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Document 52007DC0059

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament zur Mitteilung zu Auslegungsfragen betreffend Abfall und Nebenprodukte

/* KOM/2007/0059 endg. */

52007DC0059

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT zur Mitteilung zu Auslegungsfragen betreffend Abfall und Nebenprodukte


[pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

Brüssel, den 21.2.2007

KOM(2007) 59 endgültig

MITTE ILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT

zur Mitteilung zu Auslegungsfragen betreffend Abfall und Nebenprodukte

INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung 3

2. Hintergrund 4

2.1. Zielsetzung 4

2.2. Kontext 4

3. Die Anwendung der Rechtsprechung des EuGH 6

3.1. Allgemeines zur Definition von Abfall 6

3.2. Ist der betreffende Stoff ein Produktionsrückstand oder ein Produkt? 6

3.3. Bedingungen, unter denen Produktionsrückstände nicht als Abfall anzusehen sind 7

3.4. Andere Kriterien des Gerichtshofs zur Unterscheidung von Abfällen und Nebenerzeugnissen 10

ANHANG 1 – Beispiele für Abfälle und Nicht-Abfälle 12

1. Schlacke und Staub aus der Eisen- und Stahlherstellung 12

2. Nebenerzeugnisse der Lebensmittel- und Getränkeindustrie - Tierfutter 12

3. Nebenerzeugnisse aus der Verbrennung – Gips aus der Rauchgasentschwefelung 13

4. Schlachtabfälle und ähnliche Materialien 13

ANHANG II – Entscheidungsbaum für die Einstufung eines Materials als Abfall oder Nebenerzeugnis 15

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT

zur Mitteilung zu Auslegungsfragen betreffend Abfall und Nebenprodukte

(Text von Bedeutung für den EWR)

EINLEITUNG

Die Definition des Begriffs „Abfall“ war in den letzten 30 Jahren beim Schutz der Umwelt in der EU vor den Auswirkungen von Abfallerzeugung und -bewirtschaftung ein entscheidender Faktor. Gegenstände oder Stoffe, die als „Abfall“ definiert sind, fallen unter die EU-Abfallvorschriften zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt. Die Definition von Abfall wird von den zuständigen Behörden gemäß der Richtlinie 2006/12/EG[1] (Abfall-Rahmenrichtlinie) je nach Einzelfall angewandt, wenn Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Abfalltransport oder der Erteilung von Genehmigungen getroffen werden müssen. In der Regel ist klar, was Abfall ist und was nicht. Im Zusammenhang mit der Auslegung dieser Definition sind jedoch einige Fragen aufgekommen.

Eine dieser Fragen betrifft die Unterscheidung zwischen Materialien, die nicht der Hauptzweck eines Produktionsprozesses sind, aber als Nebenerzeugnisse keine Abfälle darstellen, und solchen Materialien, die als Abfälle behandelt werden sollten. In Wirklichkeit geht es hier aber nicht um eine Unterscheidung zwischen zwei Optionen, sondern eher um eine große Bandbreite technischer Sachverhalte mit sehr unterschiedlichen Umweltrisiken und –auswirkungen und einer Reihe von Grauzonen. Zur Anwendung der Umweltvorschriften muss jedoch in jedem Einzelfall eindeutig zwischen diesen beiden Rechtslagen – Abfall oder Nicht-Abfall - unterschieden werden, und hierbei treten gelegentlich Schwierigkeiten auf.

Die vorliegende Mitteilung soll im Interesse der Rechtssicherheit, des besseren Verständnisses und der leichteren Anwendbarkeit der Abfallvorschriften den zuständigen Behörden Hinweise bei der Entscheidung geben, ob es sich im jeweiligen Einzelfall um Abfälle handelt oder nicht, und die Marktteilnehmer darüber informieren, wie diese Entscheidungen getroffen werden sollten. Außerdem soll diese Mitteilung dazu beitragen, die Auslegung dieser Bestimmungen in der EU zu vereinheitlichen.

Ziel der Mitteilung ist es, die Definition von Abfall gemäß Artikel 1 der Abfall-Rahmenrichtlinie in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs zu erläutern, um sicherzustellen, dass die Richtlinie ordnungsgemäß angewandt wird. In den EU-Abfallvorschriften haben Begriffe wie „Nebenerzeugnis“ oder „sekundärer Rohstoff“ keine rechtliche Bedeutung – entweder ein Material ist Abfall oder nicht. Nur für die Zwecke dieser Mitteilung[2] sollen zur Erläuterung neben der Richtlinien-Definition für Abfall folgende weitere Begriffsbestimmungen verwendet werden:

- Produkt – jede Material, das in einem Produktionsprozess absichtlich hergestellt wurde. In vielen Fällen lassen sich ein (oder mehrere) „Hauptprodukte" nennen, die als wichtigste Materialien des Produktionsprozesses entstehen.

- Produktionsrückstand – ein Material, das in einem Produktionsprozess nicht absichtlich hergestellt wurde, wobei es sich nicht unbedingt um Abfall handeln muss.

- Nebenerzeugnis – ein Produktionsrückstand, bei dem es sich nicht um Abfall handelt.

