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Document 52012DC0459

BERICHT DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT Dritter Bericht über die Überwachung der Entwicklung des Schienenverkehrsmarkts

/* COM/2012/0459 final */

52012DC0459

BERICHT DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT Dritter Bericht über die Überwachung der Entwicklung des Schienenverkehrsmarkts /* COM/2012/0459 final */


BERICHT DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT

Dritter Bericht über die Überwachung der Entwicklung des Schienenverkehrsmarkts

(Text von Bedeutung für den EWR)

I.            Einleitung

1.           In den vergangenen Jahren sahen sich die europäischen Eisenbahnen erheblichen Veränderungen gegenüber, die sowohl mit der ungünstigen globalen Wirtschaftslage wie auch mit der Entwicklung des Rechtsrahmens, insbesondere auf europäischer Ebene, verknüpft sind.

2.           Das Ziel, auf der Grundlage des ungehinderten Wettbewerbs einen europäischen Schienenverkehrsraum zu schaffen, ist in zahlreichen Dokumenten bekräftigt worden: im Verkehrsweißbuch 2011 „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“, in der Mitteilung „Maßnahmen für mehr Stabilität, Wachstum und Arbeitsplätze“ vom 30. Mai 2012 (in der darauf hingewiesen wird, wie wichtig der Abbau von Verwaltungslasten und Markteintrittsschranken ist), in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Januar 2012 sowie in der Mitteilung „Bessere Governance für den Binnenmarkt“. Durch ihren Beitrag zum Wirtschaftswachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen dient diese Marktöffnung auch den Zielen der Strategie Europa 2020.

3.           Vor diesem Hintergrund hat die Kommission u. a. eine Neufassung des ersten Eisenbahnpaktes vorgeschlagen, über die am 3. Juli 2012 eine politische Einigung erzielt wurde. Gleichzeitig wurden erste Auswirkungen der Öffnung des Markts für grenzüberschreitende Schienenpersonenverkehrsdienste spürbar, die am 1. Januar 2010 erfolgt war.

4.           Diese anhaltende Weiterentwicklung des Rechtsrahmens hatte den Gesetzgeber dazu veranlasst, die Kommission mit der regelmäßigen Überwachung des europäischen Schienenverkehrsmarkts zu beauftragen, um beurteilen zu können, wie sich die Maßnahmen der EU-Politik auf den Markt auswirken, und um die Ausarbeitung und künftige Umsetzung erforderlicher Maßnahmen im Eisenbahnsektor zu erleichtern.

5.           Mit dem vorliegenden Bericht wird somit die in der Richtlinie 2001/12/EG festgelegte Verpflichtung zur Überwachung des europäischen Schienenverkehrs­markts erfüllt[1].

6.           Auch die Mitteilung über die Überwachung der Entwicklung des Schienenverkehrsmarkts[2] vom 18. Oktober 2007 und der gleichnamige Bericht[3] vom 18. Dezember 2009 wurden in diesem Sinne erstellt. Mit dem vorliegenden Bericht werden diese Dokumente nicht nur auf den aktuellen Stand gebracht, sondern auch verschiedene neue Aspekte berücksichtigt, die in den vorangegangenen Berichten nicht behandelt wurden.

II.          Überwachungssystem für den Schienenverkehrsmarkt

7.           Die Kommission hat ein System für die Überwachung des Schienenverkehrsmarkts (Rail Market Monitoring Scheme, RMMS) eingerichtet, um den Anforderungen an die Marktüberwachung gerecht zu werden.

8.           Bei ihrer Überwachungstätigkeit wird die Kommission von einer Arbeitsgruppe unterstützt, der Vertreter der nationalen Ministerien und der Eisenbahnindustrie ebenso wie die Sozialpartner angehören. Zwischen 2001 und Ende 2011 fanden 25 Sitzungen der RMMS-Arbeitsgruppe statt, davon drei seit Annahme des vorhergehenden Berichts.

