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Document 52010DC0801

    MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Überarbeitung der Arbeitszeitrichtlinie (zweite Phase der Anhörung der Sozialpartner auf europäischer Ebene gemäß Artikel 154 AEUV)

    /* KOM/2010/0801 endg. */

    52010DC0801

    /* KOM/2010/0801 endg. */ MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Überarbeitung der Arbeitszeitrichtlinie (zweite Phase der Anhörung der Sozialpartner auf europäischer Ebene gemäß Artikel 154 AEUV)


    [pic] | EUROPÄISCHE KOMMISSION |

    Brüssel, den 21.12.2010

    KOM(2010) 801 endgültig

    MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

    Überarbeitung der Arbeitszeitrichtlinie (zweite Phase der Anhörung der Sozialpartner auf europäischer Ebene gemäß Artikel 154 AEUV)

    {SEK(2010) 1610 endgültig}

    MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

    Überarbeitung der Arbeitszeitrichtlinie(zweite Phase der Anhörung der Sozialpartner auf europäischer Ebene gemäß Artikel 154 AEUV)

    1. EINLEITUNG

    Seit 1993 gibt es in der Europäischen Union eine einheitliche Arbeitszeitregelung, und seit dem Jahr 2000 findet sie in allen Wirtschaftszweigen Anwendung. Die Arbeitszeitrichtlinie bildet einen der Eckpfeiler des EU-Sozialrechts, denn sie garantiert allen Arbeitnehmern ein Mindestmaß an Schutz vor überlangen Arbeitszeiten sowie die Einhaltung von Mindestruhezeiten. Sie enthält auch mehrere flexible Regeln, die der Berücksichtigung der Besonderheiten bestimmter Länder, Branchen oder Arbeitnehmergruppen dienen. In den letzten Jahren wurde die Effektivität des EU-Arbeitszeitrechts in mehrfacher Hinsicht in Frage gestellt. Einige Richtlinienbestimmungen haben mit dem raschen Wandel der Arbeitsformen nicht Schritt gehalten, so dass die Richtlinie den Bedürfnissen der Arbeitnehmer und der Unternehmen nicht mehr unbedingt gerecht wird. Außerdem haben Schwierigkeiten bei der Durchführung einiger ihrer Bestimmungen oder von Urteilen des Gerichtshofes zu Rechtsunsicherheit oder sogar dazu geführt, dass die Richtlinie in wichtigen Punkten nicht mehr in vollem Umfang eingehalten wird. Daher die Notwendigkeit einer Überarbeitung der Richtlinie, die nach dem festen Willen der Kommission im Einklang mit den Grundsätzen der intelligenten Regulierung erfolgen soll.

    Zweck dieser Mitteilung ist es, die Sozialpartner auf EU-Ebene gemäß Artikel 154 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zu der Frage anzuhören, wie eine auf EU-Ebene geplante Maßnahme zur Änderung der Arbeitszeitrichtlinie[1] inhaltlich aussehen könnte; ferner möchte die Kommission wissen, ob die Sozialpartner wünschen, gemäß Artikel 155 in Verhandlungen einzutreten.

    Am 24. März 2010 veröffentlichte die Kommission eine Mitteilung, mit der sie die erste Phase dieser Anhörung einleitete[2]. In dieser Mitteilung wurde auf die schwierige Situation hingewiesen, die dadurch entstanden ist, dass sich die beiden Gesetzgebungsorgane nicht auf eine schon früher vorgeschlagene Überarbeitung der Richtlinie[3] einigen konnten. Ferner wurden die Sozialpartner auf EU-Ebene aufgefordert, ihre Erfahrungen mit der derzeit geltenden Richtlinie zu schildern und anzugeben, welche Art von Arbeitszeitregelung auf EU-Ebene gebraucht wird, um die – sozialen, wirtschaftlichen, technologischen und demografischen – Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen zu können.

    In der vorliegenden Mitteilung werden zunächst die Hauptergebnisse der ersten Phase der Anhörung der Sozialpartner auf EU-Ebene zusammengefasst. Es folgt eine Beschreibung der wesentlichen Erkenntnisse aus den jüngsten Studien zu den Trends und Modellen der Arbeitszeitgestaltung sowie zu den wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Richtlinie. Anschließend werden die Schlüsseloptionen für einen Änderungsvorschlag dargestellt. Diese Mitteilung sollte zusammen mit dem (gleichzeitig angenommenen) Bericht der Kommission über die Durchführung der Richtlinie geprüft werden, in dem beurteilt wird, inwiefern die Arbeitszeitbestimmungen in den Mitgliedstaaten eingehalten werden. Im letzteren Bericht wird zudem geschildert, in welchen Bereichen es hauptsächlich zu Richtlinienverstößen und Rechtsunsicherheit kommt. Um den Sozialpartnern die Ausarbeitung ihrer Stellungnahmen in dieser Anhörung zu erleichtern, wird die Kommission die Ergebnisse aller Studien und Umfragen[4] veröffentlichen, auf die sie bei der Abfassung dieser Mitteilung zurückgegriffen hat.

    2. ERSTE PHASE DER ANHÖRUNG DER SOZIALPARTNER[5]

    Die Sozialpartner sind sich darüber einig, dass sich die Arbeitswelt in den letzten 20 Jahren erheblich verändert hat und dass dieser Wandel die Arbeitszeitgestaltung nachhaltig berührt. Hinsichtlich der Bedeutung dieses Wandels für die Arbeitszeitgestaltung gehen die Meinungen jedoch erheblich auseinander. Während geänderte Bedingungen es nach Auffassung der Arbeitgeber notwendig machen, die Rechtsvorschriften so zu ändern, dass Arbeitszeiten flexibler werden können, halten die Gewerkschaften ebenfalls Änderungen für erforderlich, allerdings mit dem Ziel, den rechtlichen Schutz der Arbeitnehmer zu stärken.

    Arbeitgeber aus der Privatwirtschaft weisen auf folgende Faktoren hin: stärkerer Wettbewerb, Globalisierung, Verschiebung des Schwergewichts in der Wirtschaft von der verarbeitenden Industrie zum Dienstleistungsbereich, Volatilität der Märkte, technologischer Wandel, insbesondere immer stärkerer Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien.

    Die Arbeitgeber des öffentlichen Sektors heben besonders Folgendes hervor: ihre Verpflichtung zur Gewährleistung eines von schutzbedürftigen Bürgern rund um die Uhr benötigten Dienstleistungsangebots von hoher Qualität, die durch demografische Faktoren bedingte steigende Nachfrage nach Gesundheits- und Pflegeleistungen, die durch die aktuelle Krise noch verschärfte Schwierigkeit der Kostendämpfung angesichts budgetärer Sachzwänge sowie den chronischen Mangel an qualifizierten Fachkräften im Gesundheitswesen.

    Die Gewerkschaften unterstreichen die Intensivierung der Arbeit, die negativen Auswirkungen überlanger Arbeitszeiten auf die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer sowie auf die Qualität und Produktivität ihrer Arbeit. Sie verweisen darauf, dass die Vereinbarung von Beruf und Familie sowie die Steigerung der Erwerbsbeteiligung durch lange Arbeitszeiten erschwert werden. In Bezug auf das Gesundheitswesen sind die Gewerkschaften der Ansicht, dass lange Arbeitszeiten es nur noch schwieriger machten, Personal anzuwerben und zu halten.

    Mehrere Sozialpartner bestimmter Sektoren wiesen auf die charakteristischen Merkmale ihrer jeweiligen Branche hin, denen eine Arbeitszeitregelung Rechnung tragen müsse. Bei der Beantwortung der Frage, welche Änderungen hier notwendig sind, gingen die Meinungen allerdings auseinander. Angesprochen wurden insoweit vor allem folgende Punkte: Saisonabhängigkeit, Besonderheit der Arbeit im Bereich der darstellenden Künste, Bereitstellung einer Wohnung am Arbeitsort, Autonomie und „Knowledge Working“, Arbeit in abgelegenen Gegenden, Dienstleistungen mit 24-Stunden-Bereitschaft, sicherheitsrelevante Aufgaben, kurzfristig fluktuierende Nachfrage, Zunahme von Teilzeitarbeit, Kosten und globaler Wettbewerbsdruck sowie Fachkräftemangel.

