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Document 52008XC1025(01)

Mitteilung der Kommission — Die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der derzeitigen globalen Finanzkrise

ABl. C 270 vom 25.10.2008, p. 8–14 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

25.10.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 270/8


Mitteilung der Kommission — Die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der derzeitigen globalen Finanzkrise

(2008/C 270/02)

1.   EINLEITUNG

1.

Die globale Finanzkrise hat sich deutlich zugespitzt und nun auch den Bankensektor in der EU schwer getroffen. Zusätzlich zu den speziellen Problemen, die insbesondere durch den amerikanischen Hypothekenmarkt und hypothekenunterlegte Wertpapiere bedingt sind, oder mit Verlusten einzelner Banken, deren Strategien sich als zu risikoreich erwiesen haben, zusammenhängen, ist es im Bankensektor in den vergangenen Wochen zu einem allgemeinen Vertrauensschwund gekommen. Die tiefsitzende Unsicherheit in Bezug auf das Kreditrisiko der einzelnen Finanzinstitute hat den Markt für Interbankenkredite austrocknen lassen, so dass die Finanzinstitute generell immer größere Schwierigkeiten haben, sich Liquidität zu verschaffen.

2.

Die derzeitige Situation bedroht einzelne angeschlagene Finanzinstitute in ihrem Fortbestand, bei denen die Finanzkrise die Schwächen ihres Geschäftsmodells oder ihrer Geschäftspraktiken aufgedeckt und verschlimmert hat. Sollen sie vor dem Konkurs bewahrt und langfristig wieder rentabel gemacht werden, ist eine weitreichende Umstrukturierung ihrer Geschäftstätigkeit erforderlich. Unter den derzeitigen Umständen trifft die Krise aber auch grundsätzlich gesunde Finanzinstitute, deren Schwierigkeiten ausschließlich auf die von den allgemeinen Marktbedingungen verursachte Liquiditätskrise zurückzuführen sind. Zur Wiederherstellung ihrer langfristigen Rentabilität können weniger tiefgreifende Umstrukturierungsmaßnahmen ausreichen. Auf jeden Fall aber können Maßnahmen, die ein Mitgliedstaat zur Stützung bestimmter, auf seinem Markt tätiger Institute treffen, dazu führen, dass diese zum Nachteil von anderen, ebenfalls in diesem oder in anderen Mitgliedstaaten aktiven Instituten begünstigt werden.

3.

Der Rat Wirtschaft und Finanzen vom 7. Oktober 2008 verpflichtete sich in seinen Schlussfolgerungen, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Solidität und Stabilität des Bankensystems zu stärken und das Vertrauen in den Finanzsektor und dessen ordnungsgemäßes Funktionieren wiederherzustellen. Die Rekapitalisierung gefährdeter systemrelevanter Finanzinstitute wurde als eine von mehreren Methoden genannt, um die Interessen der Einleger zu schützen und die Stabilität des Systems zu sichern. Es bestand Einigkeit darüber, dass die Intervention der öffentlichen Hand auf einzelstaatlicher Ebene, jedoch in einem koordinierten Rahmen und gemäß einer Reihe gemeinsamer EU-Grundsätze beschlossen werden muss (1). Bei gleicher Gelegenheit bot die Kommission an, in Kürze einen Leitfaden für einen allgemeinen Rahmen vorzulegen, der eine rasche Beurteilung der Vereinbarkeit von Regelungen für Rekapitalisierung und Garantien sowie der Fälle ihrer konkreten Anwendung mit den Vorschriften für staatliche Beihilfen ermöglicht.

4.

Angesichts des Ausmaßes der Krise, die inzwischen auch grundsätzlich gesunde Kreditinstitute gefährdet, der starken Verflechtung der europäischen Finanzmärkte und ihrer Abhängigkeit voneinander sowie der drastischen Folgen, die die etwaige Insolvenz eines systemrelevanten Finanzinstituts für den weiteren Verlauf der Krise hätte, ist sich die Kommission bewusst, dass die Mitgliedstaaten angemessene Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Finanzsystems für erforderlich halten könnten. Aufgrund der Besonderheit der aktuellen Schwierigkeiten im Finanzsektor müssen solche Maßnahmen eventuell über die Stabilisierung einzelner Finanzinstitute hinausgehen und allgemeine Regelungen umfassen.

5.

Bei der Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen zur Bewältigung der Finanzmarktkrise sind zwar die derzeitigen außergewöhnlichen Umstände gebührend zu berücksichtigen, doch muss die Kommission gleichzeitig sicherstellen, dass die Maßnahmen den Wettbewerb zwischen den am Markt tätigen Finanzinstituten nicht unnötig verzerren und sich keine negativen Nebeneffekte für andere Mitgliedstaaten ergeben. Die vorliegende Mitteilung enthält einen Leitfaden zu den Kriterienfür die Vereinbarkeit allgemeiner Regelungen, konkreter Anwendungsfälle und systemrelevanter Ad-hoc-Maßnahmen mit dem EG-Vertrag. Bei der Anwendung dieser Kriterien auf Maßnahmen der Mitgliedstaaten wird die Kommission so zügig verfahren wie es nötig ist, um Rechtssicherheit zu schaffen und das Vertrauen in die Finanzmärkte wieder herzustellen.

2.   ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE

6.

Die beihilferechtliche Würdigung staatlicher Beihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten erfolgt in der Regel nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c des EG-Vertrags und den Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (2) (nachstehend „Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien“ genannt), in denen die Kommission darlegt, wie Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c des EG-Vertrags ihrer Auffassung nach für Beihilfen dieser Art auszulegen ist. Die Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien gelten für alle Branchen gleichermaßen, sehen für den Finanzsektor aber einige spezielle Kriterien vor.

7.

Die Kommission kann ferner nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe b des EG-Vertrags staatliche Beihilfen „zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats“ genehmigen.

