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Document 52009XX0922(03)

    Abschlussbericht der Anhörungsbeauftragten in der Sache COMP/C-3/37.990 — Intel

    ABl. C 227 vom 22.9.2009, p. 7–12 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    22.9.2009   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 227/7


    Abschlussbericht der Anhörungsbeauftragten in der Sache COMP/C-3/37.990 — Intel (1)

    2009/C 227/06

    Die Rechtssache Intel ist bezüglich der verfahrensrechtlichen Aspekte als ein außergewöhnlich komplexer Fall anzusehen. Der Konflikt zwischen dem Beschwerdeführer Advanced Micro Devices („AMD“) und der Intel Corporation („Intel“) geht weit über den europäischen Rahmen hinaus. Das Verwaltungsverfahren warf bei allen Beteiligten und den Auskunftspflichtigen erhebliche verfahrensrechtliche Fragen auf. Zahlreiche verfahrensrechtliche Aspekte, auf die im Entwurf der Entscheidung eingegangen wird, berührten Kernkompetenzen der Anhörungsbeauftragten und machen es erforderlich, eine Würdigung in diesen Abschlussbericht aufzunehmen.

    Durch das Ausscheiden aus dem Dienst des früheren Anhörungsbeauftragten Serge Durande kam es zum 31. Dezember 2007 zu einem Wechsel in der Person des zuständigen Anhörungsbeauftragen.

    Der Entscheidungsentwurf gibt Anlass zu folgenden Bemerkungen:

    I.   SCHRIFTLICHES VERFAHREN

    1.   Mitteilung der Beschwerdepunkte

    Am 25. Juli 2007 erließ die Kommission die Mitteilung der Beschwerdepunkte. Intel wurde für die Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte eine Frist von 10 Wochen eingeräumt, die am 11. Oktober 2007 ablief. Der Anhörungsbeauftragte gewährte Intel aufgrund eines mit Gründen versehenen Antrags eine Fristverlängerung bis zum 4. Januar 2008, die später bis zum 7. Januar 2009 ausgedehnt worden ist, hauptsächlich wegen damals strittiger Fragen bezüglich des Zugangs zur Akte und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass eine vollständige Analyse der durchschnittlichen vermeidbaren Kosten der Geschäftstätigkeit durch Intel angesichts der komplexen Auswertung ökonomischer Modelle bezüglich der Rabatte in der Mitteilung der Beschwerdepunkte als legitimes Gegenvorbringen Intels zu werten ist (2). Der Anhörungsbeauftragte gelangte zu dem Ergebnis, dass die volle Ausübung der Verteidigungsrechte zu gewähren ist, obwohl es rechtlich — laut Entwurf der Entscheidung — „nicht unverzichtbar“ war (3), anhand einer ökonomischen Analyse nachzuweisen, dass die bedingten Rabatte eine wettbewerbsschädigende Abschottungswirkung haben oder haben können und damit ein Missbrauch gegeben war.

    Intel legte seine Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte fristgerecht vor.

    2.   Ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte

    Am 17. Juli 2008 erließ die Kommission die ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte. Gleichzeitig führte die Kommission die einschlägigen Untersuchungsergebnisse in der Sache COMP/C-3/39.493 dem Verfahren in der Sache COMP/C-3/37.9900 zu und setzte das Verfahren unter der Sache COMP/C-3/37.990 fort.

    Intel wurde für seine Erwiderung auf die ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte eine Frist von acht Wochen eingeräumt. Aufgrund des Antrags von Intel gewährte die Anhörungsbeauftragte mit Schreiben vom 15. September 2008 eine Fristverlängerung bis zum 17. Oktober 2008, im Wesentlichen aufgrund der Komplexität der nunmehr verbundenen Rechtssachen und des Umfanges der bis ins Jahr 1997 zurückreichenden Vorwürfe, die zusätzliche unternehmensinterne Untersuchungen bei Intel erforderten.

