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Document 52009DC0647

    Arbeitsdokument der Kommission - Konsultation über die künftige EU-Strategie bis 2020

    /* KOM/2009/0647 endg. */

    52009DC0647

    Arbeitsdokument der Kommission - Konsultation über die künftige EU-Strategie bis 2020 /* KOM/2009/0647 endg. */


    [pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

    Brüssel, den 24.11.2009

    KOM(2009)647 endgültig

    Arbeitsdokument der Kommission

    Konsultation über die künftige EU-Strategie bis 2020

    ARBEITSDOKUMENT DER KOMMISSION

    Konsultation über die künftige EU-Strategie bis 2020 (Text von Bedeutung für den EWR)

    Eine Zeit tiefgreifenden Wandels für Europa

    Europa leidet unter den Folgen der schlimmsten Wirtschafts- und Finanzkrise seit Jahrzehnten: drastischer Rückgang der Wirtschaftstätigkeit und eine Arbeitslosenquote, die 2010 in den zweistelligen Bereich geraten könnte, wie letztmals vor zehn Jahren.

    Dank gemeinsamer Anstrengungen zur Rettung des Finanzsystems und zur Förderung der Nachfrage und des Vertrauens durch öffentliches Handeln konnte der wirtschaftliche Zusammenbruch verhindert werden. Aber dennoch haben wir wegen der Krise an Widerstandskraft verloren. Die EU muss noch intensiver zusammenarbeiten, um sich aus der Krise zu befreien und die nächste Generation öffentlicher Maßnahmen unter gänzlich anderen Bedingungen zu gestalten.

    Der Ausstieg aus der Krise sollte gleichzeitig der erste Schritt auf dem Weg zu einer neuen nachhaltigen sozialen Marktwirtschaft, einer intelligenteren, ökologischeren Volkswirtschaft sein, in der wir durch Innovation und bessere Ressourcennutzung Wohlstand schaffen und Wissen als entscheidenden Faktor einbringen werden. Mit Hilfe dieser neuen Antriebskräfte dürfte es uns gelingen, andere Quellen für nachhaltiges Wachstum zu erschließen und neue Beschäftigung zu schaffen, um gegen die höhere Arbeitslosigkeit, die unsere Gesellschaften in den kommenden Jahren bedroht, vorzugehen. Dies wird uns jedoch nur gelingen, wenn wir ein umfassendes politisches Konzept entwickeln und entschlossen umsetzen. Andernfalls setzen wir uns der Gefahr einer Phase geringen Wachstums aus, in der es für Europa noch schwerer wird, sich den wesentlichen Herausforderungen von heute zu stellen.

    Um das nötige nachhaltige Wachstum zu erreichen, müssen wir ein Vorgehen vereinbaren, das den Menschen höchste Priorität einräumt und den hohen Stellenwert von Verantwortung anerkennt. Innerhalb eines Jahrzehnts haben wir die Arbeitslosigkeit in der EU von 12 % auf 7 % gesenkt. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Krise diesen Erfolg zunichte macht. Deshalb brauchen wir neue Wachstumsquellen, um die krisenbedingten Arbeitsplatzverluste wettzumachen.

    Dieser neue Ansatz muss sich die Globalisierung und die wechselseitige Abhängigkeit, die durch die Krise noch deutlicher hervorgehoben wurde, zunutze machen. Die EU muss sowohl intern als auch auf internationalem Parkett – wie etwa im Rahmen der G20-Tagungen – die neuen Chancen ergreifen, die zum Erreichen unserer Ziele für das Jahr 2020 von Bedeutung sind.

    Die EU-Strategie bis 2020 schließt an die gegenwärtige Lissabon-Strategie an, die den Reformen der EU im vergangenen Jahrzehnt zugrunde lag und dazu beigetragen hat, die derzeitige Krise zu überstehen. Sie wird an diese Partnerschaft für Wachstum und Arbeitsplätze anknüpfen und sie modernisieren, um die neuen Herausforderungen zu bewältigen. Sie profitiert auch von dem Europäischen Konjunkturprogramm, das als abgestimmte Reaktion auf die Krise aufgelegt wurde. Nach Auffassung der Kommission sollte die EU-Strategie bis 2020 auf politische Schlüsselbereiche konzentriert werden, in denen die Zusammenarbeit von EU und Mitgliedstaaten die bestmöglichen Ergebnisse verspricht, und auf eine größere Wirksamkeit dank effizienterer Nutzung des politischen Instrumentariums abzielen.

    Ziel dieses Konsultationspapiers ist es, die Meinungen der anderen Organe und sonstiger Beteiligter zu einem neuen Konzept einzuholen. Die Kommission beabsichtigt, Anfang 2010 eine förmliche Mitteilung für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates zu verabschieden. Der Erfolg der gemeinsamen Vision für 2020 stützt sich auf eine Partnerschaft für den Fortschritt, in der sich zum einen die Mitgliedstaaten zu Maßnahmen auf nationaler Ebene verpflichten und zum anderen Gemeinschaftsinstrumente genutzt werden, um das Potenzial auf EU-Ebene voll auszuschöpfen. Die Kommission wird in ihrer Mitteilung daher sowohl die Maßnahmen aufführen, die ihrer Auffassung nach auf nationaler Ebene getroffen werden sollten, als auch ausführlich darstellen, welche Maßnahmen sie auf Gemeinschaftsebene vorzuschlagen gedenkt.

    Zwänge erkennen und neue Herausforderungen annehmen

    Voraussetzung für den Erfolg der EU-Strategie bis 2020 ist, dass die Schwierigkeiten, mit denen sich die politischen Entscheidungsträger in den nächsten Jahren auseinanderzusetzen haben, eingehend analysiert und die Herausforderungen zutreffend benannt werden.

    Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat den öffentlichen Finanzen, den Unternehmen, der Beschäftigung und den privaten Haushalten schweren Schaden zugefügt. Auf allen Ebenen wird die Politik Überlegungen darüber anstellen müssen, wie sich mit begrenzten Haushaltsmitteln eine wirtschaftliche Dynamik auslösen lässt. Nachdem nunmehr die Defizite der öffentlichen Haushalte wieder unter Kontrolle gebracht werden, gilt es den Bereich der öffentlichen Ausgaben so umzugestalten, dass wir die Vision für 2020 verwirklichen können. Einschnitte in zukunftsgerichteten Bereichen wie Bildung und Forschung würden dies erschweren.

    Mit der Entwicklung einer neuen Vision und der Vorgabe einer neuen Richtung für die EU-Politik müssen wir die Notwendigkeit eines sparsamen Umgangs mit Energie, natürlichen Ressourcen und Rohstoffen erkennen. Von ihrem effizienteren Einsatz und einer höheren Produktivität hängt zu einem Großteil die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und unserer Wirtschaft ab.

    Gleichzeitig müssen wir uns der demografischen Herausforderung in Europa stellen. Bereits vor der Krise wurde wegen der Bevölkerungsentwicklung mit der Abnahme des Anteils junger Menschen an der Gesamtbevölkerung bis 2020 ein drastischer Rückgang des potenziellen Wachstums erwartet. Die Krise hat die langfristigen sozialen Herausforderungen in Europa – Integration einer zunehmenden Zahl von Einwanderern, soziale Ausgrenzung und Kinderarmut, Solidarität zwischen den Generationen vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft – verschärft. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, müssen die Beschäftigungsquoten von Männern und Frauen schnell ansteigen und Sozialschutzsysteme modernisiert werden, damit sie die künftigen Bedürfnisse unserer Gesellschaft in einer finanzierbaren Art und Weise erfüllen können.

    Die neuen Maßnahmen müssen also sichtbar zum sozialen Zusammenhalt und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit beitragen, die soziale Eingliederung fördern und gleichzeitig leistungsfähige Arbeitsmärkte gewährleisten. Dies erfordert ein Überdenken unserer Bildungssysteme und Arbeitsmärkte, die Förderung von Mobilität sowie eine neue Dynamik in Europa, die unser innovatives und kreatives Potenzial freisetzt.

    Die Herausforderung an Europa, eine intelligentere, ökologischere Wirtschaft zu entwickeln, verlangt ein größeres Maß an Koordination, um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu stärken. Unsere sozialen, wirtschaftlichen und umweltpolitischen Ziele müssen eng miteinander verknüpft sein. Nur so werden wir in unseren vorrangigen Themenbereichen zu greifbaren Ergebnissen kommen. Die Kommission will mit diesem Konsultationspapier Ansichten einholen, wie die EU ihre Prioritäten in einem Zehnjahresrahmen festlegen kann, welcher der EU und den nationalen Ebenen die Zusammenarbeit mit der folgenden Zielsetzung ermöglicht: Überwindung der gegenwärtigen Krise, Mobilisierung neuer Wachstumsquellen und Gewährleistung des sozialen und territorialen Zusammenhalts entsprechend den Grundprinzipien des Vertrags von Lissabon.

    Prioritäten der EU für 2020

    Auf dem Weg zu einer nachhaltigen sozialen Marktwirtschaft mit dem Ziel einer intelligenteren und ökologischeren Wirtschaft muss Europa gemeinsame Prioritäten verfolgen und diese über Jahre hinweg beibehalten. Weder kann sich ein Mitgliedstaat allein erfolgreich dieser Herausforderung stellen, noch lässt sich EU-Politik einfach als Summe der 27 einzelstaatlichen Politiken definieren. Wenn alle an einer gemeinsamen Vision arbeiten, ist das Ergebnis letztlich mehr als die Summe aller einzelnen Teile. Diese Strategie ist für alle Mitgliedstaaten, ungeachtet deren Größe, Beitrittszeitpunkt und Entwicklungsstand. In der erweiterten EU stößt man auf unterschiedliche Entwicklungsniveaus, folglich bestehen auch unterschiedliche Bedürfnisse. Was jedoch alle verbindet, ist die gemeinsame EU-Vision für das Jahr 2020, die sich mit dem Ziel des Wachstums für alle an unterschiedliche Ausgangspunkte und nationale Besonderheiten anpassen lässt.

    Entsprechend ausgerüsteten Individuen und Unternehmen bieten sich enorme Chancen. Die Kommission verfolgt das Ziel, Europa zu einem führenden, wettbewerbsfähigen, florierenden und vernetzten Wirtschaftsraum zu machen, der sich umweltfreundlicher und integrativer als bisher präsentiert, schnelles und nachhaltiges Wachstum aufweist und für ein hohes Maß an Beschäftigung sowie für sozialen Fortschritt steht. Ohne eine gestärkte und wettbewerbstaugliche industrielle Basis, einen modernen Dienstleistungssektor und eine florierende Wirtschaft im ländlichen Raum und im maritimen Sektor kann Europa diese Ziele nicht erreichen. In der Rolle des „Vorreiters“ beim Aufbau dieser Gesellschaft der Zukunft kann Europa durch die Entwicklung wettbewerbsfähiger innovativer Produkte, den Ausbau zukunftsorientierter Infrastrukturen, die Erschließung neuer Märkte sowie die Schaffung neuer hochwertiger Arbeitsplätze in erheblichem Maße profitieren.

    Die Vorteile reichen noch wesentlich weiter: Ein weltoffenes Europa wird mit seinen Werten weiterhin Vorbild sein und dabei weltweit zur Setzung verbesserter Standards für den Arbeitsmarkt, den Umweltschutz und für Sicherheit beitragen. So vermag die EU in einer globalen Führungsrolle zu demonstrieren, dass es – unter den geeigneten politischen Rahmenbedingungen und unter Nutzung der durch den Vertrag von Lissabon geschaffenen neuen Akteure und Strukturen – möglich ist, im Interesse einer anhaltenden Wirtschaftsdynamik offen zu sein und gleichzeitig die sozialen und Umweltbelange unserer Bürger zu berücksichtigen.

