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Document 52009AR0214
Opinion of the Committee of the Regions on contributing to Sustainable Development: the role of Fair Trade and non-governmental trade-related sustainability assurance schemes
Stellungnahme des Ausschusses der Regionen „Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung: Die Rolle des fairen Handels und handelsbezogener nichtstaatlicher Nachhaltigkeitssicherungskonzepte“
Stellungnahme des Ausschusses der Regionen „Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung: Die Rolle des fairen Handels und handelsbezogener nichtstaatlicher Nachhaltigkeitssicherungskonzepte“
ABl. C 175 vom 1.7.2010, p. 10–14
(BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)
1.7.2010 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 175/10 |
Stellungnahme des Ausschusses der Regionen „Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung: Die Rolle des fairen Handels und handelsbezogener nichtstaatlicher Nachhaltigkeitssicherungskonzepte“
(2010/C 175/03)
I. ALLGEMEINE BEMERKUNGEN
DER AUSSCHUSS DER REGIONEN
1. begrüßt ausdrücklich die Mitteilung der Kommission vom 5. Mai 2009„Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung: Die Rolle des Fairen Handels und handelsbezogener nichtstaatlicher Nachhaltigkeitssicherungskonzepte“. Die Europäische Kommission beleuchtet in dieser Mitteilung die derzeitige Lage des Fairen Handels und anderer nichtstaatlicher (d.h. privater) handelsbezogener Nachhaltigkeitssicherungskonzepte;
2. stellt fest, dass der Markt für Fair Trade Produkte in den letzten Jahren einen raschen Aufschwung erlebt hat. Die EU-Verbraucher kaufen heute zertifizierte Erzeugnisse aus Fairem Handel im Wert von rd. 1,5 Mrd. EUR pro Jahr - 70mal mehr als im Jahr 1999, als die Kommission ihre erste Mitteilung zu dieser Thematik vorlegte;
3. hält eine eindeutige Definition von Fair Trade für unverzichtbar, um zu vermeiden, dass gutwillige Konsumenten mit einer Vielzahl von Siegeln und Zertifizierungen, die alle behaupten, nur unter fairen, ethisch einwandfreien, alternativen Bedingungen hergestellte Produkte zu repräsentieren, konfrontiert werden. In der Mitteilung der Kommission vom 5. Mai 2009 wird auf die von der Fair-Trade-Bewegung festgelegten und im Bericht des Europäischen Parlaments zu fairem Handel und Entwicklung vom 6. Juni 2006 angeführten Kriterien für fairen Handel verwiesen. Der Begriff „Fairer Handel“ wird gemäß den Standards verwendet, die von den internationalen, ISEAL Alliance angehörenden Standardisierungs- und Konformitätsbewertungsorganisationen erstellt wurden und von den Fair Trade Organisationen angewendet werden;
4. nimmt mit Aufmerksamkeit zur Kenntnis, dass der Bekanntheitsgrad des Fair-Trade Siegels 2008 im Vereinigten Königreich bei über 70 % (gegenüber 12 % im Jahr 2000) und 2005 in Frankreich bei 74 % (gegenüber 9 % im Jahr 2000) lag. In Deutschland hat das Siegel „Fair Trade“ bei einer Untersuchung 2009 unter 407 Marken und gemeinnützigen Organisationen Platz 1 als nachhaltige Marke eingenommen;
5. zeigt sich erfreut, dass Ende 2007 der weltweite Absatz zertifizierter Waren aus Fairem Handel 2,3 Mrd. EUR überstieg (dies liegt aber deutlich unterhalb der Absatzzahlen für ökologisch erzeugte Lebensmittel und macht weniger als 1 % des gesamten Handels aus). Europa ist die Hochburg des Fairen Handels mit 60-70 % der weltweiten Verkäufe. Dabei sind große Unterschiede zwischen dem am schnellsten wachsenden Markt, nämlich Schweden, und den neuen Mitgliedstaaten zu verzeichnen, wo das Konzept noch relativ unbekannt ist.
