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Document 52012DC0789

MITTEILUNG DER KOMMISSION über Inhalte im digitalen Binnenmarkt

/* COM/2012/0789 final - 2012/ () */

52012DC0789

MITTEILUNG DER KOMMISSION über Inhalte im digitalen Binnenmarkt /* COM/2012/0789 final - 2012/ () */


MITTEILUNG

über Inhalte im digitalen Binnenmarkt

1. Einleitung

Die digitale Wirtschaft war in den vergangenen beiden Jahrzehnten ein wichtiger Wachstumsfaktor und soll in den kommenden Jahren sieben Mal schneller wachsen als das BIP der EU. In der Online-Welt gibt es neue Wege für Angebot, Schaffung und Vertrieb von Inhalten und neue Möglichkeiten der Wertschöpfung. Das Aufkommen neuer Geschäftsmodelle, die sich bei der Lieferung von Inhalten das Potenzial des Internet zunutze machen, ist Herausforderung und gleichzeitig Chance für Kreativwirtschaft, Autoren und Künstler sowie andere Akteure der digitalen Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund besteht eines der Ziele der Kommission darin sicherzustellen, dass das Urheberrecht und damit zusammenhängende Praktiken wie Lizenzverfahren auch in diesem neuen digitalen Umfeld ihren Zweck weiterhin erfüllen.

Im Jahr 2010 hat die Kommission mit ihrer Digitalen Agenda für Europa[1] versucht, im Zuge ihrer Strategie für einen dynamischen digitalen Binnenmarkt den Zugang zu Inhalten zu öffnen, und nannte mehrere Maßnahmen auf dem Gebiet des Urheberrechts. 2011 hob die Kommission in ihrer Strategie für geistiges Eigentum „Ein Binnenmarkt für Rechte des geistigen Eigentums“[2] die strategische Bedeutung des Urheberrechts für die Entwicklung des digitalen Binnenmarkts hervor. Mit der Strategie wurde versucht, zielgerichtete und maßgeschneiderte Lösungen zur Überwindung von Hindernissen zu finden, wobei es sich um kommerzielle, vertragliche oder technologiegestützte Lösungen oder um rechtliche Maßnahmen handeln kann, je nachdem, welches Instrument optimal geeignet ist.

Die Kommission hat vor diesem Hintergrund bereits eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, darunter neue Rechtsvorschriften über verwaiste Werke und einen noch nicht verabschiedeten Legislativvorschlag zur kollektiven Rechteverwertung, eine vertragsgestützte Lösung in Form der Vereinbarungen über vergriffene Bücher und den Zugang zu Arbeiten für Sehbehinderte und die Förderung technischer Lösungen. Die Kommission hat 2012 ferner im Rahmen des Programms zur Unterstützung der IKT-Politik (im Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation) eine Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen für eine Europäische Rechteverwertung veröffentlicht.

Im Pakt für Wachstum und Beschäftigung vom Juni 2012 haben die Staats- und Regierungschefs gefordert, dass neben anderen Maßnahmen, die erforderlich sind, um bis 2015 einen reibungslos funktionierenden digitalen Binnenmarkt zu schaffen, auch auf eine Modernisierung des europäischen Urheberrechts und eine Vereinfachung der Lizenzvergabe hingearbeitet werden müsse, wobei ein hohes Niveau des Schutzes der Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen und der kulturellen Vielfalt Rechnung zu tragen sei.

Obwohl bei den in der Digitalen Agenda und der Strategie für geistiges Eigentum beschriebenen urheberrechtsbezogenen Maßnahmen gute Fortschritte erzielt werden konnten, bleibt noch einiges zu tun, ehe im Bereich Urheberrecht von einem echten Binnenmarkt die Rede sein kann.

Die Kommission wird sich daher zwei parallelen Handlungsschwerpunkten widmen.  So wird sie einerseits die laufenden Arbeiten zur Überarbeitung und Modernisierung des EU-Rechtsrahmens für das Urheberrecht abschließen.

