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Document 52006SC1341

    Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen - Anhang zum Grünbuch zur Effizienteren Vollstreckung von Urteilen in der Europäischen Union: Vorläufige Kontenpfändung {KOM(2006) 618 endgültig}

    /* SEK/2006/1341 */

    52006SC1341

    Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen - Anhang zum Grünbuch zur Effizienteren Vollstreckung von Urteilen in der Europäischen Union: Vorläufige Kontenpfändung {KOM(2006) 618 endgültig} /* SEK/2006/1341 */


    [pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

    Brüssel, den 24.10.2006

    SEK(2006) 1341

    ARBEITSDOKUMENT DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN

    Anhang zum Grünbuch zur Effizienteren Vollstreckung von Urteilen in der Europäischen Union: Vorläufige Kontenpfändung {KOM(2006) 618 endgültig}

    INHALTSVERZEICHNIS

    1. Einführung 4

    1.1. Forderung nach einer Gemeinschaftsinitiative zum Vollstreckungsrecht 4

    1.2. Vorläufige Pfändung von Bankguthaben in Europa 5

    1.3. Bisherige Kommissionsinitiativen 6

    1.4. Handlungsbedarf auf Gemeinschaftsebene 7

    2. Lösungsvorschlag: Eine europäische Regelung für die vorläufige Pfändung von Bankguthaben 7

    2.1. EU-Verfahren oder Rechtsangleichung? 7

    2.2. Überlegungen allgemeiner Art 9

    2.2.1. Eilbedürftigkeit 9

    2.2.2. Schuldnerschutz 9

    2.3. Rechtsnatur der vorläufigen Kontenpfändung 10

    3. Verfahren zur Erwirkung eines Pfändungsbeschlusses 11

    3.1. Antragsvoraussetzungen 11

    3.2. Voraussetzungen für einen Pfändungsbeschluss 11

    3.2.1. Vorliegen eines Anspruchs 11

    3.2.2. Eilbedürftigkeit 12

    3.2.3. Anhörung des Schuldners 12

    3.2.4. Sicherheit 13

    3.3. Erforderliche Kontoangaben 14

    3.4. Zuständigkeitsfragen 15

    4. Pfändungsbetrag und Pfändungsgrenzen 16

    4.1. Höhe des zu sichernden Betrags 16

    4.2. Bankkosten 16

    4.3. Vorläufige Pfändung bei mehreren Konten, bei Gemeinschaftskonten und bei Treuhandkonten 17

    4.3.1. Pfändung mehrerer Konten 17

    4.3.2. Pfändung von Gemeinschaftskonten 18

    4.3.3. Pfändung von Treuhandkonten 18

    4.4. Pfändungsfreigrenze 19

    5. Wirkungen der vorläufigen Kontenpfändung 19

    5.1. Vollstreckung des Pfändungsbeschlusses 19

    5.1.1. Aufhebung des Exequaturs 19

    5.1.2. Zustellung des Pfändungsbeschlusses an die Bank 20

    5.1.3. Zustellungsverfahren 20

    5.1.4. Vollstreckungsfristen 22

    5.1.5. Angaben der Bank zu den Konten des Schuldners 23

    5.1.6. Wirkung des Pfändungsbeschlusses auf laufende Geschäfte 24

    5.2. Schuldnerschutz 25

    5.2.1. Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Schuldner 25

    5.2.2. Pflicht des Gläubigers zur Einleitung des Verfahrens in der Hauptsache 25

    5.2.3. Widerspruch gegen den Pfändungsbeschluss und Zuständigkeit 26

    5.2.4. Haftung des Gläubigers für durch den Pfändungsbeschluss verursachte Schäden 27

    5.3. Rangfolge der Gläubiger 28

    5.4. ‚Umwandlung’ einer Sicherungsmaßnahme in einen Vollstreckungstitel 29

    ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN

    Anhang zum Grünbuch „Effizientere Vollstreckung von Urteilen in der Europäischen Union: Vorläufige Kontenpfändung“

    Bei dieser Arbeitsunterlage handelt es sich um den Anhang zum Grünbuch „Effizientere Vollstreckung von Urteilen in der Europäischen Union: Vorläufige Kontenpfändung“. Dieser Anhang enthält zusätzliche Hintergrundinformationen zu den im Grünbuch angesprochenen Fragen und insbesondere zu der unterschiedlichen Art und Weise, wie die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten an diese Fragen herangehen.

    Einführung

    Forderung nach einer Gemeinschaftsinitiative zum Vollstreckungsrecht

    Im Vertrag von Amsterdam hat sich die Europäische Union selbst das Ziel gesetzt, schrittweise einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts aufzubauen. Im Bereich der Ziviljustiz sieht Artikel 65 EG-Vertrag unter anderem Maßnahmen zur Verbesserung und Vereinfachung der Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vor. Seit Inkrafttreten von Titel IV EG-Vertrag sind im Hinblick auf das Ziel, einen echten europäischen Rechtsraum zu schaffen, eine Reihe von Maßnahmen ergriffen worden[1]. Für das Grünbuch am wichtigsten ist die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen („Brüssel I“)[2].

    Entsprechend dieser Zielsetzung des EG-Vertrags forderte der Rat in seinem Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom Dezember 2000 unter anderem die „Einführung von Sicherungsmaßnahmen auf europäischer Ebene“, damit solche auf das Vermögen des Schuldners gerichteten Maßnahmen ihre Wirkung im gesamten Gebiet der Europäischen Union entfalten können[3]. Diese Möglichkeit würde es beispielsweise „einer Person, die in einem Mitgliedstaat eine Entscheidung gegen ihren Schuldner erwirkt hat, für den Fall, dass der Schuldner die Beitreibung der Forderung in Frage stellen würde, gestatten, die Sachen dieses Schuldners vorsorglich in einem anderen Mitgliedstaat sofort einfrieren zu lassen, ohne ein zusätzliches Verfahren anstrengen zu müssen“. Gleichzeitig sollten Maßnahmen zur – wie es dort heißt - „Verbesserung der Beschlagnahme von Bankguthaben, z. B. durch Einführung einer europaweiten Beschlagnahme von Bankguthaben“ ergriffen werden. Hierzu wird weiter ausgeführt: „Liegt eine für vollstreckbar erklärte Entscheidung in einem Herkunftsmitgliedstaat vor, so könnten in jedem anderen Mitgliedstaat ohne Exequatur automatisch die Bankguthaben des Schuldners zum Zwecke der Sicherung beschlagnahmt werden“.

    Der weiteren Umsetzung dieses Maßnahmenprogramms räumten die Staats- und Regierungschefs im Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union[4] vom Dezember 2004 erste Priorität ein. Sie wiesen darauf hin, dass die Effizienz der bestehenden Instrumente zur gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen u. a. durch Maßnahmen bei der Vollstreckung von Entscheidungen verstärkt werden sollte[5].

    Vorläufige Pfändung von Bankguthaben in Europa

    Die vorläufige Kontenpfändung ist in praktisch allen Mitgliedstaaten bekannt und kann, wenn sie effizient gehandhabt wird, eine wirkungsvolle Waffe gegen zahlungsunwillige Schuldner sein[6]. Schuldner können Guthaben heute jedoch quasi augenblicklich von Konten, die ihren Gläubigern bekannt sind, auf andere Konten im selben oder in einem anderen Mitgliedstaat transferieren, ohne dass ihre Gläubiger in der Lage wären, diese Transfers ebenso schnell zu unterbinden. Zwar gibt es heute in allen Mitgliedstaaten vorläufige Maßnahmen, mit denen die künftige Vollstreckung von Geldforderungen durch die Sperrung von Bankkonten gesichert werden kann, doch gewährleistet das geltende Recht nicht deren Anerkennung und Vollstreckung in der gesamten Europäischen Union.

    Nach der Verordnung Brüssel I muss der Gläubiger zunächst eine Vollstreckbarerklärung erwirken, bevor er einen Pfändungsbeschluss in einem anderen Mitgliedstaat vollstrecken lassen kann. Gemäß Artikel 43 Absatz 5 der Verordnung kann erst einen Monat nach Zustellung der Vollstreckbarerklärung an den Schuldner vollstreckt werden, so dass der Schuldner mehr als genügend Zeit hat, um der Vollstreckung zuvorzukommen und die Gelder auf ein anderes Konto zu transferieren. Der Rechtsprechung des EuGH zufolge[7] gewährleistet die Verordnung Brüssel I nicht die Anerkennung und Vollstreckung einer in einem einseitigen Verfahren erwirkten vorläufigen oder auf Sicherung gerichteten Maßnahme in einem anderen Mitgliedstaat, wenn sie dem Antragsgegner nicht zuvor zugestellt wurde. Eine vorläufige Maßnahme, die in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt werden soll, verliert somit jeden Überraschungseffekt.

    Mit den einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Brüssel I wird dieses Problem nur zum Teil gelöst. Nach Artikel 31 der Verordnung kann ein Gläubiger die im Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats vorgesehenen vorläufigen oder auf Sicherung gerichteten Maßnahmen auch dann beantragen, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache das Gericht eines anderen Mitgliedstaats aufgrund dieser Verordnung zuständig ist. Diese Möglichkeit besteht gemäß Artikel 47 insbesondere für einen Gläubiger, der auf die Anerkennung seines Urteils wartet. Diese Lösungen können jedoch nur bedingt in Anspruch genommen werden: Erstens erkennen nicht alle Mitgliedstaaten die Zuständigkeit des Gerichts am Vollstreckungsort für die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen an[8]. Zweitens könnte sich der Gläubiger aufgrund der Belegenheit des Schuldnervermögens gezwungen sehen, eine auf Sicherung gerichtete Maßnahme in einem Mitgliedstaat zu erwirken, der keinerlei Verbindung zu seinem Vertragsverhältnis mit dem Schuldner hat und der ihn mit Hindernissen verfahrensrechtlicher und sprachlicher Art konfrontiert, die er bei Vertragsschluss nicht bedacht hat. Drittens muss ein Gläubiger, der einen Pfändungsbeschluss für Konten in verschiedenen Mitgliedstaaten erwirken will, einen Antrag bei den dortigen Gerichten mit ihren verschiedenen verfahrensrechtlichen und sprachlichen Anforderungen stellen, was für ihn häufig zu aufwändig sein dürfte.

    Bisherige Kommissionsinitiativen

    Nach der Unterzeichnung des Vertrags von Amsterdam richtete die Kommission 1998 eine Mitteilung an den Rat und an das Europäische Parlament, in der sie mögliche Wege zu einer effizienteren Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in der Europäischen Union[9] aufzeigte. In dieser Mitteilung werden eine Reihe von Hindernissen beschrieben, die einer zügigen, effizienten Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in der EU entgegenstehen. Erhebliche Unterschiede bestehen aber nicht nur im Vollstreckungsrecht der Mitgliedstaaten, sondern auch in der Organisationsstruktur ihrer Vollstreckungsbehörden, was ein Tätigwerden der Gemeinschaft zusätzlich erschwert. Deshalb schlug die Kommission vor, sich zunächst auf die Probleme zu beschränken, die in der Praxis am häufigsten auftreten, und zwar auf die Pfändung von Bankguthaben[10].

    2002 gab die Kommission eine Studie in Auftrag, in der untersucht werden sollte, wie gerichtliche Entscheidungen innerhalb der Europäischen Union effizienter vollstreckt werden können (‚ Study on making more efficient the enforcement of judicial decisions within the European Union ’)[11]. Im April 2003 veranstaltete die Kommission parallel dazu eine erste Sitzung mit Regierungssachverständigen, in der erörtert wurde, wie das Verfahren für die Pfändung von Bankguthaben innerhalb der Europäischen Union verbessert werden kann. In dem Bericht über die Studie, die von Professor Burkhard Hess und einem Team von Wissenschaftlern im Dezember 2003 fertig gestellt wurde, wird die Rechtslage in den damals 15 Mitgliedstaaten untersucht. Dabei hat sich gezeigt, dass dieser Bereich sogar in Rechtssystemen, die ansonsten recht ähnlich sind, unterschiedlich geregelt ist[12]; diese Unterschiede können die Funktionsweise des Binnenmarkts in Bezug auf den freien Verkehr und die Vollstreckung von Mahnbescheiden beeinträchtigen. Es werden mehrere Maßnahmen vorgeschlagen, wie die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in der Europäischen Union erleichtert und die unbefriedigende Rechtslage verbessert werden kann. Empfohlen werden sowohl mehr Transparenz in Bezug auf das Schuldnervermögen als auch Verbesserungen bei der Kontenpfändung[13]. In Bezug auf die Kontenpfändung wird die Einführung eines europäischen Pfändungsbeschlusses für Bankguthaben sowie eines europäischen Sicherungsbeschlusses vorgeschlagen.

    Die Kommission hat die Arbeiten auf der Grundlage dieser Empfehlungen fortgeführt. Im Februar 2004 wurden die Ergebnisse und Schlussfolgerungen des Hess-Berichts auf einer weiteren Sachverständigensitzung erörtert. Nach Gesprächen mit den Regierungssachverständigen beschloss die Kommission, sich zunächst auf Sicherungsmaßnahmen zu konzentrieren, die die Kontenpfändung erleichtern sollen. Ein Grünbuch zur Transparenz des Schuldnervermögens wird Ende 2007 folgen.