9.           Die vorliegende Bewertung stützt sich auf die Analyse der RMMS-Arbeitsgruppe, insbesondere auf die Auswertung des Fragebogens, aber auch auf neuere Studien sowie auf statistische Quellen, die der Kommission zur Verfügung stehen, vor allem Eurostat. Für die Zwecke der vorliegenden Bewertung umfasst der Begriff ‚Mitgliedstaaten’ auch Norwegen, das den Fragebogen ebenfalls beantwortet hat.

III.         Anwendung des rechtlichen und institutionellen Rahmens

10.         Alle Mitgliedstaaten, die über ein Eisenbahnnetz verfügen, haben die Richtlinien des ersten Eisenbahnpakets umgesetzt. Mängel in der Umsetzung, die unterschiedlich schwer wiegen und sich zum Teil auf unterschiedliche Aspekte beziehen, haben die Kommission jedoch seit 2008 dazu veranlasst, gegen die meisten Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Je nach Besonderheit des betreffenden Landes befinden sich diese Verfahren in unterschiedlichen Phasen. Ende 2011 waren beim Gerichtshof in Luxemburg noch Verfahren gegen 12 Mitgliedstaaten anhängig. Die Klagen betreffen wiederholt die Unabhängigkeit wesentlicher Funktionen der Infrastrukturbetreiber, die Bemessung der Wegeentgelte und die Unabhängigkeit der Regulierungsstellen.

11.         Darüber hinaus hat die Kommission eine Neufassung des ersten Eisenbahnpaktes vorgeschlagen[4]. Aus formaler Sicht handelt es sich dabei um eine Vereinfachung des Rechtsrahmens im Eisenbahnsektor, indem die drei vorgenannten Richtlinien harmonisiert, präzisiert, aktualisiert und in einem einzigen Text zusammengefasst werden. Inhaltlich werden damit drei Ziele verfolgt, nämlich angemessene Finanzierung und Nutzungsentgelte für Schieneninfrastruktur, gleiche Wettbewerbsbedingungen für Verkehrsdienstleister und effizientere Regulierungsstellen.

12.         Was das zweite Eisenbahnpaket betrifft, sind die erforderlichen Stellen in den Mitgliedstaaten eingerichtet worden. Die Dienststellen der Kommission führen derzeit eine Bewertung der Umsetzung der Richtlinie über die Eisenbahnsicherheit[5] durch, die bis Mitte 2013 abgeschlossen werden soll.

13.         Im dritten Eisenbahnpaket waren die Richtlinien 2008/57/EG[6] und 2009/131/EG[7] bis zum 19. Juli 2010 umzusetzen, während die Frist für die Richtlinie 2011/18/EU[8] am 31. Dezember 2011 endete. Die Richtlinie 2007/58/EG[9] musste bis zum 4. Juni 2009 umgesetzt und ab 1. Januar 2010 vollständig angewendet werden.

14.         Darüber hinaus hat die Kommission in ihrem Weißbuch von März 2011[10] neue Initiativen zur Förderung des Schienenverkehrs angekündigt. So beabsichtigt sie den Vorschlag eines „vierten Eisenbahnpakets“ mit dem Ziel, den inländischen Schienenpersonenverkehr zu liberalisieren, den Zugang zur Infrastruktur und zugehörigen Dienstleistungen zu verbessern und den Aufgabenbereich der Europäischen Eisenbahnagentur in Bezug auf die Sicherheitsbescheinigung zu erweitern.

15.         Die Verordnung über Güterverkehrskorridore[11] sieht die Einrichtung von sechs Korridoren bis zum 10. November 2013 und drei weiteren Korridoren bis 10. November 2015 vor. Die Mitgliedstaaten müssen für jeden Korridor einen Exekutivrat einsetzen, der u. a. die Aufgabe hat, die wichtigen Arbeiten zur Verwirklichung des Korridors durch den Verwaltungsrat, in dem die betreffenden Infrastrukturbetreiber vertreten sind, zu überwachen. Die meisten Korridore verfügen bereits über einen Exekutivrat. Diese Güterverkehrskorridore werden das Rückgrat der multimodalen TEN-V-Korridore bilden.

