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Document 52008IP0636

    Europäische öffentliche Urkunde Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. Dezember 2008 mit Empfehlungen an die Kommission zur europäischen öffentlichen Urkunde (2008/2124(INI))
    ANLAGE

    ABl. C 45E vom 23.2.2010, p. 60–63 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    23.2.2010   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    CE 45/60


    Europäische öffentliche Urkunde

    P6_TA(2008)0636

    Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. Dezember 2008 mit Empfehlungen an die Kommission zur europäischen öffentlichen Urkunde (2008/2124(INI))

    (2010/C 45 E/11)

    Das Europäische Parlament,

    gestützt auf Artikel 192 Absatz 2 des EG-Vertrags,

    unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 10. Mai 2005 mit dem Titel: „Das Haager Programm: Zehn Prioritäten für die nächsten fünf Jahre.“ Die Partnerschaft zur Erneuerung Europas im Bereich der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts' (KOM(2005)0184),

    in Kenntnis der für den Rechtsausschuss erstellten vergleichenden Studie über öffentliche Urkunden,

    gestützt auf die Artikel 39 und 45 seiner Geschäftsordnung,

    in Kenntnis des Berichts des Rechtsausschusses (A6-0451/2008),

    A.

    in der Erwägung, dass die Kommission im Rahmen ihrer vorgenannten Mitteilung zum Haager Programm die Notwendigkeit, im Bereich der Ziviljustiz einen leistungsfähigen europäischen Raum zu gewährleisten, insbesondere in Bezug auf die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen als eine ihrer Prioritäten hervorgehoben hat; in der Erwägung, dass in diesem Programm im Hinblick auf eine Erhöhung des gegenseitigen Vertrauens in der Europäischen Union als zentrale Priorität für die kommenden Jahre die Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung genannt wird, die ein konkretes Mittel darstellt, um die Rechte der Bürgerinnen und Bürger zu schützen, und seine grenzüberschreitende Anwendung in Europa sicherzustellen,

    B.

    in der Erwägung, dass das Haager Programm vorsieht, dass die Umsetzung des Programms der gegenseitigen Anerkennung eine wichtige Priorität darstellt und dass diese Umsetzung bis 2011 abgeschlossen sein muss,

    C.

    in der Erwägung, dass die Freizügigkeit der Bürgerinnen und Bürger in der Union ständig zunimmt; in der Erwägung, dass folglich Rechtsfälle, die zwei oder mehr Mitgliedstaaten betreffen, immer häufiger vorkommen,

    D.

    in der Erwägung, dass die Kommission in ihrer vorgenannten Mitteilung zum Haager Programm eingeräumt hat, dass die Anerkennung von öffentlichen Urkunden im Bereich der Ziviljustiz ein Aspekt von grundlegender Bedeutung ist, mit dem man sich befassen muss; in der Erwägung, dass es daher dringend erforderlich ist, die Anerkennung und Vollstreckung von öffentlichen Urkunden, wie sie im Urteil in der Rechtssache Unibank (1) festgelegt sind, voranzutreiben,

    E.

    in der Erwägung, dass ein bereichsspezifischer und inhomogener Ansatz der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften in diesem Bereich nicht zufrieden stellend ist (2),

    F.

    in der Erwägung, dass die europäischen Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf ihre familiären und vermögensrechtlichen Beziehungen grenzüberschreitend geschützt werden müssen,

    G.

    in der Erwägung, dass Unternehmen immer mehr Niederlassungen im Ausland haben und verstärkt innerhalb der Gemeinschaft tätig sind, was einen größeren Umlauf von öffentlichen Urkunden über die Gründung und den Betrieb von Unternehmen zur Folge hat,

    H.

    in der Erwägung, dass es von grundlegender Bedeutung ist, für die Union einen klaren und vollständigen Rechtsrahmen zu schaffen, der den Bürgerinnen und Bürgern und den Wirtschaftsbeteiligten die Sicherheit und Vorhersehbarkeit der jeweiligen rechtlichen Situation und der Maßnahmen der mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteten Stellen gewährleistet,

    I.

    in der Erwägung, dass die Schaffung eines leistungsfähigen europäischen Rechtsraums, was den Bereich der streitigen Verfahren betrifft, auf der grenzüberschreitenden Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen, die durch ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde ergehen, und, was den Bereich der nichtstreitigen Verfahren betrifft, auf der grenzüberschreitenden Anerkennung von öffentlichen Urkunden beruht, die bei einer Justizbehörde oder bei für die Beurkundung von Rechtsakten öffentlich bestellten Urkundspersonen vorgelegt werden,

    J.

    in der Erwägung, dass die im Bereich der gegenseitigen Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen bestehenden Verordnungen für öffentliche Urkunden gelten, soweit sie von Behörden stammen,

    K.

