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Document 52005IE0849

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Beitrag der Zivilgesellschaft zu den Beziehungen zwischen der EU und Russland“

    ABl. C 294 vom 25.11.2005, p. 33–37 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

    25.11.2005   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 294/33


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Beitrag der Zivilgesellschaft zu den Beziehungen zwischen der EU und Russland“

    (2005/C 294/07)

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 1. Juli 2004, gemäß Artikel 29 der Geschäftsordnung eine Stellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten: „Beitrag der Zivilgesellschaft zu den Beziehungen zwischen der EU und Russland“.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 20. Mai 2005 an. Berichterstatter war Herr HAMRO-DROTZ.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 419. Plenartagung am 13./14. Juli 2005 (Sitzung vom 13. Juli) mit 109 gegen 2 Stimmen bei 6 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Gründe für diese Stellungnahme

    1.1

    Die Russische Föderation, die international eine wichtige Rolle spielt, ist strategischer Partner der EU. Durch die Erweiterung der EU ist die Bedeutung der nachbarschaftlichen Zusammenarbeit Russlands und der EU noch klarer hervorgetreten. Der Aufbau bestmöglicher Beziehungen zwischen der EU und Russland ist im Rahmen der Entwicklung der gemeinsamen europäischen Werte — Demokratie sowie Schutz der Menschen- und Bürgerrechte — für beide Seiten von grundlegender Bedeutung.

    1.2

    Die Entwicklung der Gesellschaft und die Verbesserung der Lebensbedingungen, der Aufbau eines Rechtsstaates und eines berechenbareren Umfelds für die Unternehmen und einer Marktwirtschaft in Russland erfordern zielbewusstes Handeln. Obgleich die Führung der Russischen Förderation diese Ziele erklärtermaßen formell unterstützt, sind sowohl der Lebensalltag als auch der Stand der Umsetzung dieser Ziele weit von den Erwartungen der russischen Gesellschaft wie der internationalen Gemeinschaft entfernt. Nach Ansicht des EWSA steht das Verhalten, das die russische Führung gegenüber Unternehmern und den Medien an den Tag legt, im Widerspruch zu der erklärten Absicht der russischen Führung, die Demokratie zu fördern und die Zivilgesellschaft zu stärken. Die tatsächliche Richtung, welche die Entwicklung in Russland nimmt, empfinden nicht nur die russischen Bürger als Besorgnis erregend. Russland vollzieht eine systematische Abkehr von der Demokratie, die Regierung kontrolliert die Medien, die russische Armee ist entgegen internationaler Verpflichtungen in der Republik Moldau und in Georgien stationiert, die Justiz ist der Politik hörig. Unter derartigen Bedingungen eine organisierte Zivilgesellschaft aufzubauen, ist daher überaus schwierig.

    1.3

    Die sich vertiefende Integration der EU, wozu der Binnenmarkt, die gemeinsame Währung und die zunehmende Zusammenarbeit in immer mehr Politikbereichen zählen, ist eine grundsätzliche Zielsetzung mit historischer Bedeutung, die sich alle Mitgliedstaaten zu eigen gemacht haben — ungeachtet der jüngsten Rückschläge auf diesem Weg. Der interne Integrationsprozess der EU darf jedoch nicht dazu führen, dass sich die Europäische Union deshalb von Russland und den anderen europäischen Staaten, deren Entwicklung anders verläuft als die in der EU, weiter absondert, da dies zur Spaltung Europas führen könnte.

    1.4

    Der Erklärung des französischen Außenministers Robert Schuman vom 9. Mai 1950 zum Aufbau eines geeinten Europas liegt zugrunde, dass das europäische Einigungswerk von dem Willen zu gleichberechtigtem Handeln zugunsten gemeinsamer Ziele, von gemeinsamen Wertvorstellungen sowie von der Aussöhnung und einer Vision der Bürger von einer gemeinsamen Zukunft getragen werden müsse. Zugleich stellte Robert Schuman fest, dass Europa nicht im Handumdrehen, sondern nur durch praktische Fortschritte errichtet werden könne, vor allem aber durch die Entwicklung eines echten Gefühls gemeinsamer Verantwortung. Die Botschaft dieser Erklärung gilt auch für die Beziehungen zwischen der EU und Russland und die Bemühungen um eine Stärkung der Zusammenarbeit.