    Die Kommission sieht in den nachstehenden Prioritäten die wichtigsten Triebfedern zum Erreichen der EU-Ziele für das Jahr 2020:

    1. Wertschöpfung durch wissensbasiertes Wachstum. In Zeiten, da Innovation sowohl bei Produkten als auch bei Verfahren den Ausschlag gibt, gilt es Chancen zu eröffnen, den sozialen Zusammenhalt weiterzuentwickeln und das Potenzial von Bildung, Forschung und digitaler Wirtschaft nutzbar zu machen.

    2. Befähigung zur aktiven Teilhabe an integrativen Gesellschaften. Die Aneignung neuer Fähigkeiten, die Förderung von Kreativität und Innovation, die Entwicklung von Unternehmergeist und ein reibungsloser Übergang zwischen Beschäftigungsverhältnissen sind entscheidend in Zeiten, da höhere Anpassungsfähigkeit mit mehr Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt belohnt wird.

    3. Schaffung einer wettbewerbsfähigen, vernetzten und ökologischeren Wirtschaft. In Zeiten, da Energie und Ressourcen teuer sind und um sie ein intensiver Wettstreit ausgetragen wird, sollte sich die EU effektiver im Wettbewerb erweisen und ihre Produktivität durch einen verringerten und effizienteren Verbrauch von nicht erneuerbaren Energien und Ressourcen steigern. Dies kurbelt das Wachstum an, trägt zum Erreichen unserer Umweltziele bei und kommt allen Wirtschaftszweigen vom herkömmlichen verarbeitenden Gewerbe bis hin zu Neugründungen im Hochtechnologiebereich zugute. Hierbei spielen die Modernisierung und Vernetzung der Infrastruktur, der Abbau von Bürokratie und eine beschleunigte Aufnahmefähigkeit des Marktes für Innovationen eine gleichwertige Rolle.

    Diese Prioritäten werden die Gestaltung der EU-Politik nach innen und nach außen bestimmen. Die Förderung internationaler Kooperation und multilateraler Steuerung mit fairen und geregelten internationalen Handels- und Finanzsystemen wird ein integraler Bestandteil der EU-Strategie für 2020 sein. Die Kommission möchte Ansichten zu den im Folgenden genannten Prioritäten einholen, in denen sie die Triebfedern der EU-Strategie für das Jahr 2020 sieht.

    1. Wertschöpfung durch wissensbasiertes Wachstum

    Wissen ist der Motor für nachhaltiges Wachstum. Bildung und Forschung, Innovation und Kreativität geben den Ausschlag in einer sich rasant ändernden Welt.

    Durch die Stärkung des Bildungswesens lassen sich Ungleichheit und Armut am effektivsten bekämpfen. Das Problem der Vielzahl schlechter Leistungen bei den Grundfertigkeiten (Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften) muss dringend angegangen werden, um die Beschäftigungsfähigkeit junger Menschen zu verbessern und sie nach der Schule in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Das Verhindern frühzeitiger Schulabgänge beugt dem künftigen Ausschluss vom Arbeitsmarkt und der damit verbundenen Gefahr der sozialen Ausgrenzung vor. Das Augenmerk sollte stärker auf gefährdete Gruppen, die Gleichstellung von Frauen und Männern sowie den sozialen Zusammenhalt gelenkt werden, um allen gleichermaßen den Zugang zu Bildung und Fortbildung zu ermöglichen.

    Europa besitzt einige der besten Universitäten der Welt. Dies sollte uns jedoch nicht daran hindern, ihren Anteil noch wesentlich zu steigern und sie in wahre Motoren für Wissen und Wachstum umzuwandeln. Investitionen alleine reichen nicht aus, vielmehr sind zusätzlich Reformen, gegebenenfalls Konsolidierung, eine engere Zusammenarbeit auch mit Unternehmen sowie mehr Offenheit gegenüber Veränderungen erforderlich. Zur Unterstützung dieses Veränderungsprozesses sollten sich europäische Universitäten dem Vergleich mit den weltweit besten Universitäten stellen. Mit der qualitativen Aufwertung der europäischen Universitäten und ihrer Forschungstätigkeit sollte eine höhere Mobilität von Studenten einhergehen, damit neue Kenntnisse und Sprachen erworben, Erfahrungen mit dem Leben und Studieren im Ausland gesammelt und Netzwerke gebildet werden können. Die bestehenden Programme Erasmus, Leonardo und Erasmus Mundus sollten in eine neue Phase treten und durch einzelstaatliche Initiativen ergänzt werden, um allen jungen Europäern die Gelegenheit zu bieten, einen Teil ihrer Ausbildung in anderen Mitgliedstaaten zu absolvieren.

    Ein leistungsfähiger und mit entsprechenden Ressourcen ausgestatteter Europäischer Forschungs raum ist aus der Vision für die EU im Jahr 2020 nicht wegzudenken. Die EU muss ihre Bemühungen im Bereich der Forschung steigern, indem sie Ressourcen bündelt, EU-weit wesentliche Forschungsinfrastrukturen entwickelt und die Qualität der Forschung auf ein Niveau anhebt, das weltweit Maßstäbe setzt. Sie muss zudem auch schneller ein Höchstmaß an praktischen Vorteilen von Forschung für europäische Unternehmen und KMU herbeiführen – unter anderem über große öffentlich-private Partnerschaften. Europas Anziehungskraft und Leistungsfähigkeit als Forschungsstandort hängt auch davon ab, dass für Forscher ein Binnenmarkt mit attraktiven Karriereaussichten geschaffen wird. Der zukunftsweisende Weg liegt in einer Partnerschaft für Forschung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten, durch die Synergien mit anderen Politikbereichen – insbesondere Innovation und Bildung – optimal genutzt werden. Die EU muss unter anderem durch Anreize für die Entwicklung wissensbasierter Unternehmen attraktivere Rahmenbedingungen für Innovation und Kreativität schaffen. Der Zugang zu Krediten stellt nicht nur als Nachwirkung der Krise ein besonderes Problem dar, sondern auch, weil bestimmte neue Wachstumsquellen wie etwa die Kreativbranche auf neue Finanzierungsarten für ihre Geschäftsmodelle angewiesen sind. Innovativen Unternehmen sollte der Zugang zu gemischten öffentlichen und privaten Quellen von Wachstumskapital – beispielsweise Risikokapital – ermöglicht werden. Dies muss mit Bürokratieabbau und technischer Unterstützung zur Entwicklung kleiner innovativer Unternehmen verknüpft sein.