    Die Arbeitgeber stimmten der Analyse der Kommission in ihrem Anhörungspapier weitgehend zu. Business Europe, UEAPME und CEEP begrüßten den Umstand, dass für die bevorstehende Überprüfung ein breiterer Blickwinkel vorgeschlagen wird. Business Europe und UEAPME vertreten jedoch die Ansicht, dass die Bereitschaftsproblematik sowohl für den privaten wie für den öffentlichen Sektor als wichtig anerkannt werden sollte. Mehrere Arbeitgeberverbände betonten, Flexibilität könne den Arbeitnehmern ebenso nutzen wie den Arbeitgebern und solle deshalb nicht negativ gesehen werden.

    Vom EGB und anderen Gewerkschaften wird die generelle Analyse der Kommission hingegen kritisiert. Ihrer Ansicht nach hat die Kommission weder der rechtlichen Bedeutung der Arbeitszeitregelung noch dem im Vertrag verankerten Ziel, den Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer zu erhalten und zu verbessern, hinreichend Rechnung getragen. Die Effektivität der Richtlinie sei in den Mitgliedstaaten deshalb beeinträchtigt, weil die Kommission ihrer Pflicht, das EU-Recht zu wahren und durchzusetzen, nicht nachgekommen sei. Die Gewerkschaften EGB und EGÖD (eine europäische Gewerkschaft für den Dienstleistungssektor einschließlich des öffentlichen Dienstes) widersprechen entschieden der Aussage, dass unüberwindliche Hindernisse den Arbeitgebern oder dem öffentlichen Dienst die Umsetzung der Urteile SIMAP und Jaeger unmöglich machten.

    Die wichtigsten branchenübergreifenden Sozialpartner halten eine Überarbeitung der Richtlinie übereinstimmend für notwendig. Allerdings gibt es zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften erhebliche Meinungsunterschiede in Bezug auf Kontext, Umfang und Ziele dieser Überarbeitung.

    Während Business Europe grundsätzlich gegen eine Regelung der Arbeitzeit auf EU-Ebene ist, hält die UEAPME eine EU-Regelung für wichtig, weil sie gleiche Ausgangsbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen schaffe. Alle branchenübergreifenden Arbeitgeberverbände sind einhellig der Meinung, die geltenden Rechtsvorschriften seien zu starr und kompliziert. Sie unterstreichen die Notwendigkeit einer Änderung der insbesondere durch die SIMAP-Jaeger-Rechtsprechung sowie durch die jüngsten Urteile zum bezahlten Jahresurlaub[6] geschaffenen Rechtslage.

    Nach Ansicht von Business Europe wäre es sinnvoll, den Bezugszeitraum auf 12 Monate auszudehnen, doch sollte sich die Überarbeitung darauf beschränken; entscheidend sei auch die Beibehaltung der Opt-out-Möglichkeit. CEEP und UEAPME könnten sich eine Erweiterung der Überarbeitung auf andere Themen vorstellen und meinen, eine Ausdehnung des Bezugszeitraums auf 12 Monate sowie eine Änderung der durch die SIMAP-Jaeger-Rechtsprechung geschaffenen Rechtslage könne den Opt-out-Bedarf erheblich verringern.

    Die Arbeitgeber des öffentlichen Sektors halten im Allgemeinen eine „umfassende“ Überarbeitung des Arbeitszeitrechts für dringlich, weil sie enorme Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Dienste habe. Die SIMAP-Jaeger-Rechtsprechung solle dabei im Vordergrund stehen; allerdings sind diese Arbeitgeber auch offen für eine Verbesserung des Schutzes der Arbeitnehmer vor langen oder belastenden Arbeitszeiten sowie für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Sie alle haben Vorbehalte gegen jegliche Änderung der Opt-out-Möglichkeit, wenngleich der CEEP die rasche Zunahme des Rückgriffs auf diese Möglichkeit in den öffentlichen Diensten bedauert und die Auffassung vertritt, dies diene weder den Interessen der Arbeitgeber noch denen der Arbeitnehmer oder der Nutzer dieser Dienste.

    Dagegen weisen die Gewerkschaften darauf hin, dass das Arbeitszeitrecht auf grundlegenden sozialen Rechten beruhe, die vom Vertrag und der EU-Charta geschützt seien. Deshalb müsse jede Überarbeitung generell diese Rechte wahren und auf ihnen aufbauen, damit der derzeitige Schutz der Arbeitnehmer verbessert werden könne. Auch seien die Standpunkte angemessen zu berücksichtigen, die das Parlament und die Gewerkschaften während der interinstitutionellen Diskussionen über den letzten Änderungsvorschlag eingenommen hätten.

    Sowohl der EGB als auch der EGÖD sind für eine umfassende Überarbeitung offen, halten Änderungen aber nur dann für wünschenswert, wenn sie wirklich der Notwendigkeit einer Abschaffung der Opt-out-Möglichkeit Rechnung trügen. Im Zuge der Überarbeitung solle versucht werden, die Anwendung pro Arbeitnehmer durchzusetzen und die Ausnahme für „Personen mit selbständiger Entscheidungsbefugnis“ enger zu fassen. Es sollten ausgewogene und tragfähige Lösungen für den Bereitschaftsdienst gefunden werden, die jedoch mit der SIMAP-Jaeger-Rechtsprechung vereinbar sein und auf ihr basieren müssten. An der Definition des Bereitschaftsdienstes oder der Arbeitszeit dürfe sich nichts ändern. Diese Meinung teilen auch die meisten Berufsverbände des Gesundheitswesens, die darauf verweisen, dass die Richtlinie auf wissenschaftlichen Studien im Bereich Gesundheit und Sicherheit beruhe. Gleichwohl vertreten einige wenige Ärzteverbände die Auffassung, Ärzte sollten bis zu 65 Stunden pro Woche arbeiten dürfen, wenn sie sich individuell damit einverstanden erklärten. Der EGB bekundet außerdem Interesse an dem Thema „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ und befürwortet es, den Arbeitnehmern mehr Einfluss auf die Arbeitszeitgestaltung einzuräumen.

    Die Stellungnahmen der Sozialpartner auf sektoraler Ebene entsprachen tendenziell denen der branchenübergreifenden Arbeitgeberverbände bzw. Gewerkschaften. Einige Branchenverbände vertraten allerdings die Ansicht, die Richtlinie brauche nicht geändert zu werden (Arbeitgeberverbände der Branchen Gastgewerbe, Seefischerei, Banken, Offshore-Öl- und Gasförderung sowie private Sicherheitsdienste).

    Die Verbände der im öffentlichen Dienst beschäftigten Feuerwehrleute beurteilen die SIMAP-Jaeger-Rechtsprechung ebenfalls positiv. Sie wollen jedoch die Bestimmungen über die Ruhezeiten lockern, um die traditionelle Arbeitszeitregelung mit 24-Stunden-Schichten beibehalten zu können. Dieses Modell sei gut auf die besonderen Bedürfnisse der Feuerwehr abgestimmt; allerdings müssten seine Auswirkungen auf die Gesundheit und Sicherheit noch weiter untersucht werden. Unter bestimmten Bedingungen wären einige Verbände bereit, das Fortbestehen der Opt-out-Möglichkeit vorübergehend zu akzeptieren. Es gibt auch einige Stimmen, die sich dafür aussprechen, freiwillige Feuerwehrleute vom Geltungsbereich der Richtlinie auszunehmen.

    EUROMIL, eine Organisation von Beschäftigten bei Streitkräften, spricht sich für eine wirksame Einbeziehung dieser Beschäftigten in den Geltungsbereich der Richtlinie und für die Durchsetzung der in der SIMAP-Jaeger-Rechtsprechung bestätigten Rechte aus.

    Was sonstigen Handlungsbedarf auf EU-Ebene angeht, so möchten der EGB und die EGÖD, dass die Kommission ihre Möglichkeiten bei Richtlinienverstößen der Mitgliedstaaten voll ausschöpft, einschließlich der Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren. Sie befürworten ferner Maßnahmen zur Förderung einer besseren Personal- und Mittelausstattung der Arbeitsaufsicht in den Mitgliedstaaten. Dagegen haben sich neun europäische Ärzteverbände in einer gemeinsamen Stellungnahme gegen die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren ausgesprochen. In mehreren Stellungnahmen wird die Kommission aufgefordert, vergleichende Studien und/oder den Austausch bewährter Verfahren zu unterstützen.

