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Document 52009DC0401

    Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und an den Rat über Rumäniens Fortschritte im Rahmen des Kooperations- und Kontrollverfahrens {SEK(2009) 1073}

    /* KOM/2009/0401 endg. */

    52009DC0401

    Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und an den Rat über Rumäniens Fortschritte im Rahmen des Kooperations- und Kontrollverfahrens {SEK(2009) 1073} /* KOM/2009/0401 endg. */


    [pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

    Brüssel, den 22.7.2009

    KOM(2009) 401 endg.

    BERICHT DER KOMMISSIONAN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND AN DEN RAT

    über Rumäniens Fortschritte im Rahmen des Kooperations- und Kontrollverfahrens{SEK(2009) 1073}

    BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND AN DEN RAT

    über Rumäniens Fortschritte im Rahmen des Kooperations- und Kontrollverfahrens

    EINLEITUNG – HINTERGRUND UND METHODE

    1. Ziel:

    Gleichzeitig mit dem Beitritt Rumäniens zur EU im Januar 2007 wurde ein Kooperations- und Kontrollverfahren[1] eingerichtet, das dem neuen Mitgliedstaat bei der für notwendig befundenen umfassenden Justizreform und beim gemeinsamen Kampf gegen Korruption auf allen Ebenen helfen sollte. Es ermöglicht der Kommission, auf politischer und fachlicher Ebene eng mit den rumänischen Behörden zusammen zu arbeiten, um die Fortschritte zu kontrollieren und zu bewerten und fachliche Beratung sowie finanzielle Unterstützung zu leisten. Mit Hilfe des Verfahrens können die übrigen Mitgliedstaaten die einschlägigen Entwicklungen in Rumänien mitverfolgen und sowohl fachlich als auch finanziell unterstützen. Mit den von der Kommission nach diesem Verfahren verfassten Zwischen- und Jahresberichten werden die Fortschritte bewertet und etwaige verbliebene Unzulänglichkeiten aufgezeigt, damit Rumänien die vorrangigen Maßnahmen einleiten kann, die erforderlich sind, um die zum Beitrittszeitpunkt festgesetzten Vorgaben uneingeschränkt zu erfüllen.

    In diesem Bericht wird dargelegt, wie die Kommission die Fortschritte Rumäniens bei der Erfüllung der Vorgaben seit dem letzten Gesamtbericht (23. Juli 2008) bewertet. Davon ausgehend werden bestimmte Empfehlungen an Rumänien gerichtet. Das aktualisierte technische Begleitdokument enthält eine detaillierte Beurteilung der Fortschritte für jede der Vorgaben. Der Bericht stützt sich auf regelmäßige Informationen der rumänischen Behörden und insbesondere ihre Antworten auf die ausführlichen Fragebögen der Kommission zu den einzelnen Vorgaben. Die Kommission hat ferner hochrangige Sachverständige der Mitgliedstaaten zu Rate gezogen und sich zusätzlich noch verschiedener anderer Quellen bedient.

    2. Die Rolle der Vorgaben:

    Alle Vorgaben sind nach dem Verständnis der Kommission eng miteinander verknüpft. In den Gesprächen mit Rumänien wurde wiederholt deutlich gemacht, dass Fortschritte bei der Erfüllung einer Vorgabe mit Fortschritten bei anderen Vorgaben einhergehen. Die Vorgaben des Kooperations- und Kontrollverfahrens verfolgen keinen Selbstzweck, sondern dienen der Entwicklung einer unabhängigen, stabilen Justiz, die in der Lage ist, Interessenskonflikte zu erkennen und zu sanktionieren, die Korruption auf allen Ebenen zu bekämpfen und wirksam gegen organisierte Kriminalität vorzugehen. Deswegen möchte die Kommission die Vorgaben nicht einzeln abarbeiten, sondern mit Rumänien zusammenarbeiten, bis das Kooperations- und Kontrollverfahren als Ganzes abgeschlossen ist.

