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Document 52012DC0756

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT UND DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS Stärkung des Binnenmarkts durch die Beseitigung grenzüberschreitender steuerlicher Hindernisse in Bezug auf Personenkraftwagen

/* COM/2012/0756 final */

52012DC0756

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT UND DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS Stärkung des Binnenmarkts durch die Beseitigung grenzüberschreitender steuerlicher Hindernisse in Bezug auf Personenkraftwagen /* COM/2012/0756 final */


MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT UND DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

Stärkung des Binnenmarkts durch die Beseitigung grenzüberschreitender steuerlicher Hindernisse in Bezug auf Personenkraftwagen

1.           Einleitung

Auf den europäischen Straßen sind mehr als 230 Millionen Personenkraftwagen unterwegs. In jedem Jahr werden in der Europäischen Union mehr als 13 Millionen Neuwagen zugelassen und etwa 3 Millionen Gebrauchtwagen zwischen Mitgliedstaaten verbracht, davon bis zu 1 Million durch Menschen, die in einen anderen Mitgliedstaat übersiedeln[1].

Die Besteuerung von Personenkraftwagen ist für alle Mitgliedstaaten eine wichtige Einnahmequelle. Im Jahr 2010 beliefen sich die Zulassungs- und Kraftfahrzeugsteuern im Durchschnitt auf 1,9 % aller Steuereinnahmen[2]. Der tatsächliche Umfang und die Struktur der nationalen Zulassungs- und Kraftfahrzeugsteuersysteme sind daher für die nationalen Steuerbehörden sowie für die Automobilhersteller, die Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen, die Kraftfahrzeuge besitzen und nutzen, von besonderem Interesse.

Doppel- oder Mehrfachbesteuerung[3] sowie potenzielle Diskriminierung bei der grenzüberschreitenden Verbringung von Personenkraftwagen sind Probleme, die sowohl die EU-Bürgerinnen und -Bürger als auch die Dienstleistungserbringer betreffen. In ihrem Bericht über die Unionsbürgerschaft 2010[4] kündigte die Kommission an, sie werde an Lösungen für das Problem der Doppelbesteuerung von Kraftfahrzeugzulassungen arbeiten, da diese das Recht der EU-Bürgerinnen und -Bürger auf Freizügigkeit innerhalb der EU behindern kann, und in ihrer Mitteilung über die „Beseitigung grenzübergreifender steuerlicher Hindernisse für die Bürgerinnen und Bürger der EU“[5] wies die Kommission darauf hin, dass EU-Bürgerinnen und -Bürger, die ein Fahrzeug in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihres ständigen Wohnsitzes kaufen oder ein Fahrzeug in einen anderen Mitgliedstaat als den, in dem es zugelassen ist, verbringen, häufig mit hochkomplizierten Zulassungsverfahren konfrontiert werden und die Zulassungs- und/oder Kraftfahrzeugsteuer unter Umständen zweimal zahlen müssen.

In der vorliegenden Mitteilung geht es vorrangig um die steuerlichen Aspekte grenzüberschreitender Sachverhalte. Hohe Zulassungssteuern für Kraftfahrzeuge, die im Zuge der Verlegung des ständigen Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat verbracht werden, können für potenzielle Migrantinnen und Migranten eine Hürde darstellen. Auch die Vielzahl unterschiedlicher und unkoordinierter Schwellenwerte und technischer Parameter zur Abgrenzung der verschiedenen Steuerniveaus, wie Hubraum, Kraftstoffverbrauch oder CO2-Ausstoß (für Zulassungs- oder Kraftfahrzeugsteuern), macht die ohnehin bereits sehr vielfältigen Marktbedingungen für die Automobilhersteller noch komplizierter und bewirkt eine steuerlich bedingte Fragmentierung des Binnenmarktes, die zudem zu steuerlich bedingtem grenzüberschreitendem Handel führt.

Die Kommission hat zur Lösung dieser Probleme bereits dreimal – 1975, 1998 und 2005 – Initiativen ergriffen und Legislativvorschläge vorgelegt[6]. Der Vorschlag aus dem Jahr 1975 führte zur Annahme der Richtlinie 83/182/EWG[7], die Steuerbefreiungen für die vorübergehende Einfuhr von Straßenkraftfahrzeugen aus einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat vorsieht. Ziel des Vorschlags aus dem Jahr 1998 war die Einführung einer obligatorischen Steuerbefreiung für private Kraftfahrzeuge, die im Zusammenhang mit der Verlegung des gewöhnlichen Wohnsitzes einer Privatperson auf Dauer von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat verbracht werden. Der dritte Vorschlag hatte zum Ziel, die Zulassungssteuern nach einer Übergangszeit von zehn Jahren gänzlich abzuschaffen und durch jährliche Kraftfahrzeugsteuern zu ersetzen; außerdem sollten die Kraftfahrzeugsteuern umweltgerechter werden. Die beiden letzten Vorschläge haben bislang noch nicht die erforderliche einstimmige Zustimmung der Mitgliedstaaten gefunden.

Es sei darauf hingewiesen, dass die Zulassungs- und Kraftfahrzeugsteuern auf europäischer Ebene gegenwärtig nicht harmonisiert sind. Das bedeutet, dass sich die Entwicklung der Kraftfahrzeugbesteuerung in der EU bisher weitgehend nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (nachstehend: der Gerichtshof) richtete.

Trotz der Rechtsprechung des Gerichtshofs und legislativer Maßnahmen war es nicht möglich, die Fragmentierung der nationale Steuersysteme zu überwinden bzw. Doppelbesteuerung und die potenzielle steuerliche Diskriminierung von Bürgerinnen und Bürgern, die Fahrzeuge von einem Mitgliedstaat in einen anderen verbringen, umfassend und systematisch zu beseitigen. In der vorliegenden Mitteilung und der beiliegenden Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen (nachstehend: die Arbeitsunterlage)[8] wird die derzeitige Situation im Bereich der Besteuerung von Personenkraftwagen in der Europäischen Union beschrieben und neu bewertet, um bewährte Praktiken zu ermitteln, die von den Mitgliedstaaten innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens umgesetzt werden können.