    Handlungsbedarf auf Gemeinschaftsebene

    Dass die Vollstreckungsvorschriften der Verordnung Brüssel I und des Brüsseler Übereinkommens[14], das durch diese Verordnung ersetzt wurde, ergänzungsbedürftig sind, ist schon lange bekannt. Zu diesem Thema fanden bereits mehrere Konferenzen statt. Auf der im Juli 2000 vom französischen Justizministerium veranstalteten Konferenz[15] wurde die Einführung eines europäischen Kontenpfändungsverfahrens befürwortet. Wie unterschiedlich die Vollstreckungsverfahren in den Mitgliedstaaten sind, hat sich außer in der Studie von Professor Hess auch in Untersuchungen von Professor Wendy Kennet von der University of Keele (England) gezeigt[16].

    Unterschiede an sich müssen nicht unbedingt zu Problemen führen. Zwischen den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gibt es zahlreiche Unterschiede und Unstimmigkeiten, die aber für die Funktionsweise der Ziviljustiz in Europa oder für den Binnenmarkt relativ unbedeutend sind. Eine unterschiedliche Organisation der Justiz beispielsweise dürfte nicht weiter stören, wenn die Richter in den Mitgliedstaaten bei der Auslegung von Rechtsnormen und von EU-Recht einheitlich vorgehen und die Normen selbst einheitlich auslegen. Ist dies nicht der Fall, können immer noch die Gemeinschaftsgerichte angerufen werden, um eine einheitliche Rechtsauslegung zu erreichen. Mitunter ist allerdings schon das reine Vorhandensein einer unterschiedlichen Regelung so gravierend, dass eine Lösung auf europäischer Ebene geboten ist. Die rechtlichen Probleme, die im Hess-Bericht beim Gläubigerschutz aufgezeigt werden, bieten in dieser Hinsicht Anlass genug, über eine europäische Regelung nachzudenken[17].

    Wenn der Rechtsweg in den Mitgliedstaaten zu unterschiedlichen Ergebnissen führt, ganz abgesehen von den potenziellen – und vermutlich konkreten – Auswirkungen auf den Binnenmarkt, könnte ein einheitliches Vorgehen der Mitgliedstaaten bei der Kontenpfändung auch dazu beitragen, u. U. diskriminierende Rechtsfolgen zu vermeiden.

    Lösungsvorschlag: Eine europäische Regelung für die vorläufige Pfändung von Bankguthaben

    EU-Verfahren oder Rechtsangleichung?

    Die oben beschriebenen Probleme, die sich bei der Eintreibung von Forderungen innerhalb der EU stellen, ließen sich möglicherweise mit der Einführung einer europäischen Regelung für eine vorläufige Kontenpfändung lösen, mit der ein Gläubiger unter bestimmten Voraussetzungen die Zahlung eines ihm geschuldeten Geldbetrags in der Weise sicherstellen könnte, dass dem Schuldner die Verfügungsgewalt über Guthaben entzogen wird, das sich auf einem oder mehreren Bankkonten innerhalb der Europäischen Union befindet. Ein auf der Grundlage dieser Regelung ergangener Pfändungsbeschluss wäre eine auf Sicherung gerichtete Maßnahme, die von einem Gericht in einem summarischen Verfahren angeordnet und den Gläubiger lediglich dazu berechtigen würde, Guthaben zu sperren, nicht aber dessen Herausgabe zu veranlassen.

    Ob in diesem Bereich Regelungsbedarf besteht, wird eine Folgenabschätzung zeigen, in der untersucht wird, wie groß die Probleme sind, die sich bei der Eintreibung von Forderungen im EU-Ausland stellen, und wie effizient andere Lösungswege gegenüber einer europäischen Regelung sind. Eine Möglichkeit wäre natürlich auch die Beibehaltung des Status quo oder die Abschaffung des Exequaturverfahrens für Pfändungsbeschlüsse, ohne das Verfahren für den Erlass solcher Beschlüsse auf Gemeinschaftsebene zu harmonisieren. Mit den im Grünbuch und in dieser Arbeitsunterlage formulierten Vorschläge soll dem Ergebnis der Folgenabschätzung keinesfalls vorgegriffen werden.

    Es gibt zwei Möglichkeiten, um die Pfändung von Bankguthaben auf europäischer Ebene zu regeln: Eine Möglichkeit besteht darin, für EU-Bürger und Unternehmen ein neues, eigenständiges europäisches Verfahren einzuführen, das zusätzlich zu den bereits im einzelstaatlichen Recht vorhandenen Verfahren zur Kontenpfändung zur Verfügung stünde. Alternativ dazu könnten die mitgliedstaatlichen Vorschriften für die Pfändung von Bankguthaben im Wege einer EU-Richtlinie harmonisiert werden, mit der gewährleistet wäre, dass ein Pfändungsbeschluss EU-weit denselben Anforderungen genügen müsste. In diesem Fall müssten die unter 1.2 genannten Vorschriften der Verordnung Brüssel I über einstweilige Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen geändert werden, damit eine in einem Mitgliedstaat angeordnete vorläufige Kontenpfändung in allen anderen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt werden kann.

    Im Bereich der Ziviljustiz sind auf europäischer Ebene bisher sowohl Verordnungen als auch Richtlinien erlassen worden. So hat die Kommission beispielsweise vorgeschlagen, das europäische Mahnverfahren[18] und das Verfahren für geringfügige Forderungen[19] im Wege einer Verordnung, die Mediation in Zivil- und Handelssachen[20] und die Opferentschädigung[21] aber durch eine Richtlinie zu regeln.

    Ein eigenständiges europäisches Verfahren hätte den Vorteil, dass es die bestehenden einzelstaatlichen Verfahren ergänzt, ohne dass die Mitgliedstaaten ihr Vollstreckungsrecht grundlegend ändern müssten. In Anbetracht der erheblichen Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Vollstreckungssystemen wäre eine solche Lösung u. U. vorzuziehen. Kritische Stimmen wenden hiergegen ein, dass das von der Kommission befürwortete Nebeneinander von nationalen und europäischen Verfahren ein zu kompliziertes Rechtsschutzsystem schafft, das den Einzelnen ebenso wie Unternehmen eher davon abhält als dazu anhält, ihre Rechte geltend zu machen. Ein europäisches Verfahren, das nicht nur für die vorläufige Kontenpfändung in anderen Mitgliedstaaten, sondern auch im eigenen Land zur Verfügung stünde, würde sich hier als Lösung anbieten.

    Ein Vorschlag der Kommission zur Regelung der vorläufigen Pfändung von Bankguthaben müsste unabhängig von der Art des Rechtsakts auf folgende Aspekte eingehen, die weiter unten im Einzelnen dargelegt werden: das Verfahren zur Erwirkung eines Pfändungsbeschlusses (siehe 3.), Pfändungsbetrag und Pfändungsgrenzen (siehe 4.) sowie Wirkungen der Pfändung und Verfahrensgarantien für den Schuldner (siehe 5.). Bevor über das weitere Vorgehen entschieden werden kann, müssen eine Reihe von Überlegungen allgemeinerer Art angestellt werden.

    Überlegungen allgemeiner Art

    Eilbedürftigkeit

    Der Hauptgrund für eine vorläufige Kontenpfändung wäre Eilbedürftigkeit. Dieser Grund wird in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) anerkannt, deren Artikel 6 das Recht auf ein faires Verfahren festschreibt. Der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg hat diese Bestimmung dahin ausgelegt, dass sie sowohl für das Verfahren zur Erwirkung des Rechtsschutzes als auch für die Vollstreckung selbst gilt. Dies bedeutet, dass der Gläubiger nicht nur einen Anspruch auf Eintreibung seiner Forderung innerhalb einer angemessenen Frist geltend machen kann, sondern auch einen Anspruch auf effiziente Eintreibungs- und Pfändungsverfahren[22]. Ähnliche Garantien enthält Artikel 47 der Europäischen Grundrechtscharta.

    Die Schnelligkeit, mit der ein Pfändungsbeschluss erwirkt werden kann, spielt eine noch größere Rolle, seitdem moderne IKT-Technologie im Bankensektor Einzug gehalten hat und Geldüberweisungen auch außerhalb der Geschäftszeiten online möglich sind. In der Absicht, den Verbrauchern Zugang zu effizienteren, schnelleren und kostengünstigeren Bankdienstleistungen zu verschaffen, fördert die Europäische Gemeinschaft überdies die Einrichtung und Vernetzung europaweiter Systeme zur Abwicklung von Bankgeschäften[23], so dass Überweisungen in der EU bald noch schneller und einfacher getätigt werden können. Aber genau hiervon profitieren auch gewitzte Schuldner, die sich ihren Zahlungsverpflichtungen entziehen wollen und die neuen Technologien nutzen, um Gelder schneller transferieren zu können.

    Schuldnerschutz

    Im Vollstreckungsverfahren müssen nicht nur die Grundrechte des Gläubigers, sondern auch die des Schuldners beachtet werden. Artikel 6 EMRK und Artikel 47 der EU-Grundrechtscharta gewährleisten in gleicher Weise das Recht des Schuldners auf ein faires Verfahren, während Artikel 8 EMRK und Artikel 7 der Charta Würde und Familienleben des Schuldners schützen. Dies impliziert nach Ansicht der Kommission, dass dem Schuldner ein bestimmter Betrag zum Lebensunterhalt verbleiben muss, der nicht gepfändet werden darf (siehe 4.4), und dass ihm die konkrete Möglichkeit gegeben werden muss, den Pfändungsbeschluss anzufechten (siehe 5.2). Darüber hinaus ist der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Vollstreckungsrechts nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip gehalten, die konkurrierenden Rechte und Interessen der Parteien gegeneinander abzuwägen. Vollstreckungsmaßnahmen dürfen demnach nicht unnötig und nicht unverhältnismäßig in die Rechte des Schuldners und Dritter eingreifen und sie dürfen nicht rechtsmissbräuchlich sein.

    Rechtsnatur der vorläufigen Kontenpfändung

    Bei der vorläufigen Pfändung von Bankguthaben spielt der Zeitfaktor eine entscheidende Rolle. Besteht konkret die Gefahr, dass der Schuldner Gelder dem Zugriff des Gläubigers entziehen will, indem er sie auf andere Bankkonten transferiert, ist Eile geboten. Zwar verfügen die meisten Mitgliedstaaten über Verfahren, mit denen der Gläubiger zum gewünschten Ziel kommt, doch sind diese Verfahren in ihrer Wirkung und in ihrer Rechtsnatur uneinheitlich[24].

    In einigen Systemen – in der Regel, aber nicht ausschließlich, im Common Law – richtet sich die vorläufige Pfändung gegen die Person des Schuldners statt gegen das Konto selbst. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, nicht mehr über das Vermögen zu verfügen, z. B. keine Überweisungen mehr vorzunehmen. Rechtlich sind solche Transaktionen jedoch nach wie vor möglich, wenn auch strafbewehrt. Die Kontrollfunktion des Gerichts hängt hier von der Autorität des Gerichts und den Sanktionen ab, die ihm zur Verfügung stehen. Zwischen Gläubiger, Schuldner und der kontoführenden Bank entsteht kein Rechtsverhältnis. Dies geschieht erst in einem weiteren Verfahren, dessen Einleitung eine förmliche Zustellung an den Schuldner voraussetzt. Dieses Verfahren ähnelt mehr einer auf Zahlung gerichteten Klage als einer bloßen Vollstreckungsmaßnahme, und in England und Wales, wo dieses Verfahren unter der Bezeichnung „Garnishee Order“ bekannt ist, kommt es im Vergleich zu „Freezing Orders“ relativ selten zum Einsatz.

    In anderen Mitgliedstaaten kann sich das Verfahren direkt gegen das Konto des Schuldners richten mit der Folge, dass das Konto als gepfändet gilt und jede Kontobewegung gegenüber dem Gläubiger rechtsunwirksam ist. Hier bestehen beträchtliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. In manchen Mitgliedstaaten ist das gesamte Schuldnervermögen betroffen, in anderen nur ein bestimmter Teil des Vermögens. Auch gibt es erhebliche Unterschiede in der Wirkung, wenn das Verfahren mit anderen Maßnahmen, die z. B. auf die Person des Schuldners gerichtet sind, kombiniert wird.

    Mit einer harmonisierten europäischen Regelung oder einem EU-weit einheitlichen Verfahren könnten diese Unterschiede überwunden werden. Die Frage, welcher Art das Verfahren sein soll, hängt eng mit der Frage zusammen, welcher Betrag zu sichern ist, sowie mit den Wirkungen des Verfahrens. Wenn eine europäische Regelung angestrebt wird, muss deshalb geklärt werden, wie das Verfahren genau aussehen soll. Die Kommission hält vorerst eine Maßnahme in Form einer dinglichen Sicherung für geeigneter , da eine Maßnahme dieser Art zweckmäßiger erscheint, um einen bestimmten Geldbetrag auf einem bestimmten Konto oder auf mehreren genau bezeichneten Konten zu blockieren . Sie ist jedoch für Alternativvorschläge offen, zumal das Grünbuch lediglich als Konsultationsgrundlage dient.

