EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52008IP0180

Reform der Welthandelsorganisation
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. April 2008 zu Auf dem Weg zu einer Reform der Welthandelsorganisation (2007/2184(INI))

ABl. C 259E vom 29.10.2009, p. 77–83 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

29.10.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

CE 259/77


Reform der Welthandelsorganisation

P6_TA(2008)0180

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. April 2008 zu „Auf dem Weg zu einer Reform der Welthandelsorganisation“ (2007/2184(INI))

(2009/C 259 E/14)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 15. Dezember 1999 zu dem Dritten Ministertreffen der Welthandelsorganisation in Seattle (1), vom 25. Oktober 2001 zu Offenheit und Demokratie im Welthandel (2), vom 13. Dezember 2001 zur WTO-Konferenz in Katar (3), vom 25. September 2003 zur 5. WTO-Ministerkonferenz in Cancún (4), vom 12. Mai 2005 zur Bewertung der Doha-Runde nach dem Beschluss des Allgemeinen Rates der WTO vom 1. August 2004 (5), vom 1. Dezember 2005 zu den Vorbereitungen für die Sechste Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation in Hongkong (6) sowie vom 4. April 2006 zur Bewertung der Doha-Runde im Anschluss an die WTO-Ministerkonferenz in Hongkong (7),

in Kenntnis der Abschlusserklärungen der Sitzungen der Parlamentarischen Konferenz über die Welthandelsorganisation (WTO), angenommen in Genf am 18. Februar 2003 bzw. in Cancún am 12. September 2003, in Brüssel am 26. November 2004, in Hongkong am 15. Dezember 2005 sowie in Genf am 2. Dezember 2006,

in Kenntnis des Abkommens von Marrakesch zur Gründung der Welthandelsorganisation,

in Kenntnis der Erklärungen der Ministerkonferenz der WTO, die am 14. November 2001 in Doha und am 18. Dezember 2005 in Hongkong angenommen wurden,

in Kenntnis des Berichts des Beirats unter Vorsitz von Peter Sutherland vom Januar 2005 über die Zukunft der WTO (8),

in Kenntnis des Welthandelsberichts der WTO von 2004,

in Kenntnis von Punkt 56 der Erklärung von Hongkong, in der es darum geht, welche Maßnahmen notwendig sind, damit wichtige UN-Organisationen, einschließlich der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), umfassend an den WTO-Prozessen und den laufenden Verhandlungen beteiligt werden und Hilfestellung leisten,

gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,

in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für internationalen Handel sowie der Stellungnahme des Entwicklungsausschusses und des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (A6-0104/2008),

A.

in der Erwägung, dass die WTO eine der führenden multilateralen Organisationen ist, die maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung der Regeln für die internationale Wirtschaft nehmen, und dass diese Organisationen gemeinsam an der Verwirklichung der Millenniumsziele für eine nachhaltige Entwicklung arbeiten müssen,

B.

in der Erwägung, dass die laufende WTO-Runde, die im Jahr 2001 in Doha, Katar, aufgenommen wurde, offiziell als „Entwicklungsagenda von Doha“ bezeichnet wurde, deren Schwerpunkt darin bestehen sollte, den Entwicklungsländern und den armen Ländern dabei behilflich zu sein, die Liberalisierung des Handels besser für ihre Zwecke zu nutzen,

C.

in der Erwägung, dass die Europäische Union es für äußerst wichtig hält, dass der Besitzstand des multilateralen Handelssystems erhalten bleibt, und dass sie sich auch in Zukunft für den Erfolg der Doha-Runde stark engagieren wird,

D.

in der Erwägung, dass trotz der Schwierigkeiten bei den Verhandlungen die Bemühungen um einen erfolgreichen Abschluss dieser Runde fortgesetzt und unterstützt werden müssen,

E.