    Wir brauchen ein zuverlässiges System für den Schutz geistigen Eigentums, das auf effektive und kosteneffiziente Weise innovative Neugründungen ermöglicht, den Rechteinhabern eine transparente Verwertung ermöglicht sowie Universitäten und Forschungseinrichtungen dabei hilft, durch die Vermarktung ihrer Ideen und Erfindungen Kapital zu beschaffen. Nur so lassen sich Kreativität sowie Wissens- und Forschungskapazität in Europa entwickeln.

    Auf der Grundlage seiner Stärken im Technologie- und Wissensbereich sollte Europa das Potenzial der digitalen Wirtschaft voll ausschöpfen. Diese eröffnet kleinen und mittleren Unternehmen – sei es als eigenständigen Unternehmen oder als Zulieferern für größere Unternehmen – sowohl im Produktions- als auch im Dienstleistungssektor großartige wirtschaftliche Chancen. Innovative Neugründungen schaffen EU-weit neue und oftmals hochwertige Arbeitsplätze. Ihnen kann eine bedeutende Rolle in der regionalen Entwicklung zukommen. Aus diesem Grund wird eine ehrgeizige europäische digitale Agenda mit konkreten Schritten zur Verwirklichung des Online-Binnenmarkts wesentlich zu nachhaltigem Wirtschaftsaufschwung und zur sozialen Entwicklung in Europa beitragen. Der inhärente Produktivitätszuwachs wird Innovation und Kreativität ankurbeln, eine Erleichterung und Effizienzsteigerung von Behördendiensten bewirken sowie Gelegenheiten zu mehr Partizipation und Demokratie bieten. Der Zugang zum Internet wird immer unerlässlicher für die umfassende Beteiligung der Bürger am Alltagsleben. Europa muss eine wirksame Politik zur digitalen Integration und Kompetenz ausarbeiten und eine aktive Beteiligung und Meinungsbekundung über das Internet anregen.

    Bis 2020 soll durch eine weltweit einzigartige Wissensinfrastruktur ein echter Europäischer Raum des Wissens geschaffen werden, in dem alle Beteiligten (Studierende, Dozenten, Forscher, Bildungs- und Forschungseinrichtungen sowie Unternehmen) die Vorteile der freien Bewegung von Personen, Wissen und Technologie (fünfte Freiheit) genießen können.

    2. Befähigung zur aktiven Teilhabe an integrativen Gesellschaften

    Nach der Wirtschaftskrise werden viele der verloren gegangenen Arbeitsplätzen nicht ersetzt. Die Umgestaltung der EU in eine intelligentere, ökologischere und wettbewerbsfähigere Wirtschaft fördert die Schaffung neuer Arbeitsplätze und wirkt einer hohen Arbeitslosigkeit entgegen. Während dieser Umgestaltung müssen allerdings große Anstrengungen unternommen werden, damit die Menschen nicht aus dem System fallen und ausgeschlossen werden. Ferner muss der soziale Zusammenhalt garantiert werden. Die neue Realität sieht so aus, dass im Laufe eines Arbeitslebens statt wie bisher (Ausbildung, Erwerbstätigkeit und Ruhestand) häufiger der Arbeitsplatz gewechselt wird, was den Menschen größere Chancen bietet. Diese Übergänge könnten, möglicherweise aufbauend auf einigen der während der Krise verabschiedeten Maßnahmen (z.B. Kurzarbeit in Verbindung mit Fortbildung), generell im größeren Rahmen organisiert und unterstützt werden.

    Es entstehen neue Arbeitsplätze, die neue Fähigkeiten verlangen. Der Übergang zwischen den einzelnen Arbeitsverhältnissen, zwischen Ausbildung und Erwerbstätigkeit muss erfolgreich gestaltet werden. Daher sollte auf ein umfassendes Flexicurity-Konzept zurückgegriffen werden. Es geht darum, die besten Wege zu finden, einerseits die Flexibilität der Arbeitsmärkte sowohl im Hinblick auf die Arbeitsorganisation als auch auf die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu verbessern, und andererseits durch lebenslanges Lernen und einen angemessenen Sozialschutz Sicherheit zu bieten. Lebenslanges Lernen muss zugänglicher werden, und die Universitäten sollten sich auch neuen Lernschichten öffnen.

    Qualifikationen sind entscheidend für das europäische Wirtschafts- und Produktivitätswachstum und für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Lebenslanges Lernen gewährleistet gute Übergänge zwischen Arbeits- und Beschäftigungsverhältnissen und schützt vor Humankapitalverlusten durch langfristige Arbeitslosigkeit. Die digitale Wirtschaft bietet ebenfalls neuen Chancen für Fernstudiengänge als Teil eines lebenslangen Lernkonzepts sowie für Kommunikationsmittel, die die Arbeitswelt dadurch verändern, dass sie Entfernungen bedeutungslos und Telearbeit in zunehmendem Maße zu einer realen Möglichkeit werden lassen.

    Dafür zu sorgen, dass unsere Arbeitnehmer über die Qualifikationen für eine wissensbasierte Wirtschaft verfügen, ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung. Angebot und Nachfrage müssen besser aufeinander abgestimmt werden. Die Mobilität der Arbeitskräfte muss gefördert werden, damit die Menschen neue Chancen nutzen können, indem sie dahin gehen, wo ihre Fähigkeiten am meisten benötigt werden. Notwendig sind der Blick nach vorne und eine bessere Abstimmung von Qualifikationen und Bedarf in der Zukunft, insbesondere in neuen Tätigkeitsbereichen wie umweltfreundlichen Arbeitsplätzen und anderen Wachstumsbereichen wie dem Gesundheitswesen. Trotz seines erheblichen Wachstumsbeitrags wird das Migrationspotenzial bei der politischen Entscheidungsfindung auf EU- oder nationaler Ebene nicht vollständig berücksichtigt. Die Beschäftigungsquote von Zuwanderern kann erhöht werden, insbesondere bei bestimmten Kategorien wie bildungsfernen Migranten, Frauen und Neuankömmlingen.