II. POLITISCHE EMPFEHLUNGEN
DER AUSSCHUSS DER REGIONEN
Merkmale des Fairen Handels
6. betont, dass eines der hervorstechenden Merkmale des Fairen Handels und anderer Nachhaltigkeitssicherungskonzepte darin besteht, dass es sich um einen im Wesentlichen freiwilligen dynamischen Mechanismus handelt, der sich entsprechend dem Bewusstsein und der Nachfrage von Gesellschaft und Verbrauchern entwickelt;
7. unterstreicht die Auffassung der Kommission, wonach die Festlegung von Ranking- oder Regulierungskriterien für private handelsbezogene Konzepte der Sicherung von Nachhaltigkeit nicht den Zielen nachhaltiger Entwicklung dienen würde. Vielmehr würde die Dynamik von Privatinitiativen in diesem Bereich gehemmt und könnte einer Weiterentwicklung des Fairen Handels im Wege stehen;
8. fordert, dass Fair-Trade-Siegel unter völliger öffentlicher Transparenz sicherstellen, dass jede Stufe der Produktionskette nachvollziehbaren Kriterien genügt;
9. stellt fest, dass nachhaltige Entwicklung durch Konzepte, die Elemente der Bereiche Umwelt, Soziales und Wirtschaft miteinander verbinden, gefördert werden kann. Für das reibungslose Funktionieren eines Marktes ist es wichtig, dass Verbraucher und Erzeuger Zugang zu zuverlässigen Informationen über die Konzepte haben. Hilfreich sind unabhängige Labels und Zertifizierungen, denen der Verbraucher vertrauen kann und die durch unabhängige Stellen überwacht werden;
Öffentliche Auftragsvergabe
10. begrüßt ausdrücklich die EU-Vergaberichtlinen von 2004. Sie sind Grundlage zahlreicher Vergabegesetze in den Mitgliedstaaten und erlauben soziale und umweltbezogene Kriterien bei der Auftragsvergabe;
11. stellt fest, dass öffentliche Stellen Mittel in Höhe von 16 % des BIP der Europäischen Union ausgeben und daher einen strategischen Schlüsselmarkt darstellen. Die Berücksichtigung der nachhaltigen Entwicklung und des Fairen Handels bei der öffentlichen Auftragsvergabe ermöglicht es den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, nicht nur zur mittel- und langfristigen Rentabilität und Effizienz ihrer Dienstleistungen, sondern auch zur sozialen Gerechtigkeit und nachhaltigen Entwicklung einen entscheidenden Beitrag zu leisten;
12. unterstreicht, dass Fair-Trade-Produkte den Konsumenten und auch der öffentlichen Beschaffung geeignete Möglichkeiten bieten, mit ihrer Kaufkraft zu einer Kohärenz zwischen handelspolitischen und entwicklungspolitischen Zielen beizutragen;
13. betont, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften für einen bedeutenden Teil der Ausgaben für öffentliche Aufträge zuständig sind. Aufgrund dieser wichtigen Rolle sind sie in die Förderung von Maßnahmen der nachhaltigen Entwicklung und des Fairen Handels in ganz Europa einzubeziehen. Die Gebietskörperschaften müssen nicht nur die wirtschaftlichen, technischen oder rechtlichen, sondern auch die politischen Aspekte des Fairen Handels berücksichtigen;
14. hat in der Vergangenheit festgestellt, dass bereits die geltenden Vergabevorschriften ziemlich kompliziert sind und viele Gebietskörperschaften besondere Schwierigkeiten mit ihrer ordnungsgemäßen Umsetzung haben. Er bittet deshalb die Kommission, künftig klare und detaillierte Leitlinien für das soziale Beschaffungswesen festzulegen, die von den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Vergabe öffentlicher Aufträge für Fair-Trade-Produkte herangezogen werden können;
15. hat mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass die Kommission kürzlich zur Unterstützung der Vergabebehörden bei der Durchführung einer nachhaltigeren Auftragsvergabe (in Ergänzung zu ihrem Handbuch für eine „grüne“ Vergabepraxis) eine Mitteilung über umweltorientiertes öffentliches Beschaffungswesen angenommen hat und derzeit die Veröffentlichung eines parallelen Handbuchs für eine „soziale“ Vergabepraxis vorbereitet. Gemeinsam stellen diese beiden Veröffentlichungen eine umfassende Handreichung für eine nachhaltige (ökosoziale) Vergabe öffentlicher Aufträge dar;
16. begrüßt die Ankündigung einer zweiten Handreichung und bittet die Kommission angesichts der raschen Entwicklungen auf diesem Gebiet eine zügige Veröffentlichung zu gewährleisten;