    Intel legte seine Erwiderung auf die ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht innerhalb der verlängerten Frist vor. Stattdessen reichte Intel am 10. Oktober 2008 beim Gericht erster Instanz eine Klage ein, die u. a. die Nichtigerklärung der Entscheidung der Anhörungsbeauftragten vom 15. September 2008 über eine Fristverlängerung zum Gegenstand hatte; Intel beantragte zudem den Erlass einstweiliger Anordnungen (4).

    Mit Beschluss vom 27. Januar 2009 wies der Präsident des Gerichts erster Instanz Intels Antrag auf einstweilige Anordnungen mit der Begründung ab, dass die Klage in der Hauptsache prima facie offensichtlich unzulässig sei. Diese Entscheidung beinhaltete die Ablehnung des Antrags von Intel, die am 17. Oktober 2008 abgelaufene Frist für die Beantwortung der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 17. Juli 2008 zu verlängern.

    3.   Tatbestandsschreiben

    Am 19. Dezember 2008 übermittelte die Kommission Intel ein Schreiben, in dem sie Intel auf bestimmte Beweismittel hinwies, die mit den bestehenden Beschwerdepunkten der Kommission in Beziehung stehen und zu denen die Kommission erklärte, dass sie sie in einer möglichen abschließenden Entscheidung verwenden könnte. Die Kommission setzte Intel eine Frist bis 19. Januar 2009 für eine Stellungnahme zu diesen Beweisstücken. Diese Frist wurde von der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission bis zum 23. Januar 2009 verlängert. Das Tatbestandsschreiben enthielt keine wesentliche Änderung der Beweislage, auf die die Kommission ihre gegen Intel in der Mitteilung der Beschwerdepunkte bzw. in der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte erhobenen Vorwürfe gegründet hatte. Intel beantragte eine Fristverlängerung und begründete diese mit angeblich unvollständigen Unterlagen (siehe I.4 d) und seinem laufenden Antrag auf mündliche Anhörung zu verschiedenen Unterlagen (siehe II.2). Die Anhörungsbeauftragte lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 22. Januar 2009 ab.

    4.   Akteneinsicht

    a)   Vorbereitung der Akteneinsicht: Vereinbarungen über die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen (Non-disclosure agreeements)

    Die Unterlagen in dieser Sache sind äußerst umfangreich. Im Zuge der Vorbereitung der Akteneinsicht schlossen mehrere Hersteller von Originalausrüstungen (Original Equipment Manufacturers, im folgenden „OEM“) mit Intel bilaterale Vereinbarungen (Non-disclosure agreements, im folgenden „NDA“) über die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen, die sich lediglich in Detailfragen unterschieden. Manche dieser NDA übertrugen dem Anhörungsbeauftragten die Entscheidungsbefugnis über bestimmte streitige Punkte. Intel verpflichtete sich gesondert dazu, gegenüber der Kommission teilweise auf sein Recht auf Akteneinsicht zu verzichten für den Fall, dass das vom OEM gewährte Einsichtsrecht seine Rechte gemäß der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 (5) einschränken würde, während der jeweilige OEM auf sein Recht zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen und anderen vertraulichen Daten verzichtete, sofern sie unter die bilateralen Vereinbarungen mit Intel fielen. Der Anhörungsbeauftragte war an der Ausarbeitung dieser NDA beteiligt und unterstützte den Abschluss der Vereinbarungen in dieser Sache.

    b)   Vereinbarung über die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen zwischen Dell und AMD

    Vor der mündlichen Anhörung zur Mitteilung der Beschwerdepunkte setzte AMD die Anhörungsbeauftragte davon in Kenntnis, dass es mit Dell eine Vereinbarung über die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen geschlossen habe, der zufolge das Unternehmen Einsicht in die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte verwendeten Aussagen von Dell erhielt. Im Unterschied zu den mit Intel geschlossenen Vereinbarungen über die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen ist eine zwischen Unternehmen, die weder Verteidigungsrechte noch Rechte auf Akteneinsicht genießen, geschlossene Vereinbarung eine rein bilaterale Vereinbarung, die der Kommission weder Rechte gewährt noch Verpflichtungen auferlegt. Entgegen mancher irreführender Darstellung Intels hat die Anhörungsbeauftragte sämtliche von Dell stammenden Angaben in der Mitteilung der Beschwerdepunkte, für die gegenüber dem Beschwerdeführer AMD Vertraulichkeit vereinbart worden war, für den Zweck des gesamten Verwaltungsverfahrens einschließlich der mündlichen Anhörung gegenüber AMD als vertrauliche Informationen behandelt.