16.         Schließlich hat die Neufassung der Richtlinien des ersten Eisenbahnpaktes zu Fortschritten in den Bereichen Regulierungsaufsicht, Infrastrukturfinanzierung, Wegeentgelte und Marktzugangsbedingungen geführt. Geplant ist die Schaffung eines offiziellen Netzes der Regulierungsstellen, das den koordinierten Austausch bewährter Praktiken gewährleistet, sowie eine Rendezvous-Klausel, die eine Überprüfung dieser Struktur im Jahr 2014 vorsieht.

IV.         Öffnung des Schienenverkehrsmarkts

17.         Ende 2010 gab es etwa 700 europäische Betriebsgenehmigungen für den Schienengüterverkehr, davon 340 in Deutschland und 72 in Polen. Die Zahl der Genehmigungen im Personenverkehr beläuft sich mittlerweile auf über 500, davon 320 in Deutschland und 44 im Vereinigten Königreich. Auf EU-Ebene bedeutet dies für die letzten zwei Jahre eine Zunahme von rund 16 % im Güterverkehr und 11 % im Personenverkehr. Nationale Genehmigungen, die einige Mitgliedstaaten noch immer in großer Zahl erteilen, sind in diesen Zahlen jedoch nicht berücksichtigt (Eisenbahnunternehmen, die ausschließlich regionale Güterverkehrsdienste erbringen, benötigen lediglich eine nationale Genehmigung).

18.         Wie aus Abbildung 1 ersichtlich, verzeichnen bei den Güterverkehrsdiensten die neuen Marktakteure ihre höchsten Anteile (in Tonnenkilometern) in Rumänien (55 %), dem Vereinigten Königreich (51 %) und in Estland (43 %). In den zwei Jahren der Krise ist der Marktanteil der nicht etablierten Eisenbahnunternehmen in mehreren Mitgliedstaaten erheblich gestiegen (von 10 % auf 23 % in Lettland, von 14 % auf 27 % in Belgien und von 10 % auf 20 % in Frankreich), während er sich in Finnland, Irland, Litauen und Luxemburg kaum oder gar nicht verändert hat.

Abbildung 1: Prozentuale Gesamtmarktanteile (in Tonnenkilometern) der nicht etablierten Eisenbahnunternehmen im Güterverkehr Ende 2010

Quelle: RMMS-Erhebung bei den Mitgliedstaaten im Mai/Juni 2011.

19.         Im Schienenpersonenverkehr haben die neuen Unternehmen ausgesprochen hohe Marktanteile im Vereinigten Königreich (90 %), in Estland (50 %) und in Polen (48 %), während die Länder, in denen noch immer das etablierte Unternehmen den gesamten Markt kontrolliert, inzwischen in der Minderheit sind (Belgien, Griechenland, Spanien, Finnland, Irland, Litauen, Slowenien und Slowakei). In einigen Mitgliedstaaten wie beispielsweise Polen sind die neuen Marktakteure allerdings aus der Teilauflösung der etablierten Unternehmen hervorgegangen und verfügen in ihrer jeweiligen Region faktisch über eine Monopolstellung.

Abbildung 2: Prozentuale Gesamtmarktanteile (in Personenkilometern) der nicht etablierten Eisenbahnunternehmen im Personenverkehr Ende 2010

Quelle: RMMS-Erhebung bei den Mitgliedstaaten im Mai/Juni 2011.

20.         Diese Situation hängt weitgehend mit dem Zeitpunkt zusammen, zu dem die Öffnung des Marktes für inländische Schienenpersonenverkehrsdienste in den jeweiligen Mitgliedstaaten stattfand: 1992 in Schweden, 1994 in Deutschland, 1995 im Vereinigten Königreich, anschließend in Dänemark und Italien und zuletzt in zehn weiteren EU-Mitgliedstaaten.