Wie bereits in der thematischen Strategie für Abfallvermeidung und -recycling angekündigt, soll im Jahr 2010 die Wirksamkeit der Leitlinien dieser Mitteilung im Rahmen der Überarbeitung der thematischen Strategie überprüft werden. Dabei soll auch geprüft werden, ob diese Leitlinien infolge der Rechtsprechung des EuGH ebenfalls überarbeitet werden müssen.

HINTERGRUND

Zielsetzung

Ziel dieser Mitteilung ist es, den Unterschied zwischen Abfall und Nicht-Abfall im Rahmen des Produktionsprozesses herauszuarbeiten. Sie betrifft nicht die sonstigen Abfallarten wie kommunale Abfälle oder ähnliche Abfallströme oder Verbrauchsrückstände. Die Mitteilung behandelt auch nicht die Frage, wann ein Produkt zu Abfall wird oder wann Abfall nicht mehr als solcher anzusehen ist. Ferner wird nicht auf Abfälle eingegangen, die aus dem Geltungsbereich der Abfall-Rahmenrichtlinie ausgeklammert sind.

Kontext

In Artikel 8 Buchstabe 2 Ziffer iv des Beschlusses 1600/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juli 2002[3] über das sechste Umweltaktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft wird die Klärung des Unterschieds zwischen Abfall und Nicht-Abfall gefordert. In der Mitteilung über die thematische Strategie für Abfallvermeidung und –recycling vom 27. Mai 2003[4] umreißt die Kommission den Sachstand in Bezug auf die Definition von Abfall, fordert eine breite, evidenzbasierte Diskussion über das Thema und bittet diejenigen Beteiligten, die über eine bessere Definition von Abfall verfügen, ihr diese mitzuteilen. Die Mehrzahl der daraufhin eingegangenen Beiträge sprechen sich allerdings für eine Beibehaltung der ursprünglichen Definition für Abfall aus, wobei jedoch die Klärung bestimmter Aspekte gefordert wird.

Angesichts dieser Übereinstimmung hat die Kommission in ihrer thematischen Strategie für Abfallvermeidung und –recycling vom 21. Dezember 2005[5] angekündigt, sie würde eine „Mitteilung veröffentlichen, welche Leitlinien auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und unter Berücksichtigung der durch Nebenprodukte in relevanten Industriesektoren aufgeworfenen Fragen enthält, wann Nebenprodukte als Abfälle anzusehen sind und wann nicht, damit für die Wirtschaftsbeteiligten und die zuständigen Behörden die Rechtslage geklärt ist“. Mit dem vorliegenden Dokument wird dieser Ankündigung entsprochen.

Warum sind Leitlinien erforderlich?

Angesichts des Wandels in der Rechtsprechung und des weitgehenden Fehlens von Rechtssicherheit wurde es in manchen Fällen für die zuständigen Behörden wie für die Wirtschaftsteilnehmer schwierig, die Definition von Abfall in diesem Bereich anzuwenden. Es liegen Belege dafür vor, dass die zuständigen Behörden in verschiedenen Mitgliedstaaten bei ähnlichen Sachverhalten unterschiedliche Einzelfallentscheidungen getroffen haben – und dies führt zur Ungleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer und zu einer Beeinträchtigung des Binnenmarkts. Eine zu weite Auslegung der Definition von Abfall führt bei den betroffenen Unternehmen zu unnötigen Kosten und kann die Attraktivität von Materialien reduzieren, die ansonsten dem Wirtschaftskreislauf wieder zugeführt würden. Eine zu enge Auslegung kann dagegen zu Umweltschäden führen und die Abfallvorschriften der Gemeinschaft und die diesbezüglichen EU-Normen aushöhlen.

Nach Auffassung der Kommission sind Leitlinien zur Schaffung von Rechtssicherheit geeigneter als die Aufnahme einer Definition des Begriffs „Nebenerzeugnisse“ in die Abfall-Rahmenrichtlinie. Insbesondere die Unterscheidung zwischen Abfall und Nebenerzeugnis, die davon abhängt, ob das betreffende Material zur Verwertung oder zur Beseitigung bestimmt ist oder ob er über einen konkreten wirtschaftlichen Wert verfügt, dürfte keine ausreichenden Garantien für den Schutz der Umwelt bieten. Andererseits könnte die einfache Übernahme bestimmter Wendungen des EuGH außerhalb ihres Kontexts dazu führen, dass weitere Rechtsunsicherheit geschaffen wird. Andere denkbare Lösungen wie z. B. die Aufstellung von Listen sind in der Anwendung und Durchsetzung kaum praktikabel. Im Rahmen der vom EuGH festgelegten rechtsverbindlichen Kriterien bilden Leitlinien dagegen ein flexibles Instrument, das sich an neue Erkenntnisse und Technologien anpassen lässt.

Der industrielle Rahmen

Bei Industrieprozessen entsteht eine Vielzahl unterschiedlicher Materialien, die von dieser Mitteilung erfasst sein könnten. Betriebswirtschaftlich gesehen ließen sie sich als Nebenerzeugnisse, Beiprodukte, Zwischenerzeugnisse, Nicht-Kernprodukte oder Unterprodukte bezeichnen. Keiner dieser Begriffe ist allerdings im EU-Umweltrecht von Bedeutung, Produkte und Nebenerzeugnisse haben denselben Status: Ein Material ist entweder Abfall oder Nicht-Abfall.