    STAND DES REFORMPROZESSES IN RUMÄNIEN

    Erfolgsbilanz

    Wie in den Vorjahren kann eine ausführliche Würdigung der Fortschritte bei der Erfüllung der Vorgaben durch die Kommission im Rahmen des Kooperations- und Kontrollverfahrens dem Anhang zu diesem Bericht entnommen werden. Im Bericht selbst sind die wichtigsten Feststellungen der Kommission und ihre Empfehlungen an Rumänien zusammengefasst.

    Die rumänische Regierung, unterstützt von einer Allianz innerhalb der Staatsanwaltschaft und der Justiz, hat wirkungsvoll auf die im Zwischenbericht der Kommission vom 12. Februar 2009 zum Ausdruck gebrachten Bedenken reagiert. Eine Reihe praktischer und gesetzgeberischer Schritte bezeugen den neuen Schwung bei der Fortsetzung des Reformprozesses. Allerdings stehen praktische positive Folgen des Reformprozesses für die Bürger noch aus. Der Reformeifer findet zudem keine einhellige Unterstützung über Parteigrenzen hinweg. Das Parlament müsste konsequent vorgehen und Beschlüsse fassen, die die Bemühungen der Exekutive um eine Justizreform und die Beseitigung der Korruption sinnvoll unterstützen.

    Neues Zivil- und neues Strafgesetzbuch

    Die rumänische Regierung hatte in aller Öffentlichkeit ihre Absicht bekräftigt, auf die Empfehlungen der Kommission in ihren früheren Berichten hin ein neues Zivilrecht und ein neues Strafrecht einzuführen. Die Annahme beider Gesetzbücher im Juni 2009 stellt diesen politischen Willen eindeutig unter Beweis und ist ein wichtiger Schritt hin zu einem effizienteren Rechtssystem. Beide Gesetzbücher sollen jedoch erst in Kraft treten, wenn die entsprechenden Prozessordnungen (die dem Parlament zeitgleich mit den neuen Zivil- und Strafgesetzbüchern von der Regierung vorgelegt wurden) im normalen parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren behandelt und verabschiedet worden sind. Es wird damit gerechnet, dass die vier Gesetzbücher frühestens 2011 in Kraft treten.

    Außerdem ist für ihre Anwendung ein Durchführungsgesetz erforderlich. Für Rumänien ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass das Durchführungsgesetz und die Verabschiedung der Prozessordnungen im Parlament nicht zur Wiedereinführung früherer umstrittener oder neuer Bestimmungen missbraucht werden, die Effizienz und Erfolg der Ermittlungen in Fällen von Korruption auf hoher Ebene und der anschließenden Gerichtsverfahren beeinträchtigen könnten.

    Ein guter Indikator für das Ausmaß dieser Gefahr wird das Schicksal des Gesetzes 78/2000 sein, der aktuellen Rechtsgrundlage für die Untersuchung von Korruptionsfällen auf hoher Ebene und die Arbeit der Anti-Korruptions-Behörde. In den Beratungen bis zur endgültigen Annahme muss unbedingt gewährleistet werden, dass an diesen wichtigen Rahmenvorschriften nicht gerüttelt wird.

    Das neue Strafgesetzbuch sieht eine Herabsetzung der Höchststrafen für Eigentumsdelikte, darunter auch Korruption und vergleichbare Straftaten, vor. Diese auf den ersten Blick im Widerspruch zu den Anstrengungen im Kampf gegen die Korruption stehende Maßnahme wurde mit dem Bestreben erklärt, die Kohärenz des Rechtsrahmens zu verbessern.

    Eine Arbeitsgruppe „Strafmaß bei Korruptionsdelikten“ hatte Diskrepanzen in der Entscheidungspraxis der Gerichte festgestellt und konkrete Empfehlungen abgegeben, die vor allem der Oberste Kassations- und Gerichtshof aufgreifen soll, der sich bereit erklärt hat, einen Leitfaden zum Strafmaß bei Korruptionsdelikten zu erarbeiten. Damit wäre ein bedeutender Schritt hin zu einer einheitlicheren Rechtsprechung getan.