in der Erwägung, dass die jeweiligen bilateralen und regionalen Handelsverhandlungen, die die Europäische Union kürzlich mit vielen Partnern weltweit eingeleitet hat, eine Ergänzung zum Abschluss der Doha-Runde sein sollen und nicht eine Alternative dazu darstellen dürfen,

F.

in der Erwägung, dass es ungeachtet der unmittelbaren Befürchtungen im Zusammenhang mit dem Abschluss dieser Runde und der Kritik an den unterschiedlichen Positionen bei den einzelnen Verhandlungsthemen bereits jetzt notwendig ist, sich auf die Zeit nach Doha vorzubereiten,

G.

in der Erwägung, dass bereits im Jahr 2004 vom Beirat unter Vorsitz von Peter Sutherland weitreichende Überlegungen über die Zukunft der WTO und die institutionellen Herausforderungen, vor denen diese Organisation steht, angestellt wurden; sowie in der Erwägung, dass den Empfehlungen, die der Beirat dem Generaldirektor der WTO im Januar 2005 übermittelt hat, konkret leider nicht Folge geleistet wurde,

H.

in der Erwägung, dass diese Debatte jetzt angesichts der jüngsten Entwicklungen unbedingt wieder belebt werden muss, und dass mehrere Aspekte der Arbeitsweise der WTO grundlegend überholt werden müssen, um sowohl die Effizienz als auch die Legitimation dieser Organisation zu erhöhen,

I.

in der Erwägung, dass die vom Europäischen Parlament gewünschte nstitutionelle Debatte innerhalb der WTO keinesfalls mit der weiteren Fortsetzung und mit dem eventuellen Abschluss der Doha-Runde unvereinbar ist,

1.   appelliert noch einmal an alle Beteiligten, besonders an die Schwellenländer, flexibel zu reagieren, um die Doha-Runde wiederzubeleben und zu einer umfassenden und ausgewogenen Einigung zu gelangen, die dem Wiederaufschwung des internationalen Handels, dem weltweiten Wachstum und der Entwicklung der weniger entwickelten Länder der Erde förderlich ist;

2.   ist im Übrigen der Ansicht, dass es mehr denn je notwendig ist, mit Blick auf eine mögliche Reform der WTO die Überlegungen über den Entscheidungsprozess, das Mandat sowie die Arbeitsweise und die Zukunft dieser Organisation wieder aufzunehmen;

3.   fordert die Kommission auf, so bald wie möglich in Genf eine beherzte Initiative im Hinblick auf die Neuauflage dieser Debatte zu präsentieren; fordert die Kommission ebenfalls auf, informelle Kontakte mit den übrigen Mitgliedern der WTO, die eine solche Initiative unterstützen würden, sowie mit dem Generaldirektor dieser Organisation zu diesem Thema zu knüpfen und ihm spätestens bis Ende 2008 über die Ergebnisse dieser Konsultationen Bericht zu erstatten;

4.   begrüßt eine tiefgreifende Reform der WTO und hebt erneut die Bedeutung des Handels als wirksames Instrument für die Entwicklung und für die Minderung der Armut hervor; betont die Bedeutung des Multilateralismus als Mechanismus zur Förderung eines freien und fairen Handels und zur Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen;

5.   vertritt die Auffassung, dass eine starke WTO mit einem regelgestützten Welthandelssystem den Entwicklungsländern Möglichkeiten für die Beseitigung der Armut bietet; bedauert es, dass den Entwicklungsländern auf Grund beschränkter Ressourcen bei den Verhandlungen Nachteile entstehen; betont, dass die EU eine Verstärkung des WTO-Sekretariats und eine Erhöhung der Ressourcen für technische Hilfe, insbesondere für die Entwicklungsländer unter den WTO-Mitgliedern, unterstützen sollte, um es ihnen zu ermöglichen, ihre spezifischen Belange anzugehen;