17. regt an, selber als Multiplikator bei der Verbreitung eines entsprechenden Leitfadens zu agieren, indem er auf sein Kontaktnetz zurückgreift und gleichzeitig auch mit der Europäischen Kommission zusammenarbeitet, um gezielte Sensibilisierungsmaßnahmen unter lokalen und regionalen Gebietskörperschaften durchzuführen. Die Gebietskörperschaften (insbesondere solche mit vergleichbaren Anforderungen) könnten eigene Netzwerke für bewährte Methoden zum Gebrauch von Fair-Trade-Produkten einrichten;
18. gibt zu erwägen, ob sich zur gegenseitigen Information ein neues Projekt als nützlich erweisen könnte. Die Europäische Kommission und der AdR verwirklichen derzeit eine „Kooperationsbörse für dezentrale Zusammenarbeit“, um die Entwicklung von Maßnahmen der dezentralen Zusammenarbeit zwischen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in der EU und ihren Partnern in den Entwicklungsländern zu erleichtern und zu koordinieren. Die Kooperationsbörse wird ein Online-Dienst sein, der dazu dient, die Unterstützungserfordernisse und –anfragen mit den entsprechenden Interessenbekundungen oder Angeboten zusammenzubringen. Die AdR-Mitglieder werden gebeten, dieses (für 2010 vorgesehene) elektronische Instrument zu nutzen, um relevante Angaben zu machen. Hierdurch wird der Informationsaustausch zwischen den in der Entwicklungszusammenarbeit tätigen europäischen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften erheblich erleichtert und eine Abstimmung zwischen den Projekten der Gebietskörperschaften in der EU und in den Entwicklungsländern ermöglicht;
19. in diesem Zusammenhang könnten dezentralisierte Kooperationsprojekte dazu beitragen, Produkte aus fairem Handel zu fördern, Wirkungsanalysen zu sammeln und Kleinerzeuger in südlichen Ländern zu unterstützen;
20. weist neben der Förderung der Beschaffung nach Kriterien des Fairen Handels durch die öffentliche Hand auch auf die Vorteile hin, die sich aus der Förderung der privatwirtschaftlichen Auftragsvergabe nach Kriterien des Fairen Handels ergeben können. Der Ausschuss regt die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften daher dazu an, nach dem Vorbild bereits existierender Wettbewerbe, wie z.B. „Hauptstädte des Fairen Handels“ oder „Städte des Fairen Handels“, Anreize in Form von Wettbewerben für die Förderung der Vergabe privatwirtschaftlicher Aufträge nach Kriterien des Fairen Handels zu schaffen;
Unterstützung durch die Kommission
21. begrüßt das Engagement der Kommission angesichts des potenziellen Beitrags des Fairen Handels und anderer handelsbezogener Konzepte zur Sicherung von Nachhaltigkeit und die Bereitschaft, derartige Konzepte auch in Zukunft zu unterstützen;
22. hält eine gute Balance zwischen dem Wunsch nach Handel, Investitionen und Wirtschaftswachstum als Teil einer auf Liberalisierung und Globalisierung basierenden Agenda einerseits und der Achtung der Grundsätze der nachhaltigen Entwicklung, der Notwendigkeit transparenter, fairer Handelsbedingungen und einer klaren Anerkennung der drängenden Probleme weniger entwickelter Länder in Handelsverhandlungen durch die reicheren Industrieländer andererseits für unverzichtbar. Verschiedene Fair-Trade-Organisationen sind überzeugt, dass Handel ein wirkungsvolles Instrument für die Förderung der nachhaltigen Entwicklung und die Verringerung der Armut sein kann, wenn er fair und verantwortungsvoll betrieben wird. Die Erreichung dieses Ziels erfordert jedoch einen grundlegenden Wandel in der Gestaltung der Handelspolitik. Der zurzeit vorherrschende marktbasierte Ansatz wird das bestehende Ungleichgewicht in der Verhandlungsstärke multinationaler Konzerne und kleiner Erzeuger nicht beheben können. Nur die systematische Einbeziehung der marginalisierten Kleinerzeuger in armen Ländern in die Gestaltung der Handelspolitik kann dazu beitragen, die sich aus dem gegenwärtigen Handelssystem ergebenden Ungerechtigkeiten aus der Welt zu schaffen;