    c)   Umfassende Akteneinsicht

    Ungeachtet der oben erwähnten Vereinbarungen über die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen (siehe I.4 a) stellte Intel infolge der Komplexität der Unterlagen und der vielfältigen darin enthaltenen vertraulichen Angaben zahlreiche Anträge auf Akteneinsicht. Um Intel weitestgehende Akteneinsicht zu gewähren, hatte die Anhörungsbeauftragte zahlreiche Unterlagen zu prüfen, die Intel nach eigenen Angaben für eine wirksame Verteidigung benötigte. Unter Berücksichtigung der von Intel vorgetragenen Begründungen wurde einigen Anträgen stattgegeben.

    Intel beanstandete bezüglich einer Zusammenkunft der Kommission mit einem OEM fehlende Akteneinsicht (6). Auf begründeten Antrag Intels prüfte die Anhörungsbeauftragte, ob bezüglich dieser Zusammenkunft schriftliche Unterlagen vorlagen. Die Generaldirektion legte daraufhin eine Aktennotiz vom 29. August 2006 vor, die nach einer diesbezüglichen Entscheidung der Anhörungsbeauftragten erstmals in die Akten aufgenommen wurde. Gleichzeitig entschied die Anhörungsbeauftragte, dass es sich bei der Aktennotiz um eine interne Unterlage im Sinne von Artikel 27 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 und von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 handelte. Grundsätzlich fällt die Frage, ob über diese Zusammenkunft neutrale Aktennotizen oder Vermerke anzufertigen gewesen wären, in den Bereich einer ordnungsgemäßen Verwaltung, und ist damit kein Aspekt, mit dem sich die Anhörungsbeauftragte in ihrem Abschlussbericht beschäftigt.

    Nach Auffassung der Anhörungsbeauftragten wurde Intel vollständige Akteneinsicht gewährt.

    d)   Einsicht in Unterlagen, die nicht Teil der Akte sind

    Wie ausführlich im Entwurf der Entscheidung (7) dargestellt, ersuchte Intel die Kommission mit Schreiben vom 4. September 2008, von AMD eine 81 Dokumentkategorien umfassende Liste anzufordern und an Intel weiterzuleiten, wobei die genannten Dokumente im Zusammenhang mit dem privatrechtlichen Verfahren zwischen Intel und AMD vor dem Federal District Court im Bundesstaat Delaware (USA) standen und Intel nach dessen eigener Auffassung entlasten sollten. Schließlich forderte Intel die Kommission am 25. September 2008 auf, dass „[…] sie zumindest von AMD verlangen sollte, sämtliche interne Unterlagen vorzulegen, die die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte und in der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte erhobenen Vorwürfe betrafen“. Mit Schreiben vom 17.und 29. September 2008 beanstandete Intel bei der Anhörungsbeauftragten die „offensichtlich unvollständige Akte“ und beklagte, dass seine Verteidigungsrechte gefährdet seien.

    Die Anhörungsbeauftragte antwortete mit Schreiben vom 7. Oktober 2008 und verwies auf ihre vorausgegangenen Schreiben vom 22. August 2008 und vom 15. September 2008 in diesem Zusammenhang, wonach die Frage, ob die Akte an sich vollständig oder unvollständig sei, völlig unabhängig davon ist, ob vollständige Einsicht in eine vorgeblich unvollständige Akte gewährt wurde. Demzufolge können Argumente hinsichtlich einer vermeintlich unvollständigen Akte nicht den Vorwurf begründen, daß der Zugang zu einer Akte, wie sie zu einem bestimmten Zeitpunkt und in einer bestimmten Form vorliegt, unvollständig sei.