Industrielle Herstellungsprozesse sind oft komplex und können mehrere unterschiedliche Materialien von unterschiedlichem wirtschaftlichen Wert, unterschiedlichen Umweltauswirkungen und unterschiedlichem Abfall- bzw. Nicht-Abfall-Status erzeugen. Außerdem hat es je nach Wirtschaftszweig unterschiedliche Auswirkungen, ob es sich um Abfall handelt oder nicht. In einigen Branchen werden Materialien, die als Abfall eingestuft sind, verkauft und zwischen Unternehmen im gesamten Binnenmarkt frei gehandelt, in anderen Sektoren, wie etwa der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie, ist die klare Unterscheidung zwischen Abfall und Produkt für die wirtschaftliche Verwertung des betreffenden Materials entscheidend. Der ständige Wandel der technischen Rahmenbedingungen führt zu raschen Veränderungen bei den Technologien, die für die Herstellung und die Abfallbehandlung zur Verfügung stehen.

Umweltsituation

Es liegt auf der Hand, dass sowohl Produkte als auch Abfälle toxische Stoffe enthalten können, die bei unsachgemäßer Handhabung oder nachlässiger Kontrolle eine Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen. Außerdem weisen die Abfälle aus Industrie und Bergbau häufig Merkmale auf, aufgrund derer von diesen Abfällen im Vergleich zu den Produkten eine besondere Gefahr für die Umwelt ausgeht. Dies hängt damit zusammen, dass die Zusammensetzung von Produkten in der Regel genau festgelegt ist und kontrolliert wird, während die Zusammensetzung der Abfälle möglicherweise weniger eindeutig ist.

Aus Umweltsicht ist es deshalb außerordentlich wichtig, dass Materialien ordnungsgemäß als Abfälle oder Nicht-Abfälle eingestuft werden. Abfallvorschriften schützen die Umwelt in vielfacher Hinsicht vor den Auswirkungen industrieller Abfälle, insbesondere mit Hilfe von Genehmigungs- und Transportverfahren und spezielle Normen für die Abfallverbrennung. Handelt es sich bei einem Material nicht um Abfall, so bedeutet dies nicht, dass er vom System des EU-Umweltschutzes überhaupt nicht erfasst wird. Mit produktspezifischen Vorschriften und andere Bestimmungen, etwa der REACH-Verordnung, sollen Mensch und Umwelt vor den möglichen Umweltauswirkungen von Produkten und anderen Nicht-Abfällen geschützt werden.

DIE ANWENDUNG DER RECHTSPRECHUNG DES EUGH

Allgemeines zur Definition von Abfall

Der EuGH hat stets erklärt, dass die Definition von Abfall weit ausgelegt werden muss, um den Zielsetzungen der Richtlinie 2006/12/EG und des Artikels 174 Absatz 2 EG-Vertrag, dem zufolge die Umweltpolitik der Gemeinschaft auf ein hohes Schutzniveau abzielt, zu entsprechen. Die Definition von Abfall in der Richtlinie 2006/12/EG nimmt Bezug auf deren Anhang 1 und auf das europäische Abfallverzeichnis in der Entscheidung 2000/532/EG[6] der Kommission. Da aber beide Texte eher Hinweischarakter haben, stützt sich die Definition von „Abfall“ im Wesentlichen auf den Begriff der „Entledigung“.

Der Gerichtshof hat mehrmals betont, dass die Frage, ob es sich bei einem Material um Abfall handelt oder nicht, anhand der jeweiligen Umstände zu beurteilen und diese Entscheidung von der zuständigen Behörde jeweils auf Einzelfallbasis zu treffen ist.

Allerdings ist ein Material auch dann, wenn er den Prüfungskriterien des EuGH (und den in Abschnitt 3.3 genannten Bedingungen) zur Einstufung als Nicht-Abfall entspricht, in der Praxis, wenn man sich seiner entledigt, als Abfall anzusehen und so zu behandeln.

Ist der betreffende Stoff ein Produktionsrückstand oder ein Produkt?

Nach Feststellung des EuGH in der Rechtssache Palin Granit Oy[7] handelt es sich bei einem Produktionsrückstand um ein mit dem Herstellungsverfahren nicht unmittelbar angestrebtes Ergebnis. Handelt es sich bei der Erzeugung eines Materials um „das Ergebnis einer technischen Entscheidung“ (zur absichtlichen Herstellung eines solchen Materials), so kann dieser dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Saett[8] zufolge nicht als Produktionsrückstand angesehen werden.

Deshalb sollte bei der Beurteilung, ob es sich um Abfall handelt oder nicht, zuerst immer gefragt werden, ob der Hersteller das betreffende Material absichtlich produziert hat.

Hatte der Hersteller die Möglichkeit, das Hauptprodukt herzustellen, ohne dass der betreffende Material anfällt, zwar gehabt, aber bewusst nicht in Anspruch genommen, so ist dies ein Anhaltspunkt dafür, dass es sich bei dem betreffenden Material nicht um einen Produktionsrückstand handelt. Weitere Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Erzeugung des Materials um das Ergebnis einer technischen Entscheidung handelt, wären z. B. die Änderung des Produktionsprozesses, um dem betreffenden Material spezielle technische Merkmale zu verleihen.