    Verfahren zur Erwirkung eines Pfändungsbeschlusses

    Antragsvoraussetzungen

    In vielen Mitgliedstaaten werden vorläufige Maßnahmen zur Sicherung von Vermögenswerten in summarischen Verfahren auf Antrag des Gläubigers angeordnet[25]. In der Regel beantragt der Gläubiger solche Maßnahmen, bevor er die Einleitung des Hauptverfahrens beantragt. Der Antrag auf Einleitung des Hauptverfahrens ist in einigen Mitgliedstaaten fristgebunden (vgl. 5.3). In vielen Mitgliedstaaten kann der Gläubiger zeitgleich mit dem Antrag auf Einleitung des Hauptverfahrens Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes beantragen. Dies ist eine Zeit und Kosten sparende Möglichkeit, Gläubigerrechte zu schützen. Sinnvoll erscheint auch die Möglichkeit für den Gläubiger, während des Verfahrens eine auf Sicherung gerichtete Maßnahme beantragen zu können, um auf Umstände zu reagieren, die nach Klageerhebung eingetreten sind, z. B. mit der Begründung, dass sich die Aussichten des Schuldners, den Prozess zu gewinnen, nach der mündlichen Verhandlung verschlechtert haben, oder weil sich im Laufe des Verfahrens Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des Schuldners eingestellt haben. Es ist zu klären, ob der Pfändungsbeschluss in allen vorgenannten Fällen verfügbar sein sollte.

    Eine EU-Regelung für die vorläufige Kontenpfändung sollte in Anbetracht ihrer europaweiten Geltung dem Gläubiger auch die Möglichkeit geben, den Schuldner an der Abhebung seines Guthabens zu hindern, während er auf die Anerkennung seines vollstreckbaren Urteils oder Titels wartet. Der Gläubiger könnte dann eine Sicherungsmaßnahme auf der Grundlage der europäischen Regelung beantragen und wäre nicht länger auf einzelstaatliche Sicherungsmaßnahmen angewiesen, wie dies derzeit noch nach Artikel 47 der Verordnung Brüssel I der Fall ist. Ein Pfändungsbeschluss sollte deshalb entweder separat verfügbar sein oder als Teil eines Zahlungsurteils, das in einem ordentlichen Zivilverfahren nach einzelstaatlichem Recht ergangen ist.

    Eine europäische Regelung müsste zudem mit den auf europäischer Ebene im Bereich des Zivilrechts bereits vorhandenen Rechtsinstrumenten vereinbar sein. Ein Gläubiger sollte deshalb einen Pfändungsbeschluss auch im Rahmen künftiger europäischer Verfahren beantragen können, die von der Kommission zur Vereinfachung und Beschleunigung der Zivilverfahren in den Mitgliedstaaten vorgeschlagen wurden, d. h. im Verfahren für geringfügige Forderungen[26] und im europäischen Mahnverfahren[27]. Der Antrag auf Erteilung eines Pfändungsbeschlusses sollte gleichzeitig mit einem Antrag auf Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel gestellt werden können[28].

    Voraussetzungen für einen Pfändungsbeschluss

    Vorliegen eines Anspruchs

    Alle im Hess-Bericht untersuchten mitgliedstaatlichen Rechtssysteme verlangen vom Gläubiger, dass er, wenn er eine auf Sicherung gerichtete Maßnahme beantragt, die tatsächlichen Voraussetzungen seines Anspruchs glaubhaft macht und vorträgt, dass die Vollstreckung der Forderung gefährdet ist[29]. Angesichts des Zeitrahmens, in dem vorläufige Maßnahmen angeordnet werden, liegt es jedoch auf der Hand, dass das Gericht keine umfassende Prüfung vornehmen kann. In allen Mitgliedstaaten (EU-15) gilt deshalb eine Beweismaßreduzierung. Die meisten Mitgliedstaaten verlangen lediglich einen Anscheinsbeweis, auch wenn die Bezeichnungen unterschiedlich sind[30]: Einige nehmen Bezug auf den fumus boni iuris [31] , andere verlangen, dass der Gläubiger seinen Anspruch „glaubhaft machen“ oder darlegen muss, dass „der Anspruch mit großer Wahrscheinlichkeit besteht“. Im angelsächsischen Recht muss der Antragsteller „gute Gründe“ („a good arguable case“) anführen. Die verschiedenen Bezeichnungen dürften in der Praxis einer gemeinsamen Lösung nicht entgegenstehen.

    Eilbedürftigkeit

    Größer sind die Unterschiede bei der Auslegung des Begriffs der Eilbedürftigkeit. Die meisten Mitgliedstaaten verlangen vom Antragsteller den Nachweis, dass die Vollstreckung einer künftigen gerichtlichen Entscheidung gefährdet ist, wenn der Pfändungsbeschluss nicht ergeht (periculum in mora)[32]. In manchen Mitgliedstaaten muss der Antragsteller glaubhaft machen, dass der Antragsgegner Vermögenswerte veräußern oder ins Ausland transferieren will, so dass die Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Urteil zugunsten des Antragstellers ohne eine Sicherungsmaßnahme nicht vollstreckt werden kann. Hingegen reicht der bloße Umstand, dass der Schuldner zahlungsunfähig werden könnte, in der Regel nicht aus, um ein besonderes Schutzbedürfnis zu rechtfertigen. In anderen Mitgliedstaaten ist Eilbedürftigkeit keine Voraussetzung für eine Kontensperrung. Solange der Anspruch begründet erscheint, ist Eilbedürftigkeit keine Voraussetzung für einen Pfändungsbeschluss[33]. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Sicherungsmaßnahme angeordnet werden kann, hängt mit dem Schuldnerschutz zusammen. Rechtssysteme, die sehr hohe Anforderungen an einen Pfändungsbeschluss stellen (z. B. Nachweis der Eilbedürftigkeit), gewährleisten bereits einen beachtlichen Schuldnerschutz. In Rechtssystemen, in denen dies nicht der Fall ist, muss auf andere Weise für einen angemessenen Interessenausgleich zwischen Gläubiger und Schuldner gesorgt werden. Es ist zu prüfen, welcher Vorgehensweise bei einer europäischen Regelung der Vorzug zu geben ist.

    Anhörung des Schuldners

    Die Frage, ob der Schuldner vor Erlass eines Pfändungsbeschluss zu hören ist, wird in den Mitgliedstaaten unterschiedlich beantwortet[34]. In manchen Mitgliedstaaten wird eine vorläufige Kontenpfändung in der Regel ohne Anhörung des Schuldners angeordnet. In anderen Mitgliedstaaten wird der Schuldner gewöhnlich gehört. Vorläufige Maßnahmen werden nur dann ohne Anhörung angeordnet, wenn sich der Gläubiger auf besondere Eilbedürftigkeit berufen kann. Generell hat der Schuldner das Recht, Widerspruch zu erheben, wenn der Pfändungsbeschluss ergangen ist, ohne dass er gehört wurde.

    Die Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Rechtssystemen haben gravierende Probleme zur Folge. Muss der Schuldner vor Erlass eines Pfändungsbeschlusses gehört werden, ist er gewarnt, so dass er dem Gläubiger zuvorkommen und sein Guthaben – so rasch es der elektronische Überweisungsverkehr zulässt – auf andere Konten – häufig ins Ausland – transferieren kann. Bei einer neuen EU-Regelung, die die Verteidigungsrechte des Schuldners ausdrücklich gewährleistet, spricht einiges dafür, der ersten Gruppe von Mitgliedstaaten zu folgen und auf eine Anhörung des Schuldners zu verzichten. Damit bliebe der ‚Überraschungseffekt’ der Maßnahme erhalten und der Schuldner hätte keine Veranlassung, seine Konten zu leeren. Wenn dieser Lösung gefolgt wird, muss der Ausgestaltung des Schuldnerschutzes besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, um einen angemessenen Interessenausgleich zu gewährleisten (siehe 5.2).

    Eine weitere Schwierigkeit besteht in der Anerkennung und Vollstreckung einer vorläufigen Maßnahme in einem anderen Mitgliedstaat. Der EuGH hat 1980 entschieden, dass in einem einseitigen Verfahren ergangene Maßnahmen nach der – heute geltenden – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 nicht anerkannt werden. Seitdem sind 26 Jahre vergangen, und das Urteil müsste eventuell in einem neuen Licht gesehen werden. Bei einer europaweiten Regelung, die gemeinsame Mindestvorschriften zur Gewährleistung eines effizienten Schuldnerschutzes enthält, erscheint es angemessen, den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung in diesem Bereich auszuweiten und die Anerkennung von in einseitigen Verfahren ergangenen Anordnungen, die auf die Sicherung der Vollstreckung einer Geldforderung gerichtet sind, in anderen Mitgliedstaaten zuzulassen.

    Sicherheit

    Die meisten Mitgliedstaaten verlangen vom Antragsteller, dass er den Antragsgegner entschädigt, wenn dieser aufgrund eines zu Unrecht ergangenen Pfändungsbeschlusses einen Schaden erlitten hat (vgl. hierzu die Ausführungen unter 5.2)[35]. Um sicherzustellen, dass der in einem solchen Fall entstandene Schaden tatsächlich ersetzt wird, verlangen einige Mitgliedstaaten von dem Gläubiger, der eine vorläufige Maßnahme beantragt, die Leistung einer Sicherheit[36]. In anderen Mitgliedstaaten entscheidet das Gericht nach eigenem Ermessen, ob Sicherheit geleistet werden muss. Ist eine Sicherheitsleistung erforderlich, geschieht dies häufig in Form einer Bankgarantie. In Ländern des Common Law muss sich der Antragsteller gewöhnlich vor Gericht verpflichten, dem Antragsgegner jeden Schaden zu ersetzen, der diesem durch eine missbräuchlich verwendete vorläufige Maßnahme entsteht. Reicht das in dem betreffenden Land belegene Vermögen des Antragstellers hierfür nicht aus, verlangt das Gericht andere geeignete Sicherheiten in der Regel in Form einer Kaution[37].

    Insgesamt dürfte der Grundsatz, dass der Gläubiger eine Sicherheit in welcher Form auch immer leisten muss, um den Schuldner vor willkürlicher oder schikanöser Sperrung seiner Konten zu schützen, weitgehend anerkannt sein. Es wird daher vorgeschlagen, diesen Grundsatz in eine europäische Regelung für die vorläufige Pfändung von Bankguthaben aufzunehmen. Was die Form der Sicherheitsleistung anbelangt, so sollte der Lösung der Vorzug gegeben werden, die ein höheres Maß an Schuldnerschutz gewährleistet. Dies bedeutet zunächst, dass nicht die Sicherheitsleistung als solche in das Ermessen des Gerichts gestellt werden sollte, sondern nur die Höhe der Sicherheit, die sich nach dem Risiko richten sollte.

    Erforderliche Kontoangaben

    Recht und Rechtsprechung der Mitgliedstaaten unterscheiden sich erheblich voneinander, wenn es um die Bezeichnung der zu sperrenden Konten geht[38]. In einigen Ländern muss der Gläubiger das zu sperrende Konto nicht genau bezeichnen, entweder weil Pfändungsbeschlüsse sich auf das gesamte Schuldnervermögen beziehen oder weil die Vollstreckungsbehörden die notwendigen Erkundigungen über das Schuldnervermögen selbst einholen[39]. In Frankreich kann der Gläubiger beispielsweise einen Pfändungsbeschluss für alle Konten erwirken, die der Schuldner bei einer bestimmten Bank mit Sitz in diesem Mitgliedstaat hat, auch wenn die Bank Filialen im ganzen Land hat[40]. In Schottland und in den Niederlanden stellen Gläubiger regelmäßig Anträge, mit denen sie vorläufige Maßnahmen in sämtliche – bezeichnete wie unbezeichnete – Konten bei Großbanken vollstrecken lassen wollen (so genannte Verdachtspfändungen)[41].

    In anderen Mitgliedstaaten ergeht ein Pfändungsbeschluss nur, wenn der Gläubiger das zu sperrende Konto so genau bezeichnet, dass es identifiziert werden kann. Wie präzise die Angaben sein müssen, ist gesetzlich anscheinend nicht geregelt, aber der Rechtsprechung der meisten Mitgliedstaaten zufolge reichen Name und Anschrift der kontoführenden Bank aus. Nur wenige Mitgliedstaaten verlangen vom Gläubiger die genaue Angabe der Kontonummer des Schuldners. Wo dies der Fall ist, gibt es jedoch Möglichkeiten für den Gläubiger, diese Angaben in Erfahrung zu bringen[42]. Angesichts der Schwierigkeit für den Gläubiger, die Kontonummer des Schuldners in Erfahrung zu bringen, wird vorgeschlagen, diese Angabe in einer künftigen EU-Regelung nicht zu verlangen.

    Enthält der Pfändungsbeschluss lediglich den Namen des Schuldners und der kontoführenden Bank, müssen die Banken anhand ihrer Kundendatei überprüfen, ob der Schuldner bei ihnen ein Konto besitzt. Dies bedeutet für die Banken einen finanziellen und organisatorischen Mehraufwand (zu der Frage, ob die Banken für diesen Aufwand entschädigt werden sollen, siehe 4.2) und hat Bedenken in Bezug auf Datenschutz, Bankgeheimnis und Pfändung ohne Rechtsgrund wegen fehlerhafter Identitätsfeststellung aufgeworfen. Jede diesbezügliche Regelung auf europäischer Ebene muss die Interessen der Gläubiger und Banken (als Drittschuldner) sorgfältig gegeneinander abwägen.