21.         Im grenzüberschreitenden Schienenpersonenverkehr, der nach EU-Recht seit dem 1. Januar 2010 dem Wettbewerb geöffnet ist, sind Zusammenschlüsse zwischen den etablierten Unternehmen das gängigste Geschäftsmodell. Auf mehreren Strecken entstehen allmählich aber auch Dienste, die zu denen der etablierten Unternehmen der betreffenden Länder in Konkurrenz treten. So haben sich zum Beispiel Deutsche Bahn und ÖBB mit dem Unternehmen FNM aus der Lombardei zusammengeschlossen, um auf der Strecke München-Bologna Verkehrsdienste zu erbringen. Die Strecke Paris-Venedig wird von Trenitalia und Veolia Transdev bedient. Die Westbahn GmbH hat die Verbindung Wien-Salzburg-Freilassing eingerichtet. Die Deutsche Bahn könnte demnächst aber auch eigenständig Verbindungen nach London oder Paris von Deutschland aus anbieten. Auch die Zahl neuer grenzüberschreitender Regionalverkehrsdienste, die zum Teil von den etablierten, aber auch von neuen Unternehmen erbracht werden, hat sich einer Studie der Kommission[12] zufolge vervielfacht.

V. Leistungsfähigkeit des Schienenverkehrsmarkts in der EU[13]

V.1         Situation des Schienenverkehrs im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern

22.         Während der Anteil der Schiene am gesamten Güterverkehrsaufkommen in den vorangegangenen Jahrzehnten deutlich zurückgegangen war, liegt er nun seit zehn Jahren stabil bei knapp über 11 %, 2010 vor dem Hintergrund der Krise allerdings nur bei 10,2 %.

23.         Der ausschließlich auf den Güterlandverkehr entfallende Anteil der Eisenbahn, der sich seit 2002 ebenfalls bei 17,1 % stabilisiert hatte und 1995 noch 20,2 % betrug, ist 2010 auf 16,2 % zurückgegangen.

Abbildung 3: Anteil der Eisenbahn am Güterverkehr (EU-27, 1995-2010)

Quelle: „EU transport in figures“, Statistisches Handbuch 2012.

24.         Im Personenverkehr verzeichnete der Schienenanteil in der EU-27 in den letzten Jahren einen leichten Anstieg, von 5,9 % im Jahr 2004 auf 6,3 % 2010. Allerdings bestehen zwischen den Mitgliedstaaten mit eigenem Schienennetz erhebliche Unterschiede. So liegt der Marktanteil in Ungarn und Österreich bei ca. 10 % und darüber, in Estland dagegen nur bei knapp 2 % und in Griechenland bei etwas über 1 %.

Abbildung 4: Anteil der Eisenbahn am Personenverkehr (EU-27, 1995-2010)

Quelle: „EU transport in figures“, Statistisches Handbuch 2012.

V.2         Volumen- und Leistungstrends im Schienenverkehr[14]

a) Güterverkehr

25.         Aufgrund der Krise verzeichnete der Schienengüterverkehr im Jahr 2009 in der EU-27 einen Rückgang von 18,3 % (gemessen in Tonnenkilometern). Dank einer Erholung in den am stärksten betroffenen Branchen, insbesondere der Stahl-, Chemie- und Automobilindustrie, vollzog sich 2010 eine deutliche Trendwende, bei der immerhin 15 Mitgliedstaaten Wachstumsraten von über 10 % verzeichneten, wenngleich der Stand von 2008 nicht wieder erreicht werden konnte. Nach Zahlen der Gemeinschaft der Europäischen Bahnen (GEB) war die Güterverkehrsleistung im gesamten europäischen Kontinent im dritten Quartal 2011 um 9,2 % geringer als im dritten Quartal 2008.

