und allen ihren Mitgliedstaaten einsetzen muss; weist ferner darauf hin, dass der Ratsvorsitz der Europäischen Union im Vertrag über die Europäische Union vorgesehen ist;

    47.

    fordert die Türkei auf, einen politischen Dialog zwischen der EU und der NATO durch die Aufhebung des Vetos gegen die Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO einschließlich Zyperns zu ermöglichen, und fordert die Republik Zypern auf, ihr Veto gegen die Beteiligung der Türkei an der Europäischen Verteidigungsagentur aufzuheben;

    48.

    nimmt zur Kenntnis, dass die Türkei und Griechenland ihre verstärkten Bemühungen um die Verbesserung ihrer bilateralen Beziehungen fortsetzen; hält es jedoch für bedauerlich, dass die Casus-Belli-Drohung der Großen Türkischen Nationalversammlung gegen Griechenland noch nicht zurückgezogen wurde, und ist der Ansicht, dass die Verbesserung der bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Ländern zur Zurückziehung dieser Drohung führen sollte; fordert die Regierung der Türkei mit Nachdruck auf, den wiederholten Verletzungen des griechischen Luftraums und den Überflügen türkischer Militärflugzeuge über griechische Inseln ein Ende zu setzen;

    49.

    betont, dass das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS) von der EU, den 27 Mitgliedstaaten und allen anderen Kandidatenländern unterzeichnet wurde und Teil des gemeinschaftlichen Besitzstands ist; fordert die Regierung der Türkei daher auf, dieses Übereinkommen unverzüglich zu unterzeichnen und zu ratifizieren; weist auf die uneingeschränkte Legitimität der ausschließlichen Wirtschaftszone der Republik Zypern gemäß UNCLOS hin;

    50.

    fordert die Türkei und Armenien auf, zu einer Normalisierung ihrer Beziehungen überzugehen, indem sie ohne Vorbedingungen die Protokolle ratifizieren und die Grenze öffnen;

    51.

    ist der Auffassung, dass die Türkei ein wichtiger Partner der EU im Schwarzmeerraum ist, der für die EU eine strategische Bedeutung hat; fordert die Türkei auf, die Umsetzung der EU-Politik und der EU-Programme in dieser Region zu unterstützen und aktiv zu ihr beizutragen;

    Fortschritte bei der Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und der Türkei

    52.

    bedauert, dass die Türkei sich weigert, ihrer Verpflichtung nachzukommen, das Zusatzprotokoll zum Assoziierungsabkommen EG-Türkei umfassend und in nicht diskriminierender Weise gegenüber allen Mitgliedstaaten umzusetzen; weist darauf hin, dass diese Weigerung den Verhandlungsprozess weiterhin stark beeinträchtigt, und fordert die Regierung der Türkei auf, das Protokoll vollständig und unverzüglich umzusetzen;

    53.

    betont, dass die Zollunion EU-Türkei es der Türkei ermöglicht hat, einen hohen Grad der Angleichung im Bereich des freien Warenverkehrs zu erreichen, und dass durch sie der bilaterale Handel zwischen der EU und der Türkei weiter angekurbelt wird, der sich im Jahr 2010 auf insgesamt 103 Milliarden EUR belief; stellt jedoch fest, dass die Türkei die Zollunion nicht in vollem Umfang umsetzt und Rechtsvorschriften aufrechterhält, die gegen ihre Verpflichtungen verstoßen, technische Handelshemmnisse zu beseitigen wie Einfuhrlizenzen, Einfuhrbeschränkungen für Waren aus Drittstaaten, die innerhalb der EU dem freien Warenverkehr unterliegen, staatliche Beihilfen, die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums, Zulassungsbedingungen für neue Arzneimittel und diskriminierende Steuerpraktiken;

    54.