    Die branchenübergreifenden Sozialpartner auf EU-Ebene haben sich schon vor oder während der zweiten Phase der Anhörung in unterschiedlichem Maße bereit erklärt, Verhandlungen gemäß Artikel 155 AEUV aufzunehmen. Business Europe und UEAPME bevorzugen eindeutig branchenübergreifende Lösungen, da es hier um weit gesteckte Fragen gehe. Der EGB wäre hingegen zu Verhandlungen nur bereit, wenn die Arbeitgeber dem Standpunkt des EGB wesentlich näherkämen (vor allem in Bezug auf die kritische Frage des Opt-out).

    Im öffentlichen Sektor spricht sich der CEEP nachdrücklich dafür aus, über Verhandlungen zu Lösungen für die öffentlichen Dienste zu gelangen, und zwar auf branchenübergreifender Ebene. Die Auffassungen der CEEP-Mitgliedsverbände CEMR und HOSPEEM sind damit vereinbar. Der EGÖD besteht jedoch darauf, dass die Mitgliedstaaten bzw. die öffentlichen Arbeitgeber alle derzeit bestehenden Opt-outs beenden; erst dann kämen Verhandlungen in Frage.

    Die Sozialpartner anderer Branchen äußerten – mit wenigen Ausnahmen – keinerlei Interesse an Verhandlungen auf sektoraler Ebene oder hielten sie für verfrüht.

    3. DIE WICHTIGSTEN ARBEITSZEITMODELLE UND -TRENDS[7]

    In den vergangenen zwanzig Jahren haben sich die Arbeitszeitmodelle verändert, was auf das Zusammenwirken verschiedener Faktoren zurückzuführen ist (technologischer Wandel, Globalisierung, Unternehmensumstrukturierungen und Arbeitsorganisation, wachsende Bedeutung des Dienstleistungssektors, größere Vielfältigkeit der Arbeitskräfte sowie stärkere Individualisierung der Lebensstile und Einstellungen im Hinblick auf das eigene berufliche Fortkommen). Obgleich die in der Richtlinie festgeschriebenen Mindeststandards auf eine stärkere EU-weite Vereinheitlichung hinwirken und eine historisch bedeutsame Rolle für die Verringerung der durchschnittlichen Arbeitszeit gespielt haben, sind die Arbeitszeitmodelle in den einzelnen Mitgliedstaaten, Tätigkeitsbereichen und Arbeitnehmergruppen noch immer sehr unterschiedlich, und dies wird auch weiterhin die Regel bleiben.

    Insgesamt ging der Trend in der EU bislang in die Richtung einer allmählichen Verringerung der durchschnittlichen Arbeitszeit, und zwar von 40,5 Stunden im Jahr 1991 (EG-12) auf 37,5 Stunden im Jahr 2010 (EU-27)[8]. Dies liegt jedoch weitgehend daran, dass die Zahl der Teilzeitkräfte kontinuierlich zunimmt, von 15,9 % aller Arbeitnehmer im Jahr 1998 auf 18,2 % im Jahr 2008[9]. In der EU hat sich die durchschnittliche Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten seit dem Jahr 2000 praktisch nicht verändert.

    In ganz Europa sind die durchschnittlichen Jahresarbeitszeiten nach wie vor sehr unterschiedlich. Das Spektrum reicht von unter 1400 Stunden (Niederlande) bis zu über 2100 Stunden (Griechenland)[10]. Interessant ist, dass sich die Länge der Arbeitszeit in den Mitgliedstaaten offenbar umgekehrt proportional zur durchschnittlichen Produktivität pro Stunde verhält. Zwar ist die 40-Stunden-Woche in den meisten Mitgliedstaaten noch immer die vorherrschende Norm, doch sind in einigen Mitgliedstaaten spezielle Profile mit einer größeren Streuung der Wochenarbeitszeiten erkennbar (vor allem im Vereinigten Königreich, aber auch in Irland, den Niederlanden, Deutschland und den nordischen Ländern)[11]. 9 % der Beschäftigten (vor allem Männer) arbeiten weiterhin durchschnittlich 48 Stunden pro Woche, jedoch geht dieser Prozentsatz zurück.[12]

    Die stärksten Veränderungen beziehen sich derzeit nicht auf die Dauer der Arbeitszeit, sondern auf flexible Arbeitszeitregelungen. In den letzten zwanzig Jahren war eine Zunahme flexibler Formen der Arbeitszeitgestaltung zu beobachten; so gibt es mittlerweile neben Teilzeit auch Gleitzeit, flexible Arbeitszeiten und Arbeitszeitkonten sowie Telearbeit. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, konzentriert man sich stärker auf Lösungen, die auf die jeweiligen betrieblichen Verhältnisse zugeschnitten sind und oft im Rahmen einer im gegenseitigen Einvernehmen vereinbarten Regelung auf Unternehmensebene ausgehandelt werden. Dieser Trend hin zu flexibleren Arbeitszeitmodellen ist allerdings in den nördlichen und westlichen Mitgliedstaaten der EU eindeutig stärker ausgeprägt als in anderen Ländern.

    Weitgehend wurde diese stärkere Arbeitszeitflexibilität auch von den Unternehmen gefördert, weil sie ihren eigenen Bedürfnissen entgegenkam, die wiederum durch volatile Märkte, zunehmenden globalen Wettbewerb und ein stärkeres Eingehen auf die Nachfrage der Verbraucher/Kunden bedingt waren. Wenn die Unternehmen ihre Wertschöpfungskette umstrukturieren, so wird das immer mehr dazu führen, dass der Flexibilitätsdruck auf Unterauftragnehmer und nachgelagerte Einheiten in der Wertschöpfungskette sowie auf deren Arbeitnehmer zunimmt. Dadurch wird es zu einer zweigleisigen Entwicklung kommen, bei der neue Formen flexibler und autonomer „Wissensarbeit“ mit repetitiven und intensiven Produktionstechniken koexistieren.[13]

    Gleichwohl wünschen sich auch viele Arbeitnehmer größere Arbeitszeitflexibilität, vor allem diejenigen, die familiäre Pflichten haben und an einer besseren Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben interessiert sind.[14] Die zunehmende Vielfältigkeit der Arbeitskräfte (mehr ältere, vor allem aber mehr weibliche Arbeitnehmer) ist ein wesentlicher Antriebsfaktor für individueller gestaltete Arbeitszeiten. Sie kann sich deshalb positiv auf die Erwerbsquoten weiblicher und älterer Arbeitnehmer auswirken.[15] Was den Umfang der Kontroll- und Einflussmöglichkeiten von Arbeitnehmern auf ihre Arbeitsorganisation angeht, so gibt es allerdings erhebliche Unterschiede nicht nur innerhalb der Mitgliedstaaten, sondern auch zwischen ihnen. So sind insbesondere hoch qualifizierte Fachkräfte sowie Arbeitnehmer in wissens- und kommunikationsintensiven Berufen offenbar eher als Arbeiter in der Lage, flexibel zu arbeiten, weil sie ihre Arbeitszeit stärker selbst gestalten können.

    Teilzeitarbeit und flexible Formen der Arbeitsorganisation sind nur zwei Beispiele für die immer größere Vielfalt von Arbeitszeitregelungen. Denkt man an die vielen Menschen, die Telearbeit[16] oder Schichtarbeit machen (17 %), abends/nachts (10 % mindestens drei Mal monatlich) oder an Samstagen/Sonntagen arbeiten (53 % mindestens ein Mal pro Monat)[17], sowie an die nicht quantifizierbare, aber immer häufiger anzutreffende Gewohnheit, Arbeit „mit nach Hause zu nehmen“, so ergibt sich europaweit ein Gesamtbild von zunehmend diversifizierten Arbeitszeitmodellen. Auch die Zahl der Arbeitnehmer mit mehreren Jobs (3,8 % der Arbeitskräfte[18]) ist ein weiteres Beispiel für diese Flexibilität.