8.

Die Kommission bekräftigt, dass gemäß der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs und ihrer eigenen Entscheidungspraxis die „beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats“ nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe b des EG-Vertrags eng auszulegen ist (3).

9.

Angesichts des gravierenden Ausmaßes, das die derzeitige Krise auf den Finanzmärkten erreicht hat, und ihrer möglichen Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft der Mitgliedstaaten, kann nach Auffassung der Kommission unter den aktuellen Umständen Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe b als Rechtsgrundlage für Beihilfemaßnahmen zur Bewältigung dieser Systemkrise herangezogen werden. Dies gilt insbesondere für Beihilfen, die in Form einer allgemeinen Regelung, die mehreren oder allen Finanzinstituten in einem Mitgliedstaat offensteht, gewährt werden. Sollten die für die Stabilität der Finanzmärkte zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats der Kommission gegenüber erklären, dass das Risiko einer solchen beträchtlichen Störung besteht, wird die Kommission dies bei ihrer beihilferechtlichen Würdigung besonders berücksichtigen.

10.

Ad-hoc-Maßnahmen sind nicht ausgeschlossen, wenn dabei die Kriterien nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe b erfüllt sind. Für Regelungen wie für Ad-hoc-Maßnahmen gilt, dass bei der beihilferechtlichen Würdigung zwar nach den allgemeinen Grundsätzen der gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c des EG-Vertrags verabschiedeten Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien zu verfahren ist, die aktuellen Umstände jedoch die Genehmigung außergewöhnlicher Maßnahmen — wie strukturelle Soforthilfe, Schutz der Rechte von Dritten (z. B. von Gläubigern) und über sechs Monate hinausgehende Rettungsmaßnahmen — erlauben können.

11.

Doch ist mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass den obigen Ausführungen zufolge Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe b grundsätzlich nicht herangezogen werden kann, wenn es in anderen Branchen zu einer Krisensituation kommt, aber kein vergleichbares Risiko einer unmittelbaren Auswirkung auf die Gesamtwirtschaft eines Mitgliedstaats besteht. Auch im Finanzsektor kann diese Bestimmung nur unter wirklich außergewöhnlichen Umständen geltend gemacht werden d. h. immer dann, wenn die gesamte Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte auf dem Spiel steht.

12.

Im Fall einer beträchtlichen Störung der Gesamtwirtschaft eines Mitgliedstaats wie oben beschrieben kann Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe b nicht für einen unbefristeten Zeitraum herangezogen werden, sondern lediglich so lange, wie die Krisensituation die Anwendung rechtfertigt.

13.

Das bedeutet, dass alle auf dieser Grundlage eingeführten allgemeinen Regelungen (z. B. für Garantien und Rekapitalisierung) regelmäßig zu überprüfen sind und beendet werden müssen, sobald es die Wirtschaftslage des betreffenden Mitgliedstaats erlaubt. Zwar ist der Kommission bewusst, dass die Dauer der derzeitigen Krise auf den Finanzmärkten zurzeit nicht absehbar ist, und zur Wiederherstellung des Vertrauens unter Umständen signalisiert werden muss, dass eine Maßnahme bis zum Ende der Krise fortgeführt wird, doch hält sie eine allgemeine Regelung nur dann für mit den Beihilfevorschriften vereinbar, wenn der betreffende Mitgliedstaat mindestens alle sechs Monate eine Überprüfung vornimmt und der Kommission über das Ergebnis berichtet.

14.

Ferner sollte nach Auffassung der Kommission mit illiquiden, aber grundsätzlich gesunden Finanzinstituten, die nur durch die derzeitigen außergewöhnlichen Umstände in Schwierigkeiten geraten sind, anders umgegangen werden als mit Finanzinstituten, die endogenen Problemen gegenüberstehen. Bei ersteren sind die Existenzprobleme exogen und nicht auf Ineffizienz oder übermäßig riskante Strategien, sondern auf die aktuelle Extremsituation auf dem Finanzmarkt zurückzuführen. Aus diesem Grund dürften Regelungen, die das Überleben dieser Institute sicherstellen sollen, geringere Wettbewerbsverzerrungen nach sich ziehen und weniger tiefgreifende Umstrukturierungen erfordern. Dagegen würden andere Finanzinstitute, die durch Verluste aufgrund von Ineffizienz, mangelhaftem Aktiv-Passiv-Management oder risikoreichen Strategien besonders gefährdet sein dürften, in den normalen Rahmen für Rettungsbeihilfen fallen und insbesondere eine weitreichende Umstrukturierung sowie Ausgleichsmaßnahmen zur Beschränkung von Wettbewerbsverzerrungen erforderlich machen (4). In jedem Fall jedoch kann die Umsetzung von Regelungen für Garantien und Rekapitalisierung ohne angemessene Schutzmechanismen große Wettbewerbsverzerrungen verursachen, wenn die gestützten Institute zum Nachteil ihrer Wettbewerber über Gebühr begünstigt werden oder sich die Liquiditätsengpässe von Finanzinstituten in anderen Mitgliedstaaten dadurch verschärfen.

15.

Nach den allgemeinen Grundsätzen, auf denen die Vorschriften für staatliche Beihilfen des EG-Vertrags basieren und wonach die gewährten Beihilfen das zur Erreichung des rechtmäßigen Zwecks gebotene Mindestmaß nicht überschreiten dürfen und Wettbewerbsverzerrungen möglichst zu vermeiden bzw. so gering wie möglich zu halten sind, sowie unter gebührender Berücksichtigung der aktuellen Umstände, gilt für alle allgemeinen Unterstützungsmaßnahmen folgendes:

sie müssen zielgenau ausgerichtet sein, damit die angestrebte Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben wirksam erreicht werden kann,

sie müssen der zu meisternden Herausforderung angemessen sein, d. h. sie dürfen nicht über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus gehen, und

sie müssen so ausgestaltet sein, dass die negativen Nebeneffekte für Wettbewerber, andere Branchen und andere Mitgliedstaaten möglichst gering ausfallen.