6.   weist darauf hin, dass die WTO die einzige internationale Organisation mit Regelsetzungsfunktionen ist, die nicht zu den Organisationen des UN-Systems gehört, und dass sich die normative Befugnis der WTO allein auf den Bereich der Handelspolitik beschränkt; fordert die Kommission auf, dieses strukturelle Dilemma weit oben auf die Reformagenda der WTO zu setzen;

7.   ist der Auffassung, dass es bei dieser Debatte in dem Bemühen um Kohärenz mit den Maßnahmen anderer internationaler Organisationen in erster Linie um den eigentlichen Zweck des multilateralen Handelssystems gehen muss; hält es insbesondere für notwendig, dass die Koordinierung der Tätigkeiten der WTO mit denen der IAO, des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), der Welternährungsorganisation (FAO), der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) und des Kyoto-Programms für erneuerbare Energien verstärkt wird, damit die Entscheidungsprozesse dieser Organisationen besser aufeinander abgestimmt sind; ist der Auffassung, dass der IAO Beobachterstatus bei der WTO eingeräumt werden sollte, und schlägt vor, dass in der WTO ein Ausschuss „Handel und menschenwürdige Arbeit“ nach dem Muster des Ausschusses „Handel und Umwelt“ eingerichtet wird;

8.   fordert eine umfassende Prüfung der Frage, wie nicht handelsbezogene Belange besser in den Geltungsbereich der WTO-Regeln einbezogen werden können, damit die Mitglieder legitime politische Zielsetzungen verfolgen können, während sie gleichzeitig den Marktzugang sichern; betont in diesem Zusammenhang, dass die Europäische Union die Bemühungen um die Annahme internationaler Standards nachdrücklich unterstützen sollte und dass den Entwicklungsländern die zur Einhaltung dieser Standards notwendige Hilfe geleistet werden sollte;

9.   fordert, dass innerhalb der Vereinten Nationen in Abstimmung mit der WTO geprüft wird, wie die Beziehungen zwischen den multilateralen Organisationen neu gestaltet werden können, damit ihre Tätigkeit mit den diversen internationalen Abkommen und Übereinkommen im Interesse der nachhaltigen Entwicklung und der Beseitigung der Armut abgestimmt werden kann;

10.   ist der Auffassung, dass die größte Herausforderung bei den Bemühungen um Kohärenz zwischen dem UN-System und der WTO darin besteht, dass Letztere gewährleisten muss, dass bei den Handelsregeln die Menschenrechtsbestimmungen und die Sozial- und Umweltstandards uneingeschränkt eingehalten werden;

11.   spricht sich für einen Ansatz aus, der auf Anreize setzt, wenn es darum geht, die WTO-Mitglieder zur Beachtung der Umwelt- und Sozialstandards anzuhalten, fordert aber gleichzeitig, dass Maßnahmen zur Bekämpfung von Sozial- und Umweltdumping geprüft werden, die mit den WTO-Vorschriften vereinbar sind;

12.   spricht sich dafür aus, dass bei der künftigen Prüfung im Rahmen der Überwachung der nationalen Handelspolitiken der WTO-Mitglieder eine Analyse der sozialen, geschlechts- und umweltbezogenen Belange, einschließlich Beschäftigung, Arbeitnehmerrechte und verwandte Bestimmungen, vorgenommen wird;

13.   fordert die an der Debatte Beteiligten auf, sich die Frage zu stellen, ob die lang andauernden Verhandlungsrunden über Handelsfragen, in die alle WTO-Mitglieder im Rahmen eines „Gesamtpakets“ zu einer Debatte über ein breites Themenspektrum einbezogen werden, nicht an ihre Grenzen stoßen; erkennt die historischen Verdienste dieses Ansatzes bei der Umsetzung und der Entwicklung des mulilateralen Handelssystems sowie bei der schrittweisen Liberalisierung und beim Eingehen gegenseitiger Verpflichtungen zum beiderseitigen Vorteil an; ist jedoch der Auffassung, dass in Bereichen, in denen ausreichende Fortschritte erzielt wurden (wie etwa bei den Handelserleichterungen), in Zukunft andere Formeln, die flexibler und wirksamer sind, zur Anwendung kommen sollten;