    Zudem ist die Anhörungsbeauftragte trotz ihrer in Erwägungsgrund 3 des Mandats genannten Aufgabe, zu einem objektiven, transparenten und effizienten Verfahren beizutragen, weder im Rahmen dieses Mandats noch nach der Rechtsprechung berechtigt, eine externe Untersuchung mit dem Ziel einzuleiten, eine vorgeblich unvollständige Akte zu vervollständigen. Unabhängig davon, ob die betreffenden Unterlagen an sich für die Verteidigungsrechte relevant sind oder nicht, fällt die Frage, ob bestimmte Kategorien von Dokumenten, die aus Verfahren in anderen Rechtsordnungen stammen, — auch solche vorgeblich entlastender Natur — präzise und erschöpfend beschrieben wurden und/oder zum Verfahren hinzuzuziehen sind, grundsätzlich nicht unter das Mandat der Anhörungsbeauftragten. Intels Antrag ging somit über die gegenwärtigen Kompetenzen der Anhörungsbeauftragten hinaus.

    e)   Nichtvertrauliche Fassungen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte für den Beschwerdeführer AMD

    Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 begründet das Recht des Beschwerdeführers auf eine nichtvertrauliche Fassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte. Dieses Recht würde ernsthaft untergraben und die Vorschrift gegenstandslos, wenn die schließlich zugestellte Fassung für den Empfänger unverständlich wäre.

    Mit Bezug auf die Angaben Dritter, die nicht nur gegenüber dem Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte sondern auch einem Beschwerdeführer aufzudecken sind, ist die Unterscheidung zwischen nicht als vertraulich anzusehenden Angaben und solchen Angaben, für die Vertraulichkeit gefordert und begründet wurde, die aber zur Wahrung der Verständlichkeit einer nicht vertraulichen Fassung offenzulegen sind, von entscheidender Bedeutung. Geschäftsgeheimnisse sind grundsätzlich nicht offenzulegen und Anträge auf vertrauliche Behandlung bestimmter Informationen gegenüber dem Beschwerdeführer sind, sofern gerechtfertigt, grundsätzlich immer zu genehmigen. Wenn jedoch die Offenlegung einschlägiger Informationen für das Verständnis der Vorwürfe in der Mitteilung der Beschwerdepunkte schlechthin unabdingbar ist, ferner die offengelegten Daten für den Nachweis eines Verstoßes notwendig sind und schließlich der Beschwerdeführer nicht anders in die Lage zu versetzen ist, sich an dem Verfahren durch Kommentare in Kenntnis der Sachlage zu beteiligen, so obliegt der Anhörungsbeauftragten nach ausgewogener und sorgfältiger Prüfung die Entscheidung über die Offenlegung vertraulicher Angaben.

    Die Anhörungsbeauftragte wies sowohl mit Bezug auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte als auch die ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte Intels nahezu ausnahmslose Anträge auf Vertraulichkeit zurück und prüfte im Detail eine außerordentlich hohe Zahl begründeter und ausführlicher Anträge auf vertrauliche Behandlung, die sowohl Intel als auch Auskunftspflichtige stellten. Weder Intel noch andere betroffene Unternehmen sahen es als erforderlich an, eine Entscheidung gemäß Artikel 9 des Mandats (Einleitung des sogenannten „AKZO-Verfahrens“ (8) zu beantragen.

    Im Oktober 2008 legte Intel in dem vorgenannten Verfahren in den USA die vollständige vertrauliche Fassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte gegenüber AMD offen. Intel macht geltend, dass dies versehentlich geschah. Intel setzte die Kommission davon am 17. März 2009 in Kenntnis.