Diese Mitteilung und die Arbeitsunterlage sollen die EU-Vorschriften zur Besteuerung von Kraftfahrzeugen verdeutlichen und die Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten, Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen erläutern. Den an die Kommission gerichteten Fragen war zu entnehmen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen ihrer Rechte und Verpflichtung in verschiedenen Situationen, vor allem bei der vorübergehenden oder dauerhaften Verbringung von Fahrzeugen von einem Mitgliedstaat in einen anderen, häufig nicht ausreichend bewusst sind oder diese nicht verstehen. Insbesondere die Arbeitsunterlage soll einen Überblick über die umfassende Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Kraftfahrzeugbesteuerung geben und veranschaulicht das auf diesem Gebiet geltende Sekundärrecht.

Die Verfahren zur erneuten Zulassung werden im Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Vereinfachung der Verbringung von in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Kraftfahrzeugen innerhalb des Binnenmarkts[9] gesondert behandelt. Die in der vorliegenden Mitteilung vorgeschlagenen Lösungen für bestimmte Fälle der Fahrzeugnutzung in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Zulassung müssen zu einem späteren Zeitpunkt unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Beratungen zu diesem Vorschlag möglicherweise noch einmal überdacht werden. Dieser Vorschlag wirkt sich jedoch nicht auf die Besteuerung aus, und den Mitgliedstaaten steht es nach wie vor frei, ihre Steuerhoheit in Bezug auf Kraftfahrzeuge im Einklang mit dem EU-Recht auszuüben.

2.           Die geltenden Zulassungs- und Kraftfahrzeugsteuervorschriften für Personenkraftwagen

Da in diesem Bereich bisher mit Ausnahme der Richtlinie 83/182/EWG keine sekundären steuerrechtlichen Vorschriften verabschiedet wurden, steht es den Mitgliedstaaten abgesehen vom Bereich der Mehrwertsteuer frei, Steuern auf Personenkraftwagen zu erheben, solange diese Steuern mit den allgemeinen Grundsätzen des EU-Rechts im Einklang stehen.

2.1.                  Zulassungssteuern

Der in dieser Mitteilung verwendete Begriff „Zulassungssteuer“ umfasst alle Steuerarten, die derzeit mit der Zulassung eines Fahrzeugs verbunden sind, ungeachtet ihrer Bezeichnung (Steuer, Verbrauchsteuer, Ökobonus/Ökomalus-System usw.), jedoch nicht die Verwaltungsgebühren für die Zulassung eines Fahrzeugs oder die Kosten für technische Inspektionen.

EU-Recht

Die Richtlinie 83/182/EWG betrifft die vorübergehende Nutzung eines Fahrzeuges in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnsitzmitgliedstaat. Gemäß der Richtlinie sind Fahrzeuge für den Privatgebrauch bei vorübergehender Nutzung in einem Mitgliedstaat von den Zulassungs- und Kraftfahrzeugsteuern befreit, wenn die das Fahrzeug verbringende Person ihren gewöhnlichen Wohnsitz[10] in einem anderen Mitgliedstaat hat und das Fahrzeug im Mitgliedstaat der vorübergehenden Nutzung weder veräußert noch vermietet oder an einen Gebietsansässigen dieses Staates verliehen wird. Das bedeutet, dass die Mitgliedstaaten in anderen Fällen als den in der Richtlinie genannten grundsätzlich Zulassungs- und/oder Kraftfahrzeugsteuern erheben dürfen.

Nationales Recht

Derzeit erheben 18 Mitgliedstaaten eine Zulassungssteuer auf Kraftfahrzeuge[11]. Bemessungsgrundlage und Steuerniveau sind in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich[12]. Die gängigsten Unterscheidungsmerkmale sind der Kaufpreis bzw. Wert des Fahrzeugs, der verwendete Kraftstoff (z. B. Benzin oder Diesel), Hubraum bzw. Leistung sowie der CO2-Ausstoß eines Fahrzeugs. In den letzten Jahren haben viele Mitgliedstaaten die Bemessungsgrundlage der Zulassungs- und der Kraftfahrzeugsteuer so umgestaltet, dass sie vollständig oder teilweise auf dem CO2-Ausstoß beruht. Im Inland wird die Zulassungssteuer normalerweise während der Nutzungsdauer eines Fahrzeugs nur einmal erhoben, außer in Belgien, wo sie bei jedem (privaten) Halterwechsel des Fahrzeuges fällig wird.

Die meisten Probleme, die sich bei der Besteuerung von Personenkraftwagen ergeben, betreffen einen der nachfolgend aufgeführten grenzüberschreitenden Fälle:

· Fall 1: Im Zuge der Verlegung seines gewöhnlichen Wohnsitzes verbringt ein Bürger sein Fahrzeug in einen anderen Mitgliedstaat. Obwohl die Richtlinie 2009/55/EG des Rates vom 25. Mai 2009 über Steuerbefreiungen bei der endgültigen Verbringung persönlicher Gegenstände durch Privatpersonen aus einem Mitgliedstaat[13] nicht für die Zulassungssteuern gilt, sehen einige Mitgliedstaaten hier eine Steuerbefreiung vor. Mitgliedstaaten, die eine Zulassungssteuer erheben, müssen einen der wirtschaftlichen Wertminderung des eingeführten Fahrzeugs entsprechenden Abschreibungsfaktor anwenden. Bei der endgültigen Abmeldung und Ausfuhr eines Fahrzeuges erstatten einige Mitgliedstaaten einen Teil der bereits gezahlten Zulassungssteuer, normalerweise ebenfalls unter Anwendung einer Art Abschreibungsfaktor.

· Fall 2: Ein Bürger verbringt sein Fahrzeug dauerhaft an seinen Zweitwohnsitz (z. B. ein Ferienhaus oder eine Ferienwohnung) in einem anderen Mitgliedstaat und muss erneut Zulassungssteuer entrichten. Einige Bestimmungsmitgliedstaaten gewähren für diese Verbringung eine Steuerbefreiung. Einige Abgangsmitgliedstaaten erstatten auch einen Teil der Zulassungssteuer.

