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Document 52006DC0346

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften über die Anpassung der die Zuständigkeit des Gerichtshofs betreffenden Bestimmungen des Titels IV des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft im Hinblick auf die Gewährleistung eines effektiveren gerichtlichen Rechtsschutzes

/* KOM/2006/0346 endg. */

52006DC0346

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften über die Anpassung der die Zuständigkeit des Gerichtshofs betreffenden Bestimmungen des Titels IV des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft im Hinblick auf die Gewährleistung eines effektiveren gerichtlichen Rechtsschutzes /* KOM/2006/0346 endg. */


[pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

Brüssel, den 28.6.2006

KOM(2006) 346 endgültig

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT , DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS, DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN UND DEN GERICHTSHOF DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

über die Anpassung der die Zuständigkeit des Gerichtshofs betreffenden Bestimmungen des Titels IV des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft im Hinblick auf die Gewährleistung eines effektiveren gerichtlichen Rechtsschutzes

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS, DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN UND DEN GERICHTSHOF DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

über die Anpassung der die Zuständigkeit des Gerichtshofs betreffenden Bestimmungen des Titels IV des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft im Hinblick auf die Gewährleistung eines effektiveren gerichtlichen Rechtsschutzes

Einleitung

Der Einzelne muss einen effektiven gerichtlichen Schutz der Rechte in Anspruch nehmen können, die er aus der Gemeinschaftsrechtsordnung herleitet[1]. Der EG-Vertrag hat hierzu ein vollständiges System von Rechtsbehelfen und Verfahren geschaffen, bei dem die enge Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten im Wege des Verfahrens der Vorabentscheidung (Artikel 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag)) eine wesentliche Rolle spielt.

Im Vertrag von Amsterdam wurde das Ziel festgeschrieben, schrittweise einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu schaffen. Hierzu wurde ein Teil der Rechtsbereiche, die zuvor in Titel VI des Vertrags über die Europäische Union (so genannte dritte Säule) geregelt waren, unter bestimmten Voraussetzungen in den EG-Vertrag übergeführt. Seither ist der Aufbau dieses Raums insbesondere dank des politischen Engagements des Europäischen Rats im Jahr 1999 (Sondergipfel von Tampere) und 2004 (Haager Programm) sowie der guten Zusammenarbeit aller Organe für die Europäische Union zur Priorität geworden.

Die Achtung der Grundrechte und ein effektiver gerichtlicher Rechtsschutz für jedermann muss wesentlicher Bestandteil eines solchen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sein. Dementsprechend gibt Artikel 67 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich EG-Vertrag dem Rat auf, nach Ablauf der Übergangszeit von fünf Jahren ab Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam einen Beschluss zu fassen, wonach „die Bestimmungen über die Zuständigkeit des Gerichtshofs angepasst werden“ (d. h. die Bestimmungen des Artikels 68 EG-Vertrag).

Die Kommission stellt fest, dass die Übergangszeit zum 1. Mai 2004 abgelaufen und der Rat noch nicht tätig geworden ist, um dieser rechtlichen Verpflichtung nachzukommen[2].

Diese Mitteilung will einen Beitrag zur Anpassung der Bestimmungen des Artikels 68 EG-Vertrag über die Zuständigkeiten des Gerichtshofs in den Bereichen, die unter Titel IV fallen, leisten. Nach Dafürhalten der Kommission sollte diese Anpassung darin bestehen, die betreffenden Zuständigkeiten in die allgemeine Regelung des Vertrags einzubeziehen. Ein entsprechender Entwurf für einen Beschluss des Rates ist im Anhang beigefügt.

Wie nachstehend ausgeführt, sollten die den Gerichtshof betreffenden Bestimmungen des Titels IV nach Auffassung der Kommission in allen Bereichen des Titels IV dem allgemeinen Rechtsschutzsystem des EG-Vertrags angepasst werden. Die Sondervorschriften des Artikels 68 EG-Vertrag sollten demnach nicht mehr angewandt werden. Dies gilt zunächst für Absatz 1 dieses Artikels, wonach nur letztinstanzliche nationale Gerichte sich mit einem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof wenden dürfen, während Artikel 234 EG-Vertrag, der die Zusammenarbeit mit den Gerichten der Mitgliedstaaten regelt, diese Möglichkeit jedem nationalen Gericht bietet. Gleiches muss auch für das Verfahren in Absatz 3 gelten[3], der nach Anwendung des regulären Vorabentscheidungsverfahrens obsolet wird. Es besteht zudem auch kein Grund mehr, die in Absatz 2 vorgesehene Unzuständigkeit des Gerichtshofs für bestimmte Maßnahmen[4] aufrechtzuerhalten.