Andererseits wird sie sich mit einer Reihe von Fragen auseinandersetzen, bei denen rasche Fortschritte nötig und möglich sind, und deshalb einen strukturierten Dialog mit den Interessenträgern in Gang bringen, um unbeschadet etwaiger weiterer politischer Maßnahmen einschließlich möglicher legislativer Reformen bis Ende 2013 praktische, industrieorientierte Lösungen für diese Fragen zu finden. Unter der Bezeichnung „Lizenzen für ganz Europa“ soll dieser Prozess das vorhandene Potenzial anzapfen und untersuchen, inwieweit eine innovative Lizenzvergabe und technische Lösungen das Urheberrecht und einschlägige Praktiken in der EU in das digitale Zeitalter führen können.

2. Strukturierter Dialog mit den Interessenträgern

„Lizenzen für ganz Europa“ wird vier Aufgabenschwerpunkte umfassen, die parallel bearbeitet werden und unbeschadet eventuell erforderlicher politischer Maßnahmen wirksame marktorientierte Lösungen liefern sollen. Aus diesem Grund sollen in der Praxis tätige Vertreter von Rechteinhabern, Verwertungsgesellschaften, gewerblichen und nicht gewerblichen Nutzern geschützter Inhalte sowie Internet-Endnutzer einbezogen werden. Der Prozess wird Anfang 2013 mit einer ersten Plenarsitzung in Gang gebracht, und es werden Arbeitsgruppen eingerichtet, die die Arbeiten weiterführen und bei Halbzeit (Juni) sowie im vierten Quartal 2013 auf der Plenarsitzung Bericht erstatten. Behandelt werden dabei die nachstehend aufgeführten Fragen. Die Angaben zu den einzelnen Themen sind nicht als abschließende Aufzählung zu sehen.

(i) Grenzüberschreitender Zugang und Übertragbarkeit der Dienste

Ziel der Kommission ist die Förderung des grenzüberschreitenden Online-Zugriffs und der Übertragbarkeit von Inhalten über Grenzen hinweg. Um sich neue Entwicklungen wie das Cloud-Computing zunutze zu machen, sollte auch der rechtmäßige grenzüberschreitende Zugang zu Inhalten und Diensten aus der Cloud vereinfacht werden. Diensteanbieter, die ihre Leistungen Verbrauchern in der ganzen EU anbieten möchten, müssen sicherstellen, dass sie in dem Mitgliedstaat, in dem sie Dienstleistungen erbringen wollen, alle erforderlichen Rechte erworben haben. Je nach Sektor, Leistungserbringer und Rechteinhaber sind sowohl eine gebietsübergreifende als auch die auf ein Gebiet beschränkte Lizenzierung möglich. Aufgrund geografischer Sperren („Geo-blocking“) oder weil Leistungserbringer (Online-Plattformen) oder Rechteinhaber den grenzüberschreitenden Verkauf einschränken, bleibt die Verbreitung von Inhalten jedoch häufig auf einen Mitgliedstaat oder wenige Mitgliedstaaten beschränkt.

Ø Unter diesem Aufgabenschwerpunkt sollten aufgeschlüsselt nach Sektoren (und unter Berücksichtigung der Konsultation im Rahmen des Grünbuchs über den Online-Vertrieb audiovisueller Werke in der EU von 2011) die wichtigsten Kategorien und die wichtigsten Gründe für Einschränkungen des grenzübergreifenden Zugangs und der Übertragbarkeit ermittelt werden. Auf dieser Grundlage sollten eine Bestandsaufnahme aktueller Initiativen der Industrie vorgenommen und praktische Lösungen zur Förderung des gebietsübergreifenden Zugangs gefunden werden.