    2.   Der Beitrag der Zivilgesellschaft zu den Beziehungen zwischen der EU und Russland

    2.1

    Die Entwicklung engerer Beziehungen zwischen der EU und Russland ist ohne eine beharrliche Unterstützung durch die europäische organisierte Zivilgesellschaft nicht denkbar. Die Zivilgesellschaft der Europäischen Union ist um eine bessere Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland sowie um die Förderung des Aufbaus zivilgesellschaftlicher Strukturen und der Demokratie in Russland bemüht.

    2.2

    Die neuen Mitgliedstaaten haben binnen eines Jahrzehnts den post-kommunistischen Übergangsprozess erfolgreich bewältigt — ihr Erfahrungsschatz ist wertvoll und könnte als Mehrwert in die Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland eingebracht werden. Besonders die zivilgesellschaftlichen Akteure dieser Länder (NRO) könnten einen wichtigen Beitrag zur Demokratisierung und zum Schutz der Menschen- und Bürgerrechte in Russland leisten.

    2.3

    Der europäische Arbeitgeberverband UNICE hat seit Jahren Empfehlungen und Erklärungen zur Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen erarbeitet; Unternehmerkreise aus der EU und Russland erörtern dieses Thema regelmäßig im Wirtschaftsforum EU/Russland und legen dem Gipfeltreffen EU-Russland ihre Standpunkte vor. Auch der Europäische Gewerkschaftsbund EGB legt dem Gipfeltreffen seine Standpunkte vor; 2004 übermittelte er zusammen mit dem Zentralverband der russischen Gewerkschaften (FNPR) ein Schreiben an den Präsidenten der Europäischen Kommission und an den russischen Präsidenten, in dem vorgeschlagen wurde, für die Gewerkschaften Russlands und der EU eine dem Wirtschaftsforum EU/Russland entsprechende Rolle zu schaffen. Andere Akteure der Zivilgesellschaft haben auf eigene Initiative nach Wegen gesucht, um ihre Ansichten zu den Beziehungen EU/Russland in ihren jeweiligen Branchen zu bekunden. Die gesellschaftliche Organisation ist in Russland nach wie vor schwach ausgeprägt, nichtstaatliche Organisationen entstehen nur langsam und spielen eine geringe Rolle.

    2.4

    Der EWSA hat in den letzten Jahren mehrere Stellungnahmen zu den Beziehungen zwischen der EU und Russland erarbeitet, bei der er sich auch auf das Funktionieren der russischen Zivilgesellschaft konzentriert hat. Die wichtigsten Stellungnahmen sind in Fußnote 1 aufgeführt. Die enthaltenen Empfehlungen wurden in der vorliegendenden Stellungnahme berücksichtigt, wobei nicht explizit auf die vorausgegangenen Stellungnahmen verwiesen wird (1). Im Zuge dieser Arbeiten konnte der EWSA direkte Kontakte zu zahlreichen Hauptakteuren der russischen Zivilgesellschaft knüpfen.

    3.   Empfehlungen

    3.1   Die Europäische Union muss zu einer einheitlicheren Russland-Politik finden und diese pragmatisch umsetzen

    3.1.1

    Die Entwicklung einer kohärenten Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland wurde dadurch beeinträchtigt, dass die einzelnen Mitgliedstaaten der EU mit Russland auf bilateraler Ebene Sonderinteressen verfolgen, und zwar auch auf Handlungsfeldern, mit denen die EU beauftragt ist. Die Entwicklung konstruktiver und offener bilateraler Beziehungen zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten und Russland darf selbstverständlich keinesfalls auf Bereiche beschränkt werden, die nicht zum Zuständigkeitsbereich der EU gehören. Bilaterale, regionale und branchenspezifische Aktionen sind im Gegenteil sehr wichtig, und jeder Mitgliedstaat der EU hat hierfür seine Verantwortung wahrzunehmen.