    Ein Arbeitsplatz ist wahrscheinlich der beste Schutz gegen Armut und Ausgrenzung . Er allein sorgt jedoch nicht für eine Verringerung der Armut oder soziale Integration. Moderne Sozialversicherungs- und Rentensysteme, die der Krise und der Alterung der europäischen Bevölkerung Rechnung tragen, müssen eine angemessene Einkommensstützung bieten und auch die vorübergehend Arbeitslosen umfassen. Die Bekämpfung einer ineffizienten Segmentierung des Arbeitsmarktes stärkt ebenfalls die soziale Gerechtigkeit.

    Um mehr Arbeitsplätze zu schaffen, muss sich eine risikobereitere und innovationsfreudigere Unternehmerkultur in Europa ausbreiten. Selbständige Erwerbstätigkeit sollte zu einer echten Alternative für diejenigen werden, die vor kurzem arbeitslos geworden sind. Dies setzt jedoch voraus, dass Hemmnisse wie die Ungleichbehandlung von Selbstständigen in den meisten Sozialversicherungssystemen ebenso beseitigt werden wie Hindernisse, in andere Mitgliedstaaten zu ziehen, weil die Sozialversicherungs- und Rentenansprüche nicht übertragbar sind.

    Das Ziel bis 2020 ist es, durch echte Chancen für alle, in den Arbeitsmarkt einzutreten, ein neues Unternehmen zu gründen oder Arbeitsmarktübergänge dank moderner und finanziell tragfähiger Gesellschafts- und Sozialsysteme zu bewältigen, mehr Arbeitsplätze, höhere Beschäftigungsquoten der Erwerbsbevölkerung, bessere und produktivere Arbeitsplätze sowie Fairness, Sicherheit und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten zu gewährleisten.

    3. Schaffung einer wettbewerbsfähigen, vernetzten und ökologischeren Wirtschaft

    Europa muss auch künftig angesichts hoher Energiepreise, CO2-Emissionsbegrenzungen und eines deutlich stärkeren Wettbewerbs um Ressourcen konkurrenzfähig bleiben. Eine effizientere Nutzung der Ressourcen, einschließlich der Energie, und die Anwendung neuer, umweltfreundlicher Technologien fördern das Wachstum, schaffen neue Arbeitsplätze und Dienstleistungen und helfen der EU, sowohl eine starke Industrie und einen florierenden Dienstleistungssektor zu bewahren als auch ihre Umwelt- und Klimaschutzziele zu erreichen. Die Sicherung gut funktionierender Produkt-, Dienstleistungs- und Arbeitsmärkte ist hierfür eine Voraussetzung. Die Ökologisierung der Wirtschaft betrifft nicht nur die Schaffung neuer Industrien. Ebenso gilt es, die Modernisierung der bestehenden Industriezweige in Europa zu beschleunigen, von denen sich viele im Zuge der Krise bereits neu strukturieren. Wenn die EU diese Ziele erreicht, kann sie im globalen Wettbewerb bestehen, in dem alle Länder nach Lösungen für diese Herausforderungen suchen.

    Dies bedeutet eine effizientere und produktivere Nutzung der Produktionsmittel in der Wirtschaft durch Reduzierung des Drucks auf die Ressourcen. Hierfür ist eine Umgestaltung unserer Wirtschaft durch gezielte Regulierung (z.B. Förderung energieeffizienter Produkte und Systeme), durch Emissionshandel, Steuerreform, durch Finanzhilfen, Zuschüsse und Darlehen, durch öffentliche Investitionen und die Vergabe öffentlicher Aufträge sowie durch eine entsprechende Ausrichtung unserer Haushaltsmittel für Forschung und Innovation erforderlich.

    Die Modernisierung und Vernetzung von Infrastrukturen und die Sicherstellung eines wirksamen Wettbewerbs der netzgebundenen Industrien im Binnenmarkt erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit und bieten gleichzeitig dem Verbraucher konkrete Vorteile. Europa muss in nachhaltige Hochleistungsnetze investieren. Europa braucht so bald wie möglich eine 100 %ige Breitbandversorgung und muss den Ausbau eines Hochgeschwindigkeits-Internetzugangs durch ein massives Investitionsprogramm für Glasfaser- und drahtlose Breitbandnetze vorantreiben.

    Der Ausbau von Highspeed-Internet und die Entwicklung einer intelligenten und modernen Verkehrs- und Energie infrastruktur tragen dazu bei, dass Ziele wie die Senkung des CO2-Ausstoßes, Verkehrssicherheit und Energieversorgungssicherheit verwirklicht werden, und dass unsere vernetzte Wirtschaft wettbewerbsfähig bleibt.

    Für einen solch grundlegenden Wandel bedarf es allerdings eines Umdenkens in der Verkehrspolitik. Eine bessere Verknüpfung der Verkehrsnetze, die Entwicklung von Alternativen zum Straßenverkehr, die Förderung sauberer Technologien und der Ausbau der Infrastruktur sind dabei die wichtigsten Elemente. Große europäische Projekte wie Galileo und GMES werden ebenso wie ein intelligentes Straßen- und Schienenverkehrs- (ERTMS) und Flugverkehrsmanagement (SESAR) eine entscheidende Rolle bei der Verknüpfung der Verkehrsnetze spielen.

    Bis 2030 muss die EU die Hälfte der bestehenden Kraftwerke ersetzen. Wenn wir jetzt die richtigen strategischen Investitionsentscheidungen treffen, könnten in den ersten Jahren nach 2020 zwei Drittel des Stroms sowohl CO2-arm als auch sicherer erzeugt werden. In diesem Zusammenhang ermöglicht die Entwicklung eines europäischen Super-Stromnetzes eine erhebliche Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energiequellen an der Stromerzeugung sowie eine dezentrale Erzeugung. Eine verbesserte Energieeffizienz wird ebenfalls von Bedeutung sein, da sie der kostengünstigste Weg zur Verringerung der Emissionen ist und gleichzeitig die Unabhängigkeit Europas bei der Energieversorgung stärkt.