· Fall 3: Ein Bürger wohnt in einem Mitgliedstaat und nutzt einen Firmenwagen, der durch seinen Arbeitgeber oder das von ihm geleitete Unternehmen in einem anderen Mitgliedstaat angemeldet ist. Der Mitgliedstaat, in dem das Fahrzeug zugelassen ist, kann eine Zulassungssteuer erheben. Der Wohnsitzmitgliedstaat des Arbeitnehmers oder Geschäftsführers kann nur dann eine Zulassungssteuer erheben, wenn das Fahrzeug grundsätzlich dauerhaft in diesem Mitgliedstaat genutzt wird.

· Fall 4: Ein Bürger wohnt in einem Mitgliedstaat und nutzt ein durch eine Leasinggesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenes Leasingfahrzeug. Der Mitgliedstaat, in dem das Fahrzeug zugelassen ist, kann eine Zulassungssteuer erheben. Außerdem kann der Wohnsitzmitgliedstaat eine Zulassungssteuer erheben, die der Dauer des Leasingvertrages entspricht.

· Fall 5: Ein Bürger wohnt in einem Mitgliedstaat und nutzt sein Fahrzeug häufig in einem anderen Mitgliedstaat, um Partner oder Familie zu besuchen. Der zweite Mitgliedstaat kann nur dann eine Zulassungssteuer erheben, wenn Partner oder Familie das Fahrzeug regelmäßig nutzen.

· Fall 6: Ein Student studiert zeitweilig in einem anderen Mitgliedstaat oder ein Arbeitnehmer wird von seinem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat entsandt. In diesem Zeitraum nutzen beide ihr Fahrzeug hauptsächlich in dem Land, in dem sie studieren bzw. in das sie entsandt wurden. In beiden Fällen darf der Mitgliedstaat, in dem sie studieren bzw. in den sie entsandt wurden, keine Zulassungssteuer erheben.

· Fall 7: Ein Mietwagenunternehmen, das seine Fahrzeugflotte oder einen Teil davon in einem Mitgliedstaat zugelassen hat, möchte zur besseren Bewältigung saisonbedingter Nachfragespitzen Einwegmietverträge abschließen oder einen Teil der Fahrzeugflotte in einen anderen Mitgliedstaat verlegen, ohne Zulassungs- und Kraftfahrzeugsteuern entrichten zu müssen.

· Fall 8: Ein Bürger oder ein Autohändler eines Mitgliedstaats, der eine Zulassungssteuer erhebt, verkauft ein Fahrzeug an einen Bürger oder ein Unternehmen mit Wohnsitz bzw. Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat, wo dieses Fahrzeug erneut zugelassen werden muss. Wird die noch im Wert des Fahrzeugs enthaltene Zulassungssteuer nicht erstattet, kann es im ersten Mitgliedstaat gegenüber Fahrzeugen, die in diesem Mitgliedstaat bis zum Ende ihrer Nutzungsdauer zugelassen bleiben, zu einer „Überbesteuerung“ kommen. Einige der Mitgliedstaaten, die eine Zulassungssteuer erheben, sehen auch dann eine teilweise Erstattung der bereits gezahlten Steuer vor, wenn die Fahrzeuge durch berufsmäßige Händler abgemeldet und ausgeführt werden, d. h. ohne dass der Fahrzeughalter tatsächlich auswandert.

Angesichts der dürftigen Rechtsvorschriften zur Kraftfahrzeugbesteuerung auf EU-Ebene wurde in einer Reihe von Fällen der Gerichtshof um eine Entscheidung ersucht. Dieser legte mehrere Grundsätze fest, die von den Mitgliedstaaten zu beachten sind, wenn sie in Fällen wie den obengenannten Zulassungssteuern erheben. Während die Rechtsprechung jedoch Lösungen für die Diskriminierung zwischen inländischen und eingeführten Waren lieferte, wurde das Problem der Doppelbesteuerung in Situationen, wie sie in den Fällen 1, 2 und 8 beschrieben wurden, nicht behandelt.

2.2.                  Kraftfahrzeugsteuern

Der in dieser Mitteilung verwendete Begriff „Kraftfahrzeugsteuer“ umfasst alle Steuerarten, die mit dem Betrieb eines Fahrzeugs im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbunden sind, ungeachtet der Bezeichnung der Steuer, ausgenommen Mautgebühren, Vignetten und Verbrauchsteuern auf Kraftstoffe.

Kraftfahrzeugsteuern werden in der Regel jährlich von dem Mitgliedstaat erhoben, in dem ein Fahrzeug zugelassen ist, und richten sich nach Hubraum bzw. Motorleistung, verwendetem Kraftstoff und/oder Umweltverträglichkeit des Fahrzeugs. Wurde ein Fahrzeug in dem Zeitraum, für den die Kraftfahrzeugsteuer gezahlt wurde, abgemeldet oder fand ein Halterwechsel statt, wird die Steuer anteilig erstattet. Das Problem der Doppelbesteuerung bei der grenzübergreifenden Nutzung von Personenkraftwagen ist somit begrenzt.

3.           Verbleibende Probleme

3.1.                  Das Problem der Doppelbesteuerung

Obwohl durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Reihe von Fragen zur Erhebung der Zulassungssteuer im Bestimmungsland geklärt wurde, treten einige Probleme in verschiedenen Situationen weiterhin auf.

Zulassungssteuern

Bei der dauerhaften Verbringung eines Fahrzeuges in einen anderen Mitgliedstaat oder bei der hauptsächlichen Nutzung des Fahrzeuges in einem anderen Land als dem, in dem es ursprünglich zugelassen wurde, kann Doppelbesteuerung auftreten.

Zu Doppelbesteuerung kommt es vor allem dann, wenn Bürgerinnen oder Bürger von einem Mitgliedstaat, der eine Zulassungssteuer erhebt und diese im Fall der Verbringung des Fahrzeugs ins Ausland nicht erstattet, in einen anderen Mitgliedstaat umziehen, der eine Zulassungssteuer erhebt, ohne in einem solchen Fall eine Steuerbefreiung zu gewähren. Doppelbesteuerung kann auch dann auftreten, wenn ein Fahrzeug in einem Mitgliedstaat zugelassen ist, der Zulassungssteuern erhebt, und hauptsächlich (vorübergehend oder dauerhaft) in einem anderen Mitgliedstaat genutzt wird, der ebenfalls Zulassungssteuern erhebt (siehe Fälle 3 bis 5).