14.   ist der Auffassung, dass die institutionelle Struktur der WTO verbessert werden könnte, indem die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Aushandlung neuer Regeln und neuer Verpflichtungen stärker von denen abgegrenzt werden, die mit der Umsetzung bestehender Abkommen verbunden sind; hält es für wichtig, dass die WTO-Mitglieder für letztere Tätigkeit weder die Mittel kürzen noch in ihrer politischen Aufmerksamkeit hierfür nachlassen dürfen;

15.   schlägt vor, dass mit Blick auf die mögliche Anpassung der multilateralen Handelsregeln regelmäßig bewertet werden sollte, ob sie noch sinnvoll sind und Anwendung finden sollten;

16.   plädiert dafür, die Rolle und die Form der Ministerkonferenz neu zu definieren; beobachtet bei den WTO-Mitgliedern bereits die Tendenz, informellere Koordinations- und Entscheidungsmechanismen auf diesem Niveau zu bevorzugen, und stellt fest, dass seit 2007 keine einzige Sitzung der Ministerkonferenz stattgefunden hat, trotz der ausdrücklich im Abkommen von Marrakesch niedergelegten Forderungen in Bezug auf die Häufigkeit solcher Sitzungen; fordert die WTO-Mitglieder auf, aus dieser Entwicklung Lehren zu ziehen;

17.   bekräftigt, dass die parlamentarische Dimension der WTO für die Stärkung der demokratischen Legitimität und Transparenz der WTO-Verhandlungen wichtig ist; hebt die Arbeit der gemeinsam vom Europäischen Parlament und der Interparlamentarischen Union (IPU) veranstalteten parlamentarischen Konferenz über die WTO hervor und ist der Auffassung, dass deren Aktivitäten intensiviert werden könnten;

18.   erinnert daran, dass Parlamentariern als gewählten Vertretern der Bürger bei den Verhandlungen über den Handel, vor allem bei den WTO-Verhandlungen, eine wichtige Rolle zukommt;

19.   betont, dass es notwendig ist, in Anbetracht der mangelnden demokratischen Verantwortlichkeit und Legitimität der WTO eine Parlamentarische Versammlung der WTO mit beratenden Befugnissen zu schaffen, und begrüßt jede Reform, durch die die Einbindung der Parlamentarier in die WTO verstärkt wird;

20.   fordert die WTO-Mitglieder auf, ihren Parlamentariern ausreichende Unterstützung zuteil werden zu lassen, damit sie an der Entwicklung einer parlamentarischen Dimension der WTO mitwirken können; fordert die Kommission eindringlich auf, entsprechende Initiativen bei der WTO zu ergreifen; betont, dass die parlamentarische Dimension der WTO solange durch die gemeinsam vom Europäischen Parlament und der IPU veranstaltete parlamentarische Konferenz über die WTO gewährleistet wird, bis diese selbst die Verantwortung übernimmt;

21.   fordert die Einführung eines demokratischeren Systems der Entscheidungsfindung bei der WTO, das den Auffassungen aller WTO-Mitglieder Rechnung trägt, zumal diese ein unterschiedliches Entwicklungsniveau haben;

22.   hält es weder für realistisch noch für wünschenswert, das Konsensprinzip im Entscheidungsprozess der WTO erneut in Frage zu stellen, zumal es, anders als es bei Mehrheitsbeschlüssen (oder Stimmgewichtung) der Fall ist, die Gleichheit aller Mitglieder garantiert; ist jedoch der Auffassung, dass diverse Konzepte geprüft werden sollten, um im Einzelfall dafür zu sorgen, dass ein solcher Konsens leichter zustande kommt;