(ii) Nutzergenerierte Inhalte und Lizenzierung für Kleinnutzer geschützter Werke

Ziel der Kommission ist es, für mehr Transparenz zu sorgen, den Endnutzern mehr Klarheit über die rechtmäßige und unrechtmäßige Verwendung geschützter Werke zu bieten und den Zugang zu rechtmäßigen Lösungen zu vereinfachen. Von den Nutzern selbst generierte Inhalte fallen häufig unter irgendeine Form der Lizenzvergabe durch Rechteinhaber in Partnerschaft mit bestimmten Plattformen. Allerdings sind dem Endnutzer Umfang und Geltungsbereich solcher Lizenzen nicht immer klar. Zudem schaffen diese Regelungen zwar Rechte und Pflichten für die Vertragspartner, aber nicht unbedingt Rechtssicherheit für die Endnutzer. Gleichzeitig ist es für Kleinnutzer von Inhalten, wie z. B. kleine Unternehmen, die auf ihren Websites bestimmte Bilder oder Musik verwenden wollen, nicht immer einfach herauszufinden, wie sie eine Lizenz für die geringwertige Nutzung geschützter Inhalte erwerben können.

Ø Unter diesem Aufgabenschwerpunkt sollte ermittelt werden, inwieweit nutzergenerierte Inhalte für einschlägige Plattformen lizenziert sind und wie die Endnutzer darüber informiert werden können, welche Verwendungen im Internet legal und welche illegal sind.

Ø Ferner sollte darauf hingearbeitet werden, dass den Endnutzern der Zugang vereinfacht wird und dass sie mehr Klarheit darüber haben, welche Nutzung geschützter Werke rechtmäßig und welche nicht rechtmäßig ist. Zu diesem Zweck sollte festgestellt werden, welche Reichweite und welchen Umfang Initiativen für eine „One-click-Lizenzierung“ in der EU haben, und sollten Lösungen für eine stärkere Entwicklung und Verknüpfung derartiger Initiativen gefunden und die Angemessenheit der Lizenzierung sowie geeigneter Modalitäten – z. B. die Möglichkeit kostenloser Lizenzen – geprüft werden.

(iii) Der audiovisuelle Sektor und Einrichtungen des Kulturerbes

Die Kommission möchte die Hinterlegung und Online-Zugänglichkeit von Filmen in der EU sowohl für gewerbliche Zwecke als auch nichtkommerzielle kulturelle und pädagogische Zwecke vereinfachen. Es ist für Online-Diensteanbieter nach wie vor schwierig, Kataloge europäischer, online verfügbarer Filme zu erstellen, insbesondere wenn diese „vergriffen“ sind, d. h. bei Werken, deren Rechteinhaber zu einer Verwertung auf individueller Basis nicht bereit oder nicht in der Lage sind. Die Existenz von Filmen kann schwierig ermittelbar und die Klärung der Rechte arbeits- und zeitaufwändig sein. Im Bereich des Filmerbes tätige Institute sind zudem der Auffassung, dass die aktuelle Situation in einigen Mitgliedstaaten es ihnen nicht möglich macht, ihre Aufgabe im öffentlichen Interesse zu erfüllen.

Ø Unter diesem Aufgabenschwerpunkt sollte ermittelt werden, welche erfolgreichen kooperativen Lösungen es zur Verbesserung der Auffindbarkeit und der Online-Bereitstellung audiovisueller Werke gibt, insbesondere wenn diese nicht mehr auf freiwilliger Basis vertrieben werden. Gesucht werden konkrete Lösungen für die Verbreitung bewährter Verfahren in der gesamten EU – sowohl für kommerzielle als auch nicht kommerzielle Zwecke.

Ø Es sollte empfohlen werden, wie sichergestellt werden kann, dass die Mitgliedstaaten den im Bereich des Filmerbes tätigen Instituten praktikable Möglichkeiten bieten, archivierte Werke zu „reproduzieren“ oder in ein Format zu bringen, das eine Digitalisierung zu Bewahrungszwecken ermöglicht.