16.

Die Erfüllung dieser Kriterien gemäß den im Vertrag verankerten Vorschriften für staatliche Beihilfen und Grundfreiheiten, einschließlich des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung, ist für das weitere reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes unerlässlich. Die Kommission wird in ihrer beihilferechtlichen Würdigung folgende Kriterien berücksichtigen, wenn sie über die Vereinbarkeit der nachstehend aufgeführten staatlichen Beihilfemaßnahmen entscheidet.

3.   GARANTIEN ZUR DECKUNG DER VERBINDLICHKEITEN VON FINANZINSTITUTEN

17.

Aus den oben dargelegten Grundsätzen ergeben sich bezüglich der als Erklärung, Gesetz oder vertraglich geschaffenen Garantieregelungen zur Deckung von Verbindlichkeiten folgende Überlegungen, die allerdings allgemeiner Natur sind und den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls angepasst werden müssen.

Kriterien für die Eignung zur Teilnahme an einer Garantieregelung

18.

Wenn einige Marktteilnehmer von den mit der Garantie verbundenen Vorteilen ausgeschlossen werden, kann dies eine erhebliche Verfälschung des Wettbewerbs zur Folge haben. Die Kriterien für die Stützungswürdigkeit der Finanzinstitute müssen objektiv sein und deren Rolle im jeweiligen Bankensystem und in der Gesamtwirtschaft angemessen berücksichtigen; auch dürfen sie nicht diskriminierend sein, um unverhältnismäßige wettbewerbsverzerrende Auswirkungen auf benachbarte Märkte und den Binnenmarkt insgesamt zu vermeiden. Nach dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung aufgrund der Staatszugehörigkeit sollte die Regelung für alle in dem betreffenden Mitgliedstaat niedergelassenen Institute, unter Einschluss von Tochtergesellschaften, mit umfangreichen Aktivitäten in diesem Mitgliedstaat, gelten.

Sachlicher Geltungsbereich einer Garantie — Art der gedeckten Verbindlichkeiten

19.

Unter den gegenwärtigen außergewöhnlichen Umständen kann es sich als notwendig erweisen, den Einlegern zu versichern, dass ihr Geld sicher ist, um einem Ansturm auf die Banken vorzubeugen und negative Spillover-Effekte auf gesunde Banken zu vermeiden. Daher kann es durchaus legitim sein, wenn die Politik in Reaktion auf eine solche Systemkrise auf allgemeine Garantien zum Schutz von Privatkundeneinlagen (und von Privatkunden gehaltenen Schuldtiteln) zurückgreift.

20.

Bei Garantien, die über den Schutz von Privatkundeneinlagen hinausgehen, muss die Auswahl der abzusichernden Schulden und Verbindlichkeiten soweit irgendmöglich auf die spezifische Ursache der Probleme ausgerichtet und auf das zur Behebung der jeweiligen Aspekte der gegenwärtigen Finanzkrise gebotene Maß beschränkt werden, da sie ansonsten den erforderlichen Anpassungsprozess verzögern und schädliche moralische Risiken (d. h. das Risiko der Ermutigung eines systematischen Fehlverhaltens) erzeugen (5).

21.

Diesem Grundsatz folgend könnte die durch den gegenseitigen Vertrauensverlust zwischen den Finanzinstituten bedingte Kreditklemme auf dem Interbankenmarkt die Absicherung bestimmter Großkundeneinlagen und sogar kurz- und mittelfristiger Schuldtitel rechtfertigen, sofern diese nicht ohnehin schon durch bestehende Anlegerschutzmechanismen oder auf andere Art angemessen abgesichert sind (6).

22.

Die Ausweitung etwaiger Garantieleistungen über diese relativ breite Palette hinaus noch auf weitere Arten von Schuldtiteln würde die eingehendere Prüfung einer Rechtfertigung erfordern.

23.

Grundsätzlich sollten diese Garantien weder nachrangige Schuldtitel (tier 2-Kapital) noch eine pauschale Deckung sämtlicher Verbindlichkeiten beinhalten, da so tendenziell lediglich die Interessen von Anteilseignern und anderen Risikokapitalinvestoren gesichert würden. Würden solche Schuldtitel gedeckt und auf diesem Wege die Ausweitung des Kapitals und somit des Kreditgeschäfts ermöglicht, könnte dies spezifische Beschränkungen erfordern.

Geltungsdauer der Garantieregelung

24.

Geltungsdauer und -bereich jeglicher Garantieregelung, die über die Absicherung von Privatkundeneinlagen hinausgeht, müssen auf das erforderliche Mindestmaß beschränkt sein. Ausgehend von den oben dargelegten Grundprinzipien und der Tatsache, dass zur Zeit nicht absehbar ist, wie lange die grundlegende Störung der Finanzmärkte andauern wird, hält die Kommission zur Sicherstellung der Vereinbarkeit jeglicher allgemeinen Regelung Halbjahresüberprüfungen in den Mitgliedstaaten für erforderlich, um gegebenenfalls die Fortführung dieser Regelung zu rechtfertigen und mögliche Anpassungen aufgrund der weiteren Entwicklungen auf den Finanzmärkten zu prüfen. Die Ergebnisse dieser Überprüfungen müssen der Kommission vorgelegt werden. Ist eine solche regelmäßige Überprüfung gewährleistet, kann die Regelung auch für mehr als sechs Monate und zwar grundsätzlich für bis zu zwei Jahre genehmigt werden. Eine weitere Verlängerung ist nach Genehmigung durch die Kommission möglich, wenn das Fortbestehen der Finanzmarktkrise dies erforderlich machen sollte. Sollte die Regelung zulassen, dass die Garantien die betreffenden Verbindlichkeiten bis zu einem Fälligkeitstermin nach Ablauf der in der Regelung vorgesehenen Begebungsfrist deckt, wären zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich, um übermäßige Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Denkbare Schutzmaßnahmen wären kürzere Begebungsfristen als im Rahmen der vorliegenden Mitteilung grundsätzlich möglich, abschreckende Entgeltbedingungen und angemessene Obergrenzen für die gedeckten Verbindlichkeiten.

