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Document 52008DC0192

Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat - Die Fortschritte bei der Verwirklichung des Erdgas- und Elektrizitätsbinnenmarktes [SEK(2008) 460]

/* KOM/2008/0192 endg. */

52008DC0192

Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat - Die Fortschritte bei der Verwirklichung des Erdgas- und Elektrizitätsbinnenmarktes [SEK(2008) 460] /* KOM/2008/0192 endg. */


DE

Brüssel, den 15.4.2008

KOM(2008) 192 endgültig

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

Die Fortschritte bei der Verwirklichung des Erdgas- und Elektrizitätsbinnenmarktes

[SEK(2008) 460]

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

Die Fortschritte bei der Verwirklichung des Erdgas- und Elektrizitätsbinnenmarktes

A. hintergrund

Energie wird für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit in Europa immer wichtiger. Zuverlässige Energiedienstleistungen zu annehmbaren Preisen für Unternehmen und Haushalte sind nach wie vor ein zentraler Faktor der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung. Ein gut funktionierender Binnenmarkt ist die Voraussetzung dafür, dass Europa alle drei Herausforderungen im Energiebereich – Wettbewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit – bewältigt.

Der letzte Schritt auf dem Weg zu wettbewerbsfähigen Energiemärkten wurde am 1. Juli 2007 mit der vollständigen Öffnung der nationalen Endkundenmärkte getan. Rechtlich gesehen können nun alle europäischen Verbraucher ihren Versorger wählen und vom Wettbewerb profitieren.

Dieser Bericht wird jedoch aufzeigen, dass in der Praxis die Integration der Märkte noch längst keine Realität ist. Mit sehr wenigen Ausnahmen sind die Elektrizitäts- und Erdgasmärkte in der EU wirtschaftlich gesehen weiterhin nationale Märkte mit begrenztem Wettbewerb.

Es wird dargestellt, dass die im Fortschrittsbericht der Kommission 2006/07 und im Bericht über die sektorspezifische Untersuchung zu den Elektrizitäts- und Erdgasmärkten der EU ermittelten Probleme weitgehend fortbestehen. Nicht alle Mängel können im Rahmen der bestehenden Rechtsvorschriften behoben werden, weshalb weitere legislative Maßnahmen erforderlich sind.

B. Entwicklung in zentralen Bereichen, verbleibende probleme

1. Umsetzung der Rechtsvorschriften

Alle Mitgliedstaaten [1] haben die Frist des 1. Juli 2007 für die vollständige Öffnung ihrer Erdgas- und Elektrizitätsmärkte [2] eingehalten. Es haben sich jedoch Beschränkungen des freien und lauteren Wettbewerbs dadurch ergeben, dass liberalisierte Marktsegmente und regulierte Endnutzerpreise gleichzeitig bestehen.

Mehr als drei Jahre nach Ablauf der Umsetzungsfrist (Juli 2004) haben einige Mitgliedstaaten die Bestimmungen der Elektrizitäts- und der Erdgasrichtlinie immer noch nicht ordnungsgemäß umgesetzt [3]. Dies betrifft insbesondere Kernbereiche der Marktliberalisierung wie die Regulierungsaufsicht, die Entflechtung, regulierte Versorgungstarife sowie die Mitteilung betreffend die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen.

Die Regulierer spielen eine zentrale, rechtlich verankerte Rolle bei der Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen durch die Netzbetreiber. ERGEG [4] kommt aufgrund der Koordinierung der Kontrolle in den Mitgliedstaaten, durch die die Überprüfung der Einhaltung der Bestimmungen angeglichen wird, eine wichtige Aufgabe zu. Im Rahmen der Überwachung der Umsetzung der Vorschriften für den Elektrizitäts [5]- und den Erdgassektor [6] durch die ERGEG 2007 [7] zeigte sich, dass in Bereichen, die im Hinblick auf die Entstehung liquider Märkte von zentraler Bedeutung sind (z. B. Transparenz und Zuweisung von Primärkapazität) die Bestimmungen nur unzureichend eingehalten werden. Etwa 15 % der europäischen Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) halten die Transparenzvorschriften für den Erdgassektor nicht ein. Historische Lastflüsse, Nutzungsraten und die gesetzlich vorgeschriebene Prognose der verfügbaren Kapazitäten werden von etwa einem Drittel der FNB nicht veröffentlicht. Gleichzeitig veröffentlicht ein Drittel der FNB, die die Sonderregelung für weniger als drei Transportkunden [8] in Anspruch nehmen, die verlangten Gesamtdaten nicht, und 85 % nutzen die Sonderregelung ohne die vorgeschriebene Genehmigung der Regulierungsbehörden.