    3.1.2

    Damit die Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland positive Ergebnisse zeitigt, müssten die Zivilgesellschaften der EU stärker dazu bereit sein, Praktiken zur Selbstorganisation und zur Unterstützung des Wiederaufbaus der Solidaritätsnetze mit der russischen Zivilgesellschaft auszutauschen. Die Europäische Union kann das, was ihren Reichtum ausmacht, in den Dienst der russischen Zivilgesellschaft und somit Russlands stellen: ihre Vielfalt, die Pluralität der Formen ihrer gesellschaftlichen Organisation sowie das Modell eines demokratischen, gesellschaftlichen und kulturellen Austauschs, der durch diese Vielfalt und Pluralität ermöglicht wird. Alle Mitgliedstaaten müssen durch ihr Handeln gemeinsame Ziele fördern. Besonders nach der EU-Erweiterung ist dieser Aspekt noch wichtiger geworden. Offenkundig ist zudem, dass eine geradlinige Herangehensweise zu den besten Ergebnissen bei der Förderung der Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland führt. Ferner sollte die EU ihre technische Unterstützung für Russland ausbauen, das bestrebt ist, ein stabiles, demokratisches und wohlhabendes Land zu werden. Die Struktur bestehender technischer Hilfsprogramme sollte neu bewertet werden. Ein Fortschritt kann am besten in kleinen, aber entschlossenen Schritten erzielt werden.

    3.2   Die Fahrpläne sollten zur Erarbeitung einer dynamischen Vertragsgrundlage für die Beziehungen EU/Russland anregen

    3.2.1

    Die Europäische Union und Russland sind bestrebt, ihre Beziehungen ausgehend von den Fahrplänen der vier gemeinsamen Räume auf eine breite Grundlage zu stellen und zu vertiefen. Die vier gemeinsamen Räume sind: 1) der Wirtschaftsraum, 2) der gemeinsame Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, 3) der Raum der Zusammenarbeit im Bereich der äußeren Sicherheit, 4) der gemeinsame Raum der Forschung und Bildung, einschließlich der kulturellen Aspekte. Die Fahrpläne sehen etwa 400 Maßnahmen vor, die in den nächsten Jahren ergriffen werden sollen. Der EWSA hält dieses Konzept für ausgezeichnet und betont, dass die EU ihre Anstrengungen verstärken muss, um offene und breitgefächerte politische, wirtschaftliche und soziale Kontakte zwischen der EU und Russland schaffen zu können.

    3.2.2

    Die Fahrpläne greifen mehrere zivilgesellschaftlich relevante Aspekte auf, beispielsweise die vorrangigen Bereiche des Rechts- und Wirtschaftsdialogs, Förderung des Wettbewerbs, der Investitionen und des Handels, interregionale und grenzübergreifende Zusammenarbeit, Umwelt, Förderung der Beziehungen zwischen den Bürgern, Freizügigkeit, Jugend, Zusammenarbeit im Bereich Katastrophenschutz, Forschung und Erziehung, schrittweise Integration der Verkehrsnetze.

    3.2.3

    Der EWSA drängt auf eine rasche Umsetzung der Fahrpläne durch die EU und Russland. Deren Inhalt sollte kontinuierlich aktualisiert werden, damit sie so praktikabel wie möglich gestaltet werden; ihre Umsetzung sollte jährlich von beiden Seiten überprüft werden. Ferner sollten sowohl die EU als auch Russland festlegen, welche Gremien für die Umsetzung der Aktionsprogramme zuständig sind. Seinerseits ist der EWSA bereit, im Zuge der Nachbereitung dieser Stellungnahme einen aktiven Beitrag zu zivilgesellschaftlich relevanten Bereichen zu leisten. Diesbezüglich beabsichtigt er, Vorschläge zum Inhalt und zur Umsetzung der Fahrpläne vorzulegen und seine direkten Kontakte zu den Hauptakteuren der russischen Zivilgesellschaft zu intensivieren (siehe Ziffern 3.4.3 und 3.5.5).