Das Beispiel Petrolkoks In der Rechtssache Saetti und Frediani sollte sich der EuGH dazu äußern, ob Petrolkoks, ein Material auf Kohlenstoffbasis, der bei der Erdöl-Raffination entsteht, Abfall ist oder nicht. Nach Auffassung des Gerichts ist Petrolkoks nicht als Produktionsrückstand einzustufen, da die Erzeugung von Koks das Ergebnis einer technischen Entscheidung ist, die die Verwendung eines bestimmten Brennstoffs anstrebt. Selbst wenn der fragliche Petrolkoks, wie eine gegnerische Partei der Beschuldigten im Ausgangsverfahren vorträgt, automatisches Ergebnis eines Verfahrens wäre, das gleichzeitig andere Erdölderivate erzeugen würde, um die es der Leitung der Raffinerie in erster Linie ginge, sei davon auszugehen, dass der Petrolkoks ebenfalls ein als solches hergestelltes Erdölerzeugnis und kein Produktionsrückstand sei. |

Bedingungen, unter denen Produktionsrückstände nicht als Abfall anzusehen sind

Nach Feststellung des Gerichtshofs handelt es sich bei einem Material selbst dann nicht unbedingt um Abfall, wenn er als Produktionsrückstand anzusehen ist. Weist ein Material Merkmale auf, aufgrund deren er sich für wirtschaftliche Wiederverwendung eignet, so deutet dies darauf hin, dass er nicht als Abfall angesehen werden sollte.

In der neueren Rechtsprechung ( Palin Granit Oy und nachfolgende Rechtssachen) hat der EuGH drei Kriterien aufgestellt, die ein Produktionsrückstand erfüllen muss, um als Nebenerzeugnis eingestuft zu werden: Wenn die spätere Verwendung eines Materials mit Gewissheit erfolgt und nicht nur eine Möglichkeit ist, vor seiner Weiterverwendung keine weitere Bearbeitung erforderlich ist und er im Rahmen eines kontinuierlichen Produktionsprozesses entsteht, so handelt es sich nach Auffassung des Gerichts bei diesem Material nicht um Abfall. Diese Kriterien sind kumulativ, d. h. es müssen alle drei Kriterien erfüllt sein. Außerdem muss nach der Rechtsprechung des EuGH die Verwendung, für die das Nebenerzeugnis bestimmt ist, rechtmäßig sein – das Nebenerzeugnis darf also kein Material sein, dessen sich der Hersteller entledigen muss oder dessen beabsichtigte Verwendung nach EU-Recht oder innerstaatlichem Recht verboten ist (vgl. Entscheidungsbaum in Anhang II).

Ist die Weiterverwendung des Materials gewiss oder nur möglich?

Besteht die Möglichkeit, dass das Material tatsächlich nicht verwendbar ist, nicht die notwendigen technischen Anforderungen für die Verwendbarkeit erfüllt oder keine Nachfrage nach dem Material besteht, so sollte er weiterhin als Abfall angesehen werden. Durch den Abfallcharakter wird die Umwelt vor den möglichen Folgen dieser Ungewissheit geschützt. Stellt sich danach heraus, dass die Abfälle tatsächlich eine sinnvolle Aufgabe erfüllen können, so verliert er seine Eigenschaft als Abfall, wenn er wieder als Rohstoff verwendbar gemacht worden ist (vgl. Mayer Parry[9] ).

In einigen Fällen lässt sich ein bestimmter Teil des Materials verwenden, während der Rest beseitigt werden muss. Kann im Rahmen von Einzelfallentscheidungen der zuständigen Behörde die Gewissheit der Verwendung nicht für die Gesamtheit des Materials garantiert werden, sollte er zunächst als Abfall eingestuft werden. Dagegen ist das Vorliegen langfristiger Verträge zwischen dem Besitzer und den späteren Verwendern des Materials als Anhaltspunkt dafür zu werten, dass das Material, das Gegenstand des Vertrags ist, verwendet wird, dass also Gewissheit über die Verwendung besteht.

Ebenso ist ein Material dann als Abfall einzustufen, wenn er für unbestimmte Zeit bis zu einer möglichen Verwendung gelagert wird (ohne dass über die Verwendung Gewissheit besteht) ( Palin Granit Oj ).

Die Verwendung bringt dem Besitzer des Abfalls einen finanziellen Vorteil

Kann ein Hersteller das betreffende Material mit Gewinn verkaufen, so ist eher davon auszugehen, dass das Material mit Gewissheit verwendet wird (Palin Granit). Dies ist allerdings keine hinreichende Bedingung, wie sich aus früheren Urteilen ergibt, die bestätigen, dass Abfälle einen wirtschaftlichen Wert haben können ( Vessoso and Zanetti[10], Tombesi[11] ). Nach Auffassung der Kommission sind bei diesen Kriterien auch die Kosten der Abfallbehandlung zu berücksichtigen, denn es besteht die Gefahr, dass ein symbolischer Preis geboten wird, damit das Material als Nicht-Abfall eingestuft wird und dann außerhalb der ordnungsgemäßen Abfallbehandlungsanlagen behandelt werden kann. Dagegen ist ein hoher Preis, der dem Marktpreis für das Material entspricht oder ihn übersteigt, ein Anhaltspunkt dafür, dass es sich nicht um Abfall handelt.