Im Zuge der fortschreitenden EU-Integration ziehen immer mehr Menschen in ein anderes Land, um dort zu wohnen, zu studieren, zu arbeiten oder ihren Ruhestand zu verbringen, oder sie haben Ferienhäuser oder -wohnungen in anderen Mitgliedstaaten und lassen ihren (Zweit)wagen dort[14]. Obwohl Doppelbesteuerung durch die EU-Vorschriften in bestimmten Situationen verhindert wird, kann das Problem in vielen anderen Fällen weiterhin auftreten.

Kraftfahrzeugsteuern

Im Bereich der Kraftfahrzeugsteuern ist keine Doppelbesteuerung zu erwarten, da sie jährlich und nur anteilig erhoben werden, d. h. sie werden bei Fahrzeugabmeldungen normalerweise erstattet.

3.2.        Weitere Herausforderungen

3.2.1.     Mangelnde Informationen zur Erhebung von Zulassungs- und Kraftfahrzeugsteuern in grenzüberschreitenden Fällen

Häufig beschweren sich Bürgerinnen und Bürger nicht nur über Doppelbesteuerung, sondern auch über die Komplexität ausländischer Steuervorschriften und die Schwierigkeiten, Informationen zu diesen Vorschriften und Verfahren zu erhalten. Teilweise sind diese Schwierigkeiten auf Sprachbarrieren zurückzuführen.

3.2.2.     Die ordnungsgemäße Anwendung der EU-Vorschriften bei der vorübergehenden oder gelegentlichen Nutzung eines Fahrzeugs

Die ordnungsgemäße Anwendung der Richtlinie 83/182/EWG in Bezug auf die steuerliche Behandlung der vorübergehenden oder gelegentlichen Nutzung eines Fahrzeugs in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat der Zulassung war bereits Gegenstand zahlreicher Gerichtsurteile und Vertragsverletzungsverfahren (siehe Abschnitt 3.1. der Arbeitsunterlage). Andere Sachverhalte, zu denen der Gerichtshof um eine Entscheidung ersucht wurde, betrafen grenzübergreifendes Leasing, Firmenwagen, die von einem in einem anderen Mitgliedstaat wohnenden Arbeitnehmer oder Geschäftsführer genutzt wurden, sowie Fahrzeuge, die von einer in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Zulassung ansässigen Person ausgeliehen wurden (siehe Abschnitte 3.4. bis 3.7. der Arbeitsunterlage). Inzwischen haben sich durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs wichtige Grundsätze herauskristallisiert, welche die Besteuerungsbefugnisse der Mitgliedstaaten verdeutlichen und gleichzeitig die Rechte der EU-Bürgerinnen und -Bürger schützen. Dennoch scheint es für einige Mitgliedstaaten schwierig zu sein, ihre nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten mit diesen Entwicklungen in Einklang zu bringen. Die Kommission überwacht fortwährend die Vereinbarkeit der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs in diesem Bereich.

3.2.3.     Grenzübergreifende Fahrzeugvermietung

Mietwagenunternehmen vermieten Kraftfahrzeuge für einen relativ kurzen Zeitraum. Mietwagenflotten sind in der Regel sehr neu, da die Fahrzeuge nur etwa sechs bis neun Monate in der Flotte verbleiben und danach von den Herstellern zurückgekauft werden. Der EU-weite Bestand an Personenkraftwagen zur kurzfristigen Anmietung wird mit 1,4 Millionen Fahrzeugen veranschlagt. Ein Mietwagenunternehmen, das grenzübergreifende Dienstleistungen anbietet, kann mit zwei Herausforderungen konfrontiert sein:

(1) Die erste Herausforderung besteht in der Rückführung eines Kraftfahrzeugs bei Einwegvermietung[15]. Häufig gestatten die Mitgliedstaaten die Wiedervermietung an einen Gebietsansässigen des Landes, in dem der Einwegmietvertrag endet, nicht ohne eine erneute Zulassung und Zahlung einer Zulassungssteuer. Das Fahrzeug kann daher häufig nur zurückgebracht werden, wenn das Mietwagenunternehmen einen im Land der Zulassung ansässigen Kunden findet oder wenn das Fahrzeug von einem Angestellten des Mietwagenunternehmens zurückgeholt bzw. mit einem Lkw rückgeführt wird. So entstehen nicht nur Rückführungskosten, sondern dem Unternehmen entgehen in der Zeit, in der das Fahrzeug nicht vermietet werden kann, auch Einnahmen. Einwegvermietungen in einen anderen Mitgliedstaat sind damit häufig so teuer, dass die Mietwagenunternehmen ihren Kunden diese Möglichkeit gar nicht erst anbieten.

(2) Die zweite Herausforderung für Mietwagenunternehmen besteht in der Schwierigkeit, saisonale Nachfragespitzen in einigen Mitgliedstaaten durch die Verbringung von Mietfahrzeugen zwischen den Mitgliedstaaten zu bewältigen. Die Kosten für die Abmeldung im Ursprungsmitgliedstaat und für die Zulassung, einschließlich Zulassungssteuer, im Bestimmungsmitgliedstaat sowie die Einnahmeausfälle im Zeitraum der Ummeldung (die nach ein paar Monaten noch einmal in umgekehrter Richtung erfolgt) sind zu hoch, um die Verbringung eines Fahrzeugs für einige wenige Monate zu rechtfertigen. Das führt dazu, dass Mietwagenunternehmen in bestimmten Mitgliedstaaten Nachfragespitzen in der Tourismussaison nicht bedienen können, während gleichzeitig in anderen Mitgliedstaaten Fahrzeuge ungenutzt bleiben. Daher würden Mietwagenunternehmen gern einen Teil ihrer Fahrzeugflotten für einige Monate im Jahr in andere Mitgliedstaaten verlegen können.