    In der Industriepolitik , die einen wichtigen Beitrag zu Wachstum, Beschäftigung und Innovation leistet, ist ein unverbrauchtes Konzept notwendig, damit die EU-Industrie sich auf Nachhaltigkeit, Innovation und Qualifizierung ausrichten kann und so auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleibt. Stabile und berechenbare Rahmenbedingungen sollten sie darin unterstützen, die Wettbewerbsherausforderungen von morgen zu meistern. In der Zeit nach der Krise müssen die Unternehmen in mehreren Wirtschaftszweigen strukturelle Überkapazitäten abbauen, und die EU wird dazu beitragen müssen, die Umstrukturierung sozialverträglich zu gestalten und dabei weiterhin gleiche Wettbewerbsbedingungen zu garantieren. Dies erfordert eine integrierte Industriepolitik, die den Wettbewerb fördert und neue Quellen für nachhaltiges Wachstum mit dem Schwerpunkt auf Innovationsfähigkeit, Öko-Innovation, neue grundlegende Technologien und Fähigkeiten erschließt. Die Umgestaltung bietet auch Gelegenheit, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verbessern, den territorialen Zusammenhalt zu fördern, bessere Bedingungen für unternehmerische Initiative zu schaffen sowie die Entwicklung von KMU zu fördern und deren Wachstumspotenzial und Internationalisierung zu unterstützen.

    In einer Zeit der industriellen Umstrukturierung spielt die Beihilfepolitik eine wichtige Rolle beim Übergang zu einer intelligenteren, ökologischeren Wirtschaft. Die Vorschriften für staatliche Beihilfen wurden in den letzten Jahren überarbeitet. Europäische Unternehmen haben die Produktivität gesteigert und Größenvorteile dadurch genutzt, dass sie die Möglichkeiten des Binnenmarktes ausgeschöpft haben. Da nunmehr Anpassungen in einigen Bereichen notwendig sind, wird die Kommission dafür sorgen, dass der Binnenmarkt weiterhin die Grundlage des EU-Wachstums bildet und der Gefahr nationaler Alleingänge entgegengewirkt wird.

    Bis 2020 sollen unsere Vorstellungen zu Klimaschutz und Energie, zur Stärkung unserer industriellen Basis, zur Freisetzung des Potenzials der KMU und zum Handeln angesichts der Anforderungen der Zukunft durch Erhöhung der Produktivität und Reduzierung des Drucks auf die Ressourcen verwirklicht werden.

    Konkrete Umsetzung: erfolgreicher Ausweg aus der Krise

    Es versteht sich von selbst, dass zu allererst ein erfolgreicher Ausweg aus der Krise zu finden ist und allgemeine Ausstiegsstrategien entwickelt werden müssen, die für ein ausgewogenes und nachhaltiges Wachstum sowie für eine solide Finanzpolitik sorgen. Die Rezession und die finanziellen Belastungen haben die Länder, die bereits zu Beginn der Krise große Ungleichgewichte oder politische Schwächen aufwiesen, stärker getroffen. Diese Unterschiede erfordern eine differenzierte Antwort und machen die Koordinierung der gemeinsamen Antwort zu einer anspruchsvollen Aufgabe. Da die unterschiedlichen Gegenmaßnahmen sich länder- und ressortübergreifend auswirken, ist eine wirksame Koordinierung innerhalb der EU unerlässlich. Insbesondere müssen gleiche Wettbewerbsbedingungen im Finanzsektor und in der gewerblichen Wirtschaft erhalten bleiben. Ferner sind makroökonomische Spill-over-Effekte bei der koordinierten Ausstiegsstrategie der EU zu berücksichtigen.

    Die Finanzressourcen sind durch die Krise unter Druck geraten. Die verbleibenden Probleme im Finanzsystem müssen rasch gelöst werden, um den Aufschwung zu unterstützen. Der Zugang zu Krediten und eine wirksame Finanzmarktaufsicht sind für den Aufschwung von entscheidender Bedeutung, und der Übergang zur Wertewirtschaft hängt von der Verfügbarkeit von Kapital zur Finanzierung von Innovationen ab. Den neuen Prioritäten muss in der Haushaltspolitik Rechnung getragen werden.

    Die zentrale Herausforderung besteht darin, den anhaltenden Bedarf an finanzieller Förderung der kurzfristigen Nachfrage mit der Notwendigkeit zur Wiederherstellung tragfähiger öffentlicher Finanzen und volkswirtschaftlicher Stabilität in Einklang zu bringen. Es besteht die Gefahr, dass die Erholung langsam erfolgt und das Beschäftigungswachstum nicht ausreicht, um die hohe Arbeitslosigkeit zu senken.

    Konkrete Umsetzung: Nutzung bestehender Instrumente in einem neuen Konzept

    Um einen erfolgreichen Ausweg aus der Krise zu finden und unsere Ziele für die EU von 2020 zu erreichen, ist die Kommission der Auffassung, dass wir eine Strategie für Konvergenz und Integration brauchen, in der die zunehmende Verflechtung innerhalb der EU deutlich herausgestellt wird:

    - Verflechtung zwischen den Mitgliedstaaten in Form von (positiven oder negativen) Spill-over-Effekten der nationalen Maßnahmen, insbesondere in der Euro-Zone;

    - Verflechtung der verschiedenen Regierungsebenen (EU, Mitgliedstaaten, Regionen, Sozialpartner - Regieren auf mehreren Ebenen);

    - Verflechtung der verschiedenen Politikbereiche, der politischen Maßnahmen und Instrumente und die Bedeutung eines Gesamtkonzepts, um die allgemeinen Ziele zu erreichen;