    f)   Drittparteien

    Drei Unternehmen beantragten eine förmliche Zulassung zu dem Verfahren als betroffene Dritte. Die Anhörungsbeauftragte ließ daraufhin Silicon Graphics Inc. (25. September 2007), International Business Machines („IBM“; 2. Oktober 2007) und — unmittelbar vor der mündlichen Anhörung — Hewlett Packard Company („HP“, 10. März 2008) als Drittpartei zu. Des Weiteren wurden zwei Verbraucherorganisationen als betroffene Dritte zugelassen, nachdem sie ihr besonderes Interesse begründet und ihre Stellung dargelegt hatten: die europäische Verbraucherorganisation Bureau Européen des Unions des Consommateurs („BEUC“; 22. Februar 2008) und die französische Verbraucherorganisation Union Fédérale des Consommateurs — Que Choisir („UFC“; 6. März 2008). Alle forderten und erhielten eine nichtvertrauliche Zusammenfassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte sowie der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte. Kein betroffener Dritter reichte schriftliche Kommentare ein.

    g)   Beantragte ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte zur objektiven Rechtfertigung

    Intel vertrat in seiner Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte den Standpunkt, dass für eine objektive Rechtfertigung eine ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte erforderlich sei. Allein zum Zwecke der Prüfung der objektiven Rechtfertigung war eine ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte indes nicht notwendig. Zwar ist das Fehlen einer objektiven Rechtfertigung ein negatives Tatbestandsmerkmal für die Feststellung eines Missbrauchs, die Beweislast liegt jedoch bei der Partei, die eine objektive Rechtfertigung geltend macht. Sofern Intel eine objektive Rechtfertigung für die verschiedenen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte angeführten Verhaltensweisen anbot, befasste sich die Kommission mit dem jeweiligen Vorbringen. Das Recht auf Anhörung wurde somit diesbezüglich gewahrt.

    II.   DAS MÜNDLICHE VERFAHREN

    1.   Die mündliche Anhörung zur Mitteilung der Beschwerdepunkte

    Die mündliche Anhörung zur Mitteilung der Beschwerdepunkte fand am 11. und 12. März 2008 statt. Neben Intel und AMD nahmen drei betroffene Dritte an der Anhörung teil und legten ihren Standpunkt dar: HP, „UFC Que Choisir“ und BEUC. Neben den Vertretern der Mitgliedstaaten war gemäß den Verwaltungsabsprachen von 1999 auch ein Vertreter der US-Bundeskartellbehörde (Federal Trade Commission) als Beobachter zugegen. Darüber hinaus genehmigte die Anhörungsbeauftragte auch die Teilnahme des Attorney-General des Bundesstaates New York (9) an der Anhörung, ohne dass dies in den Vereinbarungen mit den USA vorgesehen ist. Intel stimmte der Teilnahme dieser Personen ausdrücklich zu. Vor der Teilnahmegenehmigung übernahm der Attorney-General ausdrücklich Verpflichtungen hinsichtlich der vertraulichen Behandlung und der Nutzung von Informationen.

    Obwohl mehrere Sitzungen aufgrund legitimer Anträge auf Vertraulichkeitsschutz hinter verschlossenen Türen abgehalten werden mussten, war die mündliche Anhörung von großem Nutzen, weil sie Intel die Möglichkeit gab, zu den Vorwürfen und der ihnen zugrunde liegenden Argumentation (10) sowie zu der ökonomischen Analyse Stellung zu nehmen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Kommission Intel während der Anhörung ausdrücklich darauf aufmerksam machte, dass die ökonomische Analyse keine Voraussetzung für die Feststellung eines Missbrauchs ist. Intel nahm dies zur Kenntnis.

    Vor diesem Hintergrund erübrigt sich eine Stellungnahme der Anhörungsbeauftragten zu der ökonomischen Bewertung und der darauf basierten Schlussfolgerung, dass die Zahlungen von Intel geeignet sind, wettbewerbswidrige Abschottungseffekte hervorzurufen, bzw. solche Effekte wahrscheinlich hervorrufen (11).