Die Berichterstattung über Marktindikatoren, die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, ist weitgehend unzureichend. So können nur 30% der nationalen Regulierer die Versorgerwechselraten für Unternehmen, KMU und Haushalte angeben.

2. Marktintegration

Der Markt ist noch nicht ausreichend integriert. Dies zeigt sich u. a. in Preisunterschieden, Regionalmonopolen und anhaltenden Engpässen an den Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten.

In einem gut integrierten Markt wären die Preise in benachbarten Ländern oder Regionen aufgrund des Wettbewerbs vergleichbar. Die EU-Strompreise für Industriekunden nähern sich im Zentrum und im Nordwesten der EU allmählich an, der Preisunterschied kann jedoch in einigen Fällen noch an die 100% betragen [9]. Eine effizientere Nutzung der Infrastruktur hat zu einer gewissen Verbesserung der Strompreiskorrelation geführt, insbesondere zwischen dem Raum Niederlande/Belgien/Österreich/Frankreich/Deutschland und dem nordeuropäischen Markt.

Der grenzüberschreitende Handel ist ein wichtiger Faktor für Wettbewerbsdruck auf die Preise. Voraussetzung für grenzüberschreitenden Handel sind ausreichende Netzkapazitäten, daher müssen die unverändert vorhandenen Engpässe bei den Erdgas- und Elektrizitätsinfrastrukturen beseitigt werden. In fünf Mitgliedstaaten liegt das Verhältnis von Verbindungskapazität zu installierter Kapazität im Elektrizitätsbereich unter 10 %. In weiteren zehn Mitgliedstaaten liegt es zwischen 10 und 30 %. Eine koordinierte Planung der Investitionen und die Ermittlung der Marktnachfrage sind für die europaweite Bereitstellung von Kapazitäten unerlässlich. Freiwillige Maßnahmen im Rahmen der regionalen Initiative, die von der Kommission mit operativer Unterstützung der ERGEG [10] (z. B. koordinierte Nachfrageerhebungen zu Erdgasflüssen auf der iberischen Halbinsel, Analysen für Investitionen in Transport und Speicheranlagen im südöstlichen Erdgasmarkt) gefördert wird, sind sicherlich von Nutzen. Sie können jedoch keine ausreichende Sicherheit für die Deckung der Marktnachfrage bieten.

Da die Netzbetreiber nicht unabhängig genug sind, werden weiterhin keine Investitionen in angemessener Höhe vorgenommen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass dort, wo in den Mitgliedstaaten die etablierten Unternehmen Anteilseigner von Transportnetzen auf ihren Märkten sind, das Interesse dieser Unternehmen an einer Beschränkung des Wettbewerbs auf dem jeweiligen nationalen Markt häufig einer ausreichenden Kapazitätserweiterung im vorgelagerten Bereich entgegensteht. Die Korrelation zwischen einer echten Entflechtung und Investitionen ist durch Analysen belegt. Der Anteil der in Verbindungskapazitäten investierten Engpasserlöse lag bei eigentumsrechtlich entflochtenen Übertragungs- und Fernleitungsnetzbetreibern doppelt so hoch wie bei vertikal integrierten Betreibern; das Investitionsniveau hat sich in den drei bis vier Jahren seit der eigentumsrechtlichen Entflechtung ebenfalls mindestens verdoppelt.

Allerdings wird die Höhe der Investitionen auch durch andere Faktoren beeinflusst, insbesondere durch die Preisregulierung. Die Regulierer müssen investitionsfreundliche Rahmenbedingungen schaffen, die ein stabiles Regulierungssystem, faire Investitionsanreize und einen integrierten Markt umfassen und u. a., aber nicht ausschließlich, auf Preissenkungen ausgerichtet sind. Anreizregelungen gibt es noch nicht in ausreichendem Maße.