23. ist erfreut, dass die Kommission den Fairen Handel und andere nachhaltige handelsbezogene Tätigkeiten im Wesentlichen durch ihre Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit finanziell unterstützt hat. Zwischen 2007 und 2008 wurden 19,466 Mio. EUR für verschiedene Aktionen bereitgestellt. Dabei ging es im Wesentlichen um Sensibilisierungsmaßnahmen in der Europäischen Union. 2008 und 2009 wurden zusätzliche Mittel in Höhe von jeweils 1 Mio. EUR dafür zur Verfügung gestellt;
24. bittet die Kommission aber angesichts der stürmischen Entwicklung im Fair-Handelsbereich in einigen Mitgliedstaaten zu überprüfen, ob nicht zusätzliche Mittel für die Mitgliedstaaten, die noch nicht so engagiert sind, bereitgestellt werden müssten;
25. bekräftigt die Absicht der Kommission, Folgeabschätzungen und Bemühungen zur Verbesserung der Markttransparenz zu initiieren und zusätzlich der Bewertung der Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Konzepte und bei der Erlangung der Zertifizierung erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken. Dies könnte durch vergleichbare Maßnahmen seitens der EU-Mitgliedsstaaten, etwa die Finanzierung von Studien über die Wirkung des Fairen Handels weiter unterstützt werden;
Engagement der Gebietskörperschaften in der Entwicklungspolitik
26. begrüßt ausdrücklich die Anerkennung der bedeutenden Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften für die Handelspolitik mit Fair Trade Produkten. Dabei ist das Engagement der Gebietskörperschaften in der Entwicklungspolitik nichts Neues. Viele europäische Regionen sowie lokale und regionale Gebietskörperschaften unterhalten seit vielen Jahren Fair-Trade-Projekte mit ihren Partnern in Entwicklungsländern. Partnerschaften müssen auf dem wechselseitigen Vertrauen der Partner zueinander und auf Transparenz im Umgang miteinander beruhen. Im Zeichen des Fairen Handels geschlossene Verträge müssen die Grundsätze der Gleichbehandlung, der gegenseitigen Anerkennung und der Verhältnismäßigkeit achten;
27. stellt darüber hinaus fest, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften vor dem Hintergrund der Dezentralisierung immer professioneller an den Fairen Handel herangehen. Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften verfügen über wertvolle Kenntnisse auf Gebieten, die für die Entwicklungsländer und für die Erreichung der Milleniumsentwicklungsziele von wesentlicher Bedeutung sind. Sie sind daher als wichtige Akteure einer Politik des Fairen Handels anzusehen;
28. begrüßt den Wunsch der Kommission, den nicht-staatlichen Charakter des Fairen Handels und vergleichbarer Nachhaltigkeitskonzepte EU-weit aufrecht zu erhalten. Eine Regulierung durch den öffentlichen Sektor könnte die Entwicklung bzw. das Funktionieren dynamischer privater Konzepte stören;
29. ist allerdings der Auffassung, dass im Bereich der öffentlichen Beschaffung gewisse gesetzliche Standards für Ausschreibungen notwendig sind, um den Anbietern fair gehandelter Produkte Bewerbungschancen zu eröffnen;
Bildungsarbeit
30. ist erfreut über die Entwicklung des Fairen Handels und die wachsende Bereitschaft der Kommunen und Regionen Europas ökosoziale Kriterien bei der öffentlichen Beschaffung einzuführen. Diese Bereitschaft gewinnt in der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise zusätzlich an Bedeutung. Zu Beginn des Fairen Handels in den 70er Jahren stand die Kritik an unfairen Welthandelsstrukturen im Mittelpunkt. Ursprünglich als Bildungsbewegung gestartet, macht der Faire Handel heute vor allem handelspolitisch verengt durch Zuwächse im Umsatz auf sich aufmerksam;
31. erinnert daran, dass dezentrale Strukturen der europäischen Bildungsarbeit als wichtige Partner des Fairen Handels ebenso wie Verbraucherschutzorganisationen systematisch in die entwicklungspolitischen Zielsetzungen einbezogen werden sollten. Dabei sollte die Auseinandersetzung mit ungerechten Welthandelsstrukturen, insbesondere der europäischen Handels- und Agrarpolitik, über die persönlichen Handlungsmöglichkeiten „fair“ einzukaufen, gefördert werden. Bildungsarbeit bleibt ein Instrument, Armut, Unterentwicklung, Ausbeutung, Hunger und Umweltzerstörung entgegenzuwirken;