    Es wird damit gerechnet, dass sich dieser Trend in Zukunft noch verstärkt, da sich sowohl die Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite verstärkt um maßgeschneiderte und individualisierte Arbeitszeitregelungen bemühen werden. Ermöglicht wird dies durch eine gewandelte Arbeitsorganisation, der ein flächendeckender Einsatz digitaler Technologien zugute kommt. Dieser Trend könnte zwar theoretisch immer mehr Win-win-Situationen ermöglichen, doch darf man auch die neuen Risiken nicht vergessen, die sich für die Arbeitnehmer des 21. Jahrhunderts ergeben könnten, denn manche werden andererseits stärker von den negativen Folgen der Arbeitsintensivierung und des Verwischens der Grenze zwischen Arbeits- und Privatleben betroffen sein.[19]

    4. DIE WICHTIGSTEN SOZIALEN UND WIRTSCHAFTLICHEN AUSWIRKUNGEN DER RICHTLINIE[20]

    Hauptziel der Richtlinie ist es, die Arbeitnehmer vor überlangen Arbeitszeiten zu schützen und die Einhaltung ihrer Ruhezeiten zu garantieren. Es gibt umfassende und belastbare Belege dafür, dass sich lange Arbeitszeiten, ausgefallene Mindestruhezeiten und untypische Arbeitszeiten nachteilig auf die Gesundheit und Sicherheit der betroffenen Arbeitnehmer selbst und der Allgemeinheit auswirken. Auch die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben kann insbesondere durch unregelmäßige oder ungewöhnliche Arbeitszeiten beeinträchtigt werden. Insbesondere die Wechselwirkung mehrerer Faktoren wie etwa lange Arbeitszeiten und Schichtarbeit kann ernste Auswirkungen auf Gesundheit und Sicherheit haben.

    Dies gilt besonders für das Gesundheitswesen. Einerseits muss die Sicherheit der Patienten gewährleistet sein. Es ist somit dafür zu sorgen, dass die fachliche Kompetenz und Urteilsfähigkeit der Beschäftigten von Gesundheits- und Notdiensten nicht durch Erschöpfung und Stress infolge langer Arbeitszeiten beeinträchtigt werden. Andererseits gibt es im Gesundheitswesen schon jetzt einen Fachkräftemangel, der sich in Zukunft noch verschärfen wird, wenn keine geeigneten Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Will man Fachkräfte für das Gesundheitswesen gewinnen und halten, so muss man ihnen attraktivere Arbeitsbedingungen bieten. Vernünftige Arbeitszeiten und die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben spielen dabei eine entscheidende Rolle.

    Im Vergleich dazu lässt sich weniger gut belegen, wie sich die Richtlinie auf die Wirtschaft und die Unternehmen auswirkt, eine Frage, die bei der gegenwärtigen Situation der Arbeitsmärkte nicht vernachlässigt werden sollte. Vermutlich liegt es daran, dass sich die Wirtschaftsteilnehmer schon vor langer Zeit auf die Arbeitszeitbestimmungen eingestellt haben.

    Umfragen zeigen, dass sich die Unternehmen darum sorgen, welche Auswirkungen Arbeitszeitregelungen auf die Wettbewerbsfähigkeit und die Fähigkeit, auf saisonale und andere Schwankungen zu reagieren, haben können, dies insbesondere angesichts der Schwierigkeiten bei der Einstellung von Personal in Spitzenzeiten. Deshalb halten sie es für notwendig, auf Flexibilitätsmodelle zurückzugreifen, die etwa eine Mittelung der Arbeitszeit vorsehen (meist über Zeiträume von bis zu 4 Monaten, aber auch für mehr als 12 Monate). In den meisten Stellungnahmen wird eine Ausdehnung dieser Zeiträume befürwortet. Nur in wenigen Unternehmen gibt es Bereitschaftsdienste am Arbeitsplatz; allerdings würde die volle Berücksichtigung von Bereitschaftszeiten als Arbeitszeit denjenigen Unternehmen, die darauf zurückgreifen, Probleme bereiten.

    Unternehmen in Ländern, die in irgendeiner Form von der Opt-out-Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, wollen, dass es dabei bleibt. Nicht unerheblich ist der Anteil der Unternehmen, in denen es Arbeitnehmer gibt, die mehr als 48 Stunden arbeiten; damit reagieren die Unternehmen insbesondere auf saisonale Schwankungen oder gewährleisten einen Dauerbetrieb außerhalb der normalen Arbeitszeiten. Überraschend ist, dass nur wenige Unternehmen ihre Arbeitnehmer tatsächlich um eine entsprechende schriftliche Einwilligung bitten, was auf eine unzureichende Kenntnis und Einhaltung der einschlägigen Rechtsvorschriften schließen lässt.

    Im öffentlichen Dienst (Gesundheit, Heime, Feuerwehr und Polizei) haben Haushaltsengpässe, die steigende Nachfrage nach Dienstleistungen und der weltweite Fachkräftemangel die Arbeitgeber dazu veranlasst, nach Möglichkeiten der Umgehung der Richtlinienbestimmungen über Bereitschaftsdienste und Ausgleichsruhezeiten zu suchen.

    Der derzeitige Rechtsrahmen wird generell als arbeitnehmerfreundlich gesehen, da er die Arbeitnehmer in die Lage versetzt, auf Märkten, auf denen das Angebot an qualifiziertem Personal dem steigenden Bedarf nicht gerecht wird, bessere Arbeitsbedingungen und Gehälter auszuhandeln oder zu erhalten. In manchen Fällen kann das Fehlen einer Opt-out-Möglichkeit jedoch auch zu Einkommenseinbußen führen. Außerdem können dadurch Effizienzsteigerungen und Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit des Arbeits- und Privatlebens der Arbeitnehmer sowie der Qualität der Leistungen für die Bürger veranlasst werden.

    Die Opt-out-Möglichkeit wird in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Sektor genutzt, vor allem dort, wo eine kontinuierliche Versorgung notwendig ist oder aufgrund der Wettbewerbsbedingungen ein entsprechender Bedarf besteht. Die Opt-out-Möglichkeit wird nicht als „einfache Lösung“ zur Umgehung der Anforderungen der Richtlinie gesehen, sondern ist speziell im öffentlichen Sektor zum Einsatz gekommen, um bestimmten Tätigkeiten, knappen Ressourcen und speziellen Formen atypischer Arbeit Rechnung zu tragen. Es gibt auch Hinweise darauf, dass sie genutzt wird, um in kritischen Zeiten einem drohenden Personalmangel vorzubeugen.

    5. OPTIONEN FÜR DIE ÜBERARBEITUNG

    Die zentralen Bestimmungen der Arbeitszeitrichtlinie sind auch in der EU-Grundrechtecharta enthalten, wo es im Artikel 31 Absatz 2 heißt:

    „ Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub.“

    Überdies hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass die Richtlinienbestimmungen über die Höchstdauer der Arbeit, den bezahlten Jahresurlaub und die Mindestruhezeit „besonders wichtige Regeln des Sozialrechts der Gemeinschaft sind, die jedem Arbeitnehmer […] zugute kommen müssen“ [21].

    Die Kommission misst diesen Erwägungen das entsprechende Gewicht bei.[22] Auch die große Mehrheit der Sozialpartner in der EU spricht sich für die Beibehaltung von Mindestvorschriften auf EU-Ebene aus und erkennt an, dass sie sowohl in sozialer wie auch in wirtschaftlicher Hinsicht nützlich sind. In keiner der Antworten wurden radikale Änderungen am gegenwärtigen Rechtsrahmen gefordert, auch wenn viele eine größere Flexibilität bei seiner Anwendung vorschlugen.

    Deshalb wird die Kommission die Option, gemeinsame Mindestanforderungen auf EU-Ebene zugunsten einer Arbeitszeitregelung auf lokaler und/oder nationaler Ebene aufzugeben, nicht weiterverfolgen.

    Wie die Antworten der EU-Sozialpartner zeigen, besteht ein breiter Konsens darüber, dass Änderungen an der gegenwärtigen Arbeitszeitregelung dringend notwendig sind. Die Kommission ist der gleichen Auffassung, und sie hat dies in der Mitteilung zur ersten Phase der Anhörung und im Bericht über die Durchführung der Richtlinie zum Ausdruck gebracht.

    Deshalb wird die Kommission auch die Option einer Beibehaltung des Status quo nicht weiterverfolgen.

    Ein hohes Maß an Konsens besteht ebenfalls darüber, dass die EU-Arbeitszeitregelung den betroffenen Sozialpartnern mehr Flexibilität für Verhandlungen über die Einzelheiten der Durchführung auf der entsprechenden Ebene einräumen sollte. In einigen Antworten wird auch die Auffassung vertreten, dass die Arbeitszeitregelung auf EU-Ebene klarer und einfacher sein und in einer Weise durchgesetzt werden sollte, dass wichtigen Gesundheits- und Sicherheitsbedenken wirksamer Rechnung getragen wird, dabei aber unnötige Verwaltungslasten vermieden werden (insbesondere für KMU)[23] und die Wettbewerbsfähigkeit verbessert wird.