Beide Herausforderungen beschränken implizit die Freiheit, Dienstleistungen grenzübergreifend zu erbringen, erhöhen die Kosten der Mietwagenunternehmen und ihrer Kunden bzw. schränken die den Kunden zur Verfügung stehende Auswahl an Dienstleistungen ein, da solche grenzübergreifenden Dienste unter Umständen gar nicht erst angeboten werden. Eine Lösung in Bezug auf die Formalitäten und Kosten bei der Abmeldung und erneuten Zulassung wird in dem in Abschnitt 1 erwähnten Vorschlag für eine Verordnung zur Vereinfachung der Verbringung von in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Kraftfahrzeugen innerhalb des Binnenmarkts beschrieben. Der Vorschlag sieht vor, dass Mietwagenunternehmen ihre Fahrzeuge nur im Mitgliedstaat ihrer Niederlassung zulassen müssen.

3.2.4.     Steuerlich bedingte Fragmentierung des Marktes

Die meisten Mitgliedstaaten, die Zulassungs- oder Kraftfahrzeugsteuern auf der Grundlage der technischen Spezifikationen eines Fahrzeugs erheben, unterscheiden dabei nach der technischen Leistungsfähigkeit (z. B. nach Hubraum oder Motorleistung) oder nach dem CO2-Ausstoß[16]. Häufig richten sich die Schwellenwerte nach den nationalen Marktgegebenheiten oder den nationalen politischen Zielen zum Zeitpunkt ihrer Einführung, wobei auch die möglichen Auswirkungen aufeinanderfolgender Reformen auf das Nettosteueraufkommen eine Rolle spielen.

Die Automobilhersteller haben ihr Angebot – soweit wirtschaftlich sinnvoll – diesen für die Kraftfahrzeugsteuern maßgeblichen Merkmalen angepasst, insbesondere indem sie auf ihren wichtigsten Märkten Fahrzeuge anbieten, die knapp unterhalb bestimmter Schwellenwerte bleiben, beispielsweise Fahrzeuge mit einem Hubraum von 1599 cm³ oder 1999 cm³. Diese Schwellenwerte unterscheiden sich jedoch von Land zu Land. Somit führt die fehlende Harmonisierung zu einer „technischen“ Fragmentierung des Binnenmarktes. Das hat zur Folge, dass die potenziellen größenbedingten Kostenvorteile eines Binnenmarkts mit jährlich etwa 13 Millionen zugelassenen Neuwagen nicht in vollem Umfang genutzt werden können, was sowohl die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie als auch die Wirksamkeit von Anreizsystemen beeinträchtigt. Eine weitere Folge ist die Verteuerung der Fahrzeuge, weil die Automobilhersteller in einem fragmentierten System durch die genaue Abstimmung der Fahrzeuge auf die verschiedenen Schwellenwerte Ressourcen vergeuden, wodurch sich auch die Kostenwirksamkeit der europäischen Klimapolitik verringert. Diese Fragmentierung bei der Kraftfahrzeugbesteuerung wurde 2012 bereits von der hochrangigen Gruppe CARS 21 klar anerkannt[17]. Die Automobilhersteller fordern daher harmonisierte Kraftfahrzeugsteuern auf der Grundlage des CO2-Ausstoßes. Eine Initiative der Kommission für eine solche Harmonisierung fand bisher jedoch keine einstimmige Unterstützung durch die Mitgliedstaaten[18].

4.           Politische Optionen und bewährte Praktiken

Die Kommission ist der Auffassung, dass die Abschaffung der Zulassungssteuern und ihre (einkommensneutrale) Eingliederung in die Kraftfahrzeugsteuern sowie die Harmonisierung und umweltgerechtere Gestaltung der Kraftfahrzeugbesteuerung die beste Lösung für die obengenannten verbliebenen Probleme sind. Da der Vorschlag aus dem Jahr 2005 bislang jedoch noch nicht angenommen wurde, empfiehlt es sich, über sofortige Lösungen für die in der vorliegenden Mitteilung genannten Probleme nachzudenken.

4.1.                  Das Problem der Doppelbesteuerung

Zur Vermeidung von Doppelbesteuerung oder „Überbesteuerung“ bei der dauerhaften Verbringung eines Fahrzeuges durch einen EU-Bürger in einen anderen Mitgliedstaat (Fälle 1, 2 und 8 aus Abschnitt 2.1.) gibt es im Prinzip drei politische Optionen:

· Der Bestimmungsmitgliedstaat befreit das „eingeführte“ Fahrzeug vollständig von der Zulassungssteuer.

· Der Abgangsmitgliedstaat erstattet den bereits gezahlten Teil der Zulassungssteuer, der noch im Wert des Fahrzeugs enthalten ist (die Reststeuer)[19].

· Der Bestimmungsmitgliedstaat vermindert die inländische Steuerschuld um die bereits im Abgangsmitgliedstaat gezahlte Steuer (Anrechnungssystem) zusätzlich zur Abschreibung, die bei der Besteuerung gebrauchter Fahrzeuge anzuwenden ist.

Die folgende Tabelle zeigt, welche der 18 Mitgliedstaaten, die eine Zulassungssteuer erheben, bereits Option 1 und/oder 2 anwenden:

|| AT || BE || CY || DK || EL || ES || FI || FR || IE || IT || HU || LV || MT || NL || PL || PT || RO || SI

1. || || || X1 || || X || X || X || || X || X || || || || X || X || X || ||

2. || X || X || || X || || X || X || || || || || || || X || X || X || X || X

1 für die Verbrauchsteuer auf Kraftfahrzeuge, jedoch nicht für die Zulassungssteuer

Die erste Option könnte sich negativ auf den Haushalt der Mitgliedstaaten auswirken, die hohe Zulassungssteuern erheben. Die hohen Steuern in diesen Ländern könnten jedoch auch die Zuwanderung sowie grenzüberschreitende Arbeitsverhältnisse im Inland behindern und damit potenziell negative Auswirkungen auf die Wirtschaft dieser Länder haben. Außerdem werden mit dieser Option in gewisser Weise Einwanderer, die einen Gebrauchtwagen mitbringen, gegenüber Gebietsansässigen privilegiert. Da dem Zuwanderer jedoch normalerweise bereits durch die Zuwanderung an sich hohe soziale und wirtschaftliche Kosten entstehen, dürften diese durch die „steuerliche Privilegierung“ lediglich teilweise ausgeglichen werden.

Bei der zweiten Option „verliert“ der Abgangsmitgliedstaats die Reststeuer. Aufgrund der Erstattung verlässt das Fahrzeug den Mitgliedstaat jedoch „steuerneutral“.