32. stellt mit Befriedigung fest, dass sich die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften der Europäischen Union als bürgernaheste Ebene im Fairen Handel und der Fairen Beschaffung in den letzten Jahren etabliert und bewährt haben. Fair Trade Städte und Fair Trade Universitäten haben die Schwelle zum Mitmachen für viele tausend Menschen deutlich gesenkt und konkrete Möglichkeiten, sich für den Fairen Handel einzusetzen, geschaffen. Fair Trade Städte gibt es auch in Großbritannien bereits seit 2001, seit 2008 auch in Deutschland. Großbritannien belegt übrigens weltweit den zweiten Platz beim Fair Trade Konsum pro Kopf der Bevölkerung. Es gibt über 700 Fair Trade Städte in 12 EU-Mitgliedstaaten, und weitaus mehr haben sich um den Titel einer Fair Trade Stadt beworben;
33. macht auf die Notwendigkeit der Stärkung der Verbrauchermacht durch Informations- und Bildungsarbeit unter Beteiligung der lokalen und überregionalen Presse und zunehmend auch der elektronischen Medien aufmerksam. Eine Zusammenarbeit mit Verbraucherschutzorganisationen eröffnet zusätzliche Potenziale;
34. begrüßt die jüngste Initiative des Fair Trade Advocacy Office, die Mitglieder des Europäischen Parlaments dazu aufzufordern, eine Verpflichtungserklärung bezüglich der Unterstützung des Fairen Handels und der benachteiligten Erzeuger und armen Arbeitnehmer des Südens abzugeben. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass solche Initiativen auch auf die anderen Regierungsebenen ausgeweitet werden könnten;
35. streicht heraus, dass die Herausforderungen der Globalisierung längst die Kommunen und Regionen Europas erreicht haben. Um darauf vor Ort angemessen und zukunftsorientiert reagieren zu können, bedarf es weiterer Fortbildung, Professionalisierung und Vernetzung kommunaler, regionaler und nationaler Akteure. Diese Arbeit steht in Europa noch ganz am Anfang und bedarf dingend des systematischen Ausbaus;
Unterstützung für Kommunen und Regionen
36. sieht mit Interesse, dass Deutschland beispielsweise seit 2001 eine Servicestelle für die „Kommunen in der einen Welt“ aufgebaut hat, die inzwischen mit 2 600 deutschen Kommunen und oft auch mit deren internationalen Partnern (auch Partnerstädten) zusammenarbeitet. Getragen von der Bundesregierung, den meisten Ländern, den kommunalen Spitzenverbänden und dem Dachverband der Nichtregierungs-Organisation hat die Servicestelle zur Stärkung des entwicklungspolitischen Engagements der deutschen Kommunen zur Förderung des Fairen Handels und der ökosozialen Beschaffung wesentlich beigetragen;
37. schlägt Empfehlungen für lokale und regionale Gebietskörperschaften vor, um deren Potenzial für die wachsenden globalen Herausforderungen für eine nachhaltige Entwicklung zur Überwindung von Armut und zur Bekämpfung der Umweltzerstörung durch systematische Förderung zu stärken und zu vernetzen und insbesondere den Austausch zwischen alten und neuen EU-Mitgliedstaaten zu erleichtern. Der Informationsaustausch sollte über das AdR-Portal der dezentralisierten Zusammenarbeit gefördert werden, damit Erfahrungen ausgetauscht und Indikatoren konzipiert werden können, um den süd- und osteuropäischen Ländern Anregungen für die Förderung des fairen Handels im Rahmen ihrer nachhaltigen Entwicklung und ihrer Strategien zur Anpassung an den Klimawandel zu geben;
38. hält die in der Mitteilung erwähnten 19 Mio. EUR Förderungsmittel und die geplante Erhöhung um eine Million zur Stärkung des Fairen Handels für einen bemerkenswerten Start, weist aber darauf hin, dass in Zukunft angesichts der Größe der Probleme, aber auch der sich bietenden Chancen zur Stärkung der vorhandenen Potentiale zusätzliche Mittel benötigt werden;
39. weist darauf hin, dass lokale und regionale Gebietskörperschaften auch ganz direkt zum Erfolg des Fairen Handels beitragen können, indem
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sie nur fair gehandelten Kaffee und Tee in ihren Sitzungen, Büros und Kantinen ausschenken, |
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Stadt- und Gemeinderäte entsprechende Kampagnen unterstützen, |