    - Verflechtung auf globaler Ebene - keiner unserer Mitgliedstaaten ist groß genug, um mit den Schwellenländern Schritt zu halten oder diesen Wandel allein zu gestalten;

    Wenn wir zu einer nachhaltigen sozialen Marktwirtschaft, d.h. einer integrativen, intelligenteren und ökologischeren Wirtschaft gelangen wollen, brauchen wir eine stärkere politische Koordinierung, bessere Synergien durch eine funktionierende Subsidiarität und eine intensivere Partnerschaft zwischen der EU und den Mitgliedstaaten bei der Gestaltung und Durchführung der Politik. Notwendig ist eine Zusammenführung der verschiedenen politischen Instrumente durch die Verknüpfung der institutionellen Reformen, einer besseren Rechtsetzung, neuer Initiativen und öffentlicher Investitionen:

    ( Umfassende Nutzung des Binnenmarktes

    Die Dimension des Binnenmarktes gibt uns das notwendige Gewicht zum Erreichen dieser Ziele. Als zentrales Element sorgt er dafür, dass den Bürgern der stärkere Wettbewerb tatsächlich zugute kommt und Unternehmen unter gleichen Wettbewerbsbedingungen operieren - vorausgesetzt, die Binnenmarktvorschriften werden auch sektorpolitisch korrekt umgesetzt. Die EU nutzt allerdings immer noch nicht alle Vorteile des vor mehr als 20 Jahren geschaffenen Binnenmarktes: Nach wie vor bestehen Hindernisse für grenzüberschreitende Tätigkeiten, wodurch wiederum die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher, der Preiswettbewerb und das Produktivitätspotenzial eingeschränkt werden. Um den Binnenmarkt im Sinne der Ziele für 2020 nutzen zu können, braucht die EU gut funktionierende Märkte, auf denen der Wettbewerb sowie der Marktzugang der Verbraucher Wachstum und Innovation stimulieren. Zur Befähigung der Menschen gehört auch, dass die Märkte dem Menschen zugute kommen. Die Bürger müssen das Recht haben, in vollem Umfang am Binnenmarkt teilzunehmen. Es muss selbstverständlich werden, dass Waren und Dienstleistungen grenzüberschreitend, insbesondere im Internet, gekauft werden.

    Der Binnenmarkt hat sich seit seiner Gründung erheblich entwickelt. Er wurde erdacht, bevor es das Internet gab, bevor IKT zu einem der wichtigsten Wachstumsmotoren wurde, und bevor Dienstleistungen zum dominierenden Faktor der europäischen Wirtschaft aufstiegen. Die neuen Dienste (z.B. Online-Dienste wie E-Gesundheit) verfügen über ein großes Potenzial. Die Kommission ist der Auffassung, dass es zum Erreichen der wichtigsten Ziele für 2020 dringend notwendig ist, die Zersplitterung, die gegenwärtig den Fluss von Online-Inhalten sowie den Zugang für Verbraucher und Unternehmen verhindert, zu überwinden, und den Binnenmarkt so zu modernisieren, dass er den Anforderungen der Wirtschaft von morgen gerecht wird.

    ( Die EU-Strategie für 2020 im globalen Kontext

    Diese neue Agenda wurde in den Kontext der Globalisierung gestellt, die im kommenden Jahrzehnt eine der wichtigsten Triebfedern für die dynamische Entwicklung in Europa bleiben wird. Nicht nur in der EU hat man erkannt, wie eine intelligente und ökologische Wirtschaft Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand steigern kann – auch andere Staaten haben ähnliche Prioritäten gesetzt und investieren massiv in ökologische Technologien, IKT und intelligente Netze. Um an der Spitze zu bleiben, muss die EU schnell Chancen ergreifen, Zukunftstrends antizipieren und sich diesen anpassen. Die Krise hat zum Ausdruck gebracht, wie sehr die europäische und die Weltwirtschaft miteinander verflochten sind. Zum Erreichen unserer Ziele für 2020 müssen wir entschieden auf den G20-Tagungen und auf anderen internationalen Foren auftreten, um im globalen Kontext jene Grundsätze zu fördern, die der nachhaltigen sozialen Marktwirtschaft zugrunde liegen.

    Der internationale Handel ist einer der Motoren von Wachstum, Beschäftigung und Investitionen in der EU. Wir sollten sowohl im Rahmen der WTO als auch über bilaterale Zusammenarbeit gewährleisten, dass Hürden für Handel und Investitionen im internationalen Kontext abgebaut werden, und damit einen offenen und geregelten globalen Handel fördern. Darüber hinaus sollten wir unsere wirtschaftlichen und politischen Beziehungen mit wichtigen strategischen Partnern vertiefen. Dabei sollte besonderer Nachdruck auf dem Zugang zum Markt, zu Energie und zu Rohstoffen sowie auf Fortschritten bei Umwelt- und gesellschaftlichen Zielen liegen.

    ( Unterstützung des Wachstums durch volle Anwendung des Stabilitäts- und Wachstumspakts

    Der Stabilitäts- und Wachstumspakt spielt im Zusammenwirken mit anderen multilateralen Kontrollinstrumenten eine wichtige Rolle bei der Ausrichtung der Haushaltspolitik am Konsolidierungsziel und der gleichzeitigen Bereitstellung der Haushaltsmittel für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung. Bei der Konsolidierung der öffentlichen Finanzen müssen die Mitgliedstaaten die öffentlichen Ausgaben auf die Sachziele der EU für 2020 ausrichten, damit die notwendigen Investitionen in die Zukunft Europas erfolgen können. In Zeiten erheblicher finanzieller Engpässe ist es umso wichtiger, die knappen Mittel in nachhaltiges Wachstum zu investieren. Investitionen und Strukturreformen, die zu einer intelligenteren, vernetzten und ökologischeren Wirtschaft führen sollen, generieren größere Erlöse und erleichtern die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen.