Die rechtlichen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten sind nach wie vor ein Hemmnis für die Marktintegration. So war z. B. ein koordiniertes Pilotvorhaben für Erdgaskapazitätsauktionen im nordwestlichen Erdgasmarkt [11] aufgrund von unterschiedlichen nationalen Rechtsvorschriften nicht durchführbar. Um solche Hindernisse zu beseitigen, ist ein stärkeres Engagement der Mitgliedstaaten erforderlich.

Die Vorteile einer ausreichenden Infrastruktur werden erst dann in vollem Umfang zum Tragen kommen, wenn die Kapazitäten den Marktteilnehmern diskriminierungsfrei und in einem dem Handel förderlichen Umfeld bereitgestellt werden. Eine unterschiedliche Behandlung von grenzüberschreitenden Diensten und innerstaatlicher Übertragung bzw. innerstaatlichem Transport ist im Hinblick auf die Nichtdiskriminierung der Nutzer und die Vereinbarkeit mit bestehenden (und vorgeschlagenen) Rechtsvorschriften als problematisch einzustufen. Allerdings müssen Kapazitätssysteme so flexibel wie möglich sein, was am leichtesten mit einem entkoppelten Einspeise-/Ausspeisesystem zu erreichen ist.

Regionale Entwicklung

Bilaterale und multilaterale Projekte für eine bessere grenzüberschreitende Integration existieren bereits, z. B. die Regionalinitiativen der ERGEG und die Zusammenarbeit der Regierungen im Rahmen des pentalateralen Forums (Nordwesteuropa) und der MIBEL/MIGAS-Initiative (Länder der iberischen Halbinsel). Im Unterschied zu anderen Initiativen fördert die Energiegemeinschaft die regionale Zusammenarbeit auf einer rechtsverbindlichen Grundlage.

Diese Projekte sind für die Entwicklung vorbildlicher Lösungen von Nutzen. So hat man sich im Rahmen der Regionalinitiativen der ERGEG um eine grenzüberschreitend koordinierte Kapazitätszuweisung in den nordwesteuropäischen Erdgasmärkten, eine koordinierte Nachfrageanalyse und Investitionsplanung in den Erdgasmärkten der iberischen Halbinsel und Südosteuropa [12], die Koordinierung der Regulierung mit dem Ziel grenzüberschreitend harmonisierter Entscheidungen im Regulierungsbereich und höhere Transparenz bemüht. 2006 wurde das trilaterale Strommarktkopplungsprojekt zwischen Frankreich, Belgien und den Niederlanden verwirklicht, ein Kapazitätszuweisungsverfahren, durch das gewährleistet wird, dass die Energie entsprechend den Spotmarktpreisen in die richtige Richtung „fließt“. Hierdurch verbesserte sich die Effizienz des Kraftwerkseinsatzes in der Region enorm. Das pentalaterale Elektrizitätsforum einigte sich für die gesamte Region auf einen gemeinsamen, lastflussgestützten Mechanismus für die grenzüberschreitende Kapazitätszuweisung. Die Arbeiten im Erdgasbereich liefen vor kurzem an und dürften sich auf rechtliche Engpässe und die Versorgungssicherheit konzentrieren. Im November 2007 begannen die Republik Irland und Nordirland mit der Organisation eines gemeinsamen Stromgroßhandelsmarktes. Entsprechende Pläne gibt es auch für einen Erdgasmarkt.

Die regionale Vorgehensweise ermöglicht es, unterschiedliche Marktentwicklungsstände zu berücksichtigen, wobei das gemeinsame Ziel die Verwirklichung des Binnenmarktes ist.

3. Konzentration und Konsolidierung

Auf nationaler Ebene gibt es immer noch ausgeprägte Marktkonzentrationen. Außerdem kontrollieren die etablierten Unternehmen die wichtigen Infrastrukturen, wodurch sich ihre Marktmacht noch erhöht.