23.   nimmt die im oben genannten Sutherland-Bericht vorgelegten Vorschläge zu einem plurilateralen Ansatz mit Opt-in- oder Opt-out-Vereinbarungen in Fällen, in denen kein Konsens erzielt werden kann, zur Kenntnis, bekräftigt jedoch erneut sein Eintreten für den Multilateralismus und weist warnend darauf hin, dass der Plurilateralismus für die Entwicklungsländer nicht unbedingt von Vorteil sein wird und die Kluft zwischen den Industrieländern und den Entwicklungsländern vertiefen könnte;

24.   beobachtet die Zunahme informeller Gruppen innerhalb der WTO, in denen eine mehr oder weniger große Zahl von Mitgliedstaaten mit gemeinsamen Interessen, seien sie nun sektorbezogen oder regional, zusammen kommt, und stellt ferner fest, dass diese Gruppen bei der Zusammenfassung der Positionen und der Bildung von Kompromissen häufig eine nützliche Rolle spielen; fordert die WTO-Mitglieder auf, darüber nachzudenken, wie die Bildung und die Arbeitsweise solcher Gruppen in einen besseren Rahmen überführt werden können, um sie so transparent und effizient zu machen und ihnen die für ihre Tätigkeit notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen;

25.   verweist darauf, dass bei allen Reformen des multilateralen Handelssystems der gleichberechtigten und effektiven Beteiligung aller Mitglieder, besonders der am wenigsten entwickelten Länder, Rechnung getragen werden muss;

26.   hält es für ausschlaggebend, dass die Entwicklungsländer stärker beteiligt werden, und zwar auf eine Art und Weise, dass sie sich im Verhandlungsprozess umfassend vertreten fühlen und in der Lage sind auszuloten, wo ihre eigenen Wirtschaftsinteressen liegen, diese zur Sprache zu bringen und zu verteidigen, beispielsweise indem ein System eingeführt wird, das die Vertretung durch ein Staatenbündnis anstelle einer festen Gruppe von Ländern vorsieht, und indem ausreichende Mittel für die Entwicklung der technischen Kenntnisse und Fähigkeiten dieser Länder zur Verfügung gestellt werden; hebt hervor, dass zudem angemessene Mittel für die Entwicklungsländer notwendig sind, damit sie die WTO-Regeln wirksam umsetzen, sich an Reformen anpassen und sich somit besser in das Welthandelssystem integrieren können;

27.   fordert nachdrücklich, dass eine stärkere Beteiligung und Vertretung der Entwicklungsländer in den Leitungsgremien gefördert wird und dass ihre internen Systeme für Berichterstattung, Transparenz und gute Verwaltung verbessert werden;

28.   begrüßt den im Sutherland-Bericht enthaltenen Vorschlag, wonach für die am wenigsten entwickelten Länder Finanzierungsvereinbarungen für die technische Hilfe vertraglich verankert werden sollten, damit sie sich auch wirklich am multilateralen Handelssystem beteiligen können; betont, dass dem Kapazitätsaufbau für die Entwicklungsländer entscheidende Bedeutung zukommt, damit sie besser in der Lage sind, Verhandlungen zu führen, Erfordernisse und Strategien zu ermitteln und die WTO-Verpflichtungen zu erfüllen;

29.   ist der Auffassung, dass die immer wieder zur Sprache kommende Frage, ob innerhalb der WTO auf der Ebene des Allgemeinen Rates ein „eingeschränkter Rat“ oder ein „Lenkungsausschuss“ eingerichtet werden sollte, mit dem die im Wege des Konsens zu fassenden Beschlüsse vorbereitet und erleichtert werden sollen, unbedingt vertieft werden sollte; hat indessen Zweifel daran, wie eine Vertretung im Einzelfall zustande kommen soll, und fordert nachdrücklich, dass ein solches Organ einem hohen Anspruch an Repräsentativität und interner Transparenz genügen müsste;