Das Beispiel „spanischer Dung“

In den verbundenen Rechtssachen C-416/02 und C-121/03 (Kommission gegen Spanien) vertrat der Gerichtshof der Auffassung, bei Dung könne eine Einstufung als Abfall ausscheiden, wenn er im Rahmen einer rechtmäßigen Ausbringungspraxis auf genau bestimmten Geländen als Dünger für Böden verwendet werde (unabhängig davon, ob sich diese Gelände innerhalb oder außerhalb des landwirtschaftlichen Betriebs befinden, der denn Dung erzeugt hat) und nur für die Erfordernisse dieser Ausbringungen gelagert wird.

Lässt sich das Material ohne weitere Bearbeitung wiederverwenden?

In einigen Fällen lässt sich dieses Kriterium nur schwer anwenden. Häufig sind in der Verwertungskette eines Nebenprodukts eine Reihe von Verfahrensschritten erforderlich, damit dieses Material weiterverwendet werden kann: Das Material wird erzeugt, danach gegebenenfalls gereinigt, getrocknet, raffiniert oder homogenisiert, es sind Merkmale oder sonstige Stoffe für die weitere Verwendung zuzufügen, die Qualität wird kontrolliert usw. Einige Aufgaben lassen sich an der Produktionsstätte des Herstellers durchführen, einige im Betrieb des späteren Verwenders und einige durch zwischengeschaltete Stellen. Sind diese Verfahrensschritte integraler Bestandteil des Produktionsprozesses (vgl. nachstehender Abschnitt), so lässt sich das Material dennoch als Nebenerzeugnis ansehen.

Nach Auffassung des EuGH ist davon auszugehen, dass ein Material, der vor seiner späteren Verwendung einer vorherigen Bearbeitung unterzogen werden muss, bis zum Abschluss dieses Prozesses als Abfall anzusehen ist, auch wenn über die spätere Verwendung Gewissheit besteht (Rechtssache Avesta Polarit[12] ).

Entstehung im Rahmen eines kontinuierlichen Produktionsprozesses?

Wird das Material dagegen als integraler Bestandteil eines kontinuierlichen Produktionsprozesses für die spätere Verwendung aufbereitet und dann tatsächlich einer solchen Verwendung zugeführt, so handelt es sich den Kriterien des EuGH zufolge um ein Nebenerzeugnis.

In diesem Fall muss die zuständige Behörde entscheiden, ob die im obigen Abschnitt genannten Schritte integraler Bestandteil des kontinuierlichen Produktionsprozesses Gewinnungsverfahrens sind. Dabei muss sie nach Auffassung der Kommission alle Sachverhalte berücksichtigen, also Eignung des Materials für die spätere Verwendung, Art und Umfang der Verfahrenschritte, die nötig sind, um das Material für die spätere Verwendung aufzubereiten, Einbeziehung dieser Schritte in den Hauptproduktionsprozess und die Frage, ob alle diese Verfahrensschritte von einer anderen Person als dem Hersteller durchgeführt werden; alle diese Erwägungen können von Bedeutung sein. Auch die BREF-Dokumente könnten bei der Entscheidung, ob es sich bei den Schritten um einen integralen Bestandteil des laufenden Produktionsprozesses handelt, von den zuständigen Behörden als Anhaltspunkt herangezogen werden. Hierbei ist zu beachten, dass das Gericht in den Rechtssachen Palin Granit Oj, Niselli[13] und Spanischer Dung den Begriff „Produktionsprozess“ eher eng ausgelegt hat.

Wird das Material zur weiteren Bearbeitung zu einem anderen Ort verbracht, so ist dies ein Anhaltspunkt dafür, dass diese Verfahrensschritte keine Fortsetzung des Gewinnungsverfahrens mehr darstellen. Mit der zunehmenden Spezialisierung der industriellen Verfahren lässt sich dies allerdings nicht mehr als entscheidender Anhaltspunkt verwenden. Bei der Aufbereitung des Materials für die spätere Verwendung durch die unter Abschnitt 3.3.2 beschriebenen Schritte können auch die späteren Verwender und zwischengeschaltete Unternehmen mitwirken.

Wird das Material im Rahmen der Haupttätigkeit des Herstellers benötigt, so ist dies ein Anhaltspunkt dafür, dass es sich nicht um Abfall handelt.

Das Beispiel Bruchgestein

In den Rechtssachen Avesta Polarit und Palin Granit musste der Gerichtshof darüber entscheiden, unter welchen Bedingungen Bruchgestein aus dem Bergbau oder Steinbrüchen als Abfall anzusehen sind. Nach dem Urteil des Gerichtshofs gilt Gestein dann als Abfall, wenn es vor einer möglichen späteren Verwendung oder einer späteren obligatorischen Abfallbehandlung gelagert wird. Werden bestimmte Rückstände, die sich kennzeichnen lassen, vor einer möglichen, aber nicht gewissen, Wiederverwendung ohne weitere Bearbeitung gelagert, um Grubenstollen zwecks Stützung aufzufüllen, wie für die Haupttätigkeit des Bergbaus (Erzgewinnung) erforderlich, so sind sie nicht als Abfall einzustufen.

Andere Kriterien des Gerichtshofs zur Unterscheidung von Abfällen und Nebenerzeugnissen

In der Rechtssache Arco Chemie[14] und in anderen ähnlichen Urteilen nennt der EuGH eine ganze Reihe von Kriterien als Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei einem Material um Abfall handelt. Keines dieser Kriterien ist notwendigerweise hinreichend, aber einige können unter bestimmten Umständen hilfreich sein.