Begrenzung der Beihilfe auf das erforderliche Mindestmaß — Eigenbeitrag des Privatsektors

25.

Entsprechend dem Grundprinzip des Beihilferechts, wonach Höhe und Intensität der Beihilfe auf das erforderliche Mindestmaß zu beschränken sind, müssen die Mitgliedstaaten angemessene Maßnahmen ergreifen, um zu gewährleisten dass die Begünstigten und/oder der Sektor einen beträchtlichen Eigenbeitrag zu den Garantiekosten und gegebenenfalls zu den Kosten der staatlichen Intervention leisten, falls die Garantie gezogen werden muss.

26.

Wie sich dieser Beitrag im einzelnen berechnet und zusammensetzt, hängt von den jeweiligen Umständen ab. Nach Auffassung der Kommission wäre der Anforderung einer auf das gebotene Mindestmaß begrenzten Beihilfe Genüge getan, wenn eine ausgewogene Kombination einiger oder aller der folgenden Grundsätze befolgt würde (7):

der Garantieregelung muss ein angemessenes Entgelt zugrunde liegen, das von den einzelnen begünstigten Finanzinstituten und/oder dem Finanzsektor insgesamt zu entrichten ist (8). Da sich für Garantien dieser Art und Größenordnung der Marktpreis aufgrund fehlender Benchmarks nur schwer bestimmen lässt und die Begünstigten unter den gegenwärtigen Umständen Schwierigkeiten haben könnten, die eigentlich angemessenen Beträge aufzubringen, sollten die Entgelte für die Bereitstellung der Regelung so weit wie möglich dem als Marktpreis zu betrachtenden Wert angenähert werden. Angemessene Preismechanismen, die der Höhe der jeweiligen Risiken und den unterschiedlichen Kreditprofilen der Begünstigten sowie ihrem Kreditbedarf Rechnung tragen, sind wesentliche Faktoren für die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme,

wenn von der Garantie Gebrauch gemacht werden muss, könnte eine weitere signifikante Eigenleistung des Privatsektors darin bestehen, zumindest einen erheblichen Teil der ausstehenden Verbindlichkeiten durch das begünstigte Unternehmen (sofern es weiter besteht) oder den Sektor zu decken, so dass der Eingriff des Mitgliedstaats auf die über diesen Beitrag hinausgehenden Beträge begrenzt bleibt,

der Kommission ist bewusst, dass die Begünstigten das entsprechende Entgelt unter Umständen nicht sofort in voller Höhe entrichten können. Ergänzend zu den vorgenannten Grundsätzen oder teilweise an deren Stelle könnten die Mitgliedstaaten daher eine Rückforderungs- oder Besserungsklausel in Erwägung ziehen, die die Begünstigten dazu verpflichtet, entweder ein zusätzliches Entgelt für die Garantieleistung als solche zu entrichten (falls von der Garantie kein Gebrauch gemacht werden muss) oder zumindest einen Teil der von dem Mitgliedstaat im Rahmen der Garantie gezahlten Beträge zurückzuzahlen (falls die Garantie gezogen wird), sobald sie dazu in der Lage sind (falls die Garantie gezogen wird).

Vermeidung unverhältnismäßiger Wettbewerbsverfälschungen

27.

Angesichts der inhärenten Risiken, dass die Garantieregelungen negative Auswirkungen auf nichtbegünstigte Banken — auch in anderen Mitgliedstaaten — nach sich ziehen, müssen angemessene Mechanismen vorgesehen werden, um derartige Wettbewerbsverzerrungen und die Gefahr, dass die Begünstigten ihre durch die Staatsgarantie vorteilhaftere Lage missbrauchen, auf ein Minimum zu reduzieren. Diese Schutzmechanismen, die auch zur Vermeidung moralischer Risiken wichtig sind, sollten folgende Elemente oder eine ausgewogene Mischung derselben beinhalten (9):

Verhaltensmaßregeln, die gewährleisten, dass die begünstigten Finanzinstitute die Garantie nicht für eine aggressive Expansion zu Lasten der von den Stützungsmaßnahmen ausgeschlossenen Wettbewerber nutzen. Denkbar wären beispielsweise:

Restriktionen in Bezug auf Geschäftsverhalten (z. B. keine Werbung mit dem Garantiestatus der begünstigten Bank), Preisfestsetzung oder Geschäftsexpansion, z. B. durch Einführung einer Höchstgrenze für Marktanteile (10),

eine Begrenzung der Bilanzsumme der begünstigten Institute unter Zugrundelegung angemessener Benchmarks (z. B. Bruttoinlandsprodukt oder Geldmarktwachstum (11)),

ein Verbot von Verhaltensweisen, die mit dem Zweck der Garantien nicht vereinbar wären wie z. B. Aktienrückkauf durch die begünstigten Finanzinstitute oder Ausgabe neuer Aktienoptionen für das Management,

angemessene Vorschriften, die dem betreffenden Mitgliedstaat die Durchsetzung dieser Verhaltensmaßregeln und im Falle der Nichtbefolgung die Rücknahme der Garantiezusage gegenüber der begünstigten Bank ermöglichen.

Anschließende Anpassungsmaßnahmen

28.