30.   misst der Rolle des WTO-Sekretariats entscheidende Bedeutung bei und hält es für wichtig, dass Beamte aus Industrieländern und Entwicklungsländern im Sekretariat proportional vertreten sein sollten, damit es seinen Auftrag wirksamer erfüllen kann;

31.   wünscht, dass die Rolle des Sekretariats der WTO und die seines Generalsekretärs eingehend geprüft werden; stellt die allzu strikte Anwendung des Prinzips der Lenkung des Systems durch die Regierungen der WTO-Mitglieder (das so genannte Konzept der „member driven organisation“) in Frage; hält den Ausbau der finanziellen und personellen Mittel und Ressourcen des WTO-Sekretariats für notwendig; stellt jedoch fest, dass sich durchaus Fragen in Bezug auf die demokratische Legitimität, die Rechenschaftspflicht und die Transparenz stellen würden, wenn die WTO-Gremien Initiativbefugnisse bekämen, um das „kollektive“ Interesse voranzutreiben;

32.   schlägt vor, dem WTO-Sekretariat einen gewissen Handlungsspielraum zu lassen, damit es Initiativen im Interesse der Institution ergreifen und im Falle von Blockaden Kompromissformeln vorschlagen kann, ja sogar den Arbeiten bestimmter Organe vorstehen kann, um Kontinuität und Objektivität zu gewährleisten; hält es für notwendig, dass solche Vorschläge mit ernsthaften Überlegungen über die Modalitäten der Einstellung der Mitglieder des Sekretariats einhergehen sowie von einer angemessenen Mittelausstattung für die ihm übertragen Aufgaben flankiert werden müssen;

33.   ist überzeugt, dass die unzureichende Differenzierung zwischen den Entwicklungsländern, trotz der großen Unterschiede beim Niveau ihrer wirtschaftlichen Entwicklung und ihren besonderen Bedürfnissen, sich als erhebliches Hindernis für der Annahme wirksamer Maßnahmen zu Gunsten dieser Länder erweisen dürfte, die als Ziel der Doha-Runde proklamiert wurden, und denjenigen Entwicklungsländern, die am bedürftigsten sind, zum Nachteil gereicht; fordert die weiter entwickelten Entwicklungsländer auf, schon in der jetzigen Runde ihren Teil der Verantwortung zu übernehmen und Beiträge zu leisten, die ihrem Entwicklungsniveau und ihrer Wettbewerbsfähigkeit (in bestimmten Wirtschaftszweigen) entsprechen;

34.   ist der Auffassung, dass aus entwicklungspolitischer Sicht die Neugestaltung der differenzierten Sonderbehandlung ganz entscheidend für die Bedeutung der WTO ist, wobei eine solche Neugestaltung eine neue Differenzierung zwischen den Entwicklungsländern in der WTO und einen Ansatz für die differenzierte Sonderbehandlung umfassen sollte, der auf den Entwicklungserfordernissen einzelner Länder und nicht auf Länderkategorien basiert; empfiehlt, dass für die Differenzierung wirksame Kriterien angewandt werden, indem nicht nur das BSP-Wachstum, sondern auch Indikatoren wie der Index der wirtschaftlichen Anfälligkeit und der Handels- und Entwicklungsindex berücksichtigt werden;

35.   ist der Auffassung, dass die Einteilung nicht nur der Entwicklungsländer, sondern auch der übrigen Mitgliedstaaten der WTO in Gruppen oder Untergruppen anhand objektiver und nicht nur auf das BSP beschränkter Kriterien ernsthaft geprüft werden sollte, um zu einer möglichst differenzierten Anwendung der bestehenden Abkommen oder der sich noch im Verhandlungsstadium befindlichen Abkommen zu gelangen;