Es kommt nur die Beseitigung infrage oder die Verwendung hat erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt bzw. erfordert besondere Schutzmaßnahmen

Gibt es für ein bestimmtes Material – nach Feststellung des EuGH – keinen möglichen Verwendungszweck, und muss er daher beseitigt werden, so dürfte er normalerweise vom Zeitpunkt der Herstellung an als Abfall anzusehen sein. In einigen Fällen ist die spätere Verwendung dieses Materials verboten, oder er muss nach einem vorgeschriebenen Verfahren beseitigt oder als Abfall verwertet werden. Dies kann aus Gründen des Umweltschutzes, der Sicherheit oder der Gesundheit der Bevölkerung erfolgen. Ein Beispiel für eine EU-Rechtsvorschrift, die die Beseitigung eines Materials oder dessen Behandlung als Abfall vorschreibt, ist die Richtlinie EG/96/59 über PCB/PCT[15]. Ebenso sollte ein Material, der nicht den Normen der einschlägigen Produktvorschriften für seine möglichen Verwendungszwecke entspricht, so lange als Abfall behandelt werden, bis er diese Normen erfüllt.

Komplexer ist die Frage, inwieweit von einem bestimmten Material die Gefahr einer Umweltschädigung ausgeht, und inwieweit bei dessen Verwendung besondere Umweltschutzmaßnahmen getroffen werden müssen. Eine Reihe von Haupterzeugnissen kann ebenfalls sehr umweltschädigend sein und muss deshalb vorsichtig gehandhabt werden. Hat jedoch nach der Auslegung der Definition durch den EuGH ein Nebenerzeugnis größere Umweltauswirkungen als ein anderes Material oder ein anderes Produkt, das er ersetzt, so kann sich dies in den Fällen, in denen ein Vergleich möglich und notwendig ist, auf die Entscheidung über die Abgrenzung von Abfall und Nicht-Abfall auswirken.

Die umgekehrte Situation, d. h. das Fehlen einer eindeutigen Gefahr für die Umwelt, ist kein Beweis dafür, dass es sich bei einem Material nicht um Abfall handelt. So vertrat der EuGH in der Rechtssache Palin Granit die Auffassung, auch der Umstand, dass dasss Material für die menschliche Gesundheit und die Umwelt nicht wirklich gefährlich sei, sei kein maßgebliches Kriterium für seine Einstufung als Abfall. Dies ist logisch – inerte Industrieabfälle, die an einem ungeeigneten Ort gelagert werden, bilden keine Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt. Sie sind aber mit Sicherheit störend und sollten in die Definition von Abfall einbezogen werden. Dementsprechend ist die Tatsache, dass sich ein Material auf eine umwelthygienisch vertretbare Weise und ohne eingehende Bearbeitung als Brennstoff verwerten lässt, nicht gleichbedeutend damit, dass es sich bei dem Stoff nicht um Abfall handelt ( Rechtssache Arco Chemie). Der Begriff „Abfall“ wurde definiert, um sicherzustellen, dass Abfälle tatsächlich dieser umwelthygienisch vertretbaren Bearbeitung unterzogen werden.

In derselben Rechtssache stellte der EuGH fest, dass die Einstufung eines Materials als Abfall weder von seinem Lagerort noch von seiner Zusammensetzung abhängig ist. So können in einigen Fällen, etwa dem Marmorabbau, die Produktionsrückstände wie etwa Schnittabfälle genau dieselbe Zusammensetzung aufweisen wie das Hauptprodukt. Will der Besitzer sich ihrer entledigen, so sind sie jedoch als Abfall anzusehen.

Bei dem Verfahren zur Bearbeitung des Materials handelt es sich um ein Standard-Abfallbearbeitungsverfahren

In einigen Fällen gibt die Bestimmung des Materials wichtige Hinweise auf dessen Status. Allerdings kann nach Auffassung des EuGH die Frage, ob es sich um Abfall handelt, nicht abschließend damit beantwortet werden, ob das Verfahren, dem das Material unterzogen wird, ein in den Anhängen IIA oder IIB aufgeführtes Abfallbearbeitungsverfahren ist (Niselli). Dies leuchtet ein, da mehrere in dem Anhang aufgeführte Bearbeitungs- oder Beseitigungsverfahren sich ebenso gut auf ein Produkt anwenden lassen und umgekehrt. Insbesondere gibt es keine Möglichkeit zu unterscheiden, ob ein Brennstoff als Produkt oder ob Abfall im Rahmen eines Behandlungsverfahrens verbrannt wird.

Der Betrieb erachtet das Material als Abfall

In der Rechtssache Arco Chemie hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Wahrnehmung des Materials als Abfall als Anhaltspunkt dafür dienen könnte, ob es sich um Abfall handelt. Nach Auffassung der Kommission könnte dieses Kriterium jedoch einem nachlässigen Umgang mit den Abfallvorschriften Vorschub leisten, da er Betriebe begünstigt, die sich ihrer Rechtsverpflichtungen nicht bewusst sind oder sich der Einhaltung dieser Verpflichtungen zu entziehen versuchen. Da dieser Begriff zudem äußerst subjektiv ist, könnte es dazu kommen, dass der Begriff „Abfall“ von Land zu Land unterschiedlich angewandt wird.