    Was die Verwechslungsgefahr anbelangt, so muss die Bank gegen die Vollstreckung eines Pfändungsbeschlusses in jedem Fall Widerspruch einlegen können, wenn z. B. mehrere Bankkunden denselben Namen führen und keine weiteren Angaben mitgeteilt wurden, anhand deren der „richtige“ Schuldner ermittelt werden kann. Wurden jedoch Angaben wie die genaue Anschrift des Schuldners oder sein Geburtsdatum mitgeteilt, sollte die Bank in der Lage sein, den „richtigen“ Schuldner zweifelsfrei festzustellen.

    Zuständigkeitsfragen

    Die Zuständigkeit für vorläufige oder auf eine Sicherung gerichtete Maßnahmen ist in der Verordnung Brüssel I zwar nicht ausdrücklich geregelt, doch kann der Gläubiger nach Artikel 31 und 47 solche Maßnahmen beantragen, wenn das einzelstaatliche Recht sie vorsieht. In allen Mitgliedstaaten, die im Hess-Bericht untersucht wurden, sind die Gerichte, die in der Hauptsache entscheiden, auch für die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zuständig[43], wobei diese Zuständigkeit auch vor Einleitung des Verfahrens in der Hauptsache ausgeübt werden kann[44]. Auf europäischer Ebene ist diese Zuständigkeit in der Verordnung Brüssel I geregelt. Darüber hinaus ist in den meisten Mitgliedstaaten das Gericht am Ort der Vollstreckung zuständig, d. h. an dem Ort, an dem sich das Vermögen des Antragsgegners befindet oder an dem der Antragsgegner seinen Wohnsitz hat[45]. Diese (alternativen) Zuständigkeitskriterien sind zwar vollkommen dazu geeignet, einen Pfändungsbeschluss zu erwirken, doch stellen sich hier bei einer europäischen Regelung zwei Probleme.

    Das eine Problem ergibt sich aus der in vielen Mitgliedstaaten nach wie vor vorherrschenden Auffassung, wonach für Vollstreckungsverfahren das Territorialitätsprinzip gilt und diese Verfahren strikt auf das Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats begrenzt sind[46]. Dies hat zur Folge, dass die Gerichte der meisten Mitgliedstaaten ohne eine europäische Regelung keinen Pfändungsbeschluss für ein Bankkonto in einem anderen Mitgliedstaat erlassen werden. Zwar haben die Gerichte in England und Irland aus praktischen Erwägungen heraus so genannte Mareva Injunctions oder Freezing Orders (wie sie jetzt genannt werden) mit extraterritorialer Wirkung erlassen, da aber andere Mitgliedstaaten dem nicht gefolgt sind, hat diese Möglichkeit zu Forum Shopping erheblichen Ausmaßes geführt[47]. Ohnehin wirkt eine Mareva Injunction nur ad personam, so dass deren Wirksamkeit vollständig von der Fähigkeit des verfügenden Gerichts abhängt, diese Maßnahme in seinem Zuständigkeitsbereich gegen den Schuldner persönlich zu vollstrecken.

    In Deutschland und Österreich wurden dem Hess-Bericht zufolge (rechtskräftige) Pfändungsbeschlüsse im Ausland zugestellt; wie solche Pfändungsbeschlüsse rechtlich zu bewerten sind, ist allerdings nach wie vor unklar[48]. Es wird daher vorgeschlagen, die Zuständigkeit für Pfändungsbeschlüsse gegen Schuldnerkonten, die sich in mehreren Mitgliedstaaten befinden, dem Gericht zu übertragen, das für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig ist. In diesem Zusammenhang muss auch das Sprachenproblem gelöst und geprüft werden, ob sich die grenzüberschreitende Zustellung von Pfändungsbeschlüssen nicht durch die Verwendung eines Standardformulars vereinfachen lässt.

    In einer europäischen Regelung müsste überdies das Verhältnis zwischen dem Gericht der Hauptsache (nach der Verordnung Brüssel I) und dem Gericht am Ort des Schuldnervermögens bzw. am Ort des Wohnsitzes des Schuldners (falls unterschiedlich) geklärt werden. Es wird vorgeschlagen, dass die Hauptzuständigkeit beim Gericht der Hauptsache verbleiben sollte und das Gericht am Ort des Schuldnervermögens nur für zusätzliche Sicherungsmaßnahmen zuständig sein sollte, die auf das Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats beschränkt sind.

    Pfändungsbetrag und Pfändungsgrenzen

    Höhe des zu sichernden Betrags

    Wenn es um die Höhe des Betrags geht, der durch einen Pfändungsbeschluss gesichert werden soll, unterscheiden sich die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten erheblich voneinander. Ein Unterschied ist auf den Umstand zurückzuführen, dass die Sperrung von Bankkonten in manchen Mitgliedstaaten in rem, in anderen in personam wirkt, d. h. dem Schuldner wird aufgegeben, sich jeder Verfügung über sein Bankguthaben zu enthalten (siehe hierzu die Ausführungen unter 2.3). Aber auch bei den Maßnahmen, die in rem wirken, gibt es beträchtliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. In manchen Ländern richtet sich die Beschlagnahme oder Sperrung allgemein gegen sämtliche Vermögenswerte des Schuldners, während sie in anderen Ländern speziell gegen ein bestimmtes Bankkonto gerichtet ist. In einigen Rechtssystemen sind die zu sichernden Vermögenswerte ihrer Höhe oder ihrer Art nach genau bestimmt, während sie in anderen nicht näher konkretisiert sind. In Frankreich beispielsweise bewirkt ein Pfändungsbeschluss die Sperrung aller Konten in allen Zweigstellen der betreffenden Bank[49]. In den Niederlanden erstreckt sich der Pfändungsbeschluss in der Regel auf das gesamte Bankguthaben des Schuldners, während er in Irland und Portugal auf eine bestimmte Summe lautet einschließlich Vollstreckungskosten[50].

    Eine europäische Regelung muss auch dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und den Grundrechten wie dem Recht auf ein faires Verfahren und dem Schuldnerschutz Rechnung tragen (siehe oben 2.2.2). So gesehen, dürfte eine Maßnahme, die sich auf einen bestimmten Betrag bezieht, dem Verhältnismäßigkeitsprinzip eher entsprechen. Es wird deshalb vorgeschlagen, dass nur ein bestimmter Betrag gesperrt werden sollte.

    Ist der Pfändungsbeschluss in der Höhe beschränkt, stellt sich die Frage, wie der Pfändungsbetrag zu bestimmen ist. Der Pfändungsbetrag könnte auf die im Hauptverfahren begehrte Geldsumme beschränkt werden, d. h. auf die Geldforderung, die der Gläubiger gegen den Schuldner geltend macht. Aber auch die Sicherung zusätzlicher Beträge, insbesondere künftige Zinsaufwendungen und Rechtskosten, könnte zugelassen werden (zu den Bankkosten siehe 4.2). Bei den Rechtskosten ist zu prüfen, wie die Kosten für Rechtsanwälte und Vollstreckungsbeamte zu veranschlagen sind. Es wäre vielleicht ratsam, hier anders vorzugehen als bei einem Urteil in der Hauptsache, das der Gläubiger zu seinen Gunsten erwirkt hat. Auf der Grundlage eines solchen Urteils kann der Gläubiger in vielen Mitgliedstaaten zusätzlich zur Hauptforderung Zinsen und Kosten eintreiben.

    Bankkosten

    Bei den Bankkosten sind zwei Aspekte zu berücksichtigen. Zum einen entstehen den Banken Kosten, wenn sie einem Pfändungsbeschluss nachkommen und eine Kontensperrung vornehmen. Diese Kosten werden in den Mitgliedstaaten unterschiedlich behandelt. Einige Mitgliedstaaten verlangen von den Banken, dass sie eine Kontenpfändung als öffentlichen Auftrag ausführen und die Kosten unter den allgemeinen Betriebsaufwendungen verbuchen, ohne den Parteien eine Vergütung für ihre Tätigkeit in Rechnung stellen zu können. In anderen Mitgliedstaaten können die Banken für die Sperrung eines Kontos eine Gebühr verlangen. Wenn eine Vergütung der Bank für solche Dienstleistungen als angemessen angesehen wird, ist natürlich zu klären, wer für die Kosten aufkommen soll: der Gläubiger durch Leistung einer Sicherheit oder der Schuldner durch Einbehaltung der Vergütung von dem zu sichernden Bankguthaben? Des Weiteren ist zu klären, wie die Vergütung, die die Bank rechtmäßig für ihre Dienstleistung verlangen kann, zu berechnen ist und ob sie in der Höhe auf nationaler oder europäischer Ebene begrenzt werden sollte.

    Die zweite Kostenkategorie bezieht sich auf die Haftung der Bank für den Fall, dass sie irrtümlich das falsche Konto sperrt. Dieses Risiko wird in den meisten Mitgliedstaaten unter den allgemeinen Betriebsaufwendungen der Bank verbucht, da die Bank die Kontensperrung als öffentlichen Auftrag durchführt. Im EU-Kontext wird jedoch die Sorge laut, dass irrtümliche Kontenpfändungen zunehmen könnten, da es für die Banken schwieriger werde, die Rechtmäßigkeit eines ausländischen Pfändungsbeschlusses zu überprüfen. Es wird befürchtet, dass die Banken aufgrund des zwischen ihnen und ihren Kunden bestehenden Vertragsverhältnisses finanziell haftbar gemacht werden könnten. Hier stellt sich die Frage, wer die Kosten dieses Risikos zu tragen hat. An dieser Stelle empfiehlt es sich vielleicht eher, danach zu fragen, ob der Gläubiger, der den Pfändungsbeschluss beantragt hat, eine Sicherheit für diese Kosten leisten sollte.

    Der Klarheit halber sei hier darauf hingewiesen, dass die etwaige Zahlung der Bankkosten aus den vorstehenden Gründen nichts mit der Sicherheit zu tun hat, die der Gläubiger für mögliche Schäden zu leisten hat, die dem Schuldner durch die Pfändung entstehen können (siehe 3.2.4).

    Vorläufige Pfändung bei mehreren Konten, bei Gemeinschaftskonten und bei Treuhandkonten

    Pfändung mehrerer Konten

    Wie unter 4.1 ausgeführt, stehen auf mitgliedstaatlicher Ebene unterschiedliche Maßnahmen zur Verfügung, die gegen das Schuldnervermögen allgemein oder gegen bestimmte Vermögenswerte gerichtet werden können. Eine generelle Kontensperrung kann natürlich effizienter sein, aber auch stärker in die Rechte des Schuldners eingreifen als eine gezielte Sperrung bestimmter Konten oder eines bestimmten Betrags. Wenn der Pfändungsbeschluss im Rahmen einer europäischen Regelung - wie beabsichtigt - lediglich der Sicherung eines eindeutig bestimmten Geldbetrags dienen würde, hätte er weniger einschneidende Wirkungen. Wenn aber auf diese Weise nur ein einziges Konto gesperrt werden könnte, wäre der Pfändungsbeschluss in seiner Wirkung erheblich eingeschränkt, da der Schuldner häufig die Möglichkeit hat, sein Guthaben auf mehrere Konten zu verteilen. Damit stellt sich die praktische Frage, wie ein ausreichend hoher Betrag – u. U. auf eine bestimmte Summe beschränkt - auf mehreren Konten blockiert werden kann, ohne dass es zu einer Pfändung des Doppelten oder Dreifachen des geschuldeten Betrags kommt. Die Schwierigkeiten, die es dabei zu überwinden gilt, hängen davon ab, ob die Konten bei völlig verschiedenen Banken geführt werden. Auch ist vor Sperrung der Konten möglicherweise gar nicht bekannt, wie hoch das verfügbare Guthaben auf den einzelnen Konten ist, oder diese Angaben sind nicht mehr aktuell.

    In diesem Zusammenhang ist ein Hinweis auf die Praxis in Frankreich nützlich. In Frankreich bewirkt ein Pfändungsbeschluss die Sperrung sämtlicher Konten, auch wenn das Guthaben den geforderten oder geschuldeten Betrag übersteigt. Da diese generelle Wirkung jedoch als nachteilig für die Wirtschaftstätigkeit des Schuldners angesehen wird, gehen die Banken inzwischen so vor, dass sie den geforderten Betrag auf ein Sonderkonto überweisen und das verbleibende Guthaben dem Schuldner zur freien Verfügung überlassen, wenn er der Bank gegenüber eine Sicherheit leistet und alle Parteien damit einverstanden sind[51].

    Zu klären ist mithin, ob der europäische Pfändungsbeschluss aus Effizienzgründen eine Sperrung sämtlicher Konten bewirken soll, bis das Gericht oder die Vollstreckungsbehörde festgestellt hat, dass Guthaben in ausreichender Höhe blockiert worden ist. Anschließend könnte ein Teil des gepfändeten Guthabens oder der Konten wieder freigegeben werden. Dies ließe sich mit einem Verfahren kombinieren, das dem Gericht die Möglichkeit gibt, einen gegen mehrere Konten gerichteten Pfändungsbeschluss in seiner Wirkung zu beschränken, um nur die geforderte Summe zuzüglich sonstiger anrechenbarer Ausgaben und Zinsen sicherzustellen. Hierzu müssten die Aufgaben und Pflichten der Banken, des Gerichts oder einer anderen zuständigen Behörde sowie der Parteien klar und präzise geregelt werden. Dieser gesamte Fragenkomplex hängt eng mit der Vollstreckung des Pfändungsbeschlusses zusammen (siehe 5.1).