36.   hält die Forderung der Gesellschaft, der Bürger und der Parlamente nach Transparenz bei der Ausarbeitung und Durchführung der handelspolitischen Maßnahmen für legitim; begrüßt die echten Fortschritte, die die WTO seit ihrer Gründung im Jahr 1995 im Bereich der externen Transparenz erzielt hat, sowie die Wirksamkeit ihrer Kommunikationspolitik; hält es für wichtig, dass die Wirtschaftsakteure sowie alle beteiligten zivilgesellschaftlichen Akteure jederzeit Zugang zu qualitativ hochwertigen Informationen über die multilateralen Handelsregeln und ihre effektive Anwendung bzw. über alle Ausnahmeregelungen für WTO-Mitglieder haben;

37.   unterstützt die Vorschläge des Generaldirektors der WTO, die auf eine Stärkung der Mechanismen für eine „aktive Transparenz“ sowie auf die Beobachtung und die wirksame Überwachung der Anwendung der Regeln und der eingegangenen Verpflichtungen durch die WTO-Mitglieder abzielen, um deren wirksame und vollständige Umsetzung zu gewährleisten; fordert die WTO auf, ihre Bemühungen in diesem Bereich fortzusetzen, und fordert ihre Mitglieder auf, der WTO hierfür ausreichende Mittel zur Verfügung zu stellen;

38.   erinnert daran, dass die Streitbeilegungsvereinbarung bereits seit 1997 Gegenstand von Verhandlungen ist, in deren Verlauf bestimmte WTO-Regeln geklärt und ihre Anwendung verbessert werden sollen; bedauert, dass es bei diesen Verhandlungen in all der Zeit keinerlei Ergebnisse gegeben hat; unterstützt den Vorschlag der Europäischen Union, die Unabhängigkeit der Streitbeilegungsgremien zu stärken;

39.   spricht sich dafür aus, dass die im Rahmen des Streitbeilegungsverfahrens stattfindenden Sitzungen in der Sache mit den Parteien, Sondergruppen und dem Berufungsgremium angesichts des gerichtlichen Charakters des Verfahrens fortan öffentlich abgehalten werden, wie es für Gerichtsverhandlungen üblich ist, und dass die Dokumente, vor allem die Mitteilungen der Parteien oder der Sachverständigen, der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden, außer in wenigen, hinreichend begründeten Ausnahmefällen;

40.   ist der Auffassung, dass der Streitbeilegungsmechanismus der WTO im Großen und Ganzen bis heute seine Aufgabe zufrieden stellend wahrgenommen hat, dass aber bestimmte Anpassungen notwendig wären, insbesondere was die Frage betrifft, inwieweit die Empfehlungen oder Beschlüsse des Streitbeilegungsgremiums überhaupt umgesetzt werden; befürwortet die Justizialisierung des Streitbeilegungssystems, die den WTO-Verpflichtungen größere Glaubwürdigkeit verliehen hat, weil die WTO-Mitglieder dadurch in stärkerem Maße als gleichrangig behandelt werden;

41.   betont, dass sichergestellt werden muss, dass das Streitbeilegungsgremium die WTO-Bestimmungen so auslegt, dass dem geltenden internationalen Umwelt- und Sozialrecht gebührend Rechnung getragen wird, und fordert die Kommission und alle Mitgliedstaaten der WTO auf, erforderlichenfalls die WTO-Bestimmungen dahingehend zu ändern;

42.   stellt sich vor, dass es möglich wäre, gegen Länder, die sich weigern, ihre Rechtsvorschriften oder Maßnahmen in Einklang mit ihren Verpflichtungen zu bringen, Sanktionen zu Gunsten der Länder einzuführen, die Opfer solcher Vorschriften oder Maßnahmen geworden sind, vor allem wenn es sich um kleine Volkswirtschaften handelt, denen keine echten Möglichkeiten für Vergeltungsmaßnahmen zur Verfügung stehen;