Nachstehend werden die Gründe erläutert, auf die die Kommission ihre Position stützt. Für die Anpassung der die Zuständigkeiten des Gerichtshofs betreffenden Bestimmungen des Titels IV an die allgemeine Regelung spricht u. a. Folgendes:

- Es wird eine einheitliche Anwendung und Auslegung des Gemeinschaftsrechts in diesem Bereich wie in allen anderen Bereichen sichergestellt (siehe Ausführungen unter a).

- Der Rechtsschutz wird gerade in Bereichen, in denen die Wahrung der Grundrechte besonders heikel ist, verstärkt (siehe Ausführungen unter b).

- Die aus dem Vertrag von Amsterdam resultierende Schwächung des Rechtsschutzes in Zivilsachen, die unter Artikel 65 EG-Vertrag fallen, wird korrigiert (siehe Ausführungen unter c).

- Das Rechtsschutzsystem der Gemeinschaft wird normal funktionieren, ohne dass Ausfälle zu befürchten sind (siehe Ausführungen unter d).

a) Sicherstellung der einheitlichen Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts

Seit Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam verfolgt die Europäische Union auf Initiative des Europäischen Rats von Tampere, die durch das Haager Programm erneut bestätigt wurde, ein umfassendes Gesetzgebungsprogramm in den Bereichen der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, Asyl, Einwanderung und Visa sowie Freizügigkeit. Entsprechend den Erwartungen der EU-Bürger und der in Europa lebenden Drittstaatsangehörigen, deren Wunsch es ist, in einem echten Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu leben, entsteht zur Zeit ein beeindruckender Gemeinschaftsrechtskorpus.

Dieser Korpus ist wie jede andere gemeinschaftsrechtliche Regelung überall in der EU einheitlich auszulegen und anzuwenden. Garant hierfür ist der Gerichtshof. In dem Maße, wie dieser Korpus nicht nur quantitativ, sondern vor allem auch qualitativ im Hinblick auf die Bedeutung der Rechte wächst, die er gewährt, ist unbedingt dafür zu sorgen, dass er einheitlich in der EU angewandt wird.

Für den Gerichtshof ist das ideale Verfahren zur Wahrung der Einheit des Gemeinschaftsrechts das Vorabentscheidungsverfahren nach Artikel 234 EG-Vertrag. Dieses Verfahren, das eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten verlangt, ist das Kernstück der Gemeinschaftsrechtsordnung. Wesentlicher Grundsatz dieses Verfahrens ist, dass sich jedes nationale Gericht an den Gerichtshof wenden kann.

Jede dauerhafte Abweichung von diesem Grundsatz hindert den Gerichtshof an der Erfüllung seiner Aufgabe, die Einheit des Gemeinschaftsrechts für alle Rechtssubjekte zu gewährleisten. So hat der Gerichtshof schon 1995 gewarnt: „Eine Einschränkung der Möglichkeit, den Gerichtshof anzurufen, würde die einheitliche Anwendung und Auslegung des Gemeinschaftsrechts in der gesamten Union gefährden und damit die Gefahr heraufbeschwören, daß der einzelne um einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gebracht und die Einheit der Rechtsprechung in Frage gestellt wird. [...] Das System des Vorabentscheidungsverfahrens ist die eigentliche Grundlage für das Funktionieren des Binnenmarktes, da es entscheidend ist für die Erhaltung des Gemeinschaftscharakters der durch die Verträge errichteten Rechtsordnung und da es unter allen Umständen gewährleisten soll, daß dieser Rechtsordnung in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union dieselbe Wirkung zukommt. [...] Eine der wesentlichen Aufgaben des Gerichtshofes besteht gerade darin, eine solche einheitliche Auslegung sicherzustellen, und er erfüllt sie eben dadurch, daß er die von den nationalen Gerichten gestellten Fragen beantwortet“[5].

Der Gerichtshof hat diesen Punkt später wieder aufgegriffen, als er die seit dem Übergang zur Europäischen Union 1993 innerhalb der Union auftretenden Disparitäten bei der gerichtlichen Kontrolle bedauerte und eine Vereinheitlichung des gerichtlichen Rechtsschutzes nach dem Vorbild des Gemeinschaftsrechts als besten Weg empfahl, um die Achtung des Rechts im gesamten Bereich der Europäischen Union zu gewährleisten[6].

Die Kommission weist darauf hin, dass Kohärenz eine wesentliche Voraussetzung für einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ist. Eine einheitliche Auslegung des inzwischen entstandenen Regelwerks ist unerlässlich, um diese Kohärenz zu garantieren. So wird die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts beispielsweise im Bereich Asyl und Einwanderung erheblich dazu beitragen, die Sekundärmigration zwischen den Mitgliedstaaten, die seit Schaffung dieses Raums ständig Anlass zu Besorgnis gibt, zu begrenzen. Auch die Erfahrungen im Bereich der Zusammenarbeit in Zivilsachen sprechen für sich: Dem Gerichtshof ist es zwar gelungen, seit 1971 aus dem Übereinkommen Brüssel I ein äußerst effizientes Rechtsinstrument im Dienst der Rechtsuchenden zu machen (siehe c), doch gilt dies nicht für das Übereinkommen von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht[7], dessen Bestimmungen von einem Mitgliedstaat zum anderen sehr unterschiedlich ausgelegt werden, da der Gerichtshof seine Aufgabe der Rechtsvereinheitlichung nicht wahrnehmen konnte.