    3.2.4

    Die zehnjährige Geltungsdauer des zu Anfang des letzten Jahrzehnts ausgehandelten Partnerschafts- und Kooperationsabkommens zwischen der EU und Russland endet 2007, falls eine der Vertragsparteien dies wünscht. Vor dem Hintergrund der Fahrpläne für die vier Kooperationsräume sollte über die Aushandlung eines neuen, zeitgemäßen Vertrags zwischen der EU und Russland entschieden werden, der auf einer strategischen Partnerschaft zwischen der EU und Russland basiert. Russland sollte ermutigt werden, noch bestehende Hemmnisse im Handel mit Waren und Dienstleistungen abzubauen und einen funktionierenden Rechtsrahmen für Investitionen zu gewährleisten, damit der Weg für ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Russland frei gemacht wird, das auf Russlands Status als Marktwirtschaft und seiner WTO-Mitgliedschaft aufbaut.

    3.2.5

    Ferner wäre gemeinsam mit Russland unter ähnlichen Vorzeichen über eine Erneuerung der regionalen Zusammenarbeit — im Rahmen der Nördlichen Dimension (einschließlich der Zusammenarbeit im Ostseeraum und in der Arktis) sowie der Zusammenarbeit im Schwarzmeerraum — zu verhandeln. Der Ausschuss stellt mit Zufriedenheit fest, dass dieser Aspekt in den Fahrplänen gebührend gewürdigt wird und fordert zu weiteren Schritten auf, um die regionale Zusammenarbeit als Teil der Beziehungen EU/Russland auszubauen.

    3.3   Die Rolle der Zivilgesellschaft muss im Rahmen der Fahrpläne für die Zusammenarbeit EU-Russland gestärkt werden

    3.3.1

    Für eine nachhaltige Gestaltung der Beziehungen zwischen der EU und Russland gibt es nur einen begrenzten Gestaltungsraum, solange das Handeln der Beteiligten nicht von gemeinsamen Wertvorstellungen getragen wird. Zu diesen gehören die persönliche Verantwortung, die Achtung des Rechtsstaats, des Individuums und des Eigentums, Menschenrechte (darunter Medienfreiheit, Abhalten freier Wahlen, politischer Pluralismus, Chancengleichheit und Minderheitsrechte), Transparenz, Unversehrtheit, Achtung der Menschenwürde, Chancengleichheit und Redefreiheit, das Recht auf gewerkschaftliche Zusammenschlüsse und die Grundrechte im Arbeitsleben, gedeihliche Beziehungen zwischen den Sozialpartnern sowie ausreichender sozialer Schutz. Ohne ihre dauerhafte Verwurzelung in den Grundfesten des sozialen, wirtschaftlichen und politischen Lebens Russlands kann keine Grundlage für Zusammenarbeit und gegenseitiges Verständnis entstehen.

    3.3.2

    Der EWSA hält die übergeordneten Ziele der Fahrpläne für sachdienlich. Er begrüßt, dass die Bedeutung gemeinsamer Werte in drei der Fahrpläne (Raum der Zusammenarbeit im Bereich der äußeren Sicherheit, Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und gemeinsamer Raum für Forschung und Bildung, einschließlich der kulturellen Aspekte) als fundamentale Grundlagen anerkannt wurde.

    3.3.3

    Eine engere Gestaltung der Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland wird davon abhängen, welche Fortschritte Russland auf diesen Gebieten macht. Der EWSA empfiehlt, dieser Thematik bei der Umsetzung der Fahrpläne besonderes Augenmerk zu schenken. Er ist der festen Überzeugung, dass konkretere Maßnahmen, die für den Aufbau einer funktionierenden Zivilgesellschaft unerlässlich sind, in die Fahrpläne aufgenommen werden sollten.

    3.3.4

    Es ist wesentlich, dass in Russland ein Umfeld entsteht, in dem die Sozialpartner und die anderen Akteure der organisierten Zivilgesellschaft selbstständig handeln und sich vertrauensvoll an den sie betreffenden Entscheidungen wirtschaftlicher und sozialer Fragen beteiligen können. Dies erfordert einen Dialog, der auf einer offenen Wechselwirkung, Gegenseitigkeit und Vernetzung beruht, was wiederum ohne freie Medien undenkbar ist. Dies setzt auch voraus, dass zentrale internationale Abkommen, darunter die IAO-Kernarbeitsnormen, in der Praxis eingehalten werden.