    Auseinander gehen die Meinungen der EU-Sozialpartner allerdings immer noch darin, aufgrund welcher Hauptfaktoren darüber entschieden werden sollte, welche Änderungen an der Arbeitszeitregelung vorzunehmen sind. Daher war es nicht möglich, einen Konsens in der Frage zu finden, welche Punkte bei der Überarbeitung vorrangig behandelt werden sollten oder was der Inhalt einer künftigen geänderten Richtlinie sein sollte.

    Die Kommission muss sich daher nun zwei Hauptoptionen zuwenden: einerseits einer auf bestimmte Punkte ausgerichteten Überarbeitung (5.1) und andererseits einer umfassenderen Reihe von Änderungen (5.2) zu denjenigen Punkten, die von den Sozialpartnern in ihren Antworten hervorgehoben worden sind.

    5.1 Auf bestimmte Punkte ausgerichtete Überarbeitung

    Die erste Option besteht darin, neue Lösungen hauptsächlich zum Bereitschaftsdienst und zu den Ausgleichsruhezeiten vorzuschlagen und damit die Schwierigkeiten bei der Umsetzung der SIMAP-Jaeger-Rechtsprechung[24] anzugehen, auf die viele Interessenträger hingewiesen haben. Aus den Antworten wird deutlich, dass diese beiden Fragen in denjenigen Bereichen des öffentlichen Dienstes als besonders wichtig angesehen werden, die die Kontinuität des Dienstes rund um die Uhr gewährleisten müssen (z. B. Gesundheitseinrichtungen, Betreuungsdienste und Notfalldienste wie Polizei und Feuerwehr). Es steht auch außer Zweifel, dass hier die Ursache einer erheblichen Zahl von Verstößen oder Fällen von Rechtsunsicherheit liegt.[25]

    Die Lösungen, die die Sozialpartnerorganisationen, öffentlichen Einrichtungen und Mitgliedstaaten jeweils als wünschenswert bezeichnen, unterscheiden sich bis zu einem gewissen Grad voneinander. Anzustreben wäre ein angemessener EU-Rechtsrahmen, auf dessen Grundlage lokale oder branchenbezogene Lösungen ausgehandelt werden könnten, unter gleichzeitiger Gewährleistung von Arbeitnehmerschutz, Gesundheit und Sicherheit der Nutzer und hoher Qualität der Dienstleistungen. Angesichts des gehäuften Vorkommens von Bereitschaftsdienst (im Sinne der in den Gerichtsurteilen verwendeten Definition) in bestimmten Branchen wäre für die Kommission auch eine Lösung durch Branchenverhandlungen auf europäischer Ebene denkbar. Darüber müssten allerdings die Sozialpartner selbst entscheiden.

    i) Bereitschaftsdienst

    Ein erster Schritt hin zu einer ausgewogenen Lösung für den Umgang mit dem Bereitschaftsdienst könnte die Anerkennung des Grundsatzes sein, dass jeglicher Bereitschaftsdienst, bei dem die Arbeitnehmer dem Arbeitgeber am Arbeitsplatz zur Verfügung stehen müssen, um erforderlichenfalls ihre Leistungen zu erbringen, für die Zwecke der Richtlinie als Arbeitszeit zu gelten hat und nicht als Ruhezeit angesehen werden kann.[26] Damit würden die in der SIMAP-Jaeger-Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze gewahrt. Allerdings wird auch vorgeschlagen, eine auf diejenigen Branchen begrenzte Ausnahmeregelung einzuführen, in denen die Kontinuität des Dienstes sichergestellt werden muss; diese Ausnahmeregelung könnte eine unterschiedliche Anrechnung des Bereitschaftsdienstes ermöglichen (d. h. nicht immer auf einer Stunde-für-Stunde-Basis: Grundsatz der „Gleichwertigkeit“), bei Einhaltung einer bestimmten wöchentlichen Höchstgrenze und unter der Voraussetzung eines angemessenen Schutzes der betroffenen Arbeitnehmer.

    Durch eine solche Lösung würde dem je nach Branche, Tätigkeit und Mitgliedstaat sehr unterschiedlichen Aktivitätsgrad während des Bereitschaftsdienstes Rechnung getragen. Damit würde den Sozialpartnern die Flexibilität eingeräumt, die sie benötigen, um Lösungen auf lokaler oder sektoraler Ebene zu finden und die geeignetste Form der Anrechnung der Bereitschaftsdienstzeiten zu ermitteln. Zwar bedeutete dies eine Abweichung von der Auslegung des Gerichtshof in der Rechtssache Dellas[27], aber es wäre nicht notwendig, eine neue Unterscheidung zwischen „aktiven“ und „inaktiven“ Zeiten während des Bereitschaftsdienstes einzuführen.

    Für nicht am Arbeitsplatz geleisteten Bereitschaftsdienst bliebe die SIMAP-Rechtsprechung[28] maßgeblich: Nur die Zeit, in der der Arbeitnehmer tatsächlich zur Erbringung einer Arbeitsleistung abgerufen wird, wäre als Arbeitszeit zu berechnen, wobei für die Zeit der Rufbereitschaft zu Hause arbeitnehmerfreundlichere Regelungen im Rahmen innerstaatlicher Gesetze oder von Tarifverträgen möglich wären.

    Ob die oben vorgeschlagene Ausnahme vom Gleichwertigkeitsgrundsatz anzuwenden wäre auf besondere Situationen, in denen der Arbeitnehmer seine Wohnung im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses an der Arbeitsstätte hat und damit für gelegentlichen Abruf zur Verfügung steht[29], müsste für sich geklärt werden.

    ii) Ausgleichsruhezeiten

    Es müssten neue Bestimmungen eingeführt werden, um den Zeitpunkt der täglichen oder wöchentlichen Ausgleichsruhezeiten zu klären. In der Rechtssache Jaeger entschied der Gerichtshof, dass bei Kürzung der täglichen Ruhezeit die Ausgleichsruhezeiten im unmittelbaren Anschluss an die verlängerte Schicht und auf jeden Fall vor Beginn der nächsten Arbeitsperiode gewährt werden müssen („sofortige Ausgleichsruhezeit“). Bei Kürzung der wöchentlichen Ruhezeit ist die Rechtslage nicht so eindeutig.

    In vielen Antworten wird mehr Flexibilität für die Bestimmung des Zeitpunkts der Ausgleichsruhezeiten gefordert. Neue Forschungen bestätigen allerdings, dass die Verschiebung täglicher oder wöchentlicher Ruhezeiten schwerwiegende Auswirkungen auf Gesundheit und Sicherheit haben kann. Es ist zwar anzuerkennen, dass für eine Reihe konkreter Situationen mehr Flexibilität erforderlich ist. Doch sollte sie sorgfältig auf diejenigen Situationen beschränkt werden, in denen sie aus objektiven Gründen notwendig ist, und von generellen Maßnahmen zum Schutz von Gesundheit und Sicherheit der betroffenen Arbeitnehmer abhängig gemacht werden.

    Der Gerichtshof hat kürzlich entschieden[30], dass es bei Tätigkeiten mit Ausnahmecharakter, bei denen für eine Betreuung über einen begrenzten Zeitraum ein besonderes Vertrauensverhältnis zu bestimmten Personen erforderlich ist, objektiv unmöglich sein kann, den normalen regelmäßigen Wechsel von Arbeitsperioden und täglichen Ruhezeiten zu gewährleisten. Es wird allerdings betont, dass solche Ausnahmen davon abhängen, dass die betroffenen Arbeitnehmer einen angemessenen anderen Schutz erhalten, der ausreichende Ruhe und Erholung sicherstellt.

    Die Frage, ob die wöchentliche Ruhezeit normalerweise am Sonntag und nicht an einem anderen Wochentag gewährt werden sollte, ist sehr komplex; zu berücksichtigen sind dabei die Auswirkungen auf Gesundheit und Sicherheit und auf die Work-Life-Balance sowie Aspekte gesellschaftlicher, religiöser und pädagogischer Art. Daraus ergibt sich aber nicht zwangsläufig, dass diese Angelegenheit vom EU-Gesetzgeber geregelt werden muss: Angesichts der anderen auftretenden Fragen scheint das Subsidiaritätsprinzip anwendbar zu sein.