    Die Verwirklichung eines umfassenden Transformationsprozesses setzt gleichzeitig Investitionen in Menschen und Produktionskapazitäten voraus. Um das Wirtschaftspotenzial zu steigern, müssen umfassende Strukturreformen erfolgen, damit neue Wachstumsquellen erschlossen werden. Eine Koordinierung auf EU-Ebene bei der Gestaltung und Durchführung kommt einer strafferen Strukturreformagenda auf der Grundlage von Maßnahmen zur Steigerung des Wachstumspotenzials und der Produktivität zugute, nicht zuletzt zur vollständigen Nutzung des Binnenmarktes.

    Selbst in Zeiten einer notwendigen Haushaltskonsolidierung bietet der Stabilitäts- und Wachstumspakt Raum für Zukunftsinvestitionen. Hierzu gehören vorrangig Investitionen in F&E und neue Technologien, in Innovation, in qualitativ hochwertige Aus- und Fortbildung sowie in „intelligente“ Netze. Dies bedeutet Investitionen bei gleichzeitiger Modernisierung bestehender Strukturen, wozu auch effizientere öffentliche Verwaltungen und eine Reform des ordnungspolitischen Rahmens gehören.

    ( Berücksichtigung politischer Prioritäten in unseren öffentlichen Haushalten

    Sobald diese neuen Prioritäten beschlossen sind, müssen sie in der Haushaltspolitik ihren Niederschlag finden. Die Kommission will sie bei ihrer Haushaltsüberprüfung im kommenden Jahr und bei ihren Vorschlägen für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen berücksichtigen. Ferner sollten die Mitgliedstaaten ihre öffentlichen Ausgaben überprüfen, um Qualität und Effizienz zu erhöhen und trotz der stark angespannten Haushaltslage Spielraum für Investitionen in nachhaltiges Wachstum zu finden. Gleichzeitig müssen neue Finanzierungsmodelle (wie öffentlich-private Partnerschaften mit Hebelwirkung für EU- bzw. EIB-Mittel) gefunden werden, um Mittel der öffentlichen und der privaten Hand zu bündeln und ihre Wirkung zu maximieren.

    ( Eindeutiges Regierungshandeln zur wirksamen Durchführung der neuen Strategie

    Der Durchführung der Strategie liegt ein partnerschaftlicher Ansatz zum Erreichen ausgewählter wesentlicher Ziele zugrunde. Allein über diesen Ansatz lassen sich die spezifischen Maßnahmen und Ziele der Strategie erreichen, zumal sowohl auf EU-Ebene als auch auf einzelstaatlicher und regionaler Ebene wesentlicher Handlungsbedarf besteht und die Strategie durch das Zusammenspiel dieser drei Ebenen ihr ganzes Potenzial auszuschöpfen vermag. Auf Seiten des Rates sollte für die künftige Strategie vor allem der Europäische Rat verantwortlich zeichnen, da dieses Gremium für die Abstimmung der Politik und die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und der EU zuständig ist. Gestützt auf die neuen Bestimmungen des Vertrags von Lissabon sollte er daher als für die Strategie verantwortliches Organ die wichtigsten Entscheidungen treffen sowie die Ziele vorgeben. Gremien wie der ECOFIN-Rat sowie die einschlägigen Fachräte setzen diese Entscheidungen dann integrativ um, wobei jeder Rat im Rahmen seiner Zuständigkeit die längerfristigen Ziele der EU-Vision für 2020 verwirklicht.

    Die Kommission würde es begrüßen, wenn das Europäische Parlament eine wesentlich größere Rolle im Rahmen der neuen Führungsstruktur spielen und über seine traditionelle Zuständigkeit für integrierte Leitlinien und Beschäftigung hinaus noch vor der Frühjahrstagung des Europäischen Rates Stellung zur EU-Strategie für 2020 beziehen würde.

    Zur Verwirklichung der EU-Vision für 2020 bedarf es der aktiven Unterstützung aller Beteiligten wie der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft. Ausschlaggebend für ihren Erfolg ist, wie diese Vision in den verschiedenen Regionen der EU aufgenommen wird. Die Kommission würde es begrüßen, wenn die nationalen Parlamente der Entwicklung dieser neuen Strategie ihre besondere Aufmerksamkeit widmen würden.

    Bei der Tagung des Europäischen Rates im Frühjahr 2010 sollte die Strategie für die nächsten fünf Jahre auf der Grundlage eines Anfang 2010 vorzulegenden Kommissionsvorschlags festgelegt werden. Der Europäische Rat sollte eine kleine Anzahl von Kernzielen und die entsprechenden politischen Maßnahmen, die gemeinsam auf EU- und einzelstaatlicher Ebene verfolgt werden sollen, festlegen. Die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates mit den entsprechenden Leitlinien für die Maßnahmen der EU und der Mitgliedstaaten werden somit zur Richtschnur für die im Vertrag vorgesehenen integrierten Leitlinien.

    Für jedes dieser Ziele sollen die Mitgliedstaaten für fünf Jahre nationale Ziele entsprechend ihrer jeweiligen Ausgangssituation formulieren. Die Kommission und der Europäische Rat überwachen die jährlichen Fortschritte in den Mitgliedstaaten und auf EU-Ebene.

    Stellungnahmen

    Die Kommission bittet bis zum 15. Januar 2010 um Stellungnahmen und Vorschläge zu den in diesem Papier dargelegten Ideen an folgende Adresse: EU2020@ec.europa.eu

    Die Beiträge werden im Internet veröffentlicht – es sei denn, der jeweilige Verfasser hat Einwände gegen eine Veröffentlichung der personenbezogenen Daten, weil er darin eine Gefährdung seiner rechtmäßigen Interessen sieht. In diesem Fall kann der Beitrag anonym veröffentlicht werden. Berufsverbände, die zu diesem Konsultationspapier Stellung nehmen, werden ersucht, sich im Register der Interessenvertreter anzumelden, falls sie dies nicht bereits getan haben (http://ec.europa.eu/transparency/regrin/). Dieses Register wurde im Rahmen der Europäischen Transparenzinitiative eingerichtet, um die Kommission und die Öffentlichkeit umfassend mit Informationen über die Ziele, die Finanzierung und die Strukturen von Interessenvertretern zu versorgen.

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