    3.3.5

    Die Zivilgesellschaft kann nur funktionieren, wenn die russischen Akteure in Wirtschaft und Zivilgesellschaft über ein hohes Maß an Repräsentativität und Selbstständigkeit sowie über die Fähigkeit verfügen, einen konstruktiven und transparenten, auf Sachkenntnis beruhenden Dialog mit den Behörden sowie mit anderen gesellschaftlichen Akteuren zu führen.

    3.3.6

    Der EWSA begrüßt, dass im Rahmen des zweiten gemeinsamen Raumes im Frühjahr 2005 Verhandlungen zwischen der EU und Russland über Menschen- und Grundrechte, so etwa über die Rechte der Minderheiten, aufgenommen wurden. Die Lösung nationaler Fragen und der Fragen der lokalen Selbstbestimmung, die Vermeidung des Einsatzes konfrontativer Methoden (Tschetschenien), die Menschenleben in Russland gefährden, aber auch EU-Bürger in Gefahr bringen können, sollte bei diesen Konsultationen zur Sprache kommen.

    3.3.7

    Die EU hat im Laufe der Jahre ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt, in Drittländern im Wege des Dialogs den notwendigen Wandel herbeizuführen; in diese Richtung sollten die Bestrebungen auch im Dialog mit Russland gehen. Natürlich spielen Europarat und OSZE bei diesen Themen eine zentrale Rolle. Der Ausschuss vermerkt mit Genugtuung, dass sich die EU und Russland im Rahmen der Fahrpläne darauf verständigt haben, ihre Zusammenarbeit im Rahmen dieser Foren zu stärken.

    3.3.8

    Für den Ausbau der Beziehungen EU-Russland bedarf es ausreichender wirtschaftlicher Unterstützung durch die EU. Das TACIS-Programm und andere Ressourcen sollten stärker genutzt werden, um die Zivilgesellschaft, das Bildungswesen und die unabhängigen Medien zu entwickeln, was auch im Rahmen des Europäischen Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstruments (ENPI) zu berücksichtigen ist. Der EWSA regt an, dass die Europäische Kommission einen Vorschlag ausarbeitet, wie die russische Zivilgesellschaft stärker als bisher von den einschlägigen Instrumenten der EU profitieren könnte.

    3.4   Für die Akteure der Zivilgesellschaft sollte eine angemessene Rolle bei der Verwirklichung der Fahrpläne für die Zusammenarbeit EU-Russland vorgesehen werden

    3.4.1

    Die Europäische Union hat betont, dass es ihr bei der Entwicklung der Beziehungen zwischen der EU und Russland auf qualitativ nachhaltige Lösungen und Verfahrensweisen ankommt. Damit dies gewährleistet wird, müssen die Gesichtspunkte der Zivilgesellschaft und der in ihr vertretenen Interessengruppen einbezogen werden. Aus diesem Grund ist der Aufbau einer Zivilgesellschaft in Russland so wichtig.

    3.4.2

    Der EWSA schlägt vor, dass die Rolle glaubwürdiger zivilgesellschaftlicher Akteure im Rahmen der Verfahren der Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland durch die Gründung eines beratenden Ausschusses nach Artikel 93 des Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PKA) gestärkt wird. Auf diese Weise könnte ihr Wissen optimal in die Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland eingebracht werden. Mit ähnlichen Foren — u.a. mit dem Mittelmeerraum, Indien, Lateinamerika und den AKP-Staaten — wurden im EU-Kontext gute Erfahrungen gesammelt. Nach Auffassung des EWSA gibt es auch in Russland zahlreiche Akteure, die die hierfür notwendigen Qualifikationen vorweisen können.

    3.4.3

    Der Ausschuss beabsichtigt, sich intensiv an den Überlegungen zu beteiligen, wie eine Einbindung der Zivilgesellschaft in die Zusammenarbeit EU/Russland erfolgen könnte. Die in den Ziffern 3.2.3 und 3.5.5 vorgetragene Absicht des EWSA, seine Kontakte mit den Hauptakteuren der russischen Zivilgesellschaft zu intensivieren, sollte in absehbarer Zeit nach Möglichkeit in einem beratenden Forum im Kontext der formellen Zusammenarbeit EU/Russland konkretisiert werden.