    in der Erwägung, dass das wesentliche Merkmal öffentlicher Urkunden ihre Beweiskraft ist, die höher ist als die von Privaturkunden, und dass diese Beweiskraft, an die der Richter gebunden ist, ihnen regelmäßig durch die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten aufgrund des Vertrauens verliehen wird, welches Urkunden genießen, die im Rahmen der Rechtshandlungen von hierzu öffentlich bestellten Urkundspersonen oder Behörden erstellt werden (3),

    L.

    in der Erwägung, dass Vorbedingung für die Beweiskraft von öffentlichen Urkunden die Anerkennung ihrer Echtheit ist, d. h. dass sie von einer Urkundsperson, die bestellt ist, öffentliche Urkunden zu erstellen, oder von einer Behörde stammen; in der Erwägung, dass das gegenseitige Vertrauen in die Justiz der Mitgliedstaaten rechtfertigt, dass die Verfahren zur Überprüfung der Echtheit künftig nur Anwendung finden, wenn ernste Zweifel an ihr bestehen,

    M.

    in der Erwägung, dass die Achtung der Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dessen Hoheitsgebiet die Urkunde zum Zwecke ihrer Verwendung vorgelegt werden muss, jedoch die Gewissheit voraussetzt, dass die Anerkennung der Beweiskraft nicht bedeutet, dass die ausländische öffentliche Urkunde aufgrund der Anerkennung in dem Mitgliedstaat, in dem sie vorgelegt werden muss, eine höhere Beweiskraft hat als die nationaler öffentlicher Urkunden dieses Mitgliedstaates; in der Erwägung, dass das materielle Anwendungsgebiet der verlangten Verordnung den Kernbereich des Zivil- und Handelsrechts mit Ausnahme einiger genau festgelegter Bereiche umfassen sollte,

    N.

    in der Erwägung, dass die Unterschiede in der Struktur und Organisation der Systeme der öffentlichen Register im Bereich der unbeweglichen Sachen sowie die Unterschiede in der Art und im Umfang des öffentlichen Glaubens, der ihnen zukommt, den Ausschluss der Übertragung dinglicher Rechte an unbeweglichen Sachen von einem künftigen Gemeinschaftsinstrument erforderlich machen, da ein enger Zusammenhang zwischen der Art der Errichtung einer öffentlichen Urkunde auf der einen Seite und der Eintragung in das öffentliche Register auf der anderen Seite besteht,

    O.

    in der Erwägung, dass einem solchen Ausschluss im Bereich der Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen innerhalb der Union die Zuweisung der ausschließlichen Zuständigkeit für alle Rechtsmittel betreffend dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen an die Gerichte der Belegenheit der unbeweglichen Sache und für alle Rechtsmittel, die sich auf die Gültigkeit der Eintragungen im öffentlichen Register beziehen, an die Gerichte in dem Hoheitsgebiet, in dem das öffentliche Register geführt wird (4),

    P.

    in der Erwägung, dass die Institution der öffentlichen Urkunde im Common Law, insbesondere im englischen und walisischen Recht, oder im Recht der nordischen Staaten nicht existiert; in der Erwägung, dass es in England und Wales zwar Solicitors gibt, die als Notaries Public tätig sind, und den Berufsstand der Scrivener Notaries, doch können diese Juristen keine öffentlichen Urkunden erstellen, sondern lediglich Unterschriften beglaubigen, weswegen bei der Annahme von Rechtsvorschriften für europäische öffentliche Urkunden Maßnahmen ergriffen werden sollten, damit sichergestellt ist, dass in dieser Hinsicht keine Verwirrung entsteht; in der Erwägung, dass deshalb genau darauf geachtet werden sollte, dass sichergestellt ist, dass öffentliche Urkunden in Ländern, in denen solche Urkunden Staatsangehörigen dieser Länder nicht zur Verfügung stehen, nicht zur Umgehung von Verfahren verwendet werden können, die in der Rechtsordnung dieser Länder vorgeschrieben sind (z. B. Ausstellung eines Erbscheins); in der Erwägung, dass die Kommission zur Sensibilisierung der Angehörigen der Rechtsberufe in den Mitgliedstaaten, in denen öffentliche Urkunden nicht existieren, außerdem eine geeignete Informationskampagne auf den Weg bringen und alle Anstrengungen unternehmen sollte, um zu gewährleisten, dass Angehörige der Rechtsberufe, die im Rechtskreis des Common Law tätig sind, Kenntnisse über die Arbeit von nach kontinentaleuropäischer Rechtstradition (Civil Law) tätigen öffentlich bestellten Urkundspersonen erhalten sowie über die potenziellen Vorteile, die sich für ihre Klienten — insbesondere in Bezug auf die Rechtssicherheit — aus der Verwendung von öffentlichen Urkunden bei Transaktionen ergeben, die sie in denjenigen Ländern abwickeln wollen, in denen Urkunden verwendet werden; in der Erwägung, dass dies die vom Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments oft zum Ausdruck gebrachte Notwendigkeit transeuropäischer Netzwerke von Angehörigen der Rechtsberufe, von Informationskampagnen und -material sowie einer gemeinsamen Fortbildung unterstreicht, die zu fördern die Kommission aufgefordert wird,