Zwischen 2005 und Mitte 2007 nahm in 40 % der Mitgliedstaaten, für die Daten vorlagen, die Anzahl der unabhängigen Lieferanten auf dem Elektrizitätsmarkt zu. Im Erdgassektor nahm deren Anzahl nur in einem Viertel der Mitgliedstaaten zu. Allerdings betrug die Zunahme in Frankreich, Italien, Polen und den Niederlanden 50 % oder mehr (Frankreich: 15 Versorger statt 10, Polen: 75 statt 0, Niederlande: 20 statt 8, Italien (2006): 182 statt 123). In 7 von 21 Mitgliedstaaten gibt es auf dem nationalen Erdgasmarkt keinen unabhängigen Lieferanten. Im Elektrizitätsbereich ist dies den Berichten zufolge nur in Zypern der Fall, relevante Daten fehlen jedoch für 15 Mitgliedstaaten.

Die Endkundenmärkte sind noch nicht gut entwickelt, vor allem deshalb, weil neue Marktteilnehmer nur begrenzt Zugang zu Gasversorgungsquellen haben. Auch in dem am meisten entwickelten Markt (Großbritannien) beherrschen die Erdgasproduzenten den Wettbewerb. Die Aufnahme neuer Erzeuger in den Kreis der Versorger ist für Wettbewerb und Versorgungssicherheit nach wie vor unerlässlich. Verflüssigtes Erdgas spielt eine wichtige Rolle.

In den einzelnen Mitgliedstaaten ist nicht nur eine ausgeprägte Marktkonzentration festzustellen, es besteht weiter die Tendenz zur Konsolidierung und Konzentration. Sofern sich die Wirtschaftsakteure, die aus Zusammenschlüssen oder Übernahmen hervorgehen, dem Wettbewerb unterwerfen, wird dieser nicht unbedingt negativ beeinflusst. Regierungen, nationale Regulierer und Wettbewerbsbehörden sollten Rahmenbedingungen schaffen, die zu wettbewerbsgerechtem Handeln zwingen, wo nicht mit einem sich aus der Marktstruktur ergebenden Wettbewerb zu rechnen ist, z. B. durch Programme zur Freigabe von Strom- und Gaskapazitäten und strenge Transparenzanforderungen.

4. Preisentwicklung

Die Kunden in den EU-15-Mitgliedstaaten konnten im Zeitraum 1998 bis 2004 aufgrund der Liberalisierung des Elektrizitätssektors insgesamt 60 Mrd. € einsparen. Dies wurde zum Teil durch spätere Preisanstiege wieder zunichte gemacht. Die Erdgaspreise in den EU-27 stiegen parallel zu den Erdölpreisen, für Unternehmen zwischen 2005 und 2006 um durchschnittlich 35 %, 2007 um weitere 12 %. Die Gesamtpreissteigerung zwischen 2005 und 2007 lag für die Haushalte in ähnlicher Höhe, obwohl hier vor allem 2007 ein starker Anstieg zu verzeichnen war [13].

Diese Entwicklung hat mehrere Ursachen. Da bisher nur ein begrenzter Wettbewerb stattfindet, ist der Wettbewerbsdruck auf die Preise entsprechend gering. Außerdem spiegeln die Preise den allgemeinen Trend wider, vor allem den Trend bei den Ölpreisen, die zwischen 2005 und 2007 um über 50 % angestiegen sind. Angesichts der Kopplung von Erdgas- und Erdölpreisen und der zunehmenden Bedeutung von Erdgas für die Stromerzeugung wirkt sich die Entwicklung des Erdölpreises auf Erdgas- und Strompreise aus.

Parallel dazu gibt es Anzeichen dafür, dass sich die Unabhängigkeit der Netzbetreiber aufgrund der Förderung der Netzeffizienz, der Erleichterung des Netzzugangs für Dritte und der Stützung des Marktvertrauens günstig auf die Preise auswirkt. Seit der Marktöffnung 1998 gab es in den Mitgliedstaaten mit eigentumsrechtlich entflochtenen Übertragungs- und Fernleitungsnetzbetreibern eine günstigere Preisentwicklung als in Mitgliedstaaten, in denen ÜNB und FNB noch mit den Versorgungsunternehmen verbunden sind.

5. Unabhängigkeit der Netzbetreiber

Die funktionale Entflechtung ist immer noch nicht in allen Mitgliedstaaten wirksam umgesetzt [14]. Dies gilt für den Elektrizitäts- und den Erdgassektor sowie für Übertragungs-/Fernleitungs- und Verteilernetzbetreiber. In einigen Mitgliedstaaten ist man weiter gegangen, als in den derzeitigen Entflechtungsbestimmungen verlangt wird. Im Elektrizitätsbereich gibt es in etwa der Hälfte der Mitgliedstaaten eigentumsrechtlich entflochtene Netzbetreiber, im Erdgasbereich ist dies in sieben Mitgliedstaaten der Fall [15].