    Pfändung von Gemeinschaftskonten

    Auch bei der Pfändung von Gemeinschaftskonten, d. h. von gemeinsamen Konten von Eheleuten oder unverheirateten Paaren, gehen die Mitgliedstaaten unterschiedlich vor[52]. In manchen Mitgliedstaaten kann das gesamte Bankguthaben gepfändet werden, wobei der Ehepartner die Freigabe seines Teils beantragen kann. In anderen Rechtsordnungen gilt eine Vermutung, dass der andere Ehepartner nicht Eigentümer ist. In einigen Ländern bezieht sich der Pfändungsbeschluss nur auf die Hälfte des Guthabens, und es ist Sache des Gläubigers, eine weitergehende Pfändung zu beantragen. In England und Irland kann ein Gemeinschaftskonto auf der Grundlage eines nur an einen Ehegatten gerichteten Pfändungsbeschlusses nicht gepfändet werden, sofern das Gericht nicht anders beschließt. In vielen Mitgliedstaaten kann das Gehalt eines Ehegatten, das auf das Gemeinschaftskonto überwiesen wird, nicht zur Tilgung der Schulden des anderen Ehegatten gepfändet werden.

    Pfändung von Treuhandkonten

    Die Frage, ob Konten, auf die der Schuldner einen Teil seines Vermögens oder sein ganzes Vermögen überwiesen hat und die auf den Namen eines Dritten lauten, gepfändet werden können, wird im Hess-Bericht nicht behandelt. In der Praxis stellen sich hier aber Probleme, wenn ein in betrügerischer Absicht handelnder Schuldner, der sich einer Pfändung entziehen will, Gelder auf ein Konto überweist, das einer anderen Person – dem Ehegatten, einem Freund oder einem Geschäftspartner - gehört. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Gläubiger Forderungen geltend macht, die aufgrund einer unrechtmäßigen Handlung oder einer Straftat entstanden sind, z. B. aus einem Insolvenzbetrug. Soweit der Kommission bekannt ist, gehen die Mitgliedstaaten dieses Problem unterschiedlich an. In einigen Rechtsordnungen dürfen die Vollstreckungsbehörden der Überweisung ‚folgen’, während andere eine Vollstreckung in Treuhandkonten nicht zulassen, wenn der Treuhänder eigene Gelder auf diesen Konten verwaltet. Es ist zu überlegen, wie dieses Problem am besten zu lösen ist.

    Pfändungsfreigrenze

    In einer Reihe von Rechtsordnungen, insbesondere in solchen, die eine Gesamtpfändung des Vermögens zulassen und die deshalb sehr stark in die Rechtsposition des Schuldners eingreifen können, ist der Schuldner durch Ausnahmeregelungen oder Freigrenzen geschützt. Häufig sind diese Regelungen auf den Schutz der natürlichen Person ausgerichtet, um dem Schuldner und seiner Familie trotz der Schulden einen ausreichenden Lebensunterhalt zu garantieren. In jeder Rechtsordnung sind diese Freigrenzen und Ausnahmen detailliert – mitunter als Teil des allgemeinen Vollstreckungsrechts – geregelt. In Griechenland beispielsweise dürfen Gehaltskonten überhaupt nicht gepfändet werden. In Finnland beträgt der Pfändungsbetrag gewöhnlich ein Drittel des Einkommens, und in Portugal ist der Teil des Einkommens, der dem Mindestgehalt entspricht, unpfändbar. In den Niederlanden gibt es keinen unpfändbaren Mindestbetrag, aber Sozialleistungen und Kindergeld beispielsweise dürfen nicht gepfändet werden[53].

    Auf europäischer Ebene könnte die vorläufige Pfändung von Vermögenswerten in mehreren Mitgliedstaaten auf unterschiedliche Ausnahmeregelungen oder sich überschneidende Schutzvorschriften treffen. Eine europäische Regelung müsste deshalb mindestens vorsehen, wie mit den diversen Ausnahmeregelungen verfahren wird und wie Banken und zuständige Behörden miteinander umgehen. Auch dies wäre im Rahmen der Vollstreckungsvorschriften zu regeln (siehe 5.1). In der Praxis könnte es sich als hilfreich erweisen, eine Freigrenze entweder als Mindest- oder Höchstwert zu vereinbaren. Dabei kann es sich selbstverständlich nicht um eine bestimmte Geldsumme handeln, sondern um einen Betrag, der in allgemeinerer Form oder durch Verweis auf einen Index bestimmt wird, der den unterschiedlichen Lebenshaltungskosten und Währungen in der Europäischen Union Rechnung trägt.

    Wirkungen der vorläufigen Kontenpfändung

    Ein für die Wirkung eines Pfändungsbeschlusses wichtiger Aspekt, nämlich seine Rechtsnatur, wurde bereits erörtert (siehe 2.3). Im Folgenden werden weitere Wirkungsaspekte behandelt: 1. Wie und wann sollte ein Pfändungsbeschluss wirksam werden? 2. Wie kann der Schuldner im Verfahren angemessen geschützt werden? 3. Wie wirkt ein Pfändungsbeschluss gegenüber anderen Gläubigern und die Rangfolge ihrer Forderungen? 4. Wie wird aus der Sicherungsmaßnahme eine Vollstreckungsmaßnahme, so dass der Antragsteller nach Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache aus dem gesicherten Guthaben befriedigt werden kann?

    Vollstreckung des Pfändungsbeschlusses

    Aufhebung des Exequaturs

    Angesichts der Eilbedürftigkeit (siehe 2.2.1) muss gewährleistet sein, dass der Pfändungsbeschluss nach Erlass so schnell wie möglich in dem Mitgliedstaat vollstreckt werden kann, in dem sich das Bankguthaben befindet. Es wird deshalb vorgeschlagen, dass der Pfändungsbeschluss im Vollstreckungsmitgliedstaat vollstreckt werden kann, ohne dass es hierzu eines Zwischenverfahrens (Exequatur) bedarf. Dieser Vorschlag entspricht der allgemeinen Politik der Gemeinschaft, Exequaturverfahren in der EU aufzuheben, um so einen echten europäischen Rechtsraum zu schaffen, in dem der freie Verkehr gerichtlicher Entscheidungen gewährleistet ist[54]. In Übereinstimmung mit diesem politischen Ziel bestimmt die Verordnung zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen[55], dass eine Entscheidung, die im Ursprungsmitgliedstaat als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden ist, in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt wird, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann[56], sofern im Verfahren gewisse Mindestvorschriften über die Unterrichtung des Schuldners beachtet worden sind. In gleicher Weise ist im Vorschlag für eine Verordnung des Rates über Unterhaltspflichten[57] die Aufhebung des Exequaturverfahrens für Unterhaltsentscheidungen vorgesehen bei gleichzeitiger Einführung gemeinsamer Verfahrensvorschriften, die in allen Mitgliedstaaten auf der Grundlage gemeinsamer Standards die Wahrung des Rechts auf ein faires Verfahren gewährleisten.

    Zustellung des Pfändungsbeschlusses an die Bank

    Nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen wird der Pfändungsbeschluss erst dann wirksam, nachdem er förmlich zugestellt worden ist. Ob der Beschluss dem Schuldner oder der kontoführenden Bank zuzustellen ist, hängt von der Art des Beschlusses ab, d. h. ob er in rem oder in personam wirkt. Aus den unter 2.3 ausgeführten Gründen wird vorgeschlagen, den Beschluss als dinglichen Pfändungsanspruch auszugestalten, der direkt gegen das Konto des Schuldners wirkt, so dass jede Kontobewegung gegenüber dem Gläubiger als unwirksam gilt. Damit mit einem solchen Beschluss Kontobewegungen unterbunden werden können, muss er folglich der Bank zugestellt werden[58].

    Ungeachtet seiner Rechtsnatur (in rem oder in personam) muss der Beschluss über die vorläufige Kontenpfändung dem Schuldner zugestellt werden. Näheres hierzu unter 5.2.1.

    Zustellungsverfahren

    Der Frage, wie ein Pfändungsbeschluss vom Gericht an die kontoführende Bank zuzustellen ist, kommt entscheidende Bedeutung zu. Für die Zustellung eines Pfändungsbeschlusses in einem Mitgliedstaat gilt das Recht dieses Staates. Muss der Beschluss in einem anderen Mitgliedstaat zugestellt werden, gilt in Ermangelung anderer gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen die Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten[59].

    Nach dieser Verordnung erfolgt die Übermittlung von Schriftstücken in andere Mitgliedstaaten und die anschließende dortige Zustellung über von jedem Mitgliedstaat benannte Übermittlungs- und Empfangsstellen auf der Grundlage eines besonderen Formblatts. Die Mitgliedstaaten können Schriftstücke aber auch direkt durch die Post zustellen lassen, sofern etwaige Bedingungen des Empfangsmitgliedstaats beachtet werden (Artikel 14). Die Verordnung wird zurzeit überarbeitet, um die Zustellung von Schriftstücken in anderen Mitgliedstaaten weiter zu erleichtern und zu beschleunigen[60]. Im Änderungsvorschlag ist u. a. vorgesehen, dass die Empfangsstelle verpflichtet werden soll, ein Dokument innerhalb eines Monats nach Eingang zuzustellen. Da es die Anwendung der Verordnung zudem nicht erleichtert, wenn jeder Mitgliedstaat eigene Anforderungen an die Zustellung durch die Post stellen kann, hat die Kommission vorgeschlagen, eine einheitliche Regelung einzuführen, wonach die Zustellung von Schriftstücken in allen Mitgliedstaaten durch Einschreiben mit Rückschein oder gleichwertiger Bestätigung bewirkt werden kann. Außerdem wurde der Ausdruck ‚Post’ durch den Ausdruck ‚Postdienste’ ersetzt, um deutlich zu machen, dass auch private Anbieter wie Kurierdienste in Frage kommen[61].

    Dem Bericht über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000[62] ist zwar zu entnehmen, dass die Zustellung in der EU häufig auf dem Postweg erfolgt[63], doch ist diese Übermittlungsart für die Zustellung eines Pfändungsbeschlusses u. U. nicht immer die beste Methode. In vielen Mitgliedstaaten ist die Zustellung durch eine Amtsperson der schnellste Weg. Es wäre daher ratsam, wenn das Gericht, das den Beschluss erlässt, festlegen könnte, welche Zustellungsart in einem bestimmten Fall am geeignetsten wäre.

    Die direkte Übermittlung eines Pfändungsbeschlusses auf die oben beschriebene Weise ermöglicht zwar bereits eine recht schnelle Zustellung, doch würde diese immer noch mehr Zeit in Anspruch nehmen als der Schuldner braucht, um sein Guthaben auf andere Konten zu transferieren. Damit der Gläubiger nicht gegenüber dem Schuldner, der Überweisungen auf elektronischem Weg vornehmen kann, benachteiligt wird, müssten auch Pfändungsbeschlüsse elektronisch übermittelt werden können. Die elektronische Übermittlung von Schriftstücken ist in der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 zwar nicht ausdrücklich geregelt, sie wäre aber mit der Verordnung vereinbar[64].

    Die Einführung elektronischer Verfahren ist in den Mitgliedstaaten unterschiedlich weit fortgeschritten. Voraussetzung für die elektronische Übermittlung von Pfändungsbeschlüssen in andere Mitgliedstaaten wären eine gemeinsame Schnittstelle zwischen den Justizsystemen der Mitgliedstaaten sowie gemeinsame Kommunikationsstandards in Bezug auf die Sicherheit der Übermittlung und die elektronische Eingangsbestätigung. Die Mitgliedstaaten, in denen die elektronische Kommunikation bereits Einzug in die nationalen Verfahren gehalten hat, berichten über positive Erfahrungen mit den neuen Technologien[65].

    Auch die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht hat unlängst ein System für die elektronische Übermittlung legalisierter Dokumente entwickelt (eApostille). Die Pilotphase läuft seit April 2006[66]. In Anbetracht dieser Beispiele und der Notwendigkeit einer raschen und kostengünstigen Übermittlung von Pfändungsbeschlüssen wird vorgeschlagen, diese Übermittlungsmethode näher zu prüfen. Die Mitgliedstaaten und sonstige Interessierte werden deshalb aufgefordert, sich zum Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel in Gerichtsverfahren zu äußern und über ihre Erfahrungen mit der Einführung und Verwendung dieser Technologie zu berichten, um auf diese Weise Aufschlüsse über ihre mögliche Verwendung bei Pfändungsbeschlüssen zu gewinnen.