    Justizreform

    Trotz einer neuen Personalstrategie für das Justizwesen stellen sowohl deren Finanzierung als auch die Bereitstellung von qualifiziertem Personal und einer flankierenden Infrastruktur für Rumänien nach wie vor eine Herausforderung dar. Ungeachtet dessen wurde in Bezug auf die personelle Ausstattung der örtlichen Gerichte und Staatsanwaltschaften Einiges getan, auch wenn die bisherigen Maßnahmen noch nicht ausreichen. Der Oberste Rat der Magistratur hat seine Inspektionstätigkeit intensiviert, um die Qualität der Rechtsprechung – vor allem in Form einer einheitlichen und kohärenten Rechtsanwendung – zu verbessern. Bei Ernennungsverfahren und neuen Auswahlverfahren wurde entsprechend den Zielvorgaben auf Objektivität und Fachkompetenz geachtet. Trotzdem muss der Oberste Rat der Magistratur noch aktiver werden, um zu einer effizienten und flexiblen Personalpolitik zu gelangen. Die Auswirkungen der neuen Strategie sind noch nicht vollständig absehbar, aber schon jetzt lassen sich ein größeres Problembewusstsein und eine bessere Antizipation möglicher Probleme feststellen.

    Personelle Engpässe wurden durch jüngste Beschlüsse des Obersten Rates der Magistratur zur Änderung der Abordnungsregeln verschärft, da das abordnende Organ die abgeordneten Richter oder Staatsanwälte selbst dann nicht zurückrufen kann, wenn es unter starkem Personalmangel leidet. Darüber hinaus erschweren die beschränkten Steuerungsmöglichkeiten der Generalstaatsanwaltschaft bei Beförderungen, Disziplinarmaßnahmen und Versetzungen die Umstrukturierung der Staatsanwaltschaften erheblich. Eine wirksame Neuorganisation der Staatsanwaltschaft ist ohne eine intensivere Mitwirkung des Obersten Rates der Magistratur nicht denkbar.

    Vereinheitlichung der Rechtsprechung

    Der Generalstaatsanwalt hat mehrfach Revision beim Obersten Gerichts- und Kassationshof gegen konfligierende Gerichtsurteile eingelegt, was zu einer einheitlicheren Rechtsprechung beigetragen hat. Die Zahl der Revisionen aufgrund von Rechtsverletzungen erreichte 2007 ihren Höchststand; ihr Rückgang im Jahr 2008 könnte auf gewisse Erfolge bei der Vereinheitlichung der Rechtsprechung hindeuten.

    Der Oberste Gerichts- und Kassationshof hat in zahlreichen Revisionsverfahren entschieden, in denen es um eine einheitliche Rechtsauslegung und –anwendung durch die Gerichte ging. Allerdings führt das schwerfällige und fragwürdige Verfahren, wonach zwei Drittel der 120 Richter an den Entscheidungen mitwirken und anschließend den Urteilsbegründungen zustimmen müssen, zu Verzögerungen und bisweilen nicht klar nachvollziehbaren Urteilsbegründungen. Der Vereinheitlichung der Rechtsprechung dienten auch die systematische Veröffentlichung der Gerichtsurteile sowie gemeinsame Tagungen mit Richtern an Gerichten auf einer unteren Instanz. Einen wichtigen Beitrag wird auch die Veröffentlichung des Leitfadens zum Strafmaß bei Korruptionsdelikten leisten, die der Oberste Gerichts- und Kassationshof für den Herbst dieses Jahres angekündigt hat.

    Die Exekutive und der Gesetzgeber sollten sich unbedingt auf eine Änderung des Verfassungsgerichtsgesetzes einigen, mit der die Aussetzung von Verfahren bei Verfassungsbeschwerde der Angeklagten aufgehoben wird. Auch sollten Verfahrensexzessen in jenen Fällen rechtliche Schranken gesetzt werden, in denen eine angebliche Rechtswidrigkeit von Maßnahmen gerügt wird, die ebenfalls zur Aussetzung des Verfahrens führt. Diese Probleme führen zu nicht hinnehmbaren Verzögerungen und sollten entweder bei den anstehenden Beratungen über das Prozessrecht oder durch eine Änderung der einschlägigen Durchführungsbestimmungen angegangen werden.