Um Verzerrungen des Wettbewerbs weitestgehend zu verhinden, darf nach Auffassung der Kommission eine allgemeine Garantierregelung nur als vorübergehende Notmaßnahme zur Behebung der akuten Symptome der aktuellen Finanzmarktkrise betrachtet werden. Per Definition können solche Maßnahmen keine umfassende Antwort auf die ursächlichen Gründe für diese Krise bieten, die auf strukturelle Schwächen in der Organisation der Finanzmärkte oder auf spezifische Probleme einzelner Finanzinstitute bzw. eine Kombination aus beidem zurückzuführen ist.

29.

Deshalb muss eine Garantieregelung möglichst zeitnah mit Anpassungsmaßnahmen für den gesamten Sektor und/oder der Umstrukturierung bzw. Liquidation einzelner Begünstigter einhergehen, was insbesondere für solche gilt, für die die Garantie gezogen werden musste.

Anwendung der Regelung auf einzelne Fälle

30.

Wenn von der Garantieregelung Gebrauch gemacht wird, um einzelne Finanzinstitute zu stützen, dann müssen dieser Rettungsmaßnahme, die das Überleben der insolventen Bank sichern soll und die zusätzlich zu den durch die generelle Einführung der Regelung hervorgerufenen Wettbewerbsverzerrungen weitere Verfälschungen verursacht, unbedingt angemessene Maßnahmen zur Umstrukturierung bzw. Liquidation der begünstigten Bank folgen, sobald die Situation der Finanzmärkte dies zulässt. Das wiederum erfordert, dass für die Empfänger von Garantiezahlungen ein Umstrukturierungs- und/oder Liquidationsplan vorgelegt wird, welchen die Kommission entsprechend den Vorschriften für Staatliche Beihilfen gesondert prüft (12).

31.

Bei der Prüfung eines Umstrukturierungsplans legt die Kommission folgende Anforderungen zugrunde:

der Plan muss die Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität des betreffenden Finanzinstituts sichern,

er muss gewährleisten, dass die Beihilfe auf ein Minimum beschränkt ist und der private Sektor einen substantiellen Eigenbeitrag zu den Umstrukturierungskosten leistet,

er muss sicherstellen, dass es nicht zu unverhältnismäßigen Wettbewerbsverzerrungen kommt und aus der Inanspruchnahme der Garantie keine ungerechtfertigten Vorteile entstehen.

32.

Die Kommission kann bei dieser Bewertung auf den Erfahrungen aufbauen, die sie in der Vergangenheit bei der Anwendung der beihilferechtlichen Vorschriften auf Finanzinstitute gesammelt hat; dabei wird sie den Besonderheiten der derzeitigen Krise Rechnung tragen, die nunmehr eine Dimension erreicht hat, die als beträchtliche Störung des Wirtschaftslebens eines Mitgliedstaats bezeichnet werden kann.

33.

Außerdem wird die Kommission unterscheiden zwischen Hilfsmaßnahmen, die ausschließlich dazu dienen, grundsätzlich gesunden Finanzinstituten aus der Liquiditätsklemme zu helfen, und Stützungsmaßnahmen für Institute, die darüber hinaus eher strukturell bedingte Solvenzprobleme lösen müssen, die beispielsweise in ihrem Geschäftsmodell oder ihrer Investitionsstrategie begründet liegen. Anlass zu Bedenken dürften vor allem die Hilfsmaßnahmen zugunsten letztgenannter Kategorie geben.

4.   REKAPITALISIERUNG VON FINANZINSTITUTEN

34.

Eine zweite systembezogene Antwort auf die derzeitige Finanzkrise wäre die Einführung einer Rekapitalisierungsregelung zur Stützung von an sich gesunden Finanzinstituten, die aufgrund der äußerst schwierigen Bedingungen auf den Finanzmärkten in Schieflage geraten sind. Ziel dieser Maßnahme wäre die Bereitstellung öffentlicher Mittel, um die Kapitaldecke der Finanzinstitute auf direktem Wege zu stärken oder auf anderem Wege private Kapitalspritzen zu erleichtern, damit negative Übertragungseffekte verhindert werden können.

35.

Im Prinzip gelten die für allgemeine Garantieregelungen angestellten Erwägungen sinngemäß auch für Rekapitalisierungsregelungen. Daher ist Folgendes zu beachten:

die Regelungen müssen objektive und nichtdiskriminierende Kriterien für die Eignung zur Stützung vorsehen,

die oben dargelegten Forderungen bezüglich der Geltungsdauer von Garantieregelungen gelten sinngemäß auch für Rekapitalisierungsregelungen,

die Beihilfe muss strikt auf das Mindestmaß begrenzt sein.

die Regelungen müssen Schutzmechanismen gegen Missbrauch und unverhältnismäßige Wettbewerbsverfälschungen vorsehen. Angesichts der Irreversibilität von Kapitalspritzen muss die Regelung den Mitgliedstaaten die Möglichkeit bieten, die Einhaltung dieser Schutzmechanismen zu überwachen und durchzusetzen, und gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt Maßnahmen zur Vermeidung unzumutbarer Wettbewerbsverfälschungen zu ergreifen (13), und

die Rekapitalisierung darf nur eine Notmaßnahme sein, mit der ein Finanzinstitut während der Krise gestützt wird; nach der Rekapitalisierung muss für den Begünstigten ein Umstrukturierungsprogramm vorgelegt werden, das von der Kommission gesondert zu prüfen ist; dabei unterscheidet diese zwischen an sich gesunden Finanzinstituten, die lediglichmit den gegenwärtigen Liquiditätsengpässen zu kämpfen haben, und Begünstigten, die darüber hinaus eher strukturell bedingte Solvenzprobleme lösen müssen, die beispielsweise in ihrem Geschäftsmodell oder ihrer Anlagestrategie begründet liegen; die Kommission berücksichtigt ferner, wie sich diese Unterscheidung auf den Umfang des Umstrukturierungsbedarfs auswirkt.

36.