    2.   Die beantragte mündliche Anhörung zu der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte und dem Tatbestandsschreiben

    Intel beantragte eine mündliche Anhörung a) zu Passagen des Tatbestandsschreibens und b) zu der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte.

    a)

    Nach Erhalt des Tatbestandsschreibens beantragte Intel mit Schreiben vom 20. Januar 2009 eine mündliche Anhörung zu bestimmten AMD-Schriftstücken, die der Kommission am 28. Mai 2008 vorgelegt wurden (nachstehend die „AMD-Delaware-Unterlagen“ genannt). Die Anhörungsbeauftragte erinnerte Intel am 22. Januar 2009 daran, dass in Bezug auf ein Tatbestandsschreiben ein Unternehmen kein Anrecht auf Durchführung einer mündliche Anhörung habe und die Kommission nicht verpflichtet sei, eine Anhörung durchzuführen, um die Verteidigungsrechte von Intel hinsichtlich des Tatbestandsschreibens zu wahren.

    Des Weiteren konnte eine mündliche Anhörung nicht allein zu den AMD-Delaware-Unterlagen abgehalten werden, denn diese Unterlagen waren bereits im Anschluss an den Erlass der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte zur Akteneinsicht zur Verfügung gestellt worden, so dass Intel bereits Gelegenheit gehabt hatte, sich zu äußern und eine mündliche Anhörung zu beantragen. Außerdem wird der Gegenstand einer mündlichen Anhörung durch die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte und/oder der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte formulierten Vorwürfen bestimmt und nicht von den Beteiligten. Eine mündliche Anhörung, die ausschließlich der Darstellung von Standpunkten zu ausgewählten Unterlagen dient, konnte nicht zugelassen werden.

    b)

    In seinem Schriftsatz vom 5. Februar 2009 und mit Scheiben vom 10. Februar 2009 beantragte Intel eine mündliche Anhörung zu der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte.

    Entscheidungen im Zusammenhang mit mündlichen Anhörungen, darunter auch solche über die Gewährung oder Ablehnung eines Antrags auf mündliche Anhörung, der erst nach Ablauf der für Stellungnahmen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte eingeräumten Frist eingereicht wird, fallen gemäß dem Mandat des Anhörungsbeauftragten in dessen Zuständigkeit.

    Die Anhörungsbeauftragte antwortete Intel deshalb mit Schreiben vom 17. Februar 2009, dass lediglich bis zum Ablauf der Frist für die Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte ein subjektives Recht auf Durchführung einer mündlichen Anhörung bestehe. Auch wenn innerhalb der gesetzten Frist kein Antrag auf eine mündliche Anhörung gestellt werde, bedeute dies jedoch nicht in allen Fällen, dass keine Anhörung mehr stattfinden könne. Artikel 10 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 12 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 präkludieren nicht etwaige Anträge der Parteien, sondern der Ablauf der Frist impliziert, dass die Pflicht zur Gewährung einer Anhörung nicht mehr besteht. Die Anhörungsbeauftragte ist berechtigt und verpflichtet, ihr Ermessen hinsichtlich eines verspätet eingegangenen und ordnungsgemäß begründeten Antrages auszuüben.

    Die Frist für die Stellungnahme zur ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte ist nicht verlängert worden. Die Anhörungsbeauftragte hat den Standpunkt der Kommissionsdienststellen zur Kenntnis genommen, den diese in ihrem an Intel gerichteten Schreiben vom 2. Februar 2009 (12) darlegten und wonach eine mündliche Anhörung für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens nicht erforderlich sei. Sie berücksichtigte ferner alle Argumente für die Gewährung der Anhörung, die Intel vor allem unter Hinweis auf sein „uneingeschränktes“ Recht auf Gewährung einer mündlichen Anhörung vorbrachte.