    wiederholt seine entschlossene und nachdrückliche Verurteilung der von der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die auf der EU-Liste terroristischer Vereinigungen steht, weiterhin begangenen terroristischen Gewaltakte und spricht der Türkei seine uneingeschränkte Solidarität aus; fordert die EU-Mitgliedstaaten auf, in enger Abstimmung mit dem EU-Koordinator für die Terrorismusbekämpfung und Europol und unter gebührender Berücksichtigung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten und des Völkerrechts die Zusammenarbeit mit der Türkei bei der Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität als eine Quelle der Finanzierung des Terrorismus zu intensivieren; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, einen angemessenen informativen Dialog und Informationsaustausch mit der Türkei über von der Türkei gestellte Auslieferungsersuchen, denen aus rechtlichen oder verfahrenstechnischen Gründen nicht stattgegeben werden kann, zu erleichtern;

    55.

    bedauert die Verzögerung, mit der der Großen Türkischen Nationalversammlung Gesetzesvorschläge zum Schutz der Rechte von Flüchtlingen und Asylbewerbern vorgelegt werden; äußert Besorgnis über nicht abreißende Berichte über Personen, die in Länder zurückgeführt werden, in denen sie der Gefahr, gefoltert zu werden, oder anderen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sein könnten, nachdem ihnen der Zugang zum Asylverfahren willkürlich verweigert wurde;

    56.

    begrüßt die Fortschritte, die die Türkei im Bereich der erneuerbaren Energieträger erzielt hat, und unterstützt weitere Anstrengungen, die Nutzung erneuerbarer Energieträger in allen Wirtschaftsbereichen zu verstärken; betont, dass die Türkei über ein Potenzial an erneuerbaren Energieträgern, namentlich über beträchtliche Solarenergie, Windkraft und Erdwärme verfügt und dass die EU aus der Türkei Strom aus erneuerbaren Energiequellen über Fernleitungen für Hochspannungsgleichstromübertragung (HGU) einführen könnte, wodurch nicht nur ein Beitrag zur Energieversorgungssicherheit der EU, sondern auch zu den Zielen der EU im Bereich der erneuerbaren Energien geleistet würde;

    57.

    verweist auf die wichtige Rolle der Türkei als Energiekorridor der EU für kaukasisches und kaspisches Erdöl und Erdgas und die strategische Nähe der Türkei zum Irak und zu dessen sich entwickelndem Rohölmarkt; betont die strategische Rolle der geplanten Nabucco-Pipeline und anderer Erdgas-Pipelines wie etwa der Erdgasverbindungsleitung Türkei-Griechenland-Italien (ITGI) für die Energieversorgungssicherheit der Europäischen Union; ist der Auffassung, dass unter Berücksichtigung der strategischen Rolle und des Potenzials der Türkei auch im Hinblick auf Investitionen der EU und die künftige Zusammenarbeit mit der EU Überlegungen über den Wert angestellt werden sollten, den die Eröffnung von Verhandlungen über Kapitel 15 über Energie mit Blick auf die Verbesserung des strategischen Dialogs über Energie zwischen der EU und der Türkei haben könnte;

    58.