    Vollstreckungsfristen

    Zu klären ist auch die Frage, innerhalb welcher Frist die Bank dem Pfändungsbeschluss nachkommen muss. Aus den unter 2.2.1 dargelegten Gründen muss die Pfändung so schnell wie möglich erfolgen, bevor der Schuldner Gelegenheit hat, sein Guthaben abzuheben oder auf andere Konten zu transferieren. Es wird daher vorgeschlagen, dass die Konten sofort nach Zustellung des Beschlusses an die Bank zu sperren sind. Die sofortige Kontensperrung ist in vielen Mitgliedstaaten, in denen der Beschluss per Einschreiben oder durch Zustellungsbeamte zugestellt wird, bereits gängige Praxis. Wenn der Beschluss zu den Geschäftszeiten der Bank zugestellt wird, dürfte seiner sofortigen Vollstreckung nichts im Wege stehen.

    Schwierig könnte es dann werden, wenn ein Pfändungsbeschluss auf elektronischem Wege außerhalb der Geschäftszeiten - etwa am Wochenende, abends oder an Feiertagen - übermittelt wird. In diesem Fall ist zu überlegen, ob dem Pfändungsbeschluss sofort nach dessen Eingang bei der Bank nachzukommen ist oder ob es genügen würde, wenn er erst zu Beginn des folgenden Arbeitstags vollstreckt würde. In jedem Fall muss sichergestellt sein, dass der Schuldner die Pfändung nicht dadurch vereiteln kann, dass er außerhalb der Geschäftszeiten durch Homebanking oder auf andere Weise Geld von seinem Konto abhebt.

    Einer Bank könnte deshalb nur dann gestattet werden, einem außerhalb der Geschäftszeiten eingegangenen Pfändungsbeschluss am darauf folgenden Arbeitstag nachzukommen, wenn gewährleistet ist, dass der Beschluss jedem Überweisungsauftrag vorgeht, der nach Geschäftsschluss der Bank am Vortag erteilt wurde. Es muss sichergestellt sein, dass alle Banken in Europa in der Lage sind, eine solche Auflage zu erfüllen und somit keine Gefahr besteht, dass ein außerhalb der Geschäftszeiten erteilter Überweisungsauftrag Vorrang vor einem ordnungsgemäß vollstreckten Pfändungsbeschluss erhält.

    Angaben der Bank zu den Konten des Schuldners

    Eine wesentliche Frage, die in einem neuen Rechtsinstrument zu klären wäre, ist, ob und in welchem Umfang die Bank Angaben zu der Höhe des gepfändeten Betrags und zum Guthaben des Schuldners machen muss. Die Angaben der Bank sind für die Feststellung erforderlich, ob die Pfändung zur Gänze, teilweise oder gar nicht erfolgreich war. In vielen Mitgliedstaaten muss die Bank Auskunft darüber erteilen, ob sie Konten des Schuldners führt, und dessen Guthaben angeben[67]. Die Bank muss auch mitteilen, ob das Guthaben bereits von einem anderen Gläubiger gepfändet worden ist. In manchen Mitgliedstaaten muss die Bank ihre Bereitschaft erklären, den gepfändeten Betrag herauszugeben[68].

    Die Pflicht der Bank, Auskunft über die Konten des Schuldners zu erteilen, wirft Fragen des Datenschutzes und des Bankgeheimnisses auf. Die Angaben der Bank zu den Konten des Schuldners stellen personenbezogene Daten dar, die durch die Datenschutz-Richtlinie 95/46/EG[69] geschützt sind. In Artikel 6 der Richtlinie ist der Grundsatz der Zweckbindung festgeschrieben, wonach personenbezogene Daten nur für festgelegte eindeutige und rechtmäßige Zwecke erhoben und nicht in einer mit diesen Zweckbestimmungen nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden dürfen. Die Kontendaten des Kunden werden von der Bank zur Erfüllung des zwischen dem Schuldner und der Bank bestehenden Vertragsverhältnisses verarbeitet. Die Offenlegung dieser Angaben gegenüber dem Gericht hat den Zweck, dem Gläubiger die Eintreibung seiner Forderung zu erleichtern. Dieser Zweck ist zwar rechtmäßig, weicht aber von dem Zweck des Kontovertrags ab und ist mit diesem unvereinbar. Es handelt sich somit um eine Ausnahme vom Zweckbindungsgrundsatz.

    Solche Ausnahmen sind zulässig, solange sie den Anforderungen des Artikels 13 der Datenschutz-Richtlinie genügen. Danach können die Mitgliedstaaten den Umfang der u. a. in Artikel 6 der Richtlinie enthaltenen Rechte und Pflichten gesetzlich beschränken, sofern die Beschränkung zum Schutz der betroffenen Person und der Rechte und Freiheiten anderer Personen erforderlich ist. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zufolge greift die Weitergabe von Daten an Dritte einschließlich an Behörden in das Recht auf Achtung des Privatlebens ein, das durch Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützt ist. Rechtsvorschriften, die Ausnahmen vom Zweckbindungsgrundsatz zulassen, müssen demnach auch nach Artikel 8 EMRK gerechtfertigt sein[70]. Der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg hat wiederholt daran erinnert, dass in der Eingriffsnorm der Umfang des den zuständigen Behörden eingeräumten Ermessens und die Art und Weise seiner Ausübung hinreichend klar im Hinblick auf das rechtmäßige Ziel der betreffenden Maßnahme angegeben sein muss, damit der Einzelne hinreichend vor willkürlichen Eingriffen geschützt ist[71].

    Eine neue EU-Regelung muss diesen Anforderungen genügen und insbesondere festlegen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang von Banken verlangt werden kann, Kontoangaben ihrer Kunden offen zu legen. Zur Erleichterung und Beschleunigung des Verfahrens wären Formulare hilfreich, auf denen die Banken Auskünfte zum Schuldnervermögen erteilen können[72].

    Zu überlegen ist auch, welchen Stellenwert die Erklärung der Bank haben sollte. Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten sind in diesem Punkt sehr uneinheitlich[73]. In einigen Mitgliedstaaten entspricht die Erklärung der Bank einer förmlichen Anerkennung der gepfändeten Forderung[74], während sie in anderen wie ein vollstreckbarer Titel des Gläubigers gegen die Bank behandelt wird[75]. Noch andere Mitgliedstaaten wiederum behandeln die Erklärung lediglich wie eine Auskunft. Ist die Bank zur Zahlung nicht bereit, muss der Gläubiger auf Zahlung klagen[76].

    Zu klären ist auch, wem gegenüber die Bank auskunftspflichtig ist. Entsprechend den verschiedenen Ansätzen der Mitgliedstaaten gibt es mehrere Lösungsmöglichkeiten[77]. Eine Lösung wäre, dass die Bank dem Gericht Auskunft gibt, das den Pfändungsbeschluss erlassen hat. Alternativ dazu könnte die Auskunft auch dem Gläubiger[78] oder der Vollstreckungsbehörde oder beiden erteilt werden[79]. Zu entscheiden ist ferner, ob dieser Punkt auf europäischer Ebene geregelt werden soll oder ob das Recht des Mitgliedstaats maßgebend sein soll, in dem der Pfändungsbeschluss ergangen ist bzw. in dem sich die Konten befinden oder in dem die Bank ihren Sitz hat.

    Wie im Hess-Bericht vorgeschlagen, könnte auch EU-weit geregelt werden, welche Folgen[80] zu gewärtigen sind, wenn die Bank die verlangte Auskunft nicht oder nur unvollständig oder fehlerhaft erteilt. Eine europäische Regelung könnte hier entweder auf das einzelstaatliche Recht verweisen oder eine der vorgenannten einzelstaatlichen Lösungen europaweit anwenden[81].

    Wirkung des Pfändungsbeschlusses auf laufende Geschäfte

    Bei Geschäftsvorgängen, die vor Zustellung des Pfändungsbeschlusses an die Bank eingeleitet wurden, geht das Recht der Mitgliedstaaten unterschiedlich vor. In manchen Mitgliedstaaten werden vor der Zustellung des Pfändungsbeschlusses ausgestellte Schecks eingelöst, in anderen nicht. In Frankreich beispielsweise ist die Bank verpflichtet, nach zwei Wochen eine zweite Erklärung gegenüber dem Gericht abzugeben, in der alle zum Zeitpunkt der Vollstreckung des Pfändungsbeschlusses laufenden Geschäfte („ opérations en cours “) aufgeführt sind[82]. In der Zwischenzeit muss die Bank einen Kontoauszug erstellen. Bis dahin ist das Konto gesperrt. Der Schuldner kann jedoch die sofortige Freigabe des Guthabens beantragen, das er zur Deckung seines täglichen Bedarfs benötigt. In anderen Mitgliedstaaten werden Überweisungsaufträge des Schuldners ignoriert, die nicht spätestens zum Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungsbeschlusses an die Bank ausgeführt worden sind. Um die europäische Regelung leistungsfähiger zu machen, wird vorgeschlagen, dass eine Kontenbewegung, die zum Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungsbeschlusses an die Bank noch nicht ausgeführt worden ist, nach der Zustellung des Beschlusses nicht mehr ausgeführt werden darf. Zu elektronisch außerhalb der Geschäftszeiten zugestellten Pfändungsbeschlüssen siehe 5.1.3.

    Schuldnerschutz

    Ein angemessener Schutz des Schuldners in Vollstreckungsverfahren ist ein grundlegender Aspekt der geplanten EU-Regelung, der wohl bedacht sein will. Wenn – wie oben vorgeschlagen (siehe 3.2.3) – der Pfändungsbeschluss ohne Anhörung der Gegenpartei ergeht, ist es noch wichtiger, dass der Schuldner Gelegenheit erhält, Widerspruch zu erheben oder sofort nach Wirksamwerden des Beschlusses bei Gericht dessen Beschränkung zu beantragen. Diese Problematik wurde allgemein bereits unter 2.2.2 behandelt. Bestimmte Aspekte des Schuldnerschutzes wie die Anhörung des Schuldners (siehe 3.2.3), die Sicherheitsleistung des Gläubigers (siehe 3.4) und die Pfändungsfreigrenze (siehe 4.4) wurden ebenfalls bereits erörtert. In diesem Abschnitt nun wird ausführlicher auf die Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Schuldner, sein Widerspruchsrecht und die Haftung des Gläubigers für durch den Pfändungsbeschluss verursachte Schäden eingegangen.

    Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Schuldner

    Um gegen den Pfändungsbeschluss Widerspruch einlegen zu können, muss der Schuldner erst einmal Kenntnis von dem Beschluss und seiner Durchführung erhalten[83]. Hier stellt sich die Frage, wer für die Zustellung an den Schuldner zuständig sein soll, das Gericht, das den Pfändungsbeschluss erlassen hat, oder die kontoführende Bank. Zwar ist zu erwarten, dass die Bank den Schuldner im Rahmen ihres Vertragsverhältnisses über den Pfändungsbeschluss in Kenntnis setzen wird, doch muss geklärt werden, ob von der Bank in allen Fällen verlangt werden kann, dass sie den Schuldner informiert. Hierfür spricht, dass die Bank am ehesten in der Lage ist, den Schuldner zu informieren, da sie im Besitz seiner korrekten Anschrift ist. Allerdings lässt sich dagegen einwenden, dass nur eine förmliche Zustellung des Pfändungsbeschlusses durch das Gericht die Gewähr bietet, dass der Schuldner tatsächlich von dem Beschluss Kenntnis erhalten hat und seine Verteidigungsrechte wahrnehmen kann.

    Pflicht des Gläubigers zur Einleitung des Verfahrens in der Hauptsache

    Dem Hess-Bericht zufolge bestehen in allen Mitgliedstaaten auf Sicherung gerichtete vorläufige Maßnahmen parallel zu Verfahren, in denen über den Anspruch selbst entschieden wird[84]. Ist das Verfahren in der Hauptsache bereits anhängig, sind keine Probleme zu erwarten, da das Gericht die Begründetheit des Anspruchs prüfen wird. Beantragt der Gläubiger eine vorläufige Maßnahme vor Einleitung des Hauptverfahrens, so schreiben einige Mitgliedstaaten vor, dass das Hauptverfahren innerhalb einer bestimmten Frist[85], die entweder gesetzlich oder vom Gericht den Umständen entsprechend festgelegt wird, beginnt. Kommt der Gläubiger dem nicht nach, wird die vorläufige Maßnahme in manchen Mitgliedstaaten ipso iure unwirksam, in anderen hingegen muss der Schuldner die Aufhebung der Maßnahme beantragen oder das Gericht wird ermächtigt, die Maßnahme von Amts wegen aufzuheben.

    Um den Schuldner vor schikanösen Pfändungsbeschlüssen zu schützen, wird vorgeschlagen, den Gläubiger zu verpflichten, das Verfahren in der Hauptsache innerhalb eines europaweit festgesetzten Zeitrahmens anzustrengen. Was die Ausgestaltung dieser Pflicht und die Sanktionen im Falle einer Nichtbeachtung anbelangt, so ist zu prüfen, ob hier eine Rechtsangleichung notwendig ist oder ob ein Verweis auf das einzelstaatliche Recht genügt. Angesichts der Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten empfiehlt es sich, die Frist für die Einleitung des Hauptsacheverfahrens EU-weit zu regeln.