Bei der dritten Option würde das Fahrzeug tatsächlich steuerneutral aus dem Abgangsmitgliedstaat ausgeführt. Dabei entgingen dann dem Bestimmungsmitgliedstaat Steuereinnahmen in Höhe der Reststeuer. Die sich durch ein solches Anrechnungssystem ergebenden negativen Auswirkungen auf den Haushalt wären geringer als bei einer Steuerbefreiung.

Für die Bürgerinnen und Bürger wäre ein Erstattungssystem auf der Grundlage des Wertverlustes im Abgangsmitgliedstaat, kombiniert mit einer Befreiung von der Zulassungssteuer im Bestimmungsmitgliedstaat, am vorteilhaftesten. Dabei wäre die endgültige Steuerbelastung im ersten Mitgliedstaat immer proportional zur Nutzungsdauer des Fahrzeugs in diesem Mitgliedstaat (es käme also nicht zu Überbesteuerung), und im zweiten Mitgliedstaat würde gar keine Steuer anfallen. Die zweitbeste Lösung wäre eine Kombination aus Erstattungs- und Anrechnungssystem. Diese Lösung wäre für die Bürger weniger vorteilhaft, da diese von einer solchen Anrechnung nicht oder nicht in vollem Umfang profitieren würden, wenn sie in einen Mitgliedstaat übersiedeln, der keine oder eine niedrigere Zulassungssteuer erhebt.

4.2.        Weitere Herausforderungen

4.2.1.     Informationsmangel

Mit der vorliegenden Mitteilung und Arbeitsunterlage will die Kommission unter Berücksichtigung der vom Gerichtshof entwickelten Grundsätze die EU-Vorschriften zur Besteuerung von Personenkraftwagen verdeutlichen. Die Mitgliedstaaten sind dafür zuständig, Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen ausführlich darüber zu informieren, wie die nationalen Steuern angewendet werden und wie sie die durch den Gerichtshof entwickelten Grundsätze umgesetzt haben. Diese Informationen sollten in mindestens der (den) Sprache(n) des Mitgliedstaats verfügbar sein, die wichtigsten Fragen (z. B. in Form von „Frequently Asked Questions“) außerdem in den Sprachen der Bürger, die vorrangig in diesen Mitgliedstaat einwandern, sowie in Englisch für alle anderen. Die Informationen sollten problemlos über das Internet zugänglich, angemessen und aktuell sein und eine Kontaktstelle für weitere Informationen enthalten.

4.2.2.     Die vorübergehende Verbringung eines Personenkraftwagens in einen anderen Mitgliedstaat (Fälle 3 bis 7 aus Abschnitt 2.1.)

Wie bereits in Abschnitt 3.2.2. erläutert wurde, kann es für die Mitgliedstaaten schwierig sein, ihre Rechtsvorschriften zur Kraftfahrzeugbesteuerung mit den in der Rechtsprechung des Gerichtshofes festgeschriebenen Grundsätzen in Einklang zu bringen. Die Arbeitsunterlage, die die Kommission regelmäßig aktualisieren will, sollte den Mitgliedstaaten dabei eine Hilfe sein. Außerdem könnten Diskussionen mit den Mitgliedstaaten im Rahmen einer technischen Arbeitsgruppe sinnvoll sein, um für bestimmte Sachverhalte bewährte Praktiken zu ermitteln.

Bereits jetzt gestatten einige Mitgliedstaaten, dass ein in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenes Fahrzeug für einen relativ kurzen Zeitraum (höchstens zwei Wochen bis einen Monat) überwiegend durch einen ihrer eigenen Bürger genutzt wird, ohne dass Zulassungs- und Kraftfahrzeugsteuern gezahlt werden müssen, sofern bestimmte Voraussetzungen (wie eine Benachrichtigung der Behörden) erfüllt sind. Doch selbst das erscheint in Zeiten zunehmender internationaler Mobilität und sich verändernder Mobilitätsmuster wenig flexibel. In Anbetracht der jüngsten Entscheidung des Gerichtshofs zu geliehenen Fahrzeugen[20] sollten die Mitgliedstaaten erwägen, den Bürgern zu gestatten, in einem anderen Mitgliedstaat zugelassene Fahrzeuge für einen bestimmten Zeitraum ohne Verpflichtung zur Zahlung der Zulassungssteuer zu nutzen, sofern bestimmte Vorraussetzungen zur Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -missbrauch erfüllt sind.

4.2.3.     Der Mietwagensektor

Einige Mitgliedstaaten haben bereits Maßnahmen ergriffen, um die in Abschnitt 3.2.3. beschriebenen Probleme zu lösen.

(1) In Bezug auf die Rückführung von Einweg-Mietwagen gestatten einige Mitgliedstaaten – sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind – dass in einem anderen Mitgliedstaat zugelassene Fahrzeuge, die im Rahmen eines Mietvertrags ins Land gelangt sind, für einen bestimmten Zeitraum an einen Gebietsansässigen vermietet werden, ohne dass Zulassungs- und Kraftfahrzeugsteuern zu entrichten sind[21]. Dadurch wird es einfacher, Einwegmieten anzubieten, auch wenn die Voraussetzungen sehr unterschiedlich sind.

(2) Ein Mitgliedstaat gestattet die vorübergehende Verbringung von in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Mietwagen für nicht mehr als 3 Monate im Jahr, ohne dass für diese Fahrzeuge Zulassungs- und Kraftfahrzeugsteuer fällig werden, wodurch die Mietwagenunternehmen saisonale Nachfragespitzen besser bewältigen können.

Mitgliedstaaten mit flexibleren Regelungen für diese beiden Fälle können diese auf der Grundlage von Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 83/182/EWG anwenden. Bislang gibt es keine Hinweise darauf, dass diese Flexibilität Probleme nach sich gezogen hätte. Die Kommission schlägt daher vor, dass die anderen Mitgliedstaaten ähnliche Regelungen einführen, die den von ihnen festgelegten Bedingungen zur Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -missbrauch unterliegen. Mietwagenunternehmen hätten dann die Möglichkeit, die Nutzung ihrer Flotten zu optimieren sowie die Kosten – und damit auch die Preise für die Endverbraucher – zu senken.