Auf der Ebene der Verteilung nutzen die Mitgliedstaaten vielfach Ausnahmeregelungen: die Hälfte der Mitgliedstaaten nehmen Verteilernetzbetreiber (VNB) mit weniger als 100 000 Kunden von der Verpflichtung zur rechtlichen Entflechtung aus, und dies sowohl im Elektrizitäts- als auch im Erdgassektor [16].

Eine zu geringe Unabhängigkeit der Netzbetreiber zeigt sich in zu niedrigen Investitionen in Netzkapazitäten und insbesondere in unzureichenden grenzüberschreitenden Kapazitäten. Die bisherige rechtliche Entflechtung ist nicht ausreichend, um dem entgegenzuwirken.

6. Wirksame Regulierung durch die Regulierungsbehörden

Obwohl gemäß der Elektrizitäts- und der Erdgasrichtlinie die Regulierer über bestimmte Mindestbefugnisse verfügen müssen, hat sich an der Uneinheitlichkeit des Umfangs der Regulierungsbefugnisse in den einzelnen Ländern nichts geändert. In einigen Mitgliedstaaten sind die Befugnisse zwischen mehreren Regulierungsbehörden auf nationaler und regionaler Ebene, zu denen auch die Wettbewerbsbehörde bzw. das Wettbewerbsministerium gehören, aufgeteilt, was die Uneinheitlichkeit noch fördert. Eine Regulierungsaufsicht über Großhandels- und Endkundenmarkt existiert in fast keinem Mitgliedstaat.

Die Nichteinhaltung von EU-Vorschriften wird in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften häufig durch unzureichende oder unwirksame Sanktionen geahndet. Die ERGEG-Kontrollberichte über die Umsetzung der geltenden Vorschriften zeigen außerdem auf, dass die Regulierer nicht in ausreichendem Maße von ihren Befugnissen zur aktiven Förderung der Anwendung der Rechtsvorschriften Gebrauch machen. So wird in einem ERGEG-Bericht für das 14. Madrider Forum nur ein Fall einer Regulierungsbehörde genannt, die ihre Befugnisse dazu einsetzte, einem ÜNB/FNB wegen Nichteinhaltung der Vorschriften Sanktionen aufzuerlegen.

Der Umfang des zu integrierenden Marktes erfordert einheitliche Regulierungsentscheidungen in ganz Europa. ERGEG und die europäischen Regulierungsforen für Elektrizität und Erdgas (das „Florenzer Forum“ und das „Madrider Forum“) tragen sicherlich zu diesem Prozess bei, denn in diesem Rahmen wird die konkrete Lösung von Problemen erörtert und man einigt sich auf gemeinsame vorbildliche Vorgehensweisen. Die „Regulierungslücke“ ist jedoch nach wie vor ein Hemmnis für grenzüberschreitend koordinierte Entscheidungen, und sie kann durch das ERGEG-Modell der freiwilligen Zusammenarbeit nicht überbrückt werden.

7. Kundenbereich

Kundenzufriedenheit - Versorgerwechsel

In den Ländern der iberischen Halbinsel, der Tschechischen Republik und den nordischen Ländern wechseln die Kunden häufig den Stromversorger, in Deutschland, Österreich und Luxemburg ist dies bei besonders großen Industriekunden in überdurchschnittlichem Maße der Fall. In den meisten anderen Ländern liegt die jährliche Wechselrate für Haushalte bei höchstens 1%. Bei Erdgas sieht die Lage ähnlich aus, abgesehen von Italien, wo die Rate über 1 % liegt. Die Wechselraten für Großkunden steigen weiter an, die meisten Kleinunternehmen und Haushalte können ihr Wahlrecht jedoch nach wie vor nur in geringem Umfang nutzen.