Die Kommission ist deshalb der Auffassung, dass Artikel 234 EG-Vertrag nunmehr auf diese gesamte Materie angewendet werden sollte, die Gegenstand einer äußerst dynamischen Rechtsetzung ist. Je schneller sich das Gemeinschaftsrecht insbesondere dank der im Dezember 2004 beschlossenen Ausweitung der Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit und des Mitentscheidungsverfahrens in den Bereichen des Titels IV entwickelt, desto weniger gerechtfertigt erscheinen die ursprünglich nur für eine Übergangszeit von fünf Jahren vorgesehenen Grenzen, die der Zuständigkeit des Gerichtshofs gesetzt sind. Die Kommission hat bereits in ihrer Erklärung vom Dezember 2004 auf diesen Punkt hingewiesen[8].

b) Stärkung des gerichtlichen Rechtsschutzes

Das Prinzip eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts. Es ist eines der fundamentalen Rechte, die den Begriff des Rechtsstaats selbst ausmachen. Die Ausnahme von diesem Grundsatz in Artikel 68 EG-Vertrag kommt in Politikbereichen zum Tragen, in denen die Grundrechte und der Schutz besonders gefährdeter Personen von besonderer Bedeutung sind.

Die in Artikel 68 Absatz 1 EG-Vertrag vorgesehene Einschränkung des Rechts, den Gerichtshof anzurufen, ist in Bezug auf den gerichtlichen Rechtsschutz in zwei Fällen problematisch.

Im ersten Fall können nationale Gerichte sowohl der ersten Instanz als auch der Berufungsinstanz bei nationalen Streitigkeiten wegen subjektiver Rechte, die durch eine nach Titel IV erlassene Regelung begründet wurden, den Gerichtshof nicht um Auslegung des anwendbaren Gemeinschaftsrechts ersuchen. Die Betroffenen sind somit unter Umständen gezwungen, den nationalen Rechtsweg bis zur letzten Instanz auszuschöpfen, bevor sie ein Vorabentscheidungsersuchen zur Klärung ihrer Rechte erwirken können.

Im zweiten Fall genießen Personen, die sich durch einen auf der Grundlage von Titel IV erlassenen Gemeinschaftsrechtsakt in ihren Grundrechten verletzt fühlen, keinerlei Rechtsschutz durch die Gemeinschaftsgerichte, bevor sie nicht alle nationalen Instanzen durchlaufen haben, denn nur der Gerichtshof kann einen Gemeinschaftsrechtsakt für ungültig erklären[9]. Folglich ist ein nationales erstinstanzliches oder Berufungsgericht aufgrund von Artikel 68 Absatz 1 EG-Vertrag gezwungen, einen Rechtsakt auch dann anzuwenden, wenn es von dessen Rechtswidrigkeit überzeugt ist, ohne den Gerichtshof in dieser Sache anrufen zu können. Noch schwerwiegender ist jedoch, dass dieses Gericht anscheinend nicht einmal vorläufigen Rechtsschutz gewähren darf, denn die Anwendung eines Gemeinschaftsrechtsakts darf nur dann ausgesetzt werden, wenn gleichzeitig ein Vorabentscheidungsersuchen zur Gültigkeit des Rechtsakts an den Gerichtshof gerichtet wird[10].

In beiden Fällen besteht somit in der Praxis die Gefahr, dass den Betroffenen wegen der gemäß Artikel 68 Absatz 1 EG-Vertrag eingeschränkten Zuständigkeit des Gerichtshofs, ein effektiver gerichtlicher Rechtsschutz vorenthalten wird. Dies gilt umso mehr, als diese Personen in den fraglichen Rechtsbereichen häufig nicht über die notwendigen Finanzmittel verfügen, um den nationalen Rechtsweg auszuschöpfen, bzw. ein rasches Eingreifen von gerichtlicher Seite erforderlich ist. Zu den Personen, die durch Titel IV geschützt sind, gehören nämlich Asylsuchende oder Personen, die einen Antrag auf Familienzusammenführung im Sinne der Richtlinien 2003/86/EG, 2004/83/EG und 2005/85/EG stellen, Drittstaatsangehörige, die sich gegen einen Ausweisungsbeschluss oder gegen Ungleichbehandlung zur Wehr setzen, ebenso wie Minderjährige, die in Rechtsstreitigkeiten wegen Unterhaltsforderungen oder wegen der Regelung der elterlichen Verantwortung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003[11] verwickelt sind. Auch in den Zivil- und Handelssachen, die von den Verordnungen (EG) Nr. 44/2001, (EG) Nr. 1348/2000, (EG) Nr. 1206/2001 und (EG) Nr. 805/2004 erfasst sind, können Rechtsstreitigkeiten für kleine und mittlere Unternehmen schnell illusorisch oder zu teuer werden, wenn sie bis zum höchsten nationalen Gericht gehen müssen, bevor sich der Gerichtshof zu ihren Rechten äußern kann.