Angesichts der Besonderheiten von Rekapitalisierungsmaßnahmen sind folgende Erwägungen angebracht.

37.

Der Eignung für die Gewährung einer Unterstützung sollten objektive Kriterien (z. B. die Notwendigkeit eine den Eigenkapitalvorschriften entsprechende Kapitaldecke zu gewährleisten) zugrunde liegen, deren Anwendung keine ungerechtfertigten Diskriminierungen nach sich zieht. Eine Beurteilung des Unterstützungsbedarfs durch die Finanzaufsichtsbehörden wäre dabei von Vorteil.

38.

Die Kapitalspritze darf nicht über das erforderliche Mindestmaß hinausgehen. Sie sollte dem Begünstigten nicht die Möglichkeit bieten, aggressive Geschäftsstrategien zu verfolgen, zu expandieren oder auf andere Weise eine übermäßige Verzerrung des Wettbewerbs zu bewirken. Daher werden strengere Mindesteigenkapitalanforderungen und/oder eine Begrenzung der Bilanzsumme des Finanzinstituts positiv bewertet. Die Begünstigten sollten einen so hohen Eigenbeitrag leisten, wie angesichts der gegenwärtigen Krise möglich, der auch private Beteiligungen einschließt (14).

39.

Bei Kapitalbeteiligungen an Finanzinstituten ist dafür Sorge zu tragen, dass der Beihilfebetrag auf ein Mindestmaß begrenzt wird. Je nach Instrument (z. B. Aktien, Optionsscheine, nachrangiges Kapital, …) sollte der Mitgliedstaat im Gegenzug Rechte im Wert seines Beitrags zur Rekapitalisierung erhalten. Der Ausgabepreis neuer Anteile muss auf der Grundlage einer marktorientierten Bewertung festgelegt werden. Um sicherzustellen, dass die staatliche Unterstützung nur bei angemessener Gegenleistung gewährt wird, werden Instrumente wie adäquat vergütete Vorzugsaktien positiv bewertet. Ansonsten ist auch die Einführung von Rückforderungsmechanismen oder Besserungsklauseln in Betracht zu ziehen.

40.

Ähnliches gilt für Maßnahmen oder Regelungen, bei denen das Problem von der Seite der Aktiva der Finanzinstitute angegangen wird und die dazu beitragen würden, die gesetzlich geforderte Eigenkapitaldecke zu stärken. Insbesondere wenn ein Mitgliedstaat Aktiva erwirbt oder tauscht, muss die Bewertung die zugrundeliegenden Risiken widerspiegeln, wobei jedoch eine unzulässige Diskriminierung in Bezug auf die Verkäufer auszuschließen ist.

41.

Die Genehmigung der Beihilferegelung befreit den Mitgliedstaat nicht von der Pflicht, der Kommission alle sechs Monate einen Bericht über die Anwendung der Regelung und sechs Monate nach dem Datum der Beteiligung Einzelpläne für die begünstigten Unternehmen vorzulegen (15).

42.

Wie bei den Garantieregelungen, aber unter Berücksichtigung der Irreversibilität von Rekapitalisierungsmaßnahmen, wird die Kommission ihre Prüfung in einer Weise durchführen, die gewährleistet, dass eine im Rahmen der Regelung durchgeführte Rekapitalisierung alles in allem zu dem gleichen Ergebnis führt wie eine außerhalb einer solchen Regelung den Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien entsprechend getroffene Rekapitalisierungsmaßnahme, und dabei den Besonderheiten einer Systemkrise der Finanzmärkte Rechnung tragen.

5.   KONTROLLIERTE LIQUIDATION VON FINANZINSTITUTEN

43.

Angesichts der derzeitigen Finanzkrise wird von Mitgliedstaaten möglicherweise eine kontrollierte Liquidation bestimmter Finanzinstitute in ihrem Hoheitsgebiet gewünscht. Dies ist, eventuell in Verbindung mit der Bereitstellung öffentlicher Mittel, in Einzelfällen möglich und kann entweder als zweiter Schritt nach Gewährung einer Rettungsbeihilfe für ein einzelnes Finanzinstitut erfolgen, wenn deutlich wird, dass einer Umstrukturierung kein Erfolg beschieden wäre, oder im Rahmen einer einheitlichen Maßnahme durchgeführt werden. Eine kontrollierte Liquidation kann aber auch Bestandteil einer allgemeinen Garantieregelung sein, z. B. wenn ein Mitgliedstaat ankündigt, die Liquidation der Finanzinstitute einzuleiten, für die die Garantie eingelöst werden muss.

44.

Für die Bewertung einer solchen Regelung wie auch einzelner Liquidationsmaßnahmen, die im Rahmen solcher Regelungen durchgeführt werden, gelten die oben bezüglich der Garantieregelungen dargelegten Erwägungen sinngemäß.

45.

Angesichts der besonderen Eigenschaften von Liquidationsmaßnahmen sind darüber hinaus folgende Erwägungen angebracht.

46.

Bei einer Liquidation ist besonders darauf zu achten, das moralische Risiko so gering wie möglich zu halten, insbesondere, indem Anteilseigner und möglichst auch bestimmte Arten von Gläubigern von etwaigen, in diesem Zusammenhang gewährten Beihilfen ausgeschlossen werden.

47.

Um übermäßige Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, sollte die Liquidationsphase auf den für eine ordnungsgemäße Liquidation unbedingt notwendigen Zeitraum begrenzt werden. Solange das begünstigte Finanzinstitut seine Geschäftstätigkeit fortsetzt, sollte es keine neuen Tätigkeiten aufnehmen, sondern lediglich die laufenden Geschäfte weiterführen. Die Bankenlizenz sollte ihm so schnell wie möglich entzogen werden.

48.