Abbildung 5: Entwicklung des Schienengüterverkehrs 2009-2010 (in Tonnenkilometern)

              Quelle: RMMS-Erhebung bei den Mitgliedstaaten im Mai/Juni 2011.

b) Personenverkehr

26.         Mit einem Minus von 1,4 % in der EU-27 im Jahr 2009 blieb der Personenverkehr von der Krise relativ verschont. Die EU-15 verzeichnete sogar einen Anstieg von 3,6 %, der aber nicht ausreichte, um den Rückgang in der EU-12 um 8,3 % zu kompensieren.

2010 war die Entwicklung sehr uneinheitlich, wobei die EU-12 erneut schlechter abschnitt (-11,3 % in Rumänien) als die EU-15, wo das Vereinigte Königreich die höchste Wachstumsrate vorweisen konnte (+5,8 %).

Abbildung 6: Entwicklung des Schienenpersonenverkehrs 2009-2010 (in Personenkilometern)

Quelle: RMMS-Erhebung bei den Mitgliedstaaten im Mai/Juni 2011.

VI.         Leistungsfähigkeit der Eisenbahnunternehmen

a) Beschäftigung

27.         Die Zahl der Beschäftigten in den im gewerblichen Schienenverkehr und Infrastrukturbetrieb tätigen Unternehmen belief sich Ende 2010 auf 110 000 in Frankreich, 80 000 in Deutschland und 64 000 in Polen (siehe Anhang 6). Ein Vergleich zwischen diesen Unternehmen ist aber nach wie vor schwierig, da sich ihre Tätigkeitsbereiche je nach Mitgliedstaat voneinander unterscheiden. Schwierig gestaltet sich auch eine genaue Quantifizierung des Stellenabbaus, der sich innerhalb des letzten Jahrzehnts in der Branche vollzogen hat.

28.         Der Anteil der über 50-Jährigen unter den Erwerbstätigen im Landverkehr lag 2010 bei 31 %, gegenüber einem Durchschnittswert von 27 % für alle Sektoren zusammen. Kennzeichnend für den Sektor ist außerdem das geringe mittlere Ruhestandseintrittsalter (55 Jahre) und der niedrige Frauenanteil an der Gesamtzahl der Beschäftigten (14 %).

b) Bahnausrüstungsbranche

29.         In einer Studie des Verbands der europäischen Eisenbahnindustrie (UNIFE)[15] wurde der weltweite Schienenverkehrsmarkt 2007 auf über 120 Mrd. EUR geschätzt und dürfte bis 2016 ein Volumen von 154 Mrd. EUR erreichen. Die höchsten Wachstumsraten werden für den asiatisch-pazifischen Raum und die GUS-Staaten erwartet.

30.         Die Gemeinschaft der Europäischen Bahnen (GEB) weist ferner darauf hin, dass derzeit in der Tschechischen Republik, der Slowakei und Slowenien die Schienenfahrzeuge für den Personenverkehr im großen Maßstab erneuert werden.

c) Dienstleistungsqualität und Kundenzufriedenheit

31.         Die Qualität der Schienengüterverkehrsdienste in der Europäischen Union ist weiterhin nur schwer messbar, da es generell an Qualitätsindikatoren mangelt. Die schrittweise Einführung einer Leistungsüberwachung in den verschiedenen Güterverkehrskorridoren dürfte es allerdings ermöglichen, bestimmte Informationen über die Pünktlichkeit der Verkehrsdienste zu erhalten.

32.         Die Verordnung (EG) Nr. 1371/2007[16] schreibt vor, dass die ihr unterliegenden Eisenbahnunternehmen jährlich einen Bericht über die Qualität ihrer Dienstleistungen und insbesondere die Pünktlichkeit der Personenverkehrsdienste veröffentlichen müssen.