    5.2 Umfassende Überarbeitung

    Die zweite Option besteht darin, nicht nur die Problemfälle Bereitschaftsdienst und Ausgleichsruhezeiten anzugehen, sondern eine umfassendere Reihe von Änderungen vorzuschlagen. Bei dieser Option könnten die oben beschriebenen Veränderungen bei den Arbeitsformen und die entsprechenden Trends umfassender berücksichtigt und die Gesundheits- und Sicherheitsfragen, die durch überlange Arbeitszeiten entstehen, stärker ganzheitlich betrachtet werden. Außerdem sprachen sich viele Sozialpartner dafür aus, dass darüber hinaus eine Reihe weiterer Punkte behandelt werden sollten.

    i) Größere Flexibilität im Hinblick auf neue Arbeitsformen

    Die EU-Vorschriften sollten dem fortdauernden Trend zu flexibleren Formen der Arbeitsorganisation und individueller gestalteten Arbeitszeiten Rechnung tragen. Angestrebt wird eine zielführende und nachhaltige Flexibilität bei der Arbeitszeitregelung, durch die die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert werden und gleichzeitig ein wirksamerer Schutz vor Gesundheits- und Sicherheitsrisiken gewährleistet wird.

    Die folgenden detaillierten Optionen, die die Personen mit selbständiger Entscheidungsbefugnis, die Work-Life-Balance und die Mehrfachverträge betreffen, beruhen hauptsächlich auf den Kommentaren der Sozialpartner zu diesen Aspekten.

    Folgende Änderungen könnten darüber hinaus in Betracht gezogen werden, vorausgesetzt, es wird gegebenenfalls für einen angemessenen Schutz von Gesundheit und Sicherheit gesorgt:

    - zusätzlicher Spielraum für tarifvertragliche Arbeitszeitregelungen, sofern bestimmte wesentliche Voraussetzungen erfüllt sind;

    - Ausnahmeregelungen, die in bestimmten Fällen eine von den Sozialpartnern vereinbarte Verlängerung des Bezugszeitraums über 12 Monate hinaus erlauben;

    - gesetzliche Ausdehnung des Bezugszeitraums für die Berechnung der durchschnittlichen Arbeitszeit auf einen Zeitraum von 12 Monaten – nach Konsultation der Sozialpartner auf der entsprechenden Ebene – in denjenigen Wirtschaftszweigen oder Mitgliedstaaten, in denen die „Opt-out“-Möglichkeit nicht genutzt wird, als Teil eines ausgewogenen Pakets neben anderen unten dargelegten Optionen.

    ii) Work-Life-Balance im Hinblick auf neue demografische Gegebenheiten

    Die Arbeitswelt durchläuft tiefgreifende Veränderungen, die zurückzuführen sind auf die wachsende Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen und älteren Menschen, auf die Tatsache, dass heute häufig beide Ehepartner arbeiten, manchmal zu unterschiedlichen Zeiten und an verschiedenen Tagen, und auf die Probleme bei der Betreuung von Kindern und alten Menschen. Die rasche und verbreitete Zunahme der Nutzung gleitender Arbeitszeit zeigt den großen Bedarf an ausgewogeneren Lösungen und die steigende Individualisierung der Lebensstile von Arbeitnehmern aller Altersgruppen. Durch eine Flexibilisierung der Arbeitszeitregelung könnten die Mitgliedstaaten leichter das für 2020 anvisierte Ziel erreichen, die Erwerbsbeteiligung auf 75 % (von derzeit 69 %) zu erhöhen, insbesondere durch weitere Steigerung der Beteiligung von Frauen und älteren Arbeitnehmern.

    Die Richtlinie enthält derzeit keine Bestimmungen darüber, wie die Arbeitnehmer vom Arbeitgeber über geplante Änderungen der allgemeinen Arbeitszeitplanung zu unterrichten oder wie Änderungen der individuellen Arbeitszeitplanung zu beantragen sind. Es gibt Hinweise, dass dadurch schwerwiegende Probleme für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und für die allgemeine Work-Life-Balance entstehen.

    Es sollte erwogen werden, folgende Aspekte in die Richtlinie aufzunehmen:

    - Ermutigung der Sozialpartner, auf angemessener Ebene und unbeschadet ihrer Autonomie Vereinbarungen abzuschließen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern;

    - eine Bestimmung, wonach die Mitgliedstaaten in Abstimmung mit den Sozialpartnern dafür sorgen, dass die Arbeitgeber die Arbeitnehmer frühzeitig über wesentliche Änderungen der Arbeitszeitplanung unterrichten;

    - eine Bestimmung, wonach die Arbeitgeber die Anträge von Arbeitnehmern auf Änderung ihrer Arbeitszeiten und Arbeitszeitmuster unter Berücksichtigung des beidseitigen Flexibilitätsbedarfs prüfen und die Ablehnung eines solchen Antrags begründen müssen.

    iii) Personen mit selbständiger Entscheidungsbefugnis

    Bei bestimmten Arbeitnehmern, die ihre Arbeitszeit selbst festlegen können oder deren Arbeitszeit nicht im Voraus festgelegt ist, können die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 17 Absatz 1 der Richtlinie von der Höchstarbeitszeit von 48 Stunden, den Ruhezeiten und anderen Bestimmungen abweichen. Diese Abweichung muss aber klarer definiert werden, damit einerseits den sich verändernden Arbeitsformen, die ein relativ selbständiges Arbeiten ermöglichen, Rechnung getragen, andererseits auch Missbrauch vermieden werden kann.

    In einer überarbeiteten Definition sollte bestimmt werden, dass diese Abweichung nur für Führungskräfte im öffentlichen oder privaten Sektor und sonstige Arbeitnehmer gilt, die eine echte, effektive selbständige Entscheidungsbefugnis sowohl über die Länge als auch über die Organisation ihrer Arbeitszeit haben.

    iv) Mehrfachverträge

    In der EU ist eine nicht unbedeutende Minderheit der Arbeitnehmer mit mehreren nebeneinander bestehenden Verträgen bei verschiedenen oder zuweilen auch bei ein und demselben Arbeitgeber beschäftigt. Es muss deutlicher gemacht werden, dass die Höchstarbeitszeit der Richtlinie in solchen Situationen je Arbeitnehmer gilt. Die Kommission hat bereits erklärt, dass die Richtlinie so weit wie möglich je Arbeitnehmer gelten muss, da ja ihr Ziel der Schutz von Gesundheit und Sicherheit ist. Die Durchsetzung kann allerdings problematisch sein, wenn der Arbeitgeber nicht über den anderen Arbeitsplatz/die anderen Arbeitsplätze seiner Beschäftigten informiert ist. Ein erster Schritt könnte darin bestehen, zu klären, dass die Mitgliedstaaten für den Fall eines Arbeitnehmers, der mehr als einen Arbeitsvertrag mit dem gleichen Arbeitgeber hat, wirksame Mechanismen zur Durchsetzung der Richtlinie je Arbeitnehmer einführen sollten. Angemessene Überwachungs- und Durchsetzungsmechanismen sind komplizierter zu realisieren, wenn nebeneinander mehrere Verträge mit verschiedenen Arbeitgebern bestehen. Dies könnte ein Thema für den Austausch bewährter Verfahren gemäß Nummer ix sein.

    v) Anwendungsbereich der Richtlinie und branchenspezifische Probleme

    Eine in mehreren Antworten vorgebrachte Option besteht darin, bestimmte Gruppen aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie herauszunehmen (z. B. die Angehörigen der Streitkräfte oder der freiwilligen Feuerwehr). Dies dürfte aber im Widerspruch zur Charta stehen, die sich auf „jede Arbeitnehmerin und jeden Arbeitnehmer“ bezieht, ebenso zu dem in mehreren Urteilen des Gerichtshofs festgestellten Grundprinzip, dass die Richtlinie grundlegende soziale Rechte jedes „Arbeitnehmers“ schützt.[31] Der Gerichtshof hat vor kurzem festgestellt[32], dass der Begriff „Arbeitnehmer“ für die Zwecke der Anwendung der Richtlinie eine eigenständige unionsrechtliche Bedeutung hat und sich auf ein anhand objektiver Kriterien definiertes Arbeitsverhältnis bezieht, auch wenn die Anwendung des Begriffs in besonderen Fällen von den einzelstaatlichen Gerichten zu klären ist.