Die Verpflichtung, einen Rechtsstreit bis in die letzte Instanz zu verfolgen, nur um den Gerichtshof nach monate- oder jahrelangen Prozessen anrufen zu können, widerspricht nicht zuletzt auch dem Grundsatz der Verfahrensökonomie. Dies kann dazu führen, dass die Ressourcen der nationalen Gerichte, die in anderen Bereichen nach eigenem Ermessen entscheiden können, zu welchem Zeitpunkt ein Vorabentscheidungsersuchen am effizientesten ist, sinnlos vergeudet werden. Insbesondere bei Grundrechtsfragen können durch ein frühzeitiges Einschreiten des Gerichtshofs nach Artikel 234 EG-Vertrag Probleme bereits im Vorfeld gelöst werden, so dass komplizierte Rechtsfragen nicht erst vor diversen nationalen Instanzen oder gar vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs erörtert werden müssen.

Artikel 68 Absatz 2 EG-Vertrag schließt jede Zuständigkeit des Gerichtshofs für „Entscheidungen über Maßnahmen oder Beschlüsse nach Artikel 62 Nummer 1 (…), die die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit betreffen“, aus[12].

Dem Wortlaut dieses Absatzes zufolge scheint jede Kontrolle von auf der Grundlage von Artikel 62 Nummer 1 EG-Vertrag erlassenen Gemeinschaftsmaßnahmen durch den Gerichtshof ausgeschlossen, soweit diese Maßnahmen die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit betreffen. Es handelt sich hierbei konkret um Gemeinschaftsvorschriften zur Aufhebung der Personenkontrollen an den Binnengrenzen der EU einschließlich der Möglichkeit, in Ausnahmefällen solche Kontrollen vorübergehend wieder einzuführen. Da die nationalen Gerichte per definitionem auch nicht über die Gültigkeit solcher EG-Vorschriften entscheiden können[13], unterliegen diese Vorschriften keinerlei gerichtlichen Kontrolle, was sich in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts kaum vertreten lässt.

Die Unzuständigkeit des Gerichtshofs für Maßnahmen der öffentlichen Ordnung ist auch im Verhältnis zum Rest des Vertrags unlogisch. Seit den Anfängen der Gemeinschaft hatte der Gerichtshof die Aufgabe, sich zur Vereinbarkeit von nationalen Maßnahmen mit dem Gemeinschaftsrecht zu äußern, die im Anwendungsbereich der Verträge zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der inneren Sicherheit getroffen wurden. Als Beispiel sei hier auf die nationalen Rechtsvorschriften und ihre administrativen Durchführungsbestimmungen verwiesen, mit denen der freie Waren- und Kapitalverkehr, aber auch die Freizügigkeit von EU-Bürgern eingeschränkt werden kann, was sogar die Ausweisung dieser Bürger durch den Aufnahmestaat und ihre Rückführung in den Heimatstaat zum Schutz der öffentlichen Ordnung einschließen kann[14]. Der Gerichtshof hat seither stets die Verhältnismäßigkeit überprüft sowie alle anderen rechtsstaatlichen Garantien[15], die den Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Befugnisse Grenzen setzen. Dabei hat er den besonderen Bedürfnissen der öffentlichen Ordnung umfassend Rechnung getragen und den Mitgliedstaaten einen angemessenen Ermessensspielraum gelassen[16]. Im Anwendungsbereich des Titels IV sind die Mitgliedstaaten gehalten, diverse andere Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Ordnung zu treffen, die durchaus in den Zuständigkeitsbereich des Gerichtshofs fallen. In jedem Fall muss die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in einer Rechtsgemeinschaft mit substanziellen Maßnahmen legislativer und exekutiver Art verfolgt werden und nicht durch die Vorenthaltung des Rechts auf einen gesetzlichen Richter.

Der Kommission stellt sich schließlich auch die Frage, welche Folgen der Verzicht auf jedwede Anpassung der Bestimmungen des Artikels 68 EG-Vertrag im Hinblick auf die Europäische Menschenrechtskonvention haben könnte. Dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof zufolge sind die Mitgliedstaaten kollektiv für jede direkt aus dem primären Gemeinschaftsrecht folgende Verletzung der Konvention verantwortlich[17]. Zwar hat der Menschenrechtsgerichtshof bezüglich der Rechtsakte der Organe festgestellt, dass der durch das Gemeinschaftsrecht gebotene Grundrechtsschutz dem Schutz der Konvention „gleichwertig“ ist, doch gilt diese Feststellung für die allgemeine Regelung der Zuständigkeiten des EuGH im EG-Vertrag[18].