    Widerspruch gegen den Pfändungsbeschluss und Zuständigkeit

    Bei einem ohne Anhörung der Gegenpartei ergangenen Pfändungsbeschluss muss dem Schuldner aufgrund der für ein faires Verfahren geltenden allgemeinen Grundsätze Gelegenheit gegeben werden, gegen den Beschluss Widerspruch einzulegen. Entsprechend räumen alle im Hess-Bericht untersuchten Mitgliedstaaten (EU-15) dem Schuldner diese Möglichkeit ein[86]. In einer europäischen Regelung muss deshalb festgelegt werden, aus welchen Gründen und in welchem Umfang der Schuldner einer auf Sicherung gerichteten vorläufigen Maßnahme widersprechen kann.

    Die Widerspruchsgründe lassen sich zwei Gruppen zuordnen: Die Widerspruchsgründe der ersten Gruppe betreffen den Anspruch selbst und sind gegen seine Existenz als solche oder seine Vollstreckbarkeit gerichtet, um den fumus boni iuris zu entkräften. Die Widerspruchsgründe der zweiten Gründe betreffen die Eilbedürftigkeit oder Notwendigkeit des Pfändungsbeschlusses (periculum in mora); siehe hierzu die Voraussetzungen für einen Pfändungsbeschluss unter 3.2.1 und 3.2.2. Zu unterscheiden ist möglicherweise auch danach, ob der Gläubiger bereits ein Urteil in der Hauptsache erwirkt und den Pfändungsbeschluss in Erwartung der Anerkennung seines Urteils beantragt hat oder ob er den Antrag auf Pfändung vor dem Urteil in der Hauptsache stellt.

    Im letzteren Fall sollte der Schuldner der Pfändung unter Hinweis auf fehlende Eilbedürftigkeit widersprechen können. Außerdem sollte sich die Leistung einer weiteren Sicherheit auf die Gültigkeit des Pfändungsbeschlusses auswirken. Auch wenn der Gläubiger das Recht hat, die Vollstreckung seiner Forderung zu sichern, schließt dies nicht das Recht auf eine spezielle Sicherheitsleistung in Höhe der Forderung ein. Der Schuldner sollte deshalb den Pfändungsbeschluss aufheben lassen können, wenn er dem Gläubiger eine weitere Sicherheit anbietet, die die Forderung abdeckt. In manchen Mitgliedstaaten schreibt das Gesetz ausdrücklich vor, dass der Pfändungsbeschluss aufzuheben ist, wenn der Schuldner eine ausreichende Sicherheit leistet[87].

    Bei den Widerspruchsgründen als solchen ist eine differenziertere Vorgehensweise nötig. Es muss klar abgegrenzt werden zwischen dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und dem Verfahren in der Hauptsache. Weder scheint es wünschenswert, alle Widersprüche gegen den Erlass eines Pfändungsbeschlusses auszuschließen, die sich gegen die Begründetheit des Anspruchs richten, noch sollten sie alle ungeachtet des Verfahrens in der Hauptsache zugelassen werden. Zumindest sollte das Gericht den Pfändungsbeschluss nach eigenem Ermessen zurücknehmen können, wenn der Schuldner nachweisen kann, dass der Gläubiger die tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruchs nicht glaubhaft gemacht hat.

    Ist der Widerspruch des Schuldners erfolgreich, sollte das Gericht den Pfändungsbeschluss aufheben oder gegebenenfalls ändern oder in der Höhe beschränken.

    Welches Gericht oder welche Behörde über den Widerspruch des Schuldners gegen den Pfändungsbeschluss entscheidet, ist in den Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelt[88]. In manchen Ländern ist das Gericht, das den Pfändungsbeschluss erlassen hat, auch für das Widerspruchsverfahren zuständig, in anderen die Vollstreckungsbehörde. Dem Hess-Bericht zufolge gibt es eine Gemeinsamkeit im Recht der Mitgliedstaaten. Danach ist stets das Gericht der Hauptsache für die Überwachung der in Rechtsschutzverfahren erlassenen vorläufigen Maßnahmen zuständig[89]. Im Grunde geht es darum, ob für den Antrag des Schuldners auf Aufhebung oder Beschränkung des Pfändungsbeschlusses ein anderes Gericht zuständig sein soll als das Gericht, das den Pfändungsbeschluss erlassen hat.

    Haftung des Gläubigers für durch den Pfändungsbeschluss verursachte Schäden

    Im Zusammenhang mit dem Schuldnerschutz ist auch die Haftung des Gläubigers für Schäden, die dem Schuldner durch einen ungerechtfertigten Pfändungsbeschluss entstanden sind, zu klären[90]. Die Haftungsfrage stellt sich dann, wenn der Gerichtsbeschluss aufgehoben wurde und kein Zweifel besteht, dass das Gericht den Beschluss auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt bekannten Umstände nicht erlassen hätte.

    Als erstes ist zu prüfen, ob die Haftung des Gläubigers einheitlich geregelt werden muss. Die meisten Mitgliedstaaten verpflichten den Gläubiger, den Schuldner für dessen Verlust in irgendeiner Form zu entschädigen[91], was gegen eine harmonisierte Regelung spräche. Bei näherer Betrachtung unterscheiden sich die Entschädigungsvoraussetzungen jedoch erheblich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat[92]. In manchen Mitgliedstaaten haftet der Gläubiger unabhängig davon, ob er den Schaden fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt hat[93]. Die Haftung des Gläubigers folgt in diesen Rechtssystemen zwangsläufig aus der vorläufigen Vollstreckung eines Titels[94].

    Andere Mitgliedstaaten sehen eine Haftung des Gläubigers nach Maßgabe des allgemeinen Deliktsrechts nur bei Fahrlässigkeit oder Vorsatz vor[95]. Ob der Gläubiger haften soll, wenn er den Pfändungsbeschluss in gutem Glauben beantragt hat, hängt davon ab, wer das Risiko für die Folgen aus einem solchen Antrag tragen soll. Soll der Gläubiger verschuldensunabhängig haften, trägt er das Risiko, dass die Voraussetzungen für den Erlass des Pfändungsbeschlusses zum Zeitpunkt seines Erlasses nicht vorlagen. Soll der Gläubiger nur haften, wenn er bösgläubig oder (grob) fahrlässig gehandelt hat, läge das Risiko für einen zu Unrecht erlassenen Pfändungsbeschluss beim Schuldner.

    Angesichts der beträchtlichen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, wird vorgeschlagen, EU-weit ausdrücklich zu regeln, wer das Risiko für einen ungerechtfertigten Pfändungsbeschluss trägt.

    Rangfolge der Gläubiger

    Dem Hess-Bericht zufolge wirkt sich eine Sicherungsmaßnahme in den Mitgliedstaaten unterschiedlich auf die Rangfolge der Gläubiger aus. Diese Unterschiede sind durch die Ausgestaltung der einzelstaatlichen Vollstreckungsvorschriften bedingt[96]. In den Mitgliedstaaten, deren Vollstreckungsrecht auf dem Grundsatz fußt „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“[97], kann ein Pfändungsbeschluss Auswirkungen auf die Rangfolge konkurrierender Gläubiger haben. In diesen Mitgliedstaaten ist der Zeitpunkt der Vollstreckung des Pfändungsbeschlusses maßgebend für die Rangfolge der konkurrierenden Gläubiger. In manchen Mitgliedstaaten erwirbt der Gläubiger ein Pfandrecht am Bankguthaben des Schuldners und die durch dieses Pfandrecht begründete Rangfolge bleibt in einem anschließenden Vollstreckungsverfahren erhalten[98].

    In den Mitgliedstaaten hingegen, deren Vollstreckungsrecht auf dem Gruppenprinzip basiert, werden die Ansprüche der Gläubiger, die derselben Gruppe angehören, unabhängig von etwaigen Sicherungsmaßnahmen gleichbehandelt. In diesem Fall verleiht ein Pfändungsbeschluss dem Gläubiger keinen Vorteil gegenüber den konkurrierenden Gläubigern derselben Gruppe. In beiden Vollstreckungssystemen ist bei der Rangfolge konkurrierender Gläubiger allerdings zusätzlich zu beachten, dass Gläubiger mit Vorrechten vorhanden sein könnten, die vorrangig zu befriedigen sind[99].

    In manchen Ländern mit angelsächsischer Rechtstradition, insbesondere in England, Wales und Irland, haben Pfändungsbeschlüsse in Gestalt von ‚Freezing Orders’ keinen Einfluss auf die Rangfolge konkurrierender Gläubiger: Der Gläubiger hat lediglich einen Sicherungsanspruch, und durch eine auf Sicherung gerichtete Maßnahme wird kein dingliches Recht begründet[100] .

    Nach eingehender Untersuchung der Unterschiede zwischen den Rechtssystemen und deren Auswirkungen auf Pfändungsbeschlüsse[101] kommt die Hess-Studie zu dem Schluss, dass die Anwendung des Prioritäts- oder des Gruppenprinzips nicht in allen Fällen von entscheidender Bedeutung ist[102]. Wenn der Vergleich auf Gläubiger ausgedehnt wird, die Vorrechte genießen, lässt sich eine noch stärkere Konvergenz zwischen den Systemen feststellen[103]. Angesichts dieser Ergebnisse und der sehr komplexen Frage der konkurrierenden Gläubiger (wie die vorstehenden Unterschiede zeigen) ist die Kommission der Ansicht, dass eine Harmonisierung auf europäischer Ebene hier zu weit gehen dürfte. Es wird daher vorgeschlagen, die Bestimmung der Rangfolge konkurrierender Gläubiger dem einzelstaatlichen Recht zu überlassen.

    ‚Umwandlung’ einer Sicherungsmaßnahme in einen Vollstreckungstitel

    An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob und wie aus dem vorläufigen Pfändungsbeschluss die Befriedigung des Gläubigers verlangt werden kann, wenn der Gläubiger im Hauptsacheverfahren obsiegt. Aus der Sicht des Gläubigers kommt es hier in erster Linie darauf an, dass er den ihm vom Gericht zugesprochenen Betrag mit so wenig Zwischenschritten wie möglich erhält. Außerdem sollte er seinen Rang gegenüber konkurrierenden Gläubigern in den Mitgliedstaaten, in denen sich ein Pfändungsbeschluss auf die Rangfolge der Gläubiger auswirkt (siehe 5.3), behalten.

    In vielen Mitgliedstaaten ist es ohne Weiteres möglich, die vorläufige Kontensperrung in das Verfahren zur Vollstreckung rechtskräftiger Pfändungsbeschlüsse einzugliedern. Dieses Verfahren ist in zwei Abschnitte gegliedert: In der ersten Phase wird der Pfändungsbeschluss erlassen und die Bank von der Pfändung unterrichtet. In der zweiten Phase wird der Anspruch auf den Vollstreckungsgläubiger übertragen, so dass dieser von der Bank die Herausgabe des Gelds verlangen kann. Die vorläufige Kontensperrung entspricht der ersten Phase dieses Verfahrens[104].

    Entsprechend der in diesen Rechtsordnungen gewählten Lösung wäre es denkbar, dass ein Gläubiger, nachdem er ein vollstreckbares Urteil gegen den Schuldner erwirkt hat, als Vollstreckungsmaßnahme in der zweiten Phase die Umwandlung der vorläufigen Kontenpfändung in eine endgültige Pfändung beantragen kann. Damit könnte das Geld nach Zustellung dieses Vollstreckungsbeschlusses an die kontoführende Bank dem Gläubiger ausgezahlt werden. Welches Gericht oder welche Vollstreckungsbehörde für diesen Vollstreckungsbeschluss zuständig ist, ist in den Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelt. In manchen Mitgliedstaaten kann die Vollstreckung vom Gericht der Hauptsache angeordnet werden, in anderen wäre das Gericht am Ort der kontoführenden Bank oder am Wohnsitz des Gläubigers zuständig. Es ist zu prüfen, ob diese Frage dem einzelstaatlichen Recht überlassen werden kann, oder ob eine europäische Regelung erforderlich ist, um zu vermeiden, dass Gläubiger, die zur Wahrung ihrer Rechte das europäische Verfahren in Anspruch genommen haben, anschließend bei der Vollstreckung benachteiligt werden.

    [1] Vgl. die Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Europäischer Rat (Tampere), Oktober 1999, Rdnrn. 28 ff.

    [2] Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. L 12 vom 16.1.2001, S. 1.

    [3] Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. C 12 vom 15.1.2001, S. 1, (unter II.A.2. a) iv)).

    [4] Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union, ABl. C 53 vom 3.3.2005, S. 1.

    [5] Siehe Haager Programm, Ziff. 3.4.2.

    [6] Vgl. die Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament „Wege zu einer effizienteren Erwirkung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in der Europäischen Union“, ABl. C 33 vom 31.1.1998, S. 3, Rdnrn. 46 f.

    [7] EuGH, Rs. 125/79, Denilauler/Couchet Frères , Slg. 1980, 1553.

    [8] Dies gilt u. a. für Spanien, vgl. Hess-Bericht, S. 143 (liegt nicht auf Deutsch vor).

    [9] Vgl. Fußnote 5.

    [10] Vgl. Mitteilung der Kommission, Rdnrn. 46 f.

    [11] Studie JAI/A3/2002/02 (liegt nicht auf Deutsch vor) im Internet abrufbar unter:http://ec.europa.eu./justice_home/doc_centre/civil/studies/doc_civil_studies_en.htm.