    betont die in politischer und geografischer Hinsicht strategische Rolle der Türkei für die Außenpolitik der Europäischen Union und ihre Nachbarschaftspolitik; betont die Rolle der Türkei als ein wichtiger regionaler Akteur im Nahen Osten, in den westlichen Balkanstaaten, in Afghanistan/Pakistan, im südlichen Kaukasus, in Zentralasien und am Horn von Afrika und die Rolle der Türkei als eine Inspirationsquelle für arabische Staaten auf dem Weg zur Demokratie in bedeutenden Politikbereichen, zu denen politische und wirtschaftliche Reformen und der Aufbau von Institutionen zählen; unterstützt die Anstrengungen, die die Türkei unternimmt, um den Dialog und die Zusammenarbeit auf hoher Ebene zwischen Afghanistan und Pakistan voranzutreiben, und begrüßt den Prozess von Istanbul, der zur Verbesserung der regionalen Zusammenarbeit zwischen Afghanistan und seinen Nachbarn eingeleitet wurde; unterstützt die entschlossene Haltung und das Engagement der Türkei für die demokratischen Kräfte in Syrien und erinnert an ihre wichtige Rolle beim Schutz syrischer Flüchtlinge; fordert die Kommission, die Mitgliedstaaten und die internationale Gemeinschaft auf, die Bemühungen der Türkei zu unterstützen, mit der wachsenden humanitären Dimension der Krise in Syrien fertig zu werden; fordert die EU und die Türkei auf, ihren bestehenden politischen Dialog über die außenpolitischen Entscheidungen und Ziele von gegenseitigem Interesse zu verstärken; legt der Türkei nahe, ihre Außenpolitik im Wege des Dialogs und der Koordinierung mit der Europäischen Union zu gestalten und ihre Außenpolitik schrittweise an die der EU mit Blick auf die Schaffung wertvoller Synergien anzunähern und das Potenzial für eine positive Wirkung zu verstärken;

    59.

    weist darauf hin, wie wichtig eine enge Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen der Türkei und der EU im Bereich der Verbreitung von Kernwaffen in Iran ist, und ist der Auffassung, dass die Türkei eine wichtige und konstruktive Rolle dabei spielen kann, den Dialog mit Iran über eine rasche Lösung zu erleichtern und zu fördern und die uneingeschränkte Unterstützung der Sanktionen gegen Iran zu gewährleisten;

    60.

    erinnert an das Bestreben der Türkei, in der südlichen Nachbarschaft den Übergang zur Demokratie und sozioökonomische Reformen anzuregen und zu unterstützen; stellt fest, dass durch eine Beteiligung von türkischen Institutionen und Nichtregierungsorganisationen an ENP-Instrumenten einzigartige Synergieeffekte entstünden, speziell in Bereichen wie Institutionsaufbau, sozioökonomische Entwicklung und Entwicklung der Zivilgesellschaft; ist der Auffassung, dass die praktische Zusammenarbeit durch einen strukturierten Dialog zwischen der EU und der Türkei zur Koordinierung ihrer Nachbarschaftspolitik ergänzt werden sollte;

    61.

    begrüßt, dass die Türkei das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter (OPCAT) am 27. September 2011 ratifiziert hat, und fordert die Türkei auf, die in ihm enthaltenen Erfordernisse in nationale Rechtsvorschriften umzusetzen; fordert nachdrücklich, dass unverzüglich ein nationaler Mechanismus für die Umsetzung angenommen wird; fordert die Türkei auf, internationalen Beobachtern Zugang zu ihren Hafteinrichtungen zu geben;

    62.

    fordert die Regierung der Türkei erneut auf, das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs zu unterzeichnen und zur Ratifizierung vorzulegen, was einen weiteren Beitrag der Türkei zum globalen multilateralen System und ihr stärkeres Engagement in diesem System darstellen würde;

    *

    * *

    63.

    beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik/Vizepräsidentin der Kommission, dem Generalsekretär des Europarates, dem Präsidenten des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und der Regierung und dem Parlament der Republik Türkei zu übermitteln.


    (1)  ABl. C 306 E vom 15.12.2006, S. 284.

    (2)  ABl. C 263 E vom 16.10.2008, S. 452.

    (3)  ABl. C 279 E vom 19.11.2009, S. 57.

    (4)  ABl. C 87 E vom 1.4.2010, S. 139.

    (5)  ABl. C 341 E vom 16.12.2010, S. 59.

    (6)  Angenommene Texte, P7_TA(2011)0090.

    (7)  ABl. C 157 E vom 6.7.2006, S. 385.

    (8)  ABl. C 287 E vom 29.11.2007, S. 174.

    (9)  ABl. L 51 vom 26.2.2008, S. 4.


    Top