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es nach Auffassung der Kommission dringend geboten ist, den Rechtsschutz zu verstärken und die Absätze 1 und 2 des Artikels 68 EG-Vertrag außer Kraft zu setzen, damit die allgemeine Regelung des EG-Vertrags Anwendung finden kann.

c) Korrektur des Rechtsschutzdefizits bei der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen

Zwischen 1971 und 2002, als die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 in Kraft getreten ist, war der Gerichtshof nicht nur auf Antrag der letztinstanzlichen Gerichte der Mitgliedstaaten, sondern auch auf Antrag der Rechtsmittelinstanzen für Vorabentscheidungsfragen zur Auslegung des Brüsseler Übereinkommens von 1968 (Brüssel I)[19] zuständig[20]. 30 Jahre lang hat der Gerichtshof auf diese Weise den nationalen Berufungsgerichten und damit den Bürgern und Unternehmen, die mit Zivil- und Handelssachen zu tun hatten, zahlreiche wertvolle Hinweise zur Auslegung dieses Übereinkommens an die Hand geben können, das einen Meilenstein auf dem Weg zur europäischen Integration darstellt.

Es ist daher völlig paradox, dass der Vertrag von Amsterdam durch die „Vergemeinschaftung“ dieser Materie und durch die Möglichkeit für den Gesetzgeber, ältere Übereinkommen in Verordnungen umzuwandeln, über den Artikel 68 Absatz 1 EG-Vertrag gleichzeitig die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Auslegung dieser Verordnungen gravierend eingeschränkt hat, indem er Rechtsmittelinstanzen vom Vorabentscheidungsverfahren ausgenommen und dieses Verfahren nur noch letztinstanzlichen Gerichten vorbehalten hat.

Hätte eine solche Beschränkung bereits zwischen 1971 und 2002 bestanden, wäre ein Gutteil der Rechtsprechung des Gerichtshofs in Zivil- und Handelssachen[21] zweifellos gar nicht erst zustande gekommen oder hätte Bürgern und Unternehmen erst mit Verzögerung und zusätzlichen Kosten zur Verfügung gestanden. Es ist in keiner Weise zu rechtfertigen, dass Bürger und Unternehmen heute über einen geringeren Rechtsschutz verfügen sollen, als ihnen 30 Jahre lang zustand.

Nach Ablauf der Übergangszeit ist es somit an der Zeit, dass der Rat von Artikel 67 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich EG-Vertrag Gebrauch macht und die allgemeine Regelung des Artikels 234 EG-Vertrag auf den Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen ausdehnt, um dieses Rechtsschutzdefizit zu korrigieren.

d) Auf das gute Funktionieren des Gerichtshofs vertrauen können

Artikel 68 Absatz 1 EG-Vertrag dürfte sich zum Teil mit dem Anliegen erklären lassen, eine Überlastung des Gerichtshofs durch einen massiven Ansturm von Vorabentscheidungsersuchen in Rechtsfragen, die unter Titel IV fallen, zu verhindern. Eine zweite Befürchtung war möglicherweise, dass sich die nationalen Gerichtsverfahren in manchen Rechtsbereichen, insbesondere im Asylrecht, durch das Vorabentscheidungsverfahren hätten verzögern können.

Die Kommission ist der Ansicht, dass man dem Gerichtshof, der Effizienz der ihm heute zur Organisation interner Abläufe zur Verfügung stehenden Mittel sowie den inzwischen durch den Vertrag von Nizza geschaffenen neuen Möglichkeiten Vertrauen entgegenbringen muss. Der Gerichtshof kann heute eine deutliche Verkürzung der durchschnittlichen Dauer der Vorabentscheidungsverfahren vorweisen[22]. Durch Rückgriff auf das beschleunigte Verfahren hat er überdies unter Beweis gestellt, dass er rascher auf Vorabentscheidungsersuchen reagieren kann, wenn dies erforderlich ist. Erforderlichenfalls könnten auch im Wege der durch den Vertrag von Nizza eingeführten neuen Rechtsgrundlage des Artikels 245 Absatz 2 Sondervorschriften in die Satzung und in die Verfahrensordnung des Gerichtshofs aufgenommen werden, die eine sofortige Behandlung besonders dringender Fälle zuließen.