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die Arbeit der Eine-Welt-Läden durch die Kommunen anerkannt wird, |
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sich möglichst viele Städte um den Titel der „Fair-Trade-Städte“ bemühen; |
Entwicklung einer Europäischen Fair-Trade Strategie
40. regt an, zur Förderung des Fairen Handels und der ökosozialen Beschaffung eine gemeinsame „Europäische Fair-Trade Strategie für lokale und regionale Gebietskörperschaften“ zu entwickeln, begleitet von einem Aktionsprogramm, das ökologische und soziale Kriterien erfüllt. Eine solche Strategie könnte nach nationaler und interregionaler Vorbereitung durch Seminare und Konferenzen unter Einbeziehung der Betroffenen und Interessierten aus Politik, Staat, Nicht-Regierungsorganisationen und der Privatwirtschaft entwickelt werden;
41. ist der Auffassung, dass diese Strategie sowohl auf einer vom AdR oder der jeweiligen Präsidentschaft veranstalteten Konferenz verabschiedet werden, wie auch in Brüssel im Rahmen der vom AdR entwickelten und mit großer Resonanz angenommenen „Open Days“ erörtert und vorgestellt werden könnte;
42. beabsichtigt mit einem solchen Vorgehen angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise und der drohenden Klimakatastrophen auch in Richtung der wichtigsten Akteure aus den Ländern des Südens zu blicken und diese einzubinden und das Bewusstsein für Globalisierungsfolgen wach zu halten. Die Stärkung der Strukturen des Fairen Handels und die Bedeutung ökosozialer Beschaffung auf kommunaler und regionaler Ebene sind dafür ebenso bedeutsam wie eine stärkere Vernetzung mit Partnern der Erzeugerländer;
43. weist darauf hin, dass die insgesamt positiven Wirkungen von Fairem Handel und ökosozialer Beschaffung sich bisher überwiegend auf landwirtschaftliche Produkte von Kleinbauern aus sog. Entwicklungsländern konzentrierten. In Zukunft bietet sich die Erweiterung der Fair Trade Produkt- und Dienstleistungspalette durch Übernahme der Erfahrungen und Kriterien sowie deren Weiterentwicklung zur Stärkung der Rechtssicherheit an. Eine Weiterentwicklung der Verbindung zwischen Produzenten und Endverbrauchern ist anzustreben und zu unterstützen. Mit der erweiterten Produktpalette sind handwerkliche und industrielle Produkte aus allen Herkunftsländern sowie die Erbringung von Dienstleistungen gemeint, die den Kriterien des Fairen Handels entsprechen, wie z.B. „Fairer Tourismus“. Mit der Weiterentwicklung der Strukturen sind in erster Linie die Evaluierung der Einhaltung ökosozialer Kriterien und ILO-Mindeststandards, wie auch Fragen des Transports und Verkaufs angesprochen;
44. macht darauf aufmerksam, dass in der bisherigen Behandlung des Themas die Richtlinien der Kommission von 2008 zur Stärkung der Rechte von Menschen mit Behinderung nicht angemessen berücksichtigt worden sind. Erfahrungen aus internationalen Kommunalen Partnerschaften belegen ermutigende Erfahrungen bei der verstärkten Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in den Fairen Handel und die ökosoziale Beschaffung. Er regt an, dieses Thema in der vorgeschlagenen Strategie und den nationalen und interregionalen Vorbereitungen zu behandeln und zu vertiefen;
45. ist sich dessen bewusst, dass der Faire Handel weniger als 1 % des Gesamthandelsumsatzes in Europa ausmacht. Hingegen machen führende Länder mit Anteilen von mehr als 10 % wie die Schweiz, England, die skandinavischen Staaten, die Niederlande, Österreich und Luxemburg vorbildlich Mut zu verstärktem Einsatz vor allem in Süd- und Osteuropa. Die oft exzellente Zusammenarbeit zwischen Nichtregierungs-Organisationen, Kommunen und lokaler Wirtschaft hat zusammen mit den Partnern im Süden beeindruckende verantwortungsbewusste Modelle für ganz Europa entwickelt. Sie sind Anreiz für alle Kommunen und Regionen Europas, die damit zugleich einen bedeutenden Beitrag zur Erreichung der Millenium Development Goals (MDG) bis 2015 leisten können.
Brüssel, den 10. Februar 2010
Die Präsidentin des Ausschusses der Regionen
Mercedes BRESSO