    Q.

    in der Erwägung, dass die verlangte Verordnung weder auf Fragen Anwendung finden darf, die sich auf das anwendbare Recht beziehen, welches Gegenstand anderer Gemeinschaftsinstrumente ist, noch auf Fragen betreffend die Zuständigkeit, die Organisation und die Struktur der Behörden und der öffentlich bestellten Urkundspersonen, einschließlich der Beurkundungsverfahren, die in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten fallen,

    1.   vertritt die Auffassung, dass das gegenseitige Vertrauen in das Recht innerhalb der Gemeinschaft rechtfertigt, dass die Verfahren zur Überprüfung der Richtigkeit von öffentlichen Urkunden im grenzüberschreitenden Bereich künftig abgeschafft werden; ist der Ansicht, dass diese Anerkennung von öffentlichen Urkunden zum Zwecke ihrer Verwendung in einem ersuchten Mitgliedstaat nur dann verweigert werden darf, wenn ernste und begründete Zweifel an ihrer Echtheit bestehen oder wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des ersuchten Mitgliedstaates widerspricht;

    2.   fordert die Kommission auf, ihm auf der Grundlage von Artikel 65 Buchstabe a und Artikel 67 Absatz 5 zweiter Gedankenstrich des EG-Vertrags einen Legislativvorschlag zur Einführung der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von öffentlichen Urkunden zu unterbreiten;

    3.   betont, dass die Anerkennung nicht dazu führen darf, dass eine ausländische Urkunde mehr Wirkung als eine nationale Urkunde hat;

    4.   wünscht, dass die verlangte Verordnung für alle öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen mit Ausnahme derer gilt, die sich auf unbewegliche Sachen beziehen und Gegenstand einer Eintragung oder einer Nennung in einem öffentlichen Register sind oder sein können;

    5.   stellt fest, dass die verlangte Verordnung weder auf Fragen betreffend das auf öffentliche Urkunden anwendbare Recht noch auf Fragen betreffend die Zuständigkeit, die Organisation und Struktur der Behörden und der öffentlich bestellten Urkundspersonen, einschließlich des Beurkundungsverfahrens, Anwendung finden darf;

    6.   stellt in diesem Zusammenhang fest, dass die als Anlage beigefügten ausführlichen Empfehlungen mit den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit und den Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger im Einklang stehen;

    7.   vertritt die Auffassung, dass der verlangte Vorschlag keine finanziellen Auswirkungen hat;

    8.   beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung und die als Anlage beigefügten ausführlichen Empfehlungen der Kommission und dem Rat sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.


    (1)  Urteil des Gerichtshofs vom 17. Juni 1999 in der Rechtssache C-260/97, Unibank, Slg. 1999, I-3715.

    (2)  Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates (ABl. L 12 vom 16.1.2001, S. 1); Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates (ABl. L 338 vom 23.12.2003, S. 1); Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Rates (ABl. L 143 vom 30.4.2004, S. 15).

    (3)  Schlussfolgerungen des Generalanwalts La Pergola vom 2. Februar 1999 in der Rechtssache Unibank, Randnr. 7.

    (4)  Siehe Artikel 22 Nummern 1 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001.


    ANLAGE

    AUSFÜHRLICHE EMPFEHLUNGEN ZUM INHALT DES VERLANGTEN VORSCHLAGS

    1.   Das gegenseitige Vertrauen in das Recht innerhalb der Gemeinschaft rechtfertigt, dass die Verfahren zur Überprüfung der Richtigkeit von öffentlichen Urkunden im grenzüberschreitenden Bereich künftig abgeschafft werden.

    2.   Diese Anerkennung von öffentlichen Urkunden zum Zwecke ihrer Verwendung in einem ersuchten Mitgliedstaat darf nur dann verweigert werden, wenn ernste und begründete Zweifel an ihrer Echtheit bestehen oder wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des ersuchten Mitgliedstaates widerspricht.

    3.   Das Parlament fordert die Kommission auf, ihm auf der Grundlage von Artikel 65 Buchstabe a und Artikel 67 Absatz 5 zweiter Gedankenstrich des EG-Vertrags einen Legislativvorschlag zur Einführung der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von öffentlichen Urkunden zu unterbreiten.

    4.   Der Rechtsakt, der Gegenstand des Legislativvorschlags ist, muss für alle öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen mit Ausnahme derer gelten, die sich auf unbewegliche Sachen beziehen und in einem öffentlichen Register eingetragen oder genannt werden müssen oder können. Er darf weder auf Fragen Anwendung finden, die sich auf das anwendbare Recht für öffentliche Urkunden beziehen, noch auf Fragen betreffend die Zuständigkeit, die Organisation und Struktur der Behörden und der öffentlich bestellten Urkundspersonen, einschließlich des Beurkundungsverfahrens.


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