33.         Eine für die Kommission durchgeführte Studie (siehe Anhang 15) hat ergeben, dass die Fahrgäste mit der Sicherheit in den Zügen, den Fahrzeiten und dem Reisekomfort insgesamt zufrieden sind. Sie sind allerdings auch der Ansicht, dass Sauberkeit und Wartung der Züge, Pünktlichkeit und die Qualität von Reiseinformationen, insbesondere bei Verspätungen, verbesserungsbedürftig sind. In vielen Mitgliedstaaten wird die Pünktlichkeit zwar als zufriedenstellend empfunden, doch halten sie mehr als 40 % der Befragten in Polen, Deutschland, Schweden, Rumänien und Frankreich für unzureichend.

34.         Nach Auffassung der Reisenden sollte insbesondere auch auf die Qualität der Bahnhofs- und Parkplatzanlagen sowie auf deren Sauberkeit und Instandhaltung geachtet werden. Die Möglichkeiten des Fahrscheinkaufs, die Informationsqualität und die Sicherheit werden dagegen im Großen und Ganzen offenbar positiv bewertet. Der Grad der Zufriedenheit in Bezug auf die Bahnhöfe ist allerdings je nach Land sehr unterschiedlich. So herrscht in Spanien und Luxemburg eine sehr hohe Zufriedenheit, in Polen und Ungarn ist sie dagegen nach wie vor gering.

d) Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen

35.         Der inländische Schienenpersonenverkehr unterliegt zu 90 % gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen[17]. Die meisten öffentlichen Dienstleistungsaufträge in den Ländern der EU-15 haben Mindestlaufzeiten von zwei bis zehn Jahren. In der EU-12, wo 2005 die Vertragslaufzeiten überwiegend nicht länger als ein Jahr betrugen, ist der Anteil der langfristigen Verträge inzwischen gestiegen, was sich positiv auf die Investitionen auswirkt.

36.         Der prozentuale Ausgleich der Differenz zwischen den Ausgaben und den aus dem Fahrscheinverkauf erzielten Einnahmen belief sich 2009 in der EU-12 auf lediglich 71 % gegenüber 94 % in der EU-15. In Zeiten äußerst knapper Haushaltsmittel sind dies 4 % weniger als 2007 (siehe Anhang 11).

e) Sicherheit

37.         Nach dem Bericht der Europäischen Eisenbahnagentur (siehe Anhang 16) sind zwischen 2008 und 2010 188 Zugfahrgäste ums Leben gekommen, bei einer Gesamtzahl von 4120 Unfallopfern im Eisenbahnverkehr während desselben Zeitraums. Bei 60 % der Todesopfer handelt es sich um Personen, die sich unbefugt auf den Schienen aufhielten.

38.         Das allgemeine Sicherheitsniveau in Europa, gemessen in der Anzahl tödlicher Unfälle pro Milliarde Zugkilometer, hat sich seit 1990 kontinuierlich verbessert, wenngleich dieser Trend sich seit 2004 verlangsamt hat (siehe Abb. 7).

Abbildung 7: Kollisionen und Entgleisungen mit Todesfolge pro Milliarde Zugkilometer

Quelle: Sicherheitsbewertungsbericht der Europäischen Eisenbahnagentur von 2012

VII.        Eisenbahninfrastruktur

a) Länge der Schienennetze

39.         Die Gesamtlänge des Schienennetzes in der EU hat sich mit etwa 212 000 km in den letzten Jahren kaum verändert. Stilllegungen in einigen Mitgliedstaaten, in denen die Haushaltslage besonders angespannt ist, betreffen aber nicht ganze Strecken, sondern einzelne Gleisstränge, insbesondere in Griechenland, Rumänien und Portugal, unter anderem auch wegen der Überdimensionierung der dortigen Schienennetze.