Bei der Beschränkung des Beihilfebetrags auf das zur Verwirklichung des angestrebten Ziels erforderliche Mindestmaß ist zu berücksichtigen, dass es sich in der derzeitigen Finanzkrise zum Schutz der Finanzstabilität als notwendig erweisen kann, bestimmte Gläubiger der liquidierten Bank durch Beihilfemaßnahmen zu entschädigen. Für die Entscheidung welche Arten von Verbindlichkeiten hier in Frage kommen, sollten dieselben Kriterien herangezogen werden wie für die durch Garantieregelungen gedeckten Verbindlichkeiten.

49.

Um Beihilfen an die Käufer eines Finanzinstituts bzw. von Teilen eines Finanzinstituts sowie Beihilfen an veräußerte Finanzinstitute bzw. Geschäftsbereiche auszuschließen, müssen bei den Verkäufen bestimmte Auflagen erfüllt werden. Die Kommission wird bei Entscheidungen über das Vorliegen von Beihilfen die folgenden Kriterien zugrunde legen:

der Verkauf sollte in einem offenen, diskriminierungsfreien Verfahren durchgeführt werden,

der Verkauf sollte zu Marktkonditionen erfolgen,

das Finanzinstitut oder die Regierung (je nach gewählter Struktur) sollte einen möglichst hohen Verkaufspreis für die betroffenen Aktiva und Passiva festsetzen,

falls eine Beihilfe zugunsten des zum Verkauf stehenden Finanzinstituts bzw. der zum Verkauf stehenden Geschäftsbereiche gewährt werden muss, wird diese gesondert anhand der Grundsätze geprüft, die den Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien zugrunde liegen.

50.

Stellt sich bei Anwendung dieser Kriterien heraus, dass Käufer oder veräußerte Finanzinstitute bzw. Geschäftsbereiche Beihilfen erhalten haben, so wird die Vereinbarkeit dieser Beihilfen gesondert geprüft.

6.   BEREITSTELLUNG ANDERER LIQUIDITÄTSHILFEN

51.

Bei akuten Liquiditätsproblemen einzelner Finanzinstitute möchten die Mitgliedstaaten möglicherweise zusätzlich zu Garantien und Rekapitalisierungsregelungen andere Liquiditätshilfen einsetzen, für die öffentliche Mittel (einschließlich Zentralbankmittel) bereitgestellt werden. Die Kommission hat bereits deutlich gemacht, dass in Fällen, in denen ein Mitgliedstaat oder eine Zentralbank nicht mit selektiven Maßnahmen zugunsten einzelner Banken, sondern mit allgemeinen, allen vergleichbaren Marktteilnehmern offenstehenden Maßnahmen auf eine Bankenkrise reagiert, diese allgemeinen Maßnahmen oft nicht unter das Beihilferecht fallen und nicht bei der Kommission angemeldet werden müssen. So vertritt die Kommission beispielsweise die Auffassung, dass geldpolitische Maßnahmen der Zentralbanken wie Offenmarktgeschäfte und ständige Fazilitäten nicht unter die Beihilfevorschriften der Gemeinschaft fallen. Die Unterstützung eines einzelnen Finanzinstituts kann unter Umständen ebenfalls nicht als staatliche Beihilfe erachtet werden. Nach Ansicht der Kommission (16) ist die Bereitstellung von Zentralbankmitteln für ein Finanzinstitut möglicherweise nicht als staatliche Beihilfe zu betrachten, wenn eine Reihe von Bedingungen erfüllt ist:

das Finanzinstitut ist zum Zeitpunkt der Bereitstellung der Liquidität solvent und die Liquiditätshilfe ist nicht Bestandteil eines größeren Maßnahmenpakets,

die Fazilität ist vollständig mit Sicherheiten unterlegt, bei denen nach Maßgabe ihrer Qualität und ihres Marktwerts Bewertungsabschläge vorgenommen werden,

die Zentralbank verlangt vom Begünstigten einen Strafzins,

die Maßnahme wird auf Initiative der Zentralbank getroffen und ist nicht durch eine Rückbürgschaft des Staates gedeckt.

52.

Unter den derzeitigen außergewöhnlichen Umständen kann eine Regelung für Liquiditätshilfen aus öffentlichen Mitteln (einschließlich Zentralbankmitteln), falls sie eine Beihilfe darstellt, nach Ansicht der Kommission als mit dem Gemeinsamen Markt in Übereinstimmung mit den Grundsätzen, die den Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien zugrunde liegen, vereinbar erachtet werden. Sofern die Regelung alle sechs Monate überprüft (17) wird, kann sie im Prinzip für einen von sechs Monaten bis zu zwei Jahren reichenden Zeitraum genehmigt werden. Eine weitere Verlängerung ist nach Genehmigung durch die Kommission möglich, wenn die Finanzmarktkrise dies erfordern sollte.

7.   EILVERFAHREN FÜR DIE BEIHILFERECHTLICHE PRÜFUNG

53.

Bei der Anwendung der Beihilfevorschriften auf die in dieser Mitteilung behandelten Maßnahmen trägt die Kommission der derzeitigen Lage auf dem Finanzmarkt Rechnung und sorgt in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten dafür, dass die verfolgten Ziele erreicht und die mit den Maßnahmen verbundenen Wettbewerbsverzerrungen sowohl innerhalb der Mitgliedstaaten als auch zwischen den Mitgliedstaaten auf ein Mindestmaß begrenzt werden. Um diese Zusammenarbeit zu erleichtern und sowohl den Mitgliedstaaten als auch Dritten die erforderliche Rechtssicherheit bezüglich der Vereinbarkeit der getroffenen Maßnahmen mit dem EG-Vertrag zu bieten (welche für die Wiederherstellung des Vertrauens in die Finanzmärkte von größter Bedeutung ist), müssen die Mitgliedstaaten die Kommission möglichst früh und auf alle Fälle vor Durchführung der Maßnahmen von ihren Absichten in Kenntnis setzen und geplante Maßnahmen mit möglichst umfassenden Angaben bei der Kommission anmelden. Die Kommission hat geeignete Vorkehrungen getroffen, um über vollständige Anmeldungen rasch entscheiden zu können. Falls erforderlich, könnten solche Entscheidungen binnen 24 Stunden und über ein Wochenende erlassen werden.