In anderen Bereichen, in denen nationale Gerichtsverfahren nicht weniger dringlich sind wie beispielsweise in Strafsachen, haben die Verträge die Möglichkeit zur Anrufung des Gerichtshofs nicht auf letztinstanzliche Gerichte beschränkt. Wenngleich der Rechtsschutz in Titel VI EU-Vertrag völlig unzureichend ist, weil er in Artikel 35 Absatz 2 eine ausdrückliche Erklärung zur Anerkennung der Zuständigkeit des Gerichtshofs für Vorabentscheidungen der Mitgliedstaaten voraussetzt, von denen nur 14 eine solche Erklärung abgegeben haben, ist merkwürdigerweise festzustellen, dass es in das Ermessen der Mitgliedstaaten, die sich für eine solche Erklärung entschieden haben, gestellt ist, ob sie allen Gerichten die Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen gestatten (was 11 Mitgliedstaaten getan haben), obwohl dies im Bereich des Titels IV nicht möglich ist.

In jedem Fall reichen auf die Arbeitsbelastung der Richter abzielende Überlegungen nach Ansicht der Kommission nicht aus, um im jetzigen Entwicklungsstadium des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts die Aufrechterhaltung einer Bestimmung zu rechtfertigen, die den effektiven gerichtlichen Rechtsschutz und die Einheit des Gemeinschaftsrechts gefährden kann.

Fazit

Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts entsteht wie Europa selbst nicht über Nacht. Seit Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam und der Sondertagung des Europäischen Rats von Tampere ist auf der Grundlage von Titel IV ein beeindruckendes Regelwerk entstanden, das den Bürgern und Einwohnern der Europäischen Union im Alltag in vielerlei Hinsicht von Nutzen ist.

Da die Übergangszeit abgelaufen ist, muss der Rat nun dringend seiner Verpflichtung aus Artikel 67 EG-Vertrag nachkommen und die Zuständigkeit des Gerichtshofs für Vorabentscheidungsfragen in vollem Umfang wiederherstellen, um das Grundrecht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz sowie die Einheitlichkeit des Gemeinschaftsrechts umfassend zu gewährleisten und so eine Lücke zu schließen, die in einem echten Rechtsraum nicht mehr zu rechtfertigen ist.

ANHANG

ENTWURF EINES BESCHLUSSES DES RATES

zur Anpassung der Bestimmungen über den Gerichtshof in den Bereichen des Titels IV des Dritten Teils des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 67 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich,

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments,

in Erwägung nachstehender Gründe:

1. Nach Artikel 68 Absatz 1 EG-Vertrag ist Artikel 234 EG-Vertrag auf Titel IV des Dritten Teils des Vertrags unter den in dieser Bestimmung vorgesehenen besonderen Umständen und Bedingungen anwendbar. Gemäß Artikel 68 Absatz 2 ist der Gerichtshof in jedem Fall nicht für Entscheidungen über Maßnahmen oder Beschlüsse nach Artikel 62 Nummer 1 zuständig, die die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit betreffen. In gleicher Weise schließt Artikel 2 Absatz 1 Unterabsatz 3 des Protokolls zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union die Zuständigkeit des Gerichtshofs für Entscheidungen über im Rahmen des Schengen-Besitzstands ergangene Maßnahmen oder Beschlüsse aus, die die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit betreffen. Gemäß Artikel 68 Absatz 3 EG-Vertrag können der Rat, die Kommission oder ein Mitgliedstaat dem Gerichtshof eine Frage der Auslegung von Titel IV oder von auf diesen Titel gestützten Rechtsakten der Organe der Gemeinschaft zur Entscheidung vorlegen. Die Entscheidung, die der Gerichtshof auf dieses Ersuchen hin fällt, gilt nicht für Urteile von Gerichten der Mitgliedstaaten, die rechtskräftig geworden sind.

2. Gemäß Artikel 67 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich EG-Vertrag fasst der Rat nach Ablauf einer Übergangszeit von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam einstimmig nach Anhörung des Europäischen Parlaments einen Beschluss, um die Bestimmungen über die Zuständigkeit des Gerichtshofs anzupassen.

3. Diese Anpassung sollte durch eine Angleichung der in den unter Titel IV fallenden Bereichen geltenden Sondervorschriften an die allgemeine Regelung des EG-Vertrags erfolgen. Diese Sondervorschriften sollten somit zugunsten der allgemeinen Vorschriften des EG-Vertrags, insbesondere seines Artikels 234, keine Anwendung mehr finden.

4. Gemäß den Artikeln 1 und 2 des Protokolls über die Position Dänemarks im Anhang zum Vertrag über die Europäische Union und zum Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieses Beschlusses, der deshalb für Dänemark weder bindend noch anwendbar ist -

BESCHLIESST:

Einziger Artikel

1. Artikel 234 EG-Vertrag findet ab dem [1. Januar 2007] Anwendung auf jedes dem Gerichtshof von einem nationalen Gericht vorgelegte Ersuchen um Entscheidung einer Frage, die die Auslegung von Titel IV des Dritten Teils des EG-Vertrags oder die Gültigkeit und Auslegung von auf diesen Titel gestützten Rechtsakten der Organe der Gemeinschaft betrifft einschließlich auf vor dem [1. Januar 2007] gestellte Ersuchen, die der Gerichtshof bis dahin noch nicht beschieden hat.