40.         Das europäische Hochgeschwindigkeitsbahnnetz hat sich dagegen weiter vergrößert und ist mit 6 600 km im Jahr 2010 doppelt so lang wie vor acht Jahren. Spanien verfügt inzwischen über das größte Streckennetz, an zweiter Stelle folgt Frankreich (siehe Anhang 8).

b) Entwicklung der Infrastrukturinvestitionen

41.         Nach Angaben des ‚International Transport Forum’ (ITF) ist der auf die Infrastruktur des Landverkehrs entfallende Investitionsanteil im letzten Jahrzehnt in Westeuropa mit 0,8 % unverändert geblieben. In den Ländern Mittel- und Osteuropas hingegen ist er gestiegen und lag 2009 bei 2 %. Allerdings fällt dabei der Schienenanteil in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich aus und lag 2009 in Österreich bei 65 %, bei 55 % im Vereinigten Königreich, 52 % in Luxemburg, 45 % in Schweden, 41 % in Belgien und durchschnittlich 32 % in Westeuropa insgesamt. In den osteuropäischen Ländern dagegen ist dieser Anteil zwischen 2000 und 2009 von 22 % auf 13 % gesunken (siehe Anhang 9).

c) Entgelte und Mehrjahresverträge

42.         Die Entgelte für die Nutzung der Schieneninfrastruktur schwanken je nach Infrastrukturbetreiber erheblich. Für einen 1000-Tonnen-Güterzug reicht die Spanne von 0,1 EUR/Zugkilometer in Spanien und 0,5 EUR in Schweden bis zu 10,2 EUR in der Slowakei und 9,8 EUR in Irland (siehe Anhang 10). Generell scheint sich aber eine Verringerung dieser Unterschiede abzuzeichnen, da mehrere EU-12-Staaten mit traditionell hohem Entgeltniveau eine Senkung ihrer Tarife angekündigt oder bereits vorgenommen haben. Darüber hinaus können aber auch innerhalb desselben nationalen Schienennetzes erhebliche strecken- oder trassenabhängige Schwankungen auftreten.

43.         Nach Ansicht der Kommission wird mit den zwischen Infrastrukturbetreibern und Eisenbahnunternehmen geschlossenen Mehrjahresverträgen ein gutes Dienstleistungsniveau und die notwendige finanzielle Ausgewogenheit sichergestellt. In etwa 15 Mitgliedstaaten sind Mehrjahresverträge abgeschlossen worden (siehe Anhang 12).

d) ERTMS-Einführung

44.         Die Einführung des europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystems ERTMS (European Railway Traffic Management System) ist ein wichtiger Indikator für Fortschritte hin zu größerer Interoperabilität. Ende 2011 waren rund 4 000 km des EU-Schienennetzes mit ERTMS ausgerüstet, was ein Plus von über 20 % gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Weitere 4 000 Streckenkilometer werden derzeit ausgerüstet und sollen bis Ende 2013 in Betrieb gehen.

45.         In dem am 22. Juli 2009 beschlossenen europäischen Einführungsplan wird die Ausrüstung der Hauptachsen bis 2015 verbindlich vorgeschrieben. Die Mitgliedstaaten müssen bis Ende 2012 einen detaillierten Zeitplan notifizieren, der u. a. die Ausschreibungstermine und die wichtigsten Projektschritte beinhaltet und es ermöglicht, die ERTMS-Ausrüstung bis 2015 abzuschließen. Die Kommission wird streng auf die Erfüllung dieser Vorgabe achten.

VIII.      Fazit

46.         Die Wirtschaftskrise von 2009 hat den Schienengüterverkehr erheblich beeinträchtigt. Trotz einer deutlichen Erholung blieb das Niveau 2010 um ca. 15 % hinter dem in den meisten Mitgliedstaaten registrierten Stand von 2008 zurück. Auch Frankreich und Italien blieben von diesem Rückgang nicht verschont. Auf Unionsebene ist der Schienenanteil inzwischen aber offenbar wieder mit dem Stand vor der Krise vergleichbar.