    3.5   Die Zusammenarbeit der Zivilgesellschaften der EU und Russlands sollte weiter gestärkt werden

    3.5.1

    Bestimmte Interessengruppen, darunter die Gewerkschaften, die Verbraucher, die Arbeitgeber und die Landwirte sowie weitere Gruppen der Zivilgesellschaft haben im Laufe der Jahre Kontakte mit Russland aufgebaut. Dies ist sowohl auf EU-Ebene als auch auf bilateraler Ebene geschehen. Oft nehmen auch die russischen Vertreter an der internationalen Zusammenarbeit ihrer Branche teil. Ziel ist, direkte Kontakte zwischen den Bürgerinnen und Bürgern durch Vernetzung, gegenseitige Maßnahmen sowie durch den Erfahrungs- und Wissensaustausch zu fördern. Ein Hauptanliegen der zivilgesellschaftlichen Zusammenarbeit sollte die Vertiefung des Vertrauensverhältnisses zwischen der EU und Russland sein.

    3.5.2

    Dennoch sollten künftig noch vielfältigere und breiter angelegte Beziehungen angestrebt werden, da viele russische Verbände nur spärliche Kontakte untereinander und mit vergleichbaren ausländischen Organisationen unterhalten. Die EU ruft alle Akteure der organisierten Zivilgesellschaft dazu auf, die Zusammenarbeit mit den russischen Partnern in ihrem jeweiligen Tätigkeitsbereich zu stärken und auszubauen. Die EU ihrerseits sollte Maßnahmen ergreifen, um diese Zusammenarbeit zu erleichtern.

    3.5.3

    Die Mitgliedstaaten der EU sollten ihre Anstrengungen intensivieren, die Organisationen der Zivilgesellschaft bei der Einleitung neuer Vorhaben, der Förderung von Bildungs- und Austauschprogrammen in diesem Rahmen sowie bei der Einleitung gemeinsamer Wirtschaftsvorhaben mit einzubeziehen. Die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten sollten die Öffentlichkeit auch besser über die Existenz solcher Vorhaben informieren und den zivilgesellschaftlichen Sektor in der Projektvorbereitung schulen.

    3.5.4

    Wichtig ist, Mittel und Wege zu finden, um diese Kontakte in allen Teilen Russlands zu knüpfen, darunter auch im Gebiet Kaliningrad. Die vom Ausschuss der Regionen vorgelegten Empfehlungen (2) zur Entwicklung der regionalen Zusammenarbeit sind diesbezüglich sehr zweckdienlich; der EWSA unterstützt diese Empfehlungen und empfiehlt dem Ständigen Partnerschaftsrat EU/Russland, diesem Thema in seiner Agenda einen höheren Stellenwert beizumessen.

    3.5.5

    Der EWSA wird auf Grund seiner Stellung eine Katalysatorrolle bei der Entwicklung der Beziehungen zwischen der organisierten Zivilgesellschaft in der EU und Russland übernehmen. Hierzu werden als erste Maßnahme zusammen mit den russischen Partnern regelmäßige Kontakte, gemeinsame Workshops etc. zu spezifischen Fragen organisiert (etwa zu Themen wie „Wirtschaftsreformen und Beschäftigung“, „Reform der Systeme der sozialen Sicherheit“, „Entwicklung des sozialen Dialogs in Russland“, „Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die Zusammenarbeit EU/Russland“). Dabei wird eine regelmäßige, engere Zusammenarbeit zwischen den Partnern angestrebt. Im Laufe der Zeit sollte diese Zusammenarbeit in ein beratendes Forum münden, das die Kooperationsmechanismen EU/Russland unterstützt (Ziffern 3.2.3 und 3.4.2 — 3.4.3).

    3.6   Die bilaterale Zusammenarbeit zwischen Russland und seinen Nachbarstaaten und den Zivilgesellschaften dieser Länder sollte unterstützt werden

    3.6.1

    Wichtig ist, dass parallel zum Ausbau der Beziehungen zwischen der EU und den osteuropäischen Nachbarländern auch die Beziehungen zwischen Russland und seinen osteuropäischen Nachbarländern enger werden, beispielsweise zwischen Russland und der Ukraine, aber auch der Republik Moldau und Belarus. Engere Beziehungen und ein intensiveres Wechselspiel ist bei politischen, wirtschaftlichen und sozialen Themen gefragt, die die europäische Zusammenarbeit verbessern sollen. Der EWSA schlägt vor, dass die EU eine solche Entwicklung im Rahmen der Nachbarschafts- und Partnerschaftspolitik unterstützen sollte.