Der Betrieb versucht, die Menge des anfallenden Materials zu begrenzen

Nach Auffassung des EuGH in der Rechtssache Palin Granit ist die Tatsache, dass ein Betrieb bestrebt ist, die Menge des anfallenden Materials zu begrenzen, als Anhaltspunkt für dessen Abfalleigenschaft zu werten. Dies ist allerdings keine hinreichende Bedingung, denn dieses Bestreben kann auch auf Kosten-, Preis- oder Nachfrageerwägungen zurückzuführen sein. Außerdem könnte die strenge Anwendung dieses Kriteriums Unternehmen in bestimmten Fällen davon abhalten, Maßnahmen zur Abfallvermeidung zu treffen.

ANHANG 1 – Beispiele für Abfälle und Nicht-Abfälle

Zur Veranschaulichung sind nachstehend einige Beispiele aufgeführt, in denen Materialien als Abfälle oder Nicht-Abfälle eingestuft werden können. Sie stammen aus unterschiedlichen Bereichen, die Aufzählung ist aber nicht als endgültig oder umfassend anzusehen. Es könnten auch viele andere Beispiele genannt werden, und selbst die hier aufgeführten Beispiele werden unter bestimmten Bedingungen an verschiedenen Orten in der EU unterschiedlich gehandhabt, insbesondere wenn keine Gewissheit über die Verwendung eines bestimmten Nebenerzeugnisses besteht oder aber in einer Region oder einem Mitgliedstaat ein bestimmtes Material mit Gewissheit verwendet wird, in den meisten anderen Gebieten der EU aber nicht.

SCHLACKE UND STAUB AUS DER EISEN- UND STAHLHERSTELLUNG

Bei der Eisenherstellung fällt gleichzeitig auch Hochofenschlacke an. Der Produktionsprozess von Eisen ist darauf ausgerichtet, der Schlacke die erforderlichen technischen Merkmale zu verleihen. Zu Beginn des Produktionsprozesses wird entschieden, welche Art von Schlacke anfallen soll. Außerdem besteht bei einer bestimmten Zahl genau festgelegter Endverwendungszwecke Gewissheit über die Verwendung, und die Nachfrage ist hoch. Hochofenschlacke kann direkt nach Abschluss des Produktionsprozesses verwendet werden, ohne dass eine weitere Bearbeitung, die nicht integraler Bestandteil des Produktionsprozesses ist (wie z. B. das Zerstoßen zur Erzielung der geeigneten Korngröße), notwendig wird. Dieses Material fällt also nicht unter die Definition von Abfall.

Dagegen entsteht Entschwefelungsschlacke durch die Notwendigkeit, dem Eisen den Schwefel zu entziehen, bevor es zu Stahl verarbeitet wird. Die dabei anfallende Schlacke hat einen hohen Schwefelgehalt, kann im Metallkreislauf weder verwendet noch verwertet werden und wird deshalb in der Regel auf Deponien entsorgt. Ein anderes Beispiel ist Staub, der bei der Reinigung der Anlage im Rahmen der Stahlherstellung anfällt. Dieser wird in Filtern beim Absaugen der Luft gewonnen. Die Filter können gereinigt und der Metallgehalt in einem Verwertungsvorgang wieder dem Wirtschaftskreislauf zugeführt werden. Beide Produktionsrückstände sind also aus der Sicht der Produktion Abfälle, wobei jedoch die Eisenbestandteile, die von den Filtern wiedergewonnen werden, nach ihrer Verwertung nicht mehr als Abfälle anzusehen sind.

NEBENERZEUGNISSE DER LEBENSMITTEL- UND GETRÄNKEINDUSTRIE - TIERFUTTER

Ein wichtiger Verwendungsbereich für Nebenerzeugnisse der Lebensmittel- und Getränkeindustrie ist Tierfutter. In vielen Sektoren (z. B. Zucker-, Stärke und Malzherstellung, Ölmühlen) fallen beim Produktionsprozess Materialien an, die entweder von den Landwirten direkt verfüttert oder in der Futtermittelindustrie zu Tierfutter verarbeitet werden. Zwar sind nicht alle für Futterzwecke bestimmten Produktionsrückstände automatisch Nicht-Abfälle[16], aber die oben genannten Materialien werden absichtlich in angepassten Produktionsprozessen hergestellt, oder sie werden nicht absichtlich hergestellt, entsprechen aber den kumulativen Kriterien des EuGH, weil Gewissheit über ihre weitere Verwendung in Tierfutter besteht und keine weitere Bearbeitung außerhalb des Herstellungsprozesses des HauptMaterials erforderlich ist. Außerdem unterliegen Futtermittel den Rechtsvorschriften wie z. B. der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 zum Lebensmittelrecht[17] und der Richtlinie 96/25/EG über den Verkehr mit Futtermittel-Ausgangserzeugnissen[18]. In beiden Fällen entsprechen die Materialien also nicht der Definition von Abfall.