4.2.4.     Steuerlich bedingte Fragmentierung des Marktes

Obwohl der Vorschlag aus dem Jahr 2005 nicht die einstimmige Unterstützung der Mitgliedstaaten fand, sollte anerkannt werden, dass viele Mitgliedstaaten seither in ihren Zulassungs- und/oder Kraftfahrzeugsteuern Umweltaspekte berücksichtigt haben. Doch selbst wenn die Mitgliedstaaten die gleichen Umweltaspekte berücksichtigen, verwenden sie häufig unterschiedliche Schwellenwerte, die zu (bisweilen sehr großen) Unterschieden in der Höhe der erhobenen Steuer führen. Staffelungen innerhalb der Kraftfahrzeugbesteuerung sollten nicht anhand technologiespezifischer Kriterien wie Hubraum oder Motorleistung vorgenommen werden, sondern sich auf objektive, allgemein verfügbare und politisch relevante Leistungsvorgaben wie den CO2-Ausstoß stützen. Darüber hinaus sollten die Schwellenwerte regelmäßig aktualisiert werden, um den Druck zum Kauf eines sauberen und effizienten Fahrzeugs aufrecht zu erhalten. Unter diesem Gesichtspunkt wird vorgeschlagen, dass die Mitgliedstaaten in einer Arbeitsgruppe prüfen, wie die von ihnen zur Berechnung der Zulassungs- und Kraftfahrzeugsteuern verwendeten Kriterien besser koordiniert werden können, um die technische Fragmentierung des EU-Fahrzeugmarkts zu verringern, Größenvorteile zu nutzen und umweltpolitische Ziele kostenwirksam zu verwirklichen. Es sei außerdem darauf hingewiesen, dass die Dienststellen der Kommission derzeit Leitlinien für die Mitgliedstaaten vorbereiten, die im Rahmen der europäischen Strategie für saubere und energieeffiziente Fahrzeuge finanzielle Anreize einführen wollen[22].

5.           Schlussfolgerung und Folgemaßnahmen

Dank der europäischen Integration und infolge von Geschäfts- und Wachstumsmodellen, die zunehmend auf eine intensivere internationale Arbeitsteilung setzen, nimmt die Mobilität der Bürger immer mehr zu. Mobilität kann dazu beitragen, Probleme auf den lokalen Arbeitsmärkten zu lösen, die Effizienz der Märkte zu steigern und das Wirtschaftswachstum zu fördern. Das Recht auf Freizügigkeit ist außerdem das von den EU-Bürgern am meisten geschätzte EU-Recht und ein Eckpfeiler der Entwicklung der EU. Doppelbesteuerung im Bereich der Kraftfahrzeugbesteuerung, hohe Zulassungssteuern bei der Verbringung eines Fahrzeugs im Rahmen eines Umzugs in einen anderen Mitgliedstaat und mangelnde Informationen darüber können die grenzüberschreitende Mobilität behindern.

Obwohl das von der Kommission im Jahr 2005 vorgeschlagene Konzept, die Zulassungssteuern abzuschaffen und sie einkommensneutral in die bestehenden Kraftfahrzeugsteuern einzubeziehen, bisher nicht angenommen wurde, haben einige Mitgliedstaaten bereits auf freiwilliger Basis bestimmte in dem Vorschlag enthaltene Maßnahmen getroffen, was die Kommission begrüßt. Einige Probleme, die mit dem Konzept eines echten Binnenmarktes unvereinbar sind, bestehen jedoch weiterhin und erfordern daher eine kurzfristige Lösung.

Aus diesem Grund hat die Kommission die nachfolgend aufgeführten bewährten Praktiken ermittelt und schlägt den Mitgliedstaaten vor, diese kurzfristig anzuwenden:

1.           Damit die Steuerpflichtigen beim Umzug in einen anderen Mitgliedstaat ihre Rechte und Pflichten kennen, sollten die Mitgliedstaaten ausreichende Informationen zur Anwendung der Zulassungs- und Kraftfahrzeugsteuern in grenzüberschreitenden Fällen zu Verfügung stellen, einschließlich Informationen darüber, wie sie den in der vorliegenden Mitteilung und Arbeitsunterlage beschriebenen EU-Rechtsrahmen umgesetzt haben. Zu diesem Zweck sollte eine zentrale Kontaktstelle für die Steuerpflichtigen angegeben werden; ein Link zu dieser Kontaktstelle kann auf der Website der Kommission eingerichtet werden.

2.           Zur Vermeidung von Doppel- und „Überbesteuerung“ bei der dauerhaften Verbringung eines Fahrzeugs von einem Mitgliedstaat in einen anderen sollten die Mitgliedstaaten, in denen die Zulassungssteuer ursprünglich erhoben wurde, unter Berücksichtigung der Wertminderung des Fahrzeugs zumindest einen Teil der Steuer erstatten, unabhängig davon, ob der Bestimmungsmitgliedstaat eine Befreiung von der Zulassungssteuer vorsieht.

3.           Die Mitgliedstaaten sollten die Flexibilität, die ihnen die Richtlinie 83/182/EWG bietet, in vollem Umfang nutzen, um freizügigere Regelungen für die vorübergehende Nutzung von Fahrzeugen ohne Zahlung von Zulassungs- und Kraftfahrzeugsteuern anzuwenden. Dies betrifft insbesondere Mietwagen, die in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen sind, aber auch andere Fälle, in denen Gebietsansässige ein in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenes Fahrzeug nur vorübergehend oder gelegentlich nutzen.

4.           Die Mitgliedstaaten sollten Maßnahmen ergreifen, um die Fragmentierung des EU-Fahrzeugmarkts zu verringern, die durch die uneinheitliche Anwendung der Zulassungs- und Kraftfahrzeugsteuern in den Mitgliedstaaten verursacht wurde. Die demnächst vorliegenden Leitlinien zu finanziellen Anreizen für saubere und energieeffiziente Fahrzeuge sind ebenfalls zu berücksichtigen.