    Bei der Ausübung ihres Ermessens ist die Anhörungsbeauftragte verpflichtet, unter anderem dem Erfordernis einer wirksamen Anwendung des Wettbewerbsrechts Rechnung zu tragen, wozu auch in besonderem Maße die Verpflichtung der Kommission gehört, Entscheidungen innerhalb eines angemessenen Zeitraums zu erlassen. Zwar darf ein sich aus dem Wettbewerbsverfahren ergebender enger Zeitrahmen nicht als Rechtfertigung für eine Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör dienen, aber ein solcher Konflikt ist im vorliegenden Fall auch nicht eingetreten. Intel war in diesem Fall durch nichts daran gehindert, seine Stellungnahme zur ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte rechtzeitig auf der Grundlage der verfügbaren Informationen zumindest rechtswahrend auszuarbeiten und einzureichen, insbesondere da die Anhörungsbeauftragte einer Fristverlängerung zugestimmt hatte. Intel stand für die Beantragung einer mündlichen Anhörung der Zeitraum zwischen dem Datum der Übermittlung der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte im Juli 2008 und dem Tag des Ablaufs der — verlängerten — Frist im Oktober 2008 zur Verfügung. Selbst danach wäre die Durchführung einer mündlichen Anhörung nicht ausgeschlossen gewesen, sofern Intel sie beantragt hätte. Dies ist nicht geschehen. Nichts hätte die Anhörungsbeauftragte daran gehindert, die Anhörungstermine so festzusetzen, dass sie mit den laufenden Anträgen auf einstweilige Maßnahmen in Einklang gestanden hätten und das Gerichtsverfahren nicht beeinträchtigt worden wäre. Während Intel im gesamten Verfahren bis zur Einlegung der Klage beim Gericht erster Instanz insgesamt zügig und unter Einhaltung der Fristen handelte und seine Verteidigungsrechte in vollem Umfang in Anspruch nahm, wäre der ordnungsgemäße Fortgang des Verfahrens hingegen ernsthaft gefährdet gewesen, wenn Intel unter den konkreten Umständen am 17. Februar 2009 eine mündliche Anhörung gewährt worden wäre. Unter Berücksichtigung dieser Sachlage sowie anderer im Verfahren begründeter Aspekte musste der Antrag abgelehnt werden.

    Intel hat sich zur Frage des Status der Schriftsätze vom 5. Februar 2009 nicht an die Anhörungsbeauftragte gewandt.

    III.   SCHLUSSFOLGERUNGEN

    Insgesamt stelle ich fest, dass das Recht auf rechtliches Gehör in dieser Sache gewahrt wurde.

    Der Entscheidungsentwurf behandelt ausschließlich Beschwerdepunkte, zu denen sich Intel äußern konnte.

    Karen WILLIAMS


    (1)  Gemäß den Artikeln 15 und 16 des Beschlusses 2001/462/EG, EGKS der Kommission vom 23. Mai 2001 über das Mandat von Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren (ABl. L 162 vom 19.6.2001, S. 21), nachstehend „das Mandat“ genannt.

    (2)  Vgl. Erwägungsgrundgründe 1046 bis 1156 des Entwurfs der Entscheidung, in der diese Analyse diskutiert wird, z. B. Erwägungsgrund 1066 ff. zur von Intel angewendeten Regressionsanalyse.

    (3)  Vgl. Erwägungs 925 des Entwurfs der Entscheidung („not indispensable“) sowie Randnummer 337 in der Mitteilung der Beschwerdepunkte und Randnummer 260 in der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte.

    (4)  Vgl. Erwägungsgründe 18 und 22 des Entwurfs der Entscheidung sowie den Beschluss des Präsidenten des Gerichts erster Instanz vom 27. Januar 2009 in der Sache T-457/08, Intel Corporation/Kommission, noch nicht veröffentlicht.

    (5)  ABl. L 123 vom 27.4.2004, S. 18.

    (6)  Vgl. Erwägungsgrund 39 ff. im Entwurf der Entscheidung.

    (7)  Erwägungsgründe 71 ff.

    (8)  EuGH, Rechtsache 53/85, Chemie BV und AKZO Chemie UK Ltd/Kommission, Slg. 1986, S. 1965.

    (9)  Vgl. Erwägungsgrund 35 des Entwurfs der Entscheidung.

    (10)  Vgl. u. a. Erwägungsgründe 281 ff. im Entwurf der Entscheidung.

    (11)  Vgl. Erwägungsgründe 1002—1578 des Entwurfs der Entscheidung.

    (12)  Vgl. Erwägungsgrund 24 des Entwurfs der Entscheidung.


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