NEBENERZEUGNISSE AUS DER VERBRENNUNG – GIPS AUS DER RAUCHGASENTSCHWEFELUNG

In Rauchgasentschwefelungsanlagen wird der Schwefel aus dem Rauchgas entfernt, das entsteht, wenn schwefelhaltige fossile Brennstoffe in Kraftwerken verfeuert werden; hierdurch soll verhindert werden, dass diese Emissionen zur Luftverschmutzung und zur Entstehung von saurem Regen beitragen. Das dabei entstehende Material, Rauchgasentschwefelungsanlagen (REA)-Gips, eignet sich für einige Zwecke, für die auch natürlicher Gips eingesetzt wird, wie z. B. die Herstellung von Bauplatten. Das Verfahren wird im Hinblick auf die Erzeugung von REA-Gips mit den erforderlichen Merkmalen abgeändert und gesteuert. Außerdem besteht Gewissheit über die Verwendung des Materials, ohne dass vor der Wiederverwendung eine weitere Bearbeitung im Rahmen eines integrierten Produktionsprozesses notwendig wird.

Eine Reihe anderer Nebenerzeugnisse aus der Kohleverbrennung lässt sich ebenfalls mit wenig oder ohne Weiterbearbeitung weiterverwenden. Einige Nebenerzeugnisse, wie z.B. Lignit-Flugasche, werden aber in der Praxis zumeist auf Deponien entsorgt. Da also über deren gemeinschaftsweite Verwendung keine Gewissheit besteht, erfüllen sie nicht flächendeckend die EuGH-Kriterien und sind somit als Abfälle einzustufen, obwohl sie in bestimmten, örtlich begrenzten Fällen genutzt werden (und damit Gewissheit über deren Verwendung besteht).

SCHLACHTABFÄLLE UND ÄHNLICHE MATERIALIEN

In Sägewerken und bei der Weiterbearbeitung wie z. B. der Herstellung von Möbeln, Pellets oder Verpackungen entstehen neben dem Haupterzeugnis Schnittholz Sägemehl, Holzspäne und Schnittabfälle von unbehandeltem Holz. Diese Stoffe werden als Rohmaterial für die Herstellung von Platten aus Holzwerkstoffen wie z. B. Spanplatten oder für die Papierherstellung verwendet. Hier besteht Gewissheit über die Verwendung, sie ist integraler Bestandteil des Produktionsprozesses und es ist – außer der Anpassung an die geeignete Größe zur Einarbeitung in das Endprodukt - keine weitere Bearbeitung erforderlich.

Generell können überschüssige Materialien aus einem Hauptproduktionsprozess oder Materialien, die nur äußerliche Mängel aufweisen, aber stofflich dem Haupterzeugnis ähnlich sind, wie z. B. Gummi- oder Vulkanisatmischungen, Korkspäne und –stücke, Kunststoffausschüsse oder ähnliche Materialien als Nebenerzeugnisse angesehen werden. Hierfür müssen sie entweder im Hauptproduktionsprozess oder in anderen integrierten Produktionsverfahren, bei denen über die Wiederverwendung ebenfalls Gewissheit besteht, wiederverwendet werden. Bei solchen Materialien ist ebenfalls davon auszugehen, dass sie nicht der Definition von Abfall entsprechen.

Ist bei solchen Materialien zu deren Wiedergewinnung ein vollständiges Verwertungsverfahren notwendig oder enthalten sie Verunreinigungen, die vor der späteren Verwendung oder Verarbeitung entfernt werden müssen, so wäre dies ein Anhaltspunkt dafür, dass es sich bei ihnen um Abfälle handelt, bis das Verwertungsverfahren abgeschlossen ist.

ANHANG II – Entscheidungsbaum für die Einstufung eines Materials als Abfall oder Nebenerzeugnis

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[1] ABl. L 114 vom 27.4.2006, S. 9-21.

[2] Diese Definitionen sind keine rechtsverbindliche Auslegung der Europäischen Kommission und sind nicht dazu bestimmt, außerhalb des Kontexts dieser Mitteilung verwendet zu werden.

[3] ABl. L 242 vom 10.9.2002, S. 1.

[4] KOM(2003)301 endgültig.

[5] KOM(2005)666 endgültig.

[6] Zuletzt geändert durch die die Entscheidung 2001/573/EG des Rates, ABl. L 203 vom 28.7.2001, S. 18.

[7] Rechtssache C-9/00 Palin Granit Oy (2002) Slg. I-3533.

[8] Rechtssache C-235/02, Saetti, Beschluss vom 15. Januar 2004.

[9] Rechtssache C-444/00 Mayer Parry (2003), Slg. I-6163.

[10] Rechtssachen C-206/88 und 207/88, Vessoso and Zanetti (1990), Slg. 1461.

[11] Verbundene Rechtssachen C-304/94, C-330/94, C-342/94 und C-224/95 Tombesi (1997), Slg. I-3561.

[12] Rechtssache C-114/01 Avesta Polarit Chrome Oy, Urteil vom 11. September 2003.

[13] Rechtssache C-457/02, Niselli , Beschluss vom 11. November 2004.

[14] Verbundene Rechtssachen C-418/97 und C-419/97 ARCO Chemie (2000), Slg. I-4475.

[15] ABl. L 243 vom 24.9.1996, S. 31-35.

[16] (Entsprechend dem Standpunkt der Kommission vor dem EuGH in der anhängigen Rechtssache , C-195/05 K ommission gegen Italien - das Vorliegen festgelegter technischer Merkmale und der Gewissheit der Wiederverwendung reicht allein nicht aus – es müssen die drei kumulativen Kriterien des EuGH angewandt werden.)

[17] ABl. L 100 vom 8.4.2006, S. 3.

[18] ABl. L 123 vom 23.5.1996, S. 35-58.

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