Nach Erhalt der Stellungnahme der Institutionen, an die diese Mitteilung gerichtet ist, beabsichtigt die Kommission, eine technische Arbeitsgruppe einzurichten, um die vorstehenden Probleme mit den Mitgliedstaaten zu erörtern. Das könnte dazu führen, dass die im Rat stattfindenden Beratungen über den Vorschlag aus dem Jahr 2005 neue Impulse erhalten. Außerdem könnte eine Überarbeitung der Richtlinie 83/182/EWG ins Auge gefasst werden, um auch die umfangreiche Rechtsprechung des Gerichtshofs zu berücksichtigen sowie Transparenz und Rechtssicherheit zu verbessern.

[1]               Quelle: Eurostat, ACEA und Öko-Institut.

[2]               Taxation trends in the European Union, Ausgabe 2012, Eurostat, Europäische Kommission.

[3]               Nach Auffassung des Gerichtshofs der Europäischen Union stellt die nacheinander erfolgende Erhebung einer Zulassungssteuer in zwei Mitgliedstaaten nicht notwendigerweise eine Doppelbesteuerung im engeren Sinne dar, da der Steuertatbestand das Recht zur Nutzung des Fahrzeuges auf den Straßen des jeweiligen Mitgliedstaates ist (nähere Angaben hierzu siehe Abschnitt 3.1. der dieser Mitteilung beiliegenden Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen).

[4]               Bericht über die Unionsbürgerschaft 2010: Weniger Hindernisse für die Ausübung von Unionsbürgerrechten, KOM(2010) 603 vom 27.10.2010, siehe Maßnahme 6.

[5]               KOM(2010) 769 vom 20.12.2010.

[6]               ABl. C 267 vom 21.11.1975, S. 8, KOM(1998) 30 vom 10.2.1998 und KOM(2005) 261 vom 5.7.2005.

[7]               Richtlinie 83/182/EWG über Steuerbefreiungen innerhalb der Gemeinschaft bei vorübergehender Einfuhr bestimmter Verkehrsmittel (ABl. L 105 vom 23.4.1983, S. 59).

[8]               Obwohl es in dieser Mitteilung nur um die Besteuerung von Personenkraftwagen (Fahrzeuge der Klasse M1) geht, könnten die genannten Argumente analog auch auf andere Straßenfahrzeuge, insbesondere leichte Nutzfahrzeuge (Fahrzeuge der Klasse N1) oder motorisierte Zweiräder, angewendet werden.

[9]               COM(2012) 164 vom 4.4.2012.

[10]             Im Sinne der Richtlinie gilt als „gewöhnlicher Wohnsitz“ der Ort, an dem eine Person wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder – im Falle einer Person ohne berufliche Bindungen – wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen der Person und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d. h. während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr, wohnt.

[11]             Siehe Anhang I der Arbeitsunterlage.

[12]             Mehr Informationen zur Bemessungsgrundlage und zum Steuerniveau sind in der Datenbank „Taxes in Europe“ zu finden: http://ec.europa.eu/taxation_customs/taxation/gen_info/info_docs/tax_inventory/index_de.htm.

[13]             ABl. L 145 vom 10.6.2009, S. 36.

[14]             Im Jahr 2011 erreichte die Zahl der Bürgerinnen und Bürger, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Herkunftsmitgliedstaat hatten, 12,8 Millionen. Die Zahl der Grenzarbeitnehmer/innen (Bürgerinnen und Bürger, die in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Wohnsitzmitgliedstaat arbeiten) betrug im Jahr 2010 etwa 1 Million. Eine besondere Kategorie von „Grenzarbeitnehmern“ bilden Personen, die in einem Mitgliedstaat leben und in einem anderen Mitgliedstaat ein auf ihren Arbeitgeber zugelassenes Fahrzeug nutzen. Daten sind für diese Kategorie nicht verfügbar, aber im Allgemeinen wurden von den 11,6 Millionen Neufahrzeugen, die 2008 in 18 EU-Mitgliedstaaten zugelassen wurden, 50,5 % auf Unternehmen zugelassen.

[15]             Gemäß Artikel 3 der Richtlinie 83/182/EWG sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Weitervermietung von Mietwagen an einen Gebietsfremden zur „Wiederausfuhr“ des Fahrzeugs zu gestatten, wenn sich die Mietwagen in dem betreffenden Land infolge der Ausführung eines Mietvertrags, der in diesem Lande ausgelaufen ist, befinden. Sie können auch durch einen Bediensteten des Vermietungsunternehmens in den Mitgliedstaat, in dem der Ausgangsort der Vermietung liegt, zurückgebracht werden, auch wenn dieser Bedienstete Gebietsansässiger des Mitgliedstaats der vorübergehenden Einfuhr ist. Nach Artikel 9 der Richtlinie dürfen die Mitgliedstaaten freizügigere Regelungen treffen und/oder beibehalten, z. B. die Weitervermietung dieser Fahrzeuge an einen Gebietsansässigen zum Zweck der Wiederausfuhr gestatten. Nur wenige Mitgliedstaaten machen jedoch von dieser Möglichkeit Gebrauch.

[16]             Siehe Anhang IV der Arbeitsunterlage.

[17]             Der Abschlussbericht der CARS-21-Gruppe, der am 6. Juni 2012 angenommen wurde, steht auf der folgenden Webseite zur Verfügung: http://ec.europa.eu/enterprise/sectors/automotive/files/cars-21-final-report-2012_en.pdf.

[18]             Siehe den in Fußnote 6 genannten Vorschlag aus dem Jahr 2005.

[19]             Die Mitgliedstaaten, die eine solche Erstattung gewähren, tun dies unter unterschiedlichen Voraussetzungen (siehe Anhang II der Arbeitsunterlage). In der Regel werden die Erstattungen nicht nur Bürgern gewährt, die bei einem Wohnortwechsel ihr Fahrzeug mitnehmen, sondern auch Autohändlern oder Bürgern, die ihre Kraftfahrzeuge abmelden und ausführen, um sie im Ausland zu verkaufen.

[20]             Urteil vom 26. April 2012 in den verbundenen Rechtssachen C-578/10 bis C-580/10, L.A.C. van Putten, P. Mook, G. Frank.

[21]             Weitere Einzelheiten siehe Anhang III der Arbeitsunterlage.

[22]             KOM(2010) 186 vom 28.4.2010.

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