    3.6.2

    Der Ausschuss empfiehlt, die grenzüberschreitenden Kontakte zwischen den Akteuren der Zivilgesellschaften in diesen Ländern in diesem Zusammenhang zu unterstützen. Der EWSA hat seinerseits Maßnahmen zur Entwicklung eines derartigen Dialogs ergriffen und wird die Kommission darüber regelmäßig unterrichten.

    3.7   Die grenzüberschreitende Mobilität zwischen der EU und Russland sollte gefördert werden

    3.7.1

    Voraussetzung für die Förderung der grenzüberschreitenden Mobilität sind gute Verkehrsverbindungen und einfaches Reisen. Der Ausschuss befürwortet Bemühungen um einen Ausbau und eine Vernetzung der Verkehrsverbindungen, was Investitionen zur Verbesserung der Infrastruktur und der Logistik sowohl in der EU als auch in Russland erfordert. Die großen internationalen Finanzinstitutionen, darunter die Europäische Investitionsbank (EIB) und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE), sind stärker in diese Vorhaben einzubeziehen.

    3.7.2

    Der Ausschuss stellt mit Genugtuung fest, dass in den Fahrplänen der Blick auf die Integration der Verkehrsnetze, auf Erleichterungen des legalen Grenzübertritts und bei der Visavergabe sowie auf das Thema der Rückübernahme gerichtet wird, wodurch Kontakte zwischen den Bürgern und Reisen zwischen der EU und Russland erleichtert werden sollen. Grenzabkommen sind die Bausteine einer reibungsloseren grenzübergreifenden Mobilität.

    3.7.3

    Die derzeitige zeitraubende und teure Visapraxis ist jedoch eine Hemmschwelle — wenn nicht gar ein Hindernis — für den Tourismus und einen engeren grenzüberschreitenden Austausch zwischen den Akteuren der Zivilgesellschaft, einschließlich Jugendliche und Studenten. Die Antragsverfahren für Visa und Arbeitserlaubnisse müssten vereinfacht werden, was wiederum ein Beitrag zur Förderung grenzüberschreitender Kontakte und der Mobilität von Einzelpersonen wäre. Deshalb ist es wichtig, dass die eingeleiteten Verhandlungen über Erleichterungen in der Visapraxis zwischen der EU und Russland möglichst bald zu einem für beide Seiten befriedigenden Ergebnis führten.

    Brüssel, den 13. Juli 2005

    Die Präsidentin

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Anne-Marie SIGMUND


    (1)  „Beziehungen der Europäischen Union zu Russland, der Ukraine und Weißrussland“, 1995.

    „TACIS - Technische Hilfe für die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten und die Mongolei“, 1996.

    „Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den Ostseeanrainerstaaten“, 1998.

    „Die nördliche Dimension und die Beziehungen zu Russland“, 1999.

    „Die nördliche Dimension: Aktionsplan für die Nördliche Dimension in den externen und grenzüberschreitenden Politikbereichen der Europäischen Union für den Zeitraum 2000-2003“, 2001.

    „Die strategische Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Russland: Wie geht es weiter?“, 2002.

    „Größeres Europa – Nachbarschaft: Ein neuer Rahmen für die Beziehungen der EU zu ihren östlichen und südlichen Nachbarn“, 2003.

    (2)  CdR 105/2004.


    ANHANG

    zu der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    A.

    Folgender Änderungsantrag, der mehr als ein Viertel der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen konnte, wurde im Verlauf der Beratungen abgelehnt:

    Ziffer 1.3

    Ziffer streichen.

    Begründung

    In Ziffer 1.1 der Stellungnahme wird festgestellt, dass die Russische Föderation ein strategischer Partner der EU ist, weshalb die Aussage in Ziffer 1.3 keinen Sinn ergibt.

    Abstimmungsergebnis:

    Ja-Stimmen: 33

    Nein-Stimmen: 64

    Stimmenthaltungen: 8


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