    Mit der Ernennung eines neuen Präsidenten des Obersten Gerichts- und Kassationshofs wird sich im Herbst die Gelegenheit bieten, den Willen zur Reformierung, Modernisierung und transparenteren Gestaltung des Justizsystems unter Beweis zu stellen.

    Bekämpfung der Korruption auf hoher Ebene

    Bei Anträgen auf Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens gegen ehemalige Minister verfährt das rumänische Parlament weder einheitlich noch zügig. Seit dem letzten Bericht hat das Parlament die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens in vier Fällen genehmigt, aber in zwei weiteren Fällen verweigert. In einem der beiden letztgenannten Fälle legte das betroffene Parlamentsmitglied seinen Sitz nieder und ermöglichte damit die Einleitung eines polizeilichen Ermittlungsverfahrens, während im zweiten Fall das Parlament ein Verfahren für unzulässig hielt. Es ist wichtig, dass das Parlament zeigt, dass es bereit ist, vorbehaltslos gegen Korruption auf hoher Ebene vorzugehen.

    Die Wiederernennung des Leiters der Nationalen Anti-Korruptions-Behörde im Februar hat erheblich zur Stabilität und Kontinuität in den mit der Korruptionsbekämpfung betrauten Stellen beigetragen. Für Rumänien ist das Weiterbestehen spezialisierter und effizienter Korruptionsbekämpfungsorgane von zentraler Bedeutung.

    Die Nationale Anti-Korruptions-Behörde hat ihre gute Arbeit bei der Durchführung unparteiischer Ermittlungen in Fällen von Korruption auf hoher Ebene erfolgreich fortgesetzt.

    Die Nationale Integritätsbehörde

    Die Nationale Integritätsbehörde hat inzwischen ihre Arbeit aufgenommen und bei der Überprüfung der Angaben von Regierungsmitgliedern, Richtern, Beamten in Führungs- und Kontrollpositionen und allen sonstigen öffentlichen Bediensteten zu ihren Einkommensverhältnissen gute Ergebnisse erzielt. Weitere Verbesserungen sind zu erwarten, sobald die Einführung des geplanten integrierten EDV-Systems abgeschlossen ist. Die systematische Ahndung aller nicht abgegebenen Erklärungen durch die Behörde mittels eines Bußgelds und gegebenenfalls eines anschließenden Gerichtsverfahrens zeigt eine gewisse präventive Wirkung. Diese Praxis der Untersuchungen von Amts wegen ist sehr zu begrüßen. Vollständig wird sich der tatsächliche Erfolg der Tätigkeit der Integritätsbehörde jedoch erst ermessen lassen, wenn die ersten, gerade anhängigen Verfahren wegen Besitzes von ungerechtfertigtem Vermögen und Unvereinbarkeiten oder Interessenskonflikten von den zuständigen Gerichten bzw. Disziplinarorganen entschieden sein werden. Schließlich sollten die Behörde und der Nationale Integritätsrat als ihr Garant und ihre Kontrollinstanz eine stabile, auf gegenseitigem Vertrauen beruhende Zusammenarbeit entwickeln.

    Bekämpfung der Korruption auf lokaler Ebene

    Auf Anordnung des Generalstaatsanwaltes haben die Bezirksstaatsanwaltschaften Strategien zur Bekämpfung der Korruption auf lokaler Ebene erarbeitet. Diese begrüßenswerte Initiative wird durch einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch über bewährte Praktiken und eine Konzentration auf sensible Bereiche ergänzt. Die Initiative hat in den Staatsanwaltschaften das Problembewusstsein in Bezug auf die in bestimmten Bereichen (z.B. im Bildungs- und Gesundheitswesen) offenbar weit verbreitete Korruption auf den unteren Ebenen geschärft. Die Zahl der von den regionalen und lokalen Staatsanwaltschaften untersuchten Fälle ist akzeptabel, auch wenn vielleicht von Amts wegen aufgenommene Ermittlungen noch eine größere Rolle spielen könnten. Ein Mangel an Eigeninitiative bei der Aufspürung von Korruptionsfällen ist auch in den örtlichen Kontrollinstanzen der Gesundheits- und Schulbehörden sowie in den Finanzämtern und anderen internen Kontrollorganen öffentlicher Einrichtungen feststellbar.