(iv) Text- und Datenschürfen

Ziel der Kommission ist die Förderung eines effizienten Text- und Datenschürfens (Text and Data Mining, TDM) zu wissenschaftlichen Forschungszwecken. TDM funktioniert derzeit nur über vertragliche Vereinbarungen zwischen Nutzern (in der Regel Forschungseinrichtungen) und Rechteinhabern (z. B. Verlegern wissenschaftlicher Zeitschriften), in denen die Modalitäten für den technischen Zugang zu den einschlägigen Datensätzen festgelegt wird.

Ø Unter diesem Aufgabenschwerpunkt sollte ermittelt werden, in welchem Umfang auf EU-Ebene eine TDM-Nachfrage nach wissenschaftlichen Veröffentlichungen und dazu gehörigen Daten zu Forschungszwecken besteht, und wie diese Nachfrage durch geeignete Instrumente befriedigt werden könnte. Dabei sollte ausgelotet werden, welches Potenzial Standard-Lizenzmodelle bieten und welchen Beschränkungen diese unterliegen; ferner sollte geprüft werden, inwiefern Technologieplattformen zur Vereinfachung des TDM-Zugangs geeignet und machbar sind.

Neben diesen Themen wurde im Jahr 2012 auch über die Frage von Gebühren für Privatkopien gesprochen, die Gegenstand eines von der Kommission geförderten und vom ehemaligen Kommissar António Vitorino geleiteten Mediationsverfahrens mit der Industrie war. Herr Vitorino dürfte voraussichtlich Anfang nächsten Jahres einen entsprechenden Bericht mit einschlägigen Empfehlungen vorlegen. Die Kommission wird auf dieser Grundlage entscheiden, welche Folgemaßnahmen die einzelnen Empfehlungen erfordern, wobei auch die weitere Einbeziehung der Interessenträger in die Suche nach zukunftssicheren und binnenmarktfreundlichen Lösungen nicht auszuschließen ist.

3. Überarbeitung des Rechtsrahmens für Urheberrechte

Parallel dazu wird die Kommission die laufende Überprüfung des EU-Rahmens für das Urheberrecht mit Marktstudien, Folgenabschätzungen und Arbeiten im legislativen Bereich fortsetzen, um im Jahr 2014 gegebenenfalls daraus resultierende Vorschläge für legislative Reformen vorzulegen. Dabei werden folgende Fragen angesprochen: territoriale Regeln auf dem Binnenmarkt, Harmonisierung, Beschränkungen und Ausnahmen vom Urheberrecht im digitalen Zeitalter, Fragmentierung des Urheberrechtemarkts der EU sowie Verbesserung der Wirksamkeit und Effizienz der Durchsetzung bei gleichzeitiger Stärkung ihrer Legitimität im breiteren Kontext des Urheberrechts.

4. Schlussfolgerung

Die Kommission wird in den kommenden beiden Jahren weiter an einem modernen Rechtsrahmen für das Urheberrecht arbeiten, der seinem Zweck angemessen und innovativen Marktpraktiken förderlich ist. Ziele sind eine effektive Anerkennung und Vergütung der Rechteinhaber, nachhaltige Anreize für Kreativität, kulturelle Vielfalt und Innovation, Ausbau der Wahlmöglichkeiten und weitere Öffnung des Zugangs zu legalen Angeboten durch die Endnutzer, die Ermöglichung neuer Geschäftsmodelle und ein wirksamer Beitrag zur Bekämpfung von illegalen Angeboten und Piraterie.

Die Kommission ist zuversichtlich, dass der Dialog mit den Interessenträgern als Ideenschmiede für innovative Lösungen zum Vorteil aller Beteiligten funktionieren kann. Solche Lösungen sind von entscheidender Bedeutung für die Weiterentwicklung des digitalen Binnenmarkts und der Kulturpolitik der EU und ergänzen die laufenden Arbeiten zur Umsetzung der Digitalen Agenda, die Modernisierung des Urheberrechts auf dem Binnenmarkt und die erfolgreiche Umsetzung der Programme Media und Kultur.

[1] KOM(2010) 245 endg./2.

[2] KOM(2011) 287 endg.

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