    Zwar sollten also alle Arbeitnehmer, die in einem nach objektiven Kriterien definierten Arbeitsverhältnis stehen, in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, aber besondere Gruppen, etwa Angehörige der freiwilligen Feuerwehr, auf die allgemeine Regeln schwer anwendbar oder bei denen sie schwer durchsetzbar sind, müssen getrennt betrachtet werden. In manchen Mitgliedstaaten gelten sie nach innerstaatlichem Recht als Arbeitnehmer, in anderen jedoch nicht.

    Die spezifische Situation bestimmter mobiler Arbeitnehmer im Straßentransport könnte ebenfalls besondere Aufmerksamkeit verdienen. Einige Richtlinienbestimmungen über Ruhezeiten und Nacharbeit gelten für diese Arbeitnehmer nicht[33], und sie fallen auch nicht unter die für die Branche geltende Richtlinie 2002/15/EG. Es könnte erwogen werden, für alle im Straßentransport Beschäftigten unabhängig von der Art des von ihnen geführten Fahrzeugs eine stärkere Harmonisierung der Arbeitszeitregelung einzuführen, bei der die besonderen Anforderungen hinsichtlich Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen sowie täglicher und wöchentlicher Ruhezeiten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 berücksichtigt werden.

    vi) Opt-out

    Die Frage, ob das Opt-out beibehalten werden soll, ist sehr umstritten. Sie war der Hauptgrund für das Scheitern der Vermittlung zwischen den gesetzgebenden Organen im Jahr 2009. Gewerkschaften und Arbeitgeber sehen die Sache unterschiedlich. Daher sollte die Kommission der Angelegenheit besondere Aufmerksamkeit widmen und dabei die neuesten Erkenntnisse über die Nutzung des Opt-out in der Praxis berücksichtigen; es zeigt sich nämlich, dass es immer stärker und verbreiteter genutzt wird, insbesondere in Verbindung mit dem Bereitschaftsdienst, allerdings mit sehr unterschiedlichen Schutz- und Kontrollstandards.[34]

    Es muss hier betont werden, dass von den 27 Mitgliedstaaten derzeit 16 das Opt-out nutzen, wobei es 11 unter ihnen nur in Branchen oder bei Tätigkeiten mit einem hohen Maß an Bereitschaftsdienst zulassen[35]. Es erscheint nicht realistisch, von all diesen Mitgliedstaaten zu verlangen, diese Ausnahmeregelung nicht mehr zu nutzen, wenn nicht für machbare Alternativlösungen gesorgt wird. Klar ist, dass die künftige Nutzung des Opt-out in Verbindung mit dem Bereitschaftsdienst davon abhängen wird, wie der öffentliche Dienst die mit dieser Überarbeitung eingeführten Veränderungen hinsichtlich Bereitschaftsdienst und Ausgleichsruhezeiten aufnehmen wird. Andere Flexibilitätsmöglichkeiten, die mit der Überarbeitung der Richtlinie eingeführt werden, könnten von einer umfassenderen Nutzung des Opt-out abhalten, etwa die Ausdehnung des Bezugszeitraums für die Berechnung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit.

    Daher ist es sinnvoller, die Notwendigkeit der Nutzung des Opt-out durch eine zielführende Flexibilisierung langfristig zu verringern, als die Debatte über eine Abschaffung des Opt-out neu aufzurollen, die kaum zu einem Konsens zwischen den Sozialpartnern oder den Mitgesetzgebern führen dürfte. Es sei daran erinnert, dass die Zahl der Arbeitnehmer in der EU, die mehr als 48 Stunden arbeiten – derzeit sind es 9 % der Arbeitskräfte –, weiter sinkt, auch wenn die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten nach wie vor erheblich sind, und nicht nur auf die Nutzung des Opt-out zurückzuführen ist, sondern auch von anderen Faktoren (insbesondere den Mehrfachverträgen) abhängt.

    Außerdem könnte der Schutz der Arbeitnehmer, die dem Opt-out zugestimmt haben, verstärkt werden, indem eine wirksame Kontrolle überlanger Arbeitszeiten sichergestellt[36], der Druck vonseiten der Arbeitgeber verringert und außerdem gewährleistet wird, dass die notwendige Zustimmung des einzelnen Arbeitnehmers freiwillig erfolgt und er gut über die Sachlage informiert ist. In der Richtlinie sollte auch ein Mechanismus für eine wirksame regelmäßige Überprüfung des Opt-out vorgesehen werden.

    vii) Bezahlter Jahresurlaub

    In den Antworten wird auf Schwierigkeiten mit einem Aspekt im Zusammenhang mit dem bezahlten Jahresurlaub hingewiesen, die sich aus den Urteilen in den Rechtssachen Schultz-Hoff und Stringer[37] ergeben; danach hat ein Arbeitnehmer, der aus Gründen abwesend ist, die unabhängig von seinem Willen bestehen (z. B. Krankheit), für diesen Zeitraum dennoch Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub. Es sollte beachtet werden, dass der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit und die Lohnsätze während einer solchen Abwesenheit vom einzelstaatlichen Gesetzgeber zu regeln sind und nicht unter die Richtlinie fallen.

    Das Kernproblem scheint in einem Mangel an Klarheit in der Frage zu bestehen, ob ein Arbeitnehmer bei langfristiger krankheitsbedingter Abwesenheit Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub über Jahre ansammeln könnte. Dadurch entstünden für die Arbeitgeber unvorhersehbare und möglicherweise erhebliche Kosten, was die unbeabsichtigte Wirkung haben könnte, die Arbeitgeber zu veranlassen, das Beschäftigungsverhältnis mit langzeitkranken Arbeitnehmern zu beenden, ehe klar ist, ob sie nach ihrer Genesung die Arbeit wieder aufnehmen können. Darüber hinaus dürfte eine unbegrenzte Ansammlung von Jahresurlaub über das hinausgehen, was notwendig ist, um die Ziele der Richtlinie umzusetzen.

    Die beste Lösung scheint eine Änderung zu sein, durch die deutlich wird, dass die Mitgliedstaaten eine angemessene Höchstgrenze für das Ansammeln von bezahltem Jahresurlaub über aufeinanderfolgende Jahre festsetzen können, sobald die Wochenzahl überschritten wird, die erforderlich ist, um das mit der Richtlinie angestrebte Mindestmaß an Ruhe und Erholung zu erreichen[38].

    viii) Bessere Rechtsetzung

    Durch die oben genannten Vorschläge würde die Kodifizierung einer Reihe wichtiger Gerichtshofsurteile und die Klärung mehrerer Punkte erreicht, bei denen Unsicherheit besteht, so dass eine klarere, einfachere, transparentere und leichter umsetzbare Regelung entstünde.

    Der derzeitige Richtlinientext ist schwer zu lesen und verwirrend aufgebaut, und außerdem umfasst die Richtlinie eine Reihe inzwischen obsoleter Bestimmungen. Insbesondere enthält sie mehrere sich überschneidende Abweichungen und (beispielsweise zu den Bezugszeiträumen) Doppelungen und Wiederholungen. Dennoch sollte bei jeglicher Form der Überarbeitung mit besonderer Sorgfalt und Zurückhaltung vorgegangen werden, um sicherzustellen, dass materielles Recht unangetastet bleibt und jegliche Gefahr einer Unsicherheit vermieden wird.

    ix) Durchsetzungs- und Kooperationsmaßnahmen

    In mehreren Antworten wurden Bedenken hinsichtlich der wirksamen Durchsetzung der zentralen Arbeitszeitnormen zum Ausdruck gebracht, Bedenken, die sich auch im Durchführungsbericht der Kommission finden.

    Dies ist ein wichtiger Aspekt. Die Kommission ist bereit, diesbezüglich eine bessere Zusammenarbeit und den Austausch bewährter Verfahren zwischen den einzelstaatlichen Behörden und zwischen den Sozialpartnern zu unterstützen[39], beispielsweise durch Einsetzung eines Sachverständigenausschusses, der sich auf EU-Ebene mit dem Thema Arbeitszeit befasst.