47.         Im Schienenpersonenverkehr sind die Auswirkungen der Krise weitaus weniger spürbar. In den meisten EU-15-Staaten hat sich der Aufwärtstrend fortgesetzt, während in der EU-12 der seit den 1990er Jahren zu beobachtende Rückgang auch 2010 angehalten hat. Dabei gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen der jüngsten Verkehrsentwicklung in den einzelnen Mitgliedstaaten und der sich aus Befragungen der Kommission ergebenden Kundenzufriedenheit, wie es zum Beispiel die positiven Ergebnisse im Vereinigten Königreich und in Litauen belegen.

48.         Im Schienengüterverkehr hat sich die Marktöffnung während der Krise beschleunigt, wenn auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit in den einzelnen Mitgliedstaaten. Einige der etablierten Unternehmen betreiben in anderen europäischen Ländern inzwischen Tochtergesellschaften und verfügen dort über beträchtliche Marktanteile. Generell hat die Krise den Eintritt neuer Unternehmen in die verschiedenen nationalen Märkte nicht behindert. In diesem Zusammenhang gilt es festzuhalten, dass das hohe Sicherheitsniveau dieses Verkehrsträgers durch den verstärkten Wettbewerb nicht gelitten hat.

49.         Die effektive Marktöffnung im Personenverkehr vollzieht sich schrittweise, dies inzwischen aber in der überwiegenden Zahl der Mitgliedstaaten. Im Rahmen der Überwachung des Schienenverkehrsmarkts wird demnächst eine für die Kommission durchgeführte Eurobarometer-Studie über die Öffnung des Marktes für inländische Schienenpersonenverkehrsdienste veröffentlicht. Die Ergebnisse dieser Studie werden in den anstehenden Rechtsetzungsvorschlag über die Öffnung dieses Marktes einfließen.

[1]               Abschnitt Va der Richtlinie 2001/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 (ABl. L 75 vom 15.3.2001) zur Änderung der Richtlinie 91/440/EWG des Rates zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft.

[2]               Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Überwachung der Entwicklung des Schienenverkehrsmarkts vom 18. Oktober 2007 (KOM(2007) 609).

[3]               Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Überwachung der Entwicklung des Schienenverkehrsmarkts vom 8 Dezember 2010 (KOM(2009) 676).

[4]               Mitteilung der Kommission über die Entwicklung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums, KOM(2010) 474 endg. vom 17. September 2010.

[5]               Richtlinie 2004/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 95/18/EG des Rates über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen und der Richtlinie 2001/14/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung.

[6]               Richtlinie 2008/57/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über die Interoperabilität des Eisenbahnsystems in der Gemeinschaft.

[7]               Richtlinie 2009/131/EG der Kommission vom 16. Oktober 2009 zur Änderung von Anhang VII der Richtlinie 2008/57/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Interoperabilität des Eisenbahnsystems in der Gemeinschaft.

[8]               Richtlinie 2011/18/EU der Kommission vom 1. März 2011 zur Änderung der Anhänge II, V und VI der Richtlinie 2008/57/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Interoperabilität des Eisenbahnsystems in der Gemeinschaft.

[9]               Richtlinie 2007/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 zur Änderung der Richtlinie 91/440/EWG des Rates zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft sowie der Richtlinie 2001/14/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur.

[10]             Weißbuch vom 28. März 2011 „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“, KOM(2011) 144 endg.

[11]             Verordnung (EU) Nr. 913/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zur Schaffung eines europäischen Schienennetzes für einen wettbewerbsfähigen Güterverkehr.

[12]             „Situation and Perspectives of the Rail Market“ (Situation und Aussichten des Schienenverkehrsmarktes), März 2010.

[13]             Da Zypern und Malta über kein Eisenbahnnetz verfügen, gelten sämtliche Bezugnahmen auf die EU-12 oder die EU-27 ohne diese beiden Länder.

[14]             Leistung wird hier in Tonnen- bzw. Personenkilometern ausgedrückt.

[15]             „Worldwide Rail Market Study – Status Quo & Outlook 2016“

[16]             Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr.

[17]             „Public service rail transport in the European Union: an overview“ (November 2011).

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