(1)  In den Schlussfolgerungen des Rates Wirtschaft und Finanzen werden folgende Grundsätze aufgeführt:

Interventionen sollten rechtzeitig erfolgen und die Unterstützung sollte grundsätzlich zeitlich befristet sein,

die Mitgliedstaaten werden die Interessen der Steuerzahler aufmerksam im Auge behalten,

die derzeitigen Aktionäre sollten die entsprechenden Folgen der Intervention tragen,

die Regierungen sollten in der Lage sein, einen Wechsel der Führung herbeizuführen,

die Führungskräfte sollten keine unangemessenen Leistungen beziehen — die Regierungen sollten u. a. die Befugnis haben, in die Vergütung einzugreifen,

die rechtmäßigen Interessen der Wettbewerber müssen geschützt werden, insbesondere durch die Vorschriften über staatliche Beihilfen,

negative Nebeneffekte sollten vermieden werden.

(2)  ABl. C 244 vom 1.10.2004, S. 2.

(3)  Vgl. grundsätzlich Verbundene Rechtssachen T-132/96 und T-143/96, Freistaat Sachsen and Volkswagen AG/Kommission, Slg. 1999, S. II-3663, Randnr. 167. Bestätigt in Entscheidung 98/490/EG der Kommission in der Sache C 47/96, Crédit Lyonnais, ABl. L 221 vom 8.8.1998, S. 28, Erwägungsgrund 10.1, Entscheidung 2005/345/EG der Kommission in der Sache C 28/02, Bankgesellschaft Berlin, ABl. L 116 vom 4.5.2005, S. 1, Erwägungsgründe 153 ff. und Entscheidung 2008/263/EG der Kommission in der Sache C 50/06, BAWAG, ABl. L 83 vom 26.3.2008, S. 7; Erwägungsgründe 166 u.ff. Vgl. Entscheidung der Kommission in der Sache NN 70/07, Northern Rock, ABl. C 43 vom 16.2.2008, S. 1, Entscheidung der Kommission in der Sache NN 25/08, Rettungsbeihilfe für WestLB, ABl. C 189 vom 26.7.2008, S. 3, Entscheidung der Kommission vom 4. Juni 2008 in der Sache C 9/08, SachsenLB, noch nicht veröffentlicht.

(4)  Dabei können die aktuellen Turbulenzen auf den Finanzmärkten sich auf die genaue Ausgestaltung und die zeitliche Umsetzung der erforderlichen Umstrukturierungsmaßnahmen auswirken.

(5)  Eine Möglichkeit, die Verhältnismäßigkeit der jeweiligen Regelung zu sichern, könnte in der Festlegung eines Garantiehöchstbetrags bestehen, der sich beispielsweise an der Bilanzsumme des Begünstigten orientieren könnte.

(6)  Wie z. B. gedeckte Schuldverschreibungen sowie durch Staatsanleihen oder gedeckte Schuldverschreibungen abgesicherte Schuldtitel und Einlagen.

(7)  Es handelt sich hier um eine nicht erschöpfende Aufzählung der Instrumente, die zur Begrenzung der Beihilfe auf ein Minimum beitragen.

(8)  z. B. über eine Privatbankenvereinigung.

(9)  Es handelt sich hier um eine nicht erschöpfende Aufzählung der Instrumente zur Vermeidung unzumutbarer Wettbewerbsverzerrungen.

(10)  Gewinnthesaurierung zur Gewährleistung einer angemessenen Rekapitalisierung wäre in diesem Zusammenhang ebenfalls ein mögliches Element.

(11)  Wobei gleichzeitig die Verfügbarkeit von Krediten für die Wirtschaft gewährleistet bleiben muss, insbesondere im Falle einer Rezession.

(12)  Grundsätzlich ist die Kommission der Auffassung, dass wenn Zahlungen an ein begünstigtes Finanzinstitut erforderlich sind, innerhalb von sechs Monaten nach diesen Zahlungen je nach Fall ein Umstrukturierungs- oder Liquidationsplan vorgelegt werden muss. Um die Arbeit der Mitgliedstaaten und der Kommission zu erleichtern, ist die Kommission bereit, Sammelanmeldungen bei ähnlich gelagerten Umstrukturierungs-/Liquidationsfällen zu prüfen. Möglicherweise wird sie auch zu dem Schluss kommen, dass bei Fällen, in denen es um die reine Abwicklung des Instituts geht oder das Institut nur von sehr geringer Größe ist, keine Pläne vorgelegt werden müssen.

(13)  Gemäß den Grundsätzen der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien.

(14)  Die Leistung eines Eigenbeitrags vorab (d. h. zum Zeitpunkt der Intervention) muss möglicherweise durch Vorschriften ergänzt werden, die die Einforderung zusätzlicher Beiträge zu einem späteren Zeitpunkt erlauben.

(15)  Um den Mitgliedstaaten und der Kommission die Arbeit zu erleichtern, ist die Kommission bereit, Sammelanmeldungen ähnlich gelagerter Umstrukturierungsfälle zu prüfen. Die Kommission könnte auch in Erwägung ziehen, auf die Vorlage eines Plans zu verzichten, wenn das Institut lediglich liquidiert wird oder keine nennenswerte Wirtschaftstätigkeit mehr ausübt.

(16)  Vgl. beispielsweise Northern Rock, ABl. C 43 vom 16.2.2008, S. 1.

(17)  Die in Nummer (24) dargelegten Grundsätze gelten auch für diese Überprüfung.


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