Die Versorgerwechselraten sind jedoch nicht der einzige Indikator für einen funktionierenden Wettbewerb auf dem Endkundenmarkt. Häufig gibt es keine konkurrierenden Angebote, oder diese sind zu ähnlich, als dass sie eine echte Alternative darstellten. Die Mitgliedstaaten und die nationalen Regulierer müssen sicherstellen, dass einfache und transparente Verfahren für den Versorgerwechsel existieren, damit die Kunden über das nötige Vertrauen verfügen. Darüber hinaus ist der Wettbewerb im Endkundenmarkt durch regulierte Versorgungstarife verzerrt.

Dienstequalität

Eine Marktliberalisierung hat grundsätzlich das Ziel, die Position der Verbraucher zu verbessern. Die Möglichkeit, den Versorger zu wählen, und der sich daraus ergebende Wettbewerbsdruck führen dazu, dass Dienstangebot und -nachfrage besser aufeinander abgestimmt sind. In der Elektrizitäts- und der Erdgasrichtlinie liegt der Schwerpunkt eindeutig auf den Verbraucherrechten. Bei Markterhebungen kam man zu dem Schluss, dass die Kunden mit der Qualität der bereitgestellten Strom- und Gasdienstleistungen generell zufrieden sind [17]. Befürchtungen, die Einführung des Wettbewerbs würde zu einem niedrigeren Dienstleistungsstandard oder zu Problemen bei der Grundversorgung führen, erwiesen sich als unbegründet.

Will man von der Liberalisierung profitieren, muss der Zugang zur Energieversorgung gegeben sein. Den Analysen [18] zufolge sind für die überwiegende Mehrheit der europäischen Endnutzer Strom und Gas leicht zugänglich. Der EU-27-Durchschnitt liegt für die nicht substituierbare Stromversorgung bei 93 % und bei Erdgas, wo häufig Alternativen existieren, bei 72 %. Zwei Drittel der EU-Bürger (66 %) halten Stromdienstleistungen für erschwinglich; für den Gassektor ist die Zahl ähnlich hoch. In keinem der beiden Sektoren gab es signifikante Unterschiede zwischen den soziodemografischen Kategorien oder zwischen den EU-15 und den EU-27 [19].

Regulierte Preise

In den EU-Mitgliedstaaten gibt es relativ häufig sowohl offene Energiemärkte als auch regulierte Energiepreise. Dies ist in einem Drittel der Erdgasmärkte für mindestens ein Marktsegment und in mehr als der Hälfte der Elektrizitätsmärkte der Fall. In den meisten Mitgliedstaaten mit einer Preisregulierung beschränkt sich diese nicht auf Kleinkunden; für alle Kundensegmente können regulierte Preise gelten [20].

Die negativen Auswirkungen regulierter Energiepreise bleiben höchst bedenklich. Sie verzerren den Wettbewerb unmittelbar und verringern die Liquidität der Großhandelsmärkte. Langfristig senden regulierte Preise die falschen Signale an Investoren und wirken sich somit negativ auf die Schaffung neuer Infrastrukturen aus. Durch die Festlegung eines Preisniveaus, das es neuen Marktteilnehmern nicht erlaubt, Energie zu kostendeckenden Preisen zu liefern, wird mit der Preisregulierung eine Marktzugangsbeschränkung für neue Versorger geschaffen, die die Versorgungssicherheit unmittelbar gefährdet. Die französische Strombörse hat beispielsweise erklärt, wegen der regulierten Energiepreise für den französischen Markt keinen Marktreferenzpreis ermitteln zu können. Der Verbraucherschutz sollte nicht mit Mitteln des Wettbewerbs, sondern mit anderen Mitteln gewährleistet werden.

C. VERSORGUNGSSICHERHEIT

Entsprechend den 2007 von den europäischen Übertragungsnetzbetreibern (ETSO) und den europäischen Gasfernleitungsnetzbetreibern (Gas Infrastructure Europe, GIE) erstellten Sommer- und Winterprognosen für den Elektrizitätssektor in Europa besteht mittelfristig kein konkretes Risiko einer Stromunterversorgung. In diesen Berichten werden die nationalen und regionalen Leistungsbilanzprognosen zusammengefasst, bei denen Erzeugung und Spitzennachfrage gegenübergestellt werden. Außerdem wird die globale Angemessenheit der zusammengeschalteten Systeme geprüft. Allerdings sind die Stromnetze unter schwierigen Bedingungen (z. B. sehr niedrige oder sehr hohe Temperaturen, Gasversorgungskrisen) stärkeren Belastungen ausgesetzt, insbesondere, wenn derselbe Zeitraum für die Nachbarländer ebenfalls kritisch ist.