    6. Nächste Schritte

    Eine überarbeitete Arbeitszeitrichtlinie wird dazu beitragen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern sowie Unternehmen und Beschäftigte mit der nötigen Flexibilität auszustatten, damit sie an den Arbeitsplätzen innovative und ausgewogene Lösungen realisieren können. Weitere legislative Maßnahmen sind erforderlich, damit die EU-Vorschriften unter Wahrung ihres Ziels, Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer zu schützen, an die sich wandelnde Arbeitszeitgestaltung angepasst und damit kritische Auslegungsfragen geklärt werden können.

    Die Kommission wird die Ergebnisse der Anhörung in ihrem künftigen Handeln zur Überarbeitung der Richtlinie berücksichtigen. Insbesondere kann sie diese Arbeit einstellen, falls die Sozialpartner beschließen, untereinander ausreichend umfassende Verhandlungen aufzunehmen. Ansonsten wird sie ihre Arbeit fortsetzen, um einen Änderungsrechtsakt annehmen zu können, der durch eine gleichzeitig zu veröffentlichende detaillierte Folgenabschätzung zur Berücksichtigung der wirtschaftlichen und sozialen Aspekte ergänzt wird.

    Gleichzeitig wird die Kommission auch weiterhin die ihr zur Verfügung stehenden Rechtsinstrumente nutzen, um in mehreren Fällen korrigierend einzugreifen, wenn die Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen nach geltendem EU-Recht nicht nachkommen, besonders bei überlangen Arbeitszeiten mit offensichtlichen negativen Auswirkungen auf die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer.

    7. FRAGEN AN DIE SOZIALPARTNER

    Die Kommission möchte daher den Standpunkt der Sozialpartner zu folgenden Fragen einholen:

    1. Sollten sich die Änderungen an der EU-Arbeitszeitregelung auf die Themen Bereitschaftsdienst und Ausgleichsruhezeiten beschränken, oder sollten sie eine größere Zahl von Punkten betreffen, beispielsweise einige oder alle der in Abschnitt 5.2 aufgeführten?

    2. Sind Sie, unter Beachtung des Artikels 153 AEUV, der Auffassung, dass:

    a) die im Abschnitt 5.1 (Bereitschaftsdienst und Ausgleichsruhezeiten) dargelegten Optionen,

    b) einige oder alle im Abschnitt 5.2 (andere von den Sozialpartnern und in der laufenden Überarbeitung angesprochene Punkte) dargelegten Optionen

    zu einem annehmbaren Gesamtrahmen führen könnten, durch den die in Ihrer Antwort auf die erste Anhörungsphase zum Ausdruck gebrachten Bedenken ausgeräumt werden könnten?

    3. Sind die EU-Sozialpartner, entweder branchenübergreifend oder auf Branchenebene, bereit, Verhandlungen über alle oder einen Teil der in dieser Mitteilung dargelegten Punkte aufzunehmen, um zu einer Vereinbarung zu gelangen, die eine Änderung der Richtlinie unter Nutzung der von Artikel 155 AEUV gebotenen Möglichkeiten zuließe?

    [1] Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 299 vom 18.11.2003, S. 9).

    [2] KOM(2010) 106 vom 24.3.2010.

    [3] Ursprünglicher Vorschlag KOM(2004) 607; geänderter Vorschlag KOM(2005) 246.

    [4] Siehe die von der GD EMPL in Auftrag gegebene Deloitte-Studie (2010): „Study to support an impact assessment on further action at European level regarding Directive 2003/88/EC and the evolution of working time organization“. Siehe auch: „Comparative analysis of working time in the European Union“, Eurofound, 2010; „Fifth Working Conditions Survey“, Eurofound, 2010; „In-depth study on health and safety aspects of working time – effects of working hours on safety, health and work-life balance“, „Flexible working time arrangements and gender equality – A comparative review of thirty European countries“, J. Plantenga und Ch. Remery, 2010. Um diese Anhörung zu erleichtern, hat die Kommission Links zum Volltext aller genannten Studien auf ihre Website gesetzt.

    [5] SEK(2010) 1610 enthält einen detaillierteren Überblick über die eingegangenen Stellungnahmen.

    [6] Verbundene Rechtssachen Schultz-Hoff und Stringer , C-350/06 und C-520/06.

    [7] Siehe Fußnote 4.

    [8] 36,4 Stunden in der EG-12 im Jahr 2010.

    [9] Eurostat-Arbeitskräfteerhebung.

    [10] Siehe die Deloitte-Studie.

    [11] Siehe die 5. Eurofound-Erhebung sowie Plantenga und Remery (2010).

    [12] Ibidem.

    [13] Ergebnisse des WORKS-Projekts, von dem in der Deloitte-Studie die Rede ist.

    [14] Die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie stellt für 18 % der Arbeitnehmer nach wie vor ein großes Problem dar, vor allem für diejenigen, die Schicht, auf Abruf oder mehr als 48 Stunden pro Woche arbeiten. Rund zwei Drittel der Arbeitnehmer, die Wochenend- oder Nachtarbeit leisten, betrachten dies als vorteilhaft für ihr Privatleben, eine erhebliche Minderheit jedoch nicht (EUROSTAT 2004).

    [15] Ebenso lässt sich argumentieren, dass sich die Konzentration von Teilzeitarbeitnehmern in Branchen mit schlechter Bezahlung sowie wenig Aufstiegs- und Fortbildungsmöglichkeiten negativ auf die Gleichstellung von Frauen und Männern auswirken kann. Siehe J. Plantenga u. a. (2010), Fußnote 4.

    [16] Rund 4,5 Millionen Arbeitnehmer in der EU im Jahr 2002 (Durchführungsbericht, EU-Rahmenvereinbarung über Telearbeit).

    [17] Siehe 5. Eurofound-Erhebung.

    [18] Arbeitskräfteerhebung 2009.

    [19] Siehe Deloitte-Studie.

    [20] Siehe Deloitte-Studie, Fußnote 4.

    [21] Dellas , Rechtssache C-14/04; FNV, Rechtssache C-124/05; Isère , Rechtssache C-428/09.

    [22] Siehe KOM(2010) 573 zur Charta.

    [23] Siehe auch KOM(2010) 543 über intelligente Regulierung in der EU.

    [24] SIMAP, Rechtssache C-303/98; Jaeger, Rechtssache C-151/02.

    [25] KOM(2010) 802, Bericht über die Durchführung der Arbeitszeitrichtlinie; Deloitte Consulting (2010), Study to support an impact assessment regarding Directive 2003/88/EC (siehe Fußnote 4).

    [26] Wie vom Gerichtshof bereits in der Rechtssache Vorel ( C-437/05) entschieden, hat dies keine Auswirkungen auf die Lohnsätze, da diese nicht unter die Richtlinie fallen.

    [27] Dellas , Rechtssache C-14/04.

    [28] SIMAP, Rechtssache C-303/98, Randnr. 50

    [29] Wie beispielsweise bei Hausmeistern, Campingplatzleitern, bestimmten Betreuungskräften und bestimmten Angehörigen der Streitkräfte.

    [30] Isère , C-428/09.

    [31] Siehe Fußnote 21.

    [32] Isère , C-428/09.

    [33] Siehe SEK(2010) 1611, Arbeitsunterlage der Kommissionsdienstellen zum Bericht über die Durchführung der Arbeitszeitrichtlinie, Abschnitt 2.6.1.

    [34] KOM(2010) 802, Bericht über die Durchführung der Arbeitszeitrichtlinie; Deloitte Consulting (2010), Study to support an impact assessment regarding Directive 2003/88/EC (siehe Fußnote 4).

    [35] KOM(2010) 802, Bericht über die Durchführung der Arbeitszeitrichtlinie.

    [36] Es wurde nachgewiesen, dass Artikel 22 Absatz 1 in seiner derzeitigen Fassung weitgehend wirkungslos geblieben ist.

    [37] Siehe Fußnote 6.

    [38] Anhängige Rechtssache KHS, C-214/10 und die Ausführungen der Kommission in dieser Rechtssache.

    [39] Als Beispiele könnten genannt werden: Austausch über die Nutzung der Telearbeit (der bereits zu einer Rahmenvereinbarung der Sozialpartner auf EU-Ebene geführt hat) oder Rahmenvereinbarungen über innovative Arbeitsformen zur Sicherstellung der Kontinuität der Betreuung in öffentlichen Einrichtungen bei gleichzeitiger Gewährleistung guter Arbeitsbedingungen.

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