    [12] Vgl. hierzu allgemein die Diskussion im Hess-Bericht zu ‚garnishment’ in Teil C ‚Attachment of Bank Accounts’, S. 60 ff.

    [13] Vgl. Hess-Bericht, S. 147 bis Ende.

    [14] Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen.

    [15] Vgl. u. a das von der Union Internationale des Huissiers de Justice im Oktober 2004 in Wien organisierte Seminar.

    [16] W. Kennett, The Enforcement of Judgments in Europe (2000).

    [17] Vgl. hierzu die Schlussfolgerungen in Teil E des Hess-Berichts (S. 147) und die Ausführungen zur Rechtslage insbesondere in den Teilen C und D.

    [18] Vorschlag der Kommission vom 19. März 2004, KOM(2004) 173 endg. Ziel dieses Vorschlags ist die Einführung eines einheitlichen Mahnverfahrens in allen Mitgliedstaaten. Damit wäre es möglich, ohne Exequaturverfahren rasch und kostengünstig eine überall in der EU vollstreckbare gerichtliche Entscheidung zu erwirken.

    [19] Vorschlag der Kommission vom 15. März 2005, KOM(2005) 87 endg. Ziel dieses Vorschlags ist es, durch Einführung eines einheitlichen europäischen Verfahrens Streitigkeiten mit geringem Streitwert einfacher, schneller und kostengünstiger beilegen zu können.

    [20] Vorschlag der Kommission vom 22. Oktober 2004, KOM(2004) 718 endg.

    [21] Richtlinie 2004/80/EG des Rates vom 29. April 2004 zur Entschädigung der Opfer von Straftaten, ABl. L 261 vom 6.8.2004, S. 15.

    [22] Vgl. Hess-Bericht, S. 13 mit weiteren Literaturhinweisen.

    [23] Vgl. hierzu das Weißbuch zur Finanzdienstleistungspolitik für die Jahre 2005-2010 vom 5.12.2005.

    [24] Vgl. Hess-Bericht, S. 121; Antworten auf die Frage 2.5.3.2 in den Länderberichten zum Thema ‚Vorläufige Maßnahmen’.

    [25] Vgl. Hess-Bericht, S. 128.

    [26] Vgl. Vorschlag der Kommission vom 15. März 2005, KOM(2005) 87 endg.

    [27] Vgl. Vorschlag der Kommission vom 19. März 2004, KOM(2004) 173 endg.

    [28] Verordnung (EG) Nr. 805/2004 vom 21. April 2004, ABl. L 143 vom 16.1.2001, S. 15.

    [29] Vgl. Hess-Bericht, S. 129.

    [30] Vgl. Antworten auf die Fragen 2.4.2 – 2.4.4 in den Länderberichten zum Thema ‚Vorläufige Maßnahmen’.

    [31] Dieser Begriff wird auch von den Gemeinschaftsgerichten verwendet; vgl. den Beschluss des Präsidenten des Gerichts erster Instanz in der Rechtssache T-201/04 R, Microsoft/Kommission , vom 22. Dezember 2004.

    [32] Vgl. Hess-Bericht, S. 129; siehe auch die Antworten auf die Frage 2.3.2 in den Länderberichten zum Thema ‚Vorläufige Maßnahmen’.

    [33] Vgl. Hess-Bericht, S. 129; dies ist insbesondere in Frankreich der Fall.

    [34] Vgl. die Antworten auf die Frage 2.4.3.1 in den Länderberichten zum Thema ‚Vorläufige Maßnahmen’.

    [35] Vgl. auch die Antworten auf die Fragen 2.6 und 3.6 in den Länderberichten zum Thema ‚Vorläufige Maßnahmen’.

    [36] Vgl. Hess-Bericht, S. 130.

    [37] Vgl. Hess-Bericht, S. 131.

    [38] Vgl. Länderberichte zur Kontenpfändung, Antworten auf die Fragen 2.2 ff.; Hess-Bericht, S. 132.

    [39] Dies scheint für Finnland, Schweden und Spanien zuzutreffen.

    [40] Hess-Bericht, S. 132 mit weiteren Literaturhinweisen.

    [41] Vgl. Länderberichte zur Kontenpfändung, Antworten auf die Fragen 2.2.1 ff.

    [42] Vgl. den Länderbericht Irland zur Kontenpfändung, Antwort auf die Frage 2.2.

    [43] Vgl. die Antworten auf Frage 6.1 in den Länderberichten zum Thema ‚Vorläufige Maßnahmen’.

    [44] Vgl. Hess-Bericht, S. 133.

    [45] Vgl. Hess-Bericht, S. 134.

    [46] Vgl. Hess-Bericht, S. 76.

    [47] Vgl. Hess-Bericht, S. 135 mit weiteren Literaturhinweisen.

    [48] Vgl. Hess-Bericht, S. 83.

    [49] Vgl. Hess-Bericht, S. 121; siehe auch Niboyet & Lacassange, „National Report: France“, in Andenas, Hess & Oberhammer (eds), Enforcement Agency Practice in Europe (London, 2005), S. 160.

    [50] Vgl. die Länderberichte zur Kontenpfändung (Anhang 2 des Hess-Berichts), insbesondere die Antworten auf Frage 4. NB: Diese Antworten gehen oft von einem rechtskräftigen Urteil aus und sind deshalb mit der in diesem Grünbuch als Sicherungsmaßnahme konzipierten vorläufigen Kontenpfändung nicht ganz vereinbar.

    [51] Niboyet & Lacassange, „National Report: France“, in Andenas, Hess & Oberhammer (eds), Enforcement Agency Practice in Europe (BIICL, London, 2005), S. 160.

    [52] Vgl. Hess-Bericht, S. 70 mit weiteren Literaturhinweisen, und Antworten auf die Fragen 4.4 ff.

    [53] Siehe im Einzelnen hierzu die Antworten auf die Fragen in Kapitel 7 der Länderberichte zur Kontenpfändung (Anhang 2 des Hess-Berichts).

    [54] Vgl. das Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. C 12 vom 15.1.2001, S. 1, und das Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union, ABl. C 53 vom 3.3.2005.

    [55] Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004, ABl. L 143 vom 30.4.2004, S. 15.

    [56] Artikel 5 der Verordnung.

    [57] KOM(2005) 649 endg.

    [58] Vgl. auch Hess-Bericht, S. 61 und 64 zum Vorschlag für einen ‚Europäischen Pfändungsbeschluss’.

    [59] Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten, ABl. L 160 vom 30.6.2000, S. 37.

    [60] Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten, KOM(2005) 305 endg.

    [61] Vgl. die Begründung zu dem vorgenannten Kommissionsvorschlag (Fußnote 59).

    [62] Bericht der Kommission vom 1.10.2004 an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten, KOM(2004) 603.

    [63] A. a. O., S. 6.

    [64] Vgl. Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000: „Die Übermittlung von Schriftstücken, Anträgen, Zeugnissen, Empfangsbestätigungen, Bescheinigungen und sonstigen Dokumenten zwischen den Übermittlungs- und Empfangsstellen kann auf jedem geeigneten Übermittlungsweg erfolgen, sofern das empfangene Dokument mit dem versandten Dokument inhaltlich genau übereinstimmt und alle darin enthaltenen Angaben mühelos lesbar sind“.

    [65] Vgl. u. a. Österreich, Vortrag des österreichischen Bundesjustizministers Martin Schneider auf der gemeinsamen Konferenz der Europäischen Kommission und des Europarats „Towards an ideal trial“ zur Verwendung elektronischer Antragsformulare und zu anderen Möglichkeiten, auf elektronischem Weg Klage vor einem Zivilgericht zu erheben, Brüssel, 18.-20. November 2004.

    [66] Siehe die Informationsbroschüre unter www.hcch.net .

    [67] Vgl. Hess-Bericht, S. 42 und Fußnote 225.

    [68] Vgl. Hess-Bericht, S. 40 ff.

    [69] Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.1.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31.

    [70] EuGH, Rs. C-465/00, Rechungshof , Rdnrn. 68 ff.

    [71] Vgl. Rotaru gegen Romania, Rdnrn. 55 ff; Amann gegen Schweiz, Rdnrn. 76 und 80; Khan gegen Vereinigtes Königreich, Rdnr. 26; Valenzuela Contreras gegen Spanien, Rdnrn. 60 f.; Kopp gegen Schweiz, Rdnrn. 72 und 75; Funke gegen Frankreich, Rdnr. 57; Niemietz gegen Deutschland, Rdnr. 37; Kruslin gegen Frankreich, Rdnrn. 34 f.; Malone gegen Vereinigtes Königreich, Rdnrn. 79 f.

    [72] Vgl. auch Hess-Bericht, S. 94 und Fußnote 516.

    [73] Vgl. Hess-Bericht, S. 95.

    [74] Vgl. Hess-Bericht, S. 41. Siehe die Antworten auf den Fragebogen: Wenn der Drittschuldner Widerspruch gegen die Forderung erhebt, muss der Gläubiger seine Forderung vor Gericht geltend machen. Hess-Bericht, S. 93 und Fußnote 507.

    [75] Hess-Bericht, S. 95 mit Verweis auf die Rechtslage in Frankreich, Irland und England.

    [76] Vgl. Hess-Bericht, S. 41; Deutschland.

    [77] Vgl. Hess-Bericht, S. 92 und Fußnote 500.

    [78] Vgl. die Antworten auf den Fragebogen: Österreich und Luxemburg.

    [79] Vgl. die Antworten auf den Fragebogen: Frankreich und Schweden.

    [80] Vgl. die Rechtslage in den Mitgliedstaaten, Hess-Bericht, S. 42 und Fußnoten 224 f.

    [81] Vgl. Hess-Bericht, S. 95.

    [82] Vgl. den Länderbericht Frankreich zur Kontenpfändung, Antwort auf die Frage 4.1.1. Hess-Bericht, S. 66.

    [83] Vgl. Hess-Bericht, S. 64. Dies ist in den meisten Mitgliedstaaten der Fall (siehe Literaturhinweise in Fußnote 341); vgl. auch Fußnoten 313 und 515 (Zustellung nach Vollstreckung des Pfändungsbeschlusses).

    [84] Vgl. Hess-Bericht, S. 132 ff.

    [85] Vgl. Hess-Bericht, S. 133 mit weiteren Literaturhinweisen; siehe auch die Antworten in den Länderberichten auf Frage 2.8.1, aus denen die nachstehenden Beispiele stammen.

    [86] Vgl. Hess-Bericht, S. 64 in Bezug auf rechtskräftige Pfändungsbeschlüsse.

    [87] Vgl. u. a. § 923 der deutschen Zivilprozessordnung.

    [88] Vgl. Hess-Bericht, Antworten auf die Fragen 2.8.2 und 2.8.4. In Bezug auf den Pfändungsbeschluss heißt es auf Seite 64: „Whether the objections are heard by the enforcements organs, the enforcement courts or dealt with by the ordinary courts depends on the general structure of the enforcement process.“ (Ob der Widerspruch beim Vollstreckungsorgan, beim Vollstreckungsgericht oder beim ordentlichen Gericht eingelegt wird, hängt von der allgemeinen Struktur des Vollstreckungsverfahrens ab).

    [89] Vgl. Hess-Bericht, S. 133. Dem Bericht zufolge muss die Koordinierung zwischen dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und dem Verfahren der Hauptsache auf europäischer Ebene verbessert werden (S. 135).

    [90] Vgl. Hess-Bericht, S. 118 und Fußnote 759 in Verbindung mit Fußnote 583.

    [91] Vgl. Hess-Bericht, S. 102, 130 und 133.

    [92] Vgl. die Antworten auf den Fragebogen zu 2.8.4. In einigen Mitgliedstaaten ist der Gläubiger nicht haftbar, es sei denn, er hat ohne die „im Verkehr erforderliche Sorgfalt“ gehandelt.

    [93] Vgl. Hess-Bericht, S. 130, und Antworten auf den Fragebogen zu vorläufigen Maßnahmen (2.6 und 3.6).

    [94] Vgl. Hess-Bericht, S. 107 (und Fußnote 583).

    [95] Vgl. die Antworten auf den Fragebogen zu 3.6.

    [96] Vgl. Hess-Bericht, S. 72 ff.

    [97] Vgl. Hess-Bericht, S. 72: Österreich, Dänemark, England, Deutschland, Irland, Portugal, Spanien, Schottland und Schweden. Frankreich verfährt in Pfändungsverfahren nach diesem Grundsatz.

    [98] Vgl. Hess-Bericht, S. 131.

    [99] Einige Mitgliedstaaten haben alle Arten von Gläubigervorrechten aufgehoben, vgl. Hess-Bericht, S. 50 und Fußnote 268. Zum Unterhalt der Familie des Schuldners siehe 4. Zur Behandlung von Gläubigern mit einem öffentlich-rechtlichen Anspruch und solchen mit einem privatrechtlichen Anspruch vgl. Hess-Bericht, S. 51.

    [100] Vgl. Hess-Bericht, S. 131.

    [101] Vgl. Hess-Bericht, S. 72 f.

    [102] Vgl. Hess-Bericht, S. 74 und 95.

    [103] Vgl. hierzu im Einzelnen Hess-Bericht, S. 73.

    [104] Vgl. Hess-Bericht, S. 61 mit weiteren Literaturhinweisen.

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