Die Bereitstellung ausreichender Transportkapazitäten ist sowohl für die Intensivierung des Wettbewerbs als auch für die Versorgungssicherheit weiterhin ein zentraler Aspekt. Insbesondere bei der Erdgasversorgung ist die Europäische Union immer stärker von Importen abhängig [21]. Da die einheimischen Erdgasreserven zurückgehen und der Erdgasverbrauch weltweit beträchtlich zunehmen dürfte, spielt die Diversifizierung der Transportrouten und der Energiequellen eine wichtige Rolle, wenn die Abhängigkeit von den heute wichtigsten Erdgasquellen (Russland, Norwegen und Algerien) verringert werden soll. Da die Gaspreise steigen, spielt LNG bei der Diversifizierung eine immer größere Rolle.

Funktionierende Elektrizitäts- und Gasnetze sind eine Grundvoraussetzung für einen funktionierenden europäischen Markt. Der vollständigen Durchführung der bereits ermittelten prioritären Projekte stehen noch Hindernisse entgegen. Für die Projekte von europäischem Interesse, bei denen Verzögerungen oder Umsetzungsprobleme festzustellen sind, wurden Koordinatoren benannt. Es handelt sich um folgende Projekte: 1) Stromverbindung zwischen Deutschland, Polen und Litauen; 2) Anbindung der Offshore-Windkraft in Nordeuropa; 3) Verbindungsleitungen zwischen den Stromnetzen Frankreichs und Spaniens; 4) die Erdgasfernleitung Nabucco.

Bei Strom ist die Importabhängigkeit weniger groß. Die Stromerzeugung kann sich auf einheimische Quellen (einschließlich erneuerbarer Energiequellen) stützen, sowie auf Brennstoffe, für die ein diversifizierter Weltmarkt existiert (z. B. Kohle). Die Stromerzeugung gerät allerdings in eine immer stärkere Abhängigkeit vom – größtenteils importierten – Erdgas. Infrastruktur-Investoren stehen ebenfalls vor neuen Herausforderungen. Das Elektrizitätsnetz ist in immer höherem Maße abhängig von den Erdgasinfrastrukturen. Investitionen in die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen (z. B. Windenergie) setzen Transportinfrastrukturen mit hoher Kapazität voraus, damit das System einer unregelmäßigen Kapazitätsauslastung gewachsen ist.

Nach dem kalten Winter 2005/2006 beschlossen einige Länder, mehr Erdgas zu speichern und so weit wie möglich Importkapazitäten zu nutzen. Italien führte z. B. „ship-or-pay“-Verträge ein, bei denen Transportkunden Transportkapazitäten abgeben können, um so die physische Nutzung der Kapazitäten zu erhöhen. Ende 2006 und bis in das Jahr 2007 hinein ergab sich ein kleiner Gasüberschuss, der einen verstärkten Gashandel ermöglichte. So erhielten die Handelszentren eine gewisse Liquidität. Es bleibt abzuwarten, ob dies der Ausgangspunkt für eine positive und dynamische Marktentwicklung sein wird.

Die EU muss nicht nur weiterhin auf die strategische Dimension ihrer energiepolitischen Beziehungen zu Drittländern, insbesondere zu Lieferländern, achten, sondern auch darauf, dass eine Marktstruktur geschaffen werden muss, in der Versorger und Investoren von einem offenen Markt und einem ungehinderten Energiefluss profitieren können. Dies erfordert Maßnahmen der Kommission, der Regierungen, der Regulierungsbehörden und der Netzbetreiber. Ein kritischer Faktor sind Verzögerungen bei den Verfahren zur Genehmigung von Investitionen. Diese gefährden heute die Versorgungssicherheit und die Entwicklung des Binnenmarktes beträchtlich.

D. FAZIT

Trotz einiger ermutigender Fortschritte, insbesondere bei der grenzüberschreitenden Koordinierung auf regionaler Ebene, zeigt die Gesamtprüfung der Entwicklung des Binnenmarktes für Elektrizität und Erdgas, dass noch beträchtliche Hemmnisse einem effizienten Funktionieren des Binnenmarktes entgegenstehen.