43.   fordert die WTO-Mitglieder auf, die Gelegenheit einer umfassenderen Debatte über eine mögliche Reform dieser Organisation dazu zu nutzen, den Prozess der Revision der Streitbeilegungsvereinbarung fortzusetzen und zum Abschluss zu bringen;

44.   ist der Auffassung, dass innerhalb des WTO-Rahmens neben der Verringerung oder Beseitigung von Handelshemmnissen (negative Integration) auch eine positive Integration gefördert werden sollte;

45.   ist der Auffassung, dass auch die Beitritte auf die Themenliste dieser Debatte gesetzt werden müssen; bedauert, dass manche Verhandlungen über den Beitritt zur WTO sich völlig unverhältnismäßig in die Länge ziehen, weil ein einzelnes Land oder einige wenige WTO-Mitglieder diesen Prozess blockieren;

46.   fordert die WTO-Mitglieder auf, darüber nachzudenken, ob Beitrittskandidaten ein besonderer Vor-Beitrittsstatus zuerkannt werden könnte, solange sie ihre bilateralen Verhandlungen über den Marktzugang mit ihren wichtigsten Partnern innerhalb der Organisation noch nicht abgeschlossen haben, sofern sie sich verpflichten, unverzüglich allen Verpflichtungen, die sich aus der Anwendung der bestehenden Regeln ergeben, nachzukommen; besteht nachdrücklich darauf, dass die Entscheidung über die Aufnahme eines neuen Mitgliedslands in die WTO, stets auf der Grundlage von Erwägungen zu treffen ist, die sich strikt auf den Handel beschränken;

47.   ist der Ansicht, dass die Initiative der Europäischen Union „Alles außer Waffen“ ein sinnvolles Beispiel ist, was den Marktzugang für die am wenigsten entwickelten Länder betrifft;

48.   weist darauf hin, dass Artikel XXXVIII Absatz 2 Buchstabe a des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT 1994), der die Verpflichtung für alle WTO-Mitglieder beinhaltet, die Marktbedingungen für Grunderzeugnisse, die für die Entwicklungsländer unter den WTO-Mitgliedern von besonderem Interesse sind, zu stabilisieren und zu verbessern, immer noch nicht umgesetzt ist, und hält entscheidende Maßnahmen im Zusammenhang mit diesem Artikel für einen wichtigen Bestandteil der Reform der WTO;

49.   unterstreicht, dass die Debatte über die Reform der WTO ein höchst politischer Vorgang sein sollte und ein nachdrückliches Engagement und große Entschlossenheit seitens der WTO-Mitglieder erfordert, wenn sie erfolgreich zum Abschluss gebracht werden soll; überlässt es den Mitgliedstaaten, zu entscheiden, innerhalb welchen Gremiums der WTO diese Arbeiten durchgeführt werden sollten und welche Rolle der Generaldirektor hierbei spielen könnte; fordert zudem, dass die Parlamente der WTO-Mitglieder an dieser Debatte beteiligt werden, und zwar durch einen Beitrag zur parlamentarischen Konferenz über die WTO;

50.   beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und Beitrittskandidaten, den Regierungen und Parlamenten der übrigen WTO-Mitglieder sowie der WTO zu übermitteln.


(1)  ABl. C 296 vom 18.10.2000, S. 121.

(2)  ABl. C 112 E vom 9.5.2002, S. 326.

(3)  ABl. C 177 E vom 25.7.2002, S. 290.

(4)  ABl. C 77 E vom 26.3.2004, S. 393.

(5)  ABl. C 92 E vom 20.4.2006, S. 397.

(6)  ABl. C 285 E vom 22.11.2006, S. 126.

(7)  ABl. C 293 E vom 2.12.2006, S. 155.

(8)  „The Future of the WTO — Addressing Institutional Challenges in the New Millenium“, Report by the Consultative Board to the Director-General Supachai Panitchpakdi (WTO, Januar 2005).


Top