2. Artikel 2 Absatz 1 Unterabsatz 3 Satz 2 des Protokolls zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union findet ab dem [1. Januar 2007] im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts keine Anwendung mehr.

3. Artikel 68 EG-Vertrag findet ab dem [1. Januar 2007] keine Anwendung mehr.

Geschehen zu Brüssel am [...]

Im Namen des Rates Der Präsident

[1] Vgl. u. a. die Urteile des Gerichtshofs in den Rechtssachen Rs. 294/83, Les Verts/Parlament, Slg. 1986, 1339, Rdnr. 23; Rs. 224/84, Johnston, Slg. 1986, 1651, Rdnr. 18; Rs. C-50/00 P, Unión de Pequeños Agricultores, Slg. 2002, I-6677, Rdnrn. 38-40.

[2] Der Rat hat auf der Grundlage von Artikel 67 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich EG-Vertrag beschlossen, die Anwendung des Mitentscheidungsverfahrens zu erweitern; vgl. Beschluss des Rates vom 22. Dezember 2004 (2004/927/EG), ABl. L 396 vom 31.12.2004, S. 45. Aus diesem Anlass wurde folgende Erklärung der Kommission in das Protokoll des Rates aufgenommen: Die Kommission weist darauf hin, dass der Rat nach Artikel 67 Absatz 2 nicht nur die Bereiche festlegt, die dem Verfahren der Mitentscheidung unterliegen, sondern auch einen Beschluss fasst, um die Bestimmungen über die Zuständigkeit des Gerichtshofs anzupassen. Der in dem betreffenden Beschluss vorgesehene Übergang zum Mitentscheidungsverfahren in den meisten der unter Titel IV fallenden Bereichen trägt in hohem Maße zur Stärkung der demokratischen Legitimität der auf der Grundlage dieses Titels erlassenen Rechtsinstrumente bei. In dieser Hinsicht begrüßt die Kommission den Beschluss. Dessen ungeachtet ist es nicht annehmbar, dass der Beschluss keine Anpassung der Zuständigkeiten des Gerichtshofs vorsieht und somit eine Situation fortschreibt, in der der Zugang zum Gerichtshof eingeschränkt bleibt. Die Kommission ist fest davon überzeugt, dass in diesem Bereich, der so eng mit den Rechten des Einzelnen verbunden ist, ein umfassenderer Zugang zum Recht zur Stärkung der Legitimität ebenfalls unverzichtbar ist. In gleicher Weise hat sich auch das Europäische Parlament im Bericht Bourlanges vom 16. Dezember 2004 geäußert.

[3] In Absatz 3 heißt es: „Der Rat, die Kommission oder ein Mitgliedstaat können dem Gerichtshof eine Frage der Auslegung dieses Titels oder von auf diesen Titel gestützten Rechtsakten der Organe der Gemeinschaft zur Entscheidung vorlegen.“

[4] In Absatz 2 heißt es: „In jedem Fall ist der Gerichtshof nicht für Entscheidungen über Maßnahmen oder Beschlüsse nach Artikel 62 Nummer 1 zuständig, die die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit betreffen.“

[5] Siehe Bericht des Gerichtshofes über bestimmte Aspekte der Anwendung des Vertrages über die Europäische Union, 1995, S. 5-6.

[6] Siehe den Beitrag des Präsidenten des Gerichtshofs Rodríguez Iglesias zu den Arbeiten des Europäischen Konvents, CONV 572/03 vom 20. Februar 2003. Vgl. auch das Reflexionspapier des Gerichtshofs „Die Zukunft des Gerichtssystems der Europäischen Union“ aus dem Jahr 2000, in dem der Gerichtshof zwar die Ausnahmeregelung des Artikels 68 EG-Vertrag zur Kenntnis nimmt, aber gleichwohl den allgemeinen Grundsatz unterstreicht, wonach allen nationalen Gerichten die Möglichkeit erhalten bleiben sollte, den Gerichtshof anzurufen . Wie der Gerichtshof feststellt, „hängt die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts oft davon ab, daß die Antwort auf Auslegungsfragen, die vor den Gerichten aufgeworfen wurden, nicht bis in das Berufungs- oder das Revisionsverfahren offen bleibt, sondern sofort vom Gerichtshof gegeben wird, damit die Rechtsprechung in den Mitgliedstaaten der Union frühzeitig festgelegt werden kann“ (S. 26 f. des Reflexionspapiers).

[7] Die Kommission hat unlängst eine Verordnung zur Vergemeinschaftung dieses Übereinkommens vorgeschlagen [Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) - KOM(2005) 650].

[8] Siehe Fußnote 2.

[9] Rechtssache 314/85, Foto-Frost, Slg. 1987, 4199.