Ein zentraler Faktor ist die unzureichende Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften. Verbesserungen müssen von der Kommission, den Mitgliedstaaten, den Regulierern und der Industrie gemeinsam initiiert werden:

· Die nationalen Regulierungsbehörden müssen umfassendere Befugnisse erhalten, damit sie eine ordnungsgemäße Anwendung der Vorschriften durch die Wirtschaftsakteure sicherstellen können.

· Die Regulierer selbst müssen die Anwendung der Rechtsvorschriften auf eigene Initiative fördern. Eine grenzüberschreitende Vereinheitlichung der Modelle für vorbildliche Regulierungsverfahren ist erforderlich, wenn die konkreten Hindernisse für den grenzüberschreitenden Handel aus dem Weg geräumt werden sollen. Die Regionalinitiativen der ERGEG und ähnliche Projekte auf Regierungsebene sind positive Beiträge zu diesem Prozess.

· Die Industrie muss die Vorschriften ohne Abstriche einhalten. Die Anwendung von EU-Vorschriften ist nicht verhandelbar.

· Regulierte Energiepreise sind nach wie vor ein großes Problem.

Die Hauptschwierigkeiten in den verschiedenen Bereichen sind in jedem Fall dadurch gekennzeichnet, dass sie die Entstehung eines gut funktionierenden Binnenmarktes für Elektrizität und Erdgas in beträchtlichem Maße behindern und dies im Rahmen des bestehenden Rechtsrahmens nicht behoben werden kann. Die Kommission hat daher diese verbesserungswürdigen Punkte im Rahmen eines Legislativpakets behandelt, das sie am 19. September 2007 vorgelegt hat.

[1] Mit Ausnahme derer, für die eine Ausnahmeregelung galt.

[2] Technischer Anhang, Abschnitt 1.

[3] Technischer Anhang, Abschnitt 1.

[4] Gruppe der europäischen Regulierungsbehörden für Elektrizität und Erdgas, eingesetzt durch den Beschluss 2003/796/EG der Kommission vom 11. November 2003.

[5] Verordnung (EG) Nr. 1228/2003.

[6] Verordnung (EG) Nr. 1775/2005.

[7] Abrufbar unter www.ergeg.org.

[8] Regelung, wonach für FNB eine eingeschränkte Veröffentlichung möglich ist, wenn weniger als drei Transportkunden an demselben Punkt kontrahiert haben. Siehe Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1775/2005.

[9] Technischer Anhang, Abschnitt 5.

[10] www.ergeg.org.

[11] UK, NL, BE, FR, IE, DE, DK, SE, Nordirland, NO (Beobachter).

[12] AT, CZ, EL, HU, IT, PL, SK, SI.

[13] Eurostat, Daten jeweils vom 1. Januar.

[14] Bei der öffentlichen Konsultation der ERGEG über die Leitlinien für die funktionale Entflechtung wurde von ÜNB und FNB z. B. geäußert, dass die Netzmanager auch am Management der integrierten Unternehmen beteiligt sein müssten, und darüber hinaus, dass diese Manager Anreize erhalten müssten, die an den Erfolg des integrierten Unternehmens insgesamt zu koppeln wären. Siehe auf www.ergeg.org veröffentlichte Beiträge (Public Consultations – Energy – GGP Functional Unbundling).

[15] Technischer Anhang, Abschnitt 7.

[16] Technischer Anhang, Abschnitt 7.

[17] EUROBAROMETER, Prices and quality of services of general interest, September 2005, und Umfrage zur Verbraucherzufriedenheit:http://ec.europa.eu/consumers/cons_int/serv_gen/cons_satisf/consumer_service_finrep_en.pdf.

[18] EUROBAROMETER, Services of General Interest – Kapitel 1.4-1.5., Juli 2007.

[19] EUROBAROMETER, Services of General Interest – Kapitel 3.1, Juli 2007.

[20] ERGEG, Status review on end-user price regulation, 14.6.2007 (Ref.: E07-CPR-08-04), www.ergeg.org.

[21] Technischer Anhang, Abschnitt 8.

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