    Generell sollte präventiven Initiativen wie Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit und auf allen Verwaltungsebenen, der Transparenz der Verwaltungsverfahren, der Durchsetzung des Rechts auf Zugang zu öffentlichen Dokumenten usw. mehr Gewicht beigemessen werden. In bestimmten Bereichen, in denen es Anhaltspunkte für Korruption auf lokaler Ebene gibt (öffentliches Auftragswesen, Zuschüsse und Genehmigungen, Bildung, Gesundheit usw.), versprechen strukturelle Präventionsmaßnahmen langfristig bessere Ergebnisse als eine Rechtsdurchsetzung in Einzelfällen. Beide sind selbstverständlich unverzichtbar, da die Ahndung von Einzelverstößen zeigt, dass Missbräuche nicht toleriert werden und nicht vor Aufdeckung gefeit sind.

    SCHUTZBESTIMMUNGEN

    Angesichts obiger Ausführungen stellt sich die Frage, ob die Schutzbestimmungen des Beitrittsvertrages zur Anwendung gelangen sollten. In der öffentlichen Diskussion über das Kooperations- und Kontrollverfahren ist der Unterschied zwischen der voraussichtlichen Dauer des Verfahrens und den befristeten Schutzbestimmungen des Beitrittsvertrages oft nicht klar. Tatsächlich gibt es keinen automatischen Zusammenhang zwischen dem Kooperations- und Kontrollverfahren und den im Beitrittsvertrag mit Rumänien verankerten Schutzbestimmungen. Schutzbestimmungen sind allgemein üblich. Sie sollen das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes und des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts gewährleisten. Sie können bis Ende Dezember 2009 in Anspruch genommen werden, um im Bedarfsfall die Anwendung der einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften zeitweilig auszusetzen. Die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme dieser Klauseln sind nach Auffassung der Kommission angesichts der vorstehenden Beurteilung nicht erfüllt.

    Das Kooperations- und Kontrollverfahren läuft inzwischen im dritten Jahr. Es wurde zeitlich nicht begrenzt, weil es erst dann aufgehoben werden sollte, wenn alle Vorgaben in zufrieden stellendem Maße erfüllt sind. Ohne jeden Zweifel ist die Erfüllung der Zielvorgaben eine langfristige Aufgabe: die Bekämpfung der Korruption an ihrer Wurzel und die Ausmerzung des organisierten Verbrechens brauchen Zeit. Tiefgreifende Veränderungen dieser Art können nur aus dem Inneren der rumänischen Gesellschaft kommen. Das Kooperations- und Kontrollverfahren soll diese Bemühungen unterstützen und ist weder Selbstzweck noch Ersatz für das notwendige Engagement der rumänischen Behörden bei der Angleichung des Justizsystems und der Rechtspraxis an das allgemeine EU-Niveau.

    SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGEN

    Rumänien hat seit dem Kommissionsbericht von 2008 einige begrüßenswerte Schritte unternommen, um den Reformprozess wieder in Gang zu bringen, und der neue Schwung hat zu einigen positiven Ergebnissen geführt. Allerdings kämpft Rumänien immer noch mit den Folgen des nie ganz überarbeiteten Straf- und Zivilrechts. Die Folge sind eine Reihe von Gesetzesänderungen sowie zahlreiche Sonderverordnungen. Deswegen ist es nicht überraschend, dass es in der Rechtsprechung zu Widersprüchlichkeiten und dadurch bedingt zu unverhältnismäßigen Verzögerungen kommt, denen der Gesetzgeber mit einem Flickwerk aus Sonderverordnungen, Durchführungsbestimmungen und Verfahrensanordnungen beizukommen versucht. Die daraus resultierende Unübersichtlichkeit ist das Ergebnis der Politisierung des Gesetzgebungsprozesses, und ein breiter politischer Reformkonsens, der zu wirklichen Fortschritten im Interesse des rumänischen Volkes führen könnte und vom gesamten Parteienspektrum getragen wird, ist noch nicht in Sicht. Es besteht die Gefahr, dass die ständigen parteipolitischen Konflikte zu einem unentwegt wuchernden, immer unübersichtlicheren Gestrüpp von Gesetzen, Durchführungsbestimmungen und Verfahrensanordnungen führen, angesichts dessen sämtliche Beteiligte das eigentliche Ziel aus den Augen verlieren, nämlich die Schaffung einer unabhängigen, stabilen Justiz, die in der Lage ist, Interessenkonflikte aufzudecken und wirksam gegen Korruption vorzugehen.

    Aus diesem Grund bleiben die positiven Ergebnisse konkreter Reformbemühungen in einzelnen Sachbereichen Stückwerk, verlaufen die Reformen weiterhin an der Oberfläche und dauern Mängel an.

    Gestützt auf die obige Bestandsaufnahme fordert die Kommission Rumänien auf, folgende Maßnahmen zu ergreifen:

    in Bezug auf die neuen Gesetzbücher:

    - die Auswirkungen der vier neuen Gesetzbücher auf das Funktionieren der Justiz und den Aufbau der Gerichte und Staatsanwaltschaften gründlich zu prüfen sowie den für ihre Anwendung erforderlichen Mittelbedarf abzuschätzen;

    - ein öffentliches Konsultationsverfahren zu der geplanten Zivil- und Strafprozessordnung durchzuführen und diese Vorschriften so bald wie möglich zu verabschieden;

    - das zügige Inkrafttreten der vier neuen Gesetzbücher durch Erlass eines Durchführungsgesetzes zu erleichtern, das einen kohärenten Rechtsrahmen gewährleistet.

    in Bezug auf die Justizreform:

    - eine flexible, an Prioritäten orientierte Personalpolitik durchzuführen mit kurzfristigen Sofortmaßnahmen wie der Übertragung freier Stellen auf die Behörden mit dem größten unmittelbaren Bedarf (einschließlich Stellenverschiebungen zwischen den verschiedenen Instanzen), der Betrauung von Hilfspersonal mit Verwaltungsaufgaben und der Einsetzung von Gerichtsvorstehern, flankiert von einer mittel- und langfristigen Personalplanung, die auf die Bedürfnisse des Justizwesens zugeschnitten ist und in der Ernennungen, Versetzungen, Abstellungen und Abgänge anhand von Simulationen und Projektionen vorausberechnet werden;

    - Transparenz und Rechenschaftspflicht des Obersten Rates der Magistratur zu verbessern, wozu auch gehört, dass der Rat seiner Verpflichtung zu einem antizipativen Vorgehen bei Einstellungen, Beförderungen, Disziplinarmaßnahmen, Versetzungen und Abordnungen nachkommt und seine Entscheidungen in leicht verständlicher und allgemein zugänglicher Form veröffentlicht werden.

    in Bezug auf die Vereinheitlichung der Rechtsprechung:

    - eine angemessene Umsetzung der Empfehlungen der Arbeitsgruppe „Strafmaß bei Korruptionsdelikten“ zu gewährleisten;

    - die Rolle des Obersten Gerichts- und Kassationshofs bei der Vereinheitlichung der Rechtsprechung zu stärken, u.a. durch effiziente Ausgestaltung des Revisionsverfahrens im Interesse einer kohärenten Rechtsauslegung und -anwendung sowie durch die Abfassung von Leitlinien für Sanktionen in Korruptionsfällen;

    in Bezug auf den Kampf gegen Korruption auf hoher Ebene:

    - das rumänische Parlament zu einer einheitlichen und zügigen Anwendung des Verfahrens zur Genehmigung kriminalpolizeilicher Ermittlungen gegen ehemalige oder aktuelle Regierungsmitglieder zu veranlassen;

    - die Effizienz des Justizsystems in Verfahren, in denen es um Korruption auf hoher Ebene geht, zu überwachen;

    - einen stabilen Rechtsrahmen für die Bekämpfung von Korruption auf hoher Ebene, auch mit Hilfe der neuen Gesetzbücher, zu schaffen;

    - ein Gesetz zu erlassen, mit dem die Aussetzung von Gerichtsverfahren bei Verfassungsbeschwerden abgeschafft wird.

    in Bezug auf die Tätigkeit der Nationalen Integritätsbehörde:

    - die Fallpraxis der Behörde bei der Überprüfung der Einkommensverhältnisse sowie bei Unvereinbarkeiten oder Interessenkonflikten zu konsolidieren;

    - für ein unverzügliches Tätigwerden der Justiz- und Disziplinarorgane zu sorgen, sobald diese von der Nationalen Integritätsbehörde mit Fällen von ungerechtfertigten Bereicherungen, Unvereinbarkeiten und Interessenskonflikten befasst werden.

    in Bezug auf den Kampf gegen Korruption auf lokaler Ebene:

    - die Koordinierung der nationalen Antikorruptions-Strategie zu verbessern, um Schwachstellen und Risikobereiche leichter aufdecken und auf allen Ebenen an Prioritäten orientierte Vorbeugestrategien entwickeln zu können;

    - mit der Umsetzung der von den Staatsanwaltschaften entwickelten, auf die Bedürfnisse vor Ort zugeschnittenen lokalen Strategien fortzufahren und sie noch effizienter zu gestalten;

    - die Präventivmaßnahmen gegen Korruption in sensiblen Bereichen in Abstimmung mit örtlichen und zentralen Einrichtungen zu intensivieren.

    Die Kommission fordert Rumänien auf, den Reformprozess fortzusetzen und ihre Empfehlungen zu befolgen. Sie wird Rumänien unterstützen und hiervon ausgehend die Fortschritte im kommenden Jahr beobachten. Es müssen kontinuierlich konkrete Ergebnisse eingefordert werden, wobei die Kommission auch an die übrigen Mitgliedstaaten appelliert, Rumänien weiter zu unterstützen und auf Fortschritte hinzuwirken. Die Kommission wird ihrerseits die Bemühungen Bulgariens in Form eines politischen und fachlichen Dialogs und gegebenenfalls der Bereitstellung von entsprechendem Fachwissen unetrstützen.

    Aussichten:

    Wie aus diesem Bericht hervorgeht, hat die Regierung einige wichtige Reformvorschläge vorgelegt, und den positiven Ergebnissen der Arbeit der Staatsanwaltschaften folgen allmählich auch Maßnahmen der Justiz. Rumäniens Reformpolitik hat wieder an Schwung gewonnen und baut auf den bereits im Kommissionsbericht von 2008 erwähnten Leistungen auf. Will Rumänien nachhaltige Fortschritte erzielen, darf die Justizreform jedoch nicht zum politischen Streitobjekt verkommen. Die unabhängige Arbeit der Justiz muss Konsens unter allen Akteuren sein, damit unparteiische Ermittlungen in Korruptionsfällen zu zügigen und wirkungsvollen Urteilen führen. Das Kooperations- und Kontrollverfahren stellt in den Augen der Kommission ein Hilfsmittel dar, das bis zum Abschluss der Reformen beibehalten werden muss. Die Kommission wird daher im Sommer 2010 die weiteren Fortschritte beurteilen.

    [1] Entscheidung der Kommission 2006/928/EG vom 13. Dezember 2006 zur Einrichtung eines Verfahrens für die Zusammenarbeit und die Überprüfung der Fortschritte Rumäniens bei der Erfüllung bestimmter Vorgaben in den Bereichen Justizreform und Korruptionsbekämpfung (ABl. L 354 vom 14.12.2006, S. 56).

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