[10] Verbundene Rechtssachen C-143/88 und C-92/89, Zuckerfabrik Süderdithmarschen, Slg. 1991, I-415; C-465/93, Atlanta, Slg. 1995, I-3761. Die aus der Rechtsprechung Foto-Frost, Zuckerfabrik und Atlanta abgeleiteten Grundprinzipien sollten auch für Titel IV gelten. Manche Stimmen sprachen sich für eine Ausnahmeregelung aus, wonach den nationalen Gerichten ausnahmsweise die Befugnis eingeräumt werden sollte, Gemeinschaftsrechtsakte, die sie für vertragswidrig halten, nicht anzuwenden, um die in dieser Mitteilung dargelegten Rechtsschutzprobleme zu vermeiden. Dies hätte jedoch eine schwere Beeinträchtigung der Autonomie und Einheitlichkeit des Gemeinschaftsrechs zur Folge.

[11] In Anbetracht der Notwendigkeit, einen dauerhaften und wirksamen Minderjährigenschutz zu gewährleisten, müssen Rechtsstreitigkeiten, bei denen es um die elterliche Verantwortung geht, häufig kurzfristig entschieden werden. Obwohl gegen Entscheidungen auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 häufig Rechtsmittel eingelegt werden, werden sie nur selten bis zur letzten Instanz durchgefochten.

[12] Artikel 2 Absatz 1 Unterabsatz 3 des Protokolls zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union enthält parallel zu Artikel 68 Absatz 2 EG-Vertrag eine Bestimmung über die Unzuständigkeit des Gerichtshofs, die, soweit sie die in das Gemeinschaftsrecht überführten Teile des Schengen-Besitzstands betrifft, ebenfalls anzupassen wäre.

[13] Entgegen mitunter anders lautenden Ansichten steht die Kommission auf dem Standpunkt, dass dieser Absatz nicht auf nationale Maßnahmen anzuwenden ist, die auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit gerichtet sind. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von Absatz 2 selbst. Weder im Verfahren nach Artikel 226 EG-Vertrag noch im Verfahren nach Artikel 234 EG-Vertrag entscheidet der Gerichtshof über nationale Maßnahmen und Entscheidungen. Solche Maßnahmen werden auch nicht „nach Artikel 62 Nummer 1 EG-Vertrag“ erlassen.

[14] Diese Maßnahmen, die in erster Linie auf Artikel 39 Absatz 3 und Artikel 46 EG-Vertrag gestützt sind, müssen die Garantien der Richtlinie 64/221/EWG zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, beachten (ABl. 56 vom 4.4.1964, S. 850). Diese Richtlinie wurde mit Wirkung vom 30. April 2006 durch die Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004 ersetzt.

[15] Siehe u. a. die Richtlinie 64/221/EWG.

[16] Siehe u. a. Rechtssache C-100/01, Olazábal, Slg. 2002, I-10981.

[17] Siehe Urteil vom 18. Februar 1999, Matthews/Vereinigtes Königreich (Antrag Nr. 24833/94).

[18] Siehe Urteil vom 30. Juni 2005, Bosphorus/Irland (Antrag Nr. 45036/98), Rdnrn. 96-99 und 160-165. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat hieraus den Schluss gezogen, dass bei der Erfüllung von Verpflichtungen aus sekundärrechtlichen Rechtsakten eine Konformitätsvermutung im Hinblick auf die EMRK besteht.

[19] Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen.

[20] Artikel 2 des Protokolls vom 3. Juni 1971 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof. In den Anwendungsfällen des Artikels 37 des Brüsseler Übereinkommens hatten sogar erstinstanzliche Gerichte das Recht, den Gerichtshof anzurufen.

[21] Es ist besonders auffällig, dass Urteile, die für die Anwendung des Brüsseler Übereinkommens und damit für die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 von besonderer Bedeutung sind, auf Vorabentscheidungsersuchen von Berufungsgerichten hin ergangen sind. Als Beispiele seien hier aufgeführt die Urteile „Bier Mines de Potasse d’Alsace“ (Rs. 21/76), „De Bloos“ (Rs. 14/76), „Tessili“ (Rs. 12/76), „Denilauler“ (Rs. 125/79), „Mund-Fester“ (Rs. C-398-92), „Reichert“ (Rs. C-261/90) sowie „Group Josi“ (Rs. C-412/98), in dem die Anwendbarkeit des Übereinkommens auf in Drittländern wohnhaften Antragstellern geklärt wurde. Auch das Urteil „Owuzu-Jackson“ (Rs. C-281/02) ist für den Anwendungsbereich des Brüsseler Übereinkommens von grundlegender Bedeutung.

[22] Siehe zuletzt die Pressemitteilung des Gerichtshofs Nr. 14/06 vom 13. Februar 2006 mit dem Titel „Rechtsprechungsstatistiken 2005 – Konsolidierung und Fortsetzung der 2004